Therigāthā (Vers 67-126)

Lieder der Nonnen (Übersetzt von KE Neumann)

Fünfer-Bruchstück - Pañcakanipāto

 

Eine Ungenannte

67
Durch volle fünfundzwanzig Jahr',
Solang' ich wandre heimatlos,
Solange fand ich keine Rast,
Im Busen keine Ruhe je.

(Vergl. v. 39; Therag. 405f)

68
Den Geistesfrieden fand ich nicht,
Geschürt von wilder Leidenschaft,
Die Hände rang ich, ratlos, ach,
Und ging zur Klause klagend hin.
69
Getreuer Nonne zugeneigt
Vertraut' ich dieser meine Not;
Die hat gewiesen Wahrheit mir:
Entstehung, Stätte, Urbestand.
Von ihr gewitzigt, aufgeweckt,
Verweilt' ich einsam, ungesellt.

(Vergl. v. 43)

70
Nun weiß ich was ich jeher war,
Mein Aug' ist himmlisch abgeklärt,
Das Herz erhell' ich durch und durch,
Mein Ohr ist innen ruhig, rein.

(Vergl. Therag. 332, 1262)

71
Erworben hab' ich Wunderkraft,
Gekreuzt, versiegt was Wähnen war,
Sechs Wissensziele selbst erzeugt,
Geschaffen was der Meister schafft.

Vimalā / Ehmals Die Buhlin

72
In Schönheit schimmernd, reizberauscht,
Von Glück und Glanz verwöhnt, verwirrt,
Von Jugendleben, Jugendlust
Verlacht' ich alle andern laut.

(Vergl. v. 25. Therag. 268, 463)

73
Geschmückt, geschminkt war dieser Leib
Zu locken lieblich Toren an:
So lehnt' ich in der Angel einst,
Wie schlau der Jäger Schlingen legt.
74
Mit Spange spielend, Reif und Ring
Verhieß ich gern geheime Huld,
Gewandt in Buhlerkünsten fein,
Gar vieler spottend, spaßergetzt.
75
Mit Bettelbissen heute satt,
Geschoren kahl, gekleidet fahl,
Im Forste sitz' ich, baumbeschirmt,
Verloren selig, abgelöst.

(Vergl. v. 32)

76
Und aller Fron ist ausgefrönt,
So Götterfron, so Menschenfron,
Verworfen jeder Wunsch und Wahn:
Erloschen bin ich, bin entlebt.

(Vergl. v. 47)

Sīhā

77
Aus Flattersucht und flauem Sinn
Gequält von wilder Leidenschaft,
Und aufgeschürt und aufgescheucht,
War elend machtlos mein Gemüt.
78
Umgarnt, umfangen von Begier,
Genußbedacht, genußbedient,
Erfand ich Frieden freilich nicht,
Gehetzt im Herzen immer neu.
79
Und abgezehrt und bleich und blaß
Gepilgert bin ich sieben Jahr':
Und nicht bei Tage, nicht bei Nacht
War je gestillt mein Jammer, ach!
80
Da hab' ich härnen Bast gepackt
Und bin gerannt in Wald und Brühl:
«Weit besser mich erhängen hier
Als unter Menschen sündig sein!»
81
Die Schlinge hatt' ich drall gedreht,
Geschlungen richtig um den Ast:
Ich hob den Hals zum Hochgericht
Auf einmal ist mein Herz geheilt.

Nandā (II)

82
«Den siechen, vollen, faulen Leib,
Sieh', Nandā, dir den Körper an:
Im Schauder schaffe heil das Herz,
Geeinigt innen, fest gefügt.

(Vergl. v 19)

83
«Wie Dieses ist ist Jenes dort,
Wie Jenes wieder Dieses da,
Verwesung wehend, atmend aus,
Der Toren Labsal, Toren Lust.»

(Vergl. Therag.396)

84
Ich hab' ihn also angesehn,
Beharrlich tapfer Tag um Tag,
Erkundet endlich selber sacht,
Voll Ekel seine Art erkannt:
85
Ich hab' ihn ernst, ich hab' ihn echt
Gesondert, unterschieden hier,
Begriffen gründlich diesen Leib,
Von außen deutlich, innen licht.
86
Und Abscheu vor dem Körpcr da
Und Widerwillen fühlt' ich tief
Bin heute rüstig rein gelöst,
Erloschen, heilig ausgekühlt.

Nanduttarā

87
Die Opferflamme, Sonne, Mond
Und Götter hab' ich angefleht,
Und wallgefahrtet manchen Fluß,
In mancher Flut gebadet mich.
88
Und viel Gelübde löst' ich aus:
Zur Hälfte schor ich ab das Haar,
Der nackte Boden war mein Bett,
Am Abend nüchtern aß ich nicht.
89
Geschmeide liebt' ich, lichten Schmuck:
Mit Öl und Salbe, Nardenduft
Bedient' ich diesen Körper gern,
Gekirrt von gierer Sinnensucht.
90
Da hab' ich einst aus Zuversicht
Verzichtet, Haus und Hof entsagt,
Erkannt was dieser Körper ist,
Vergessen gierer Sinnensucht.
91
Getilgt ist alles Dasein aus
Und jedes Haften, jeder Hang,
Bezwungen aller Joche Zwang,
Erobert Ebbung inniglich.

Mittakālī

92
Ich hab' entsagt aus Zuversicht,
Verlassen Haus, verlassen Hof;
Und sieh': Almosen, Ehre, Ruhm
Hat mich im Innern aufgeregt.

(Vergl. M 29)

93
Das beste Ziel verfehlt' ich so,
Dem bösen Ziele zugewandt:
Begierden dient' ich, abgekehrt
Vom Ziele, das Asketen ziemt.
94
Da fiel Entsetzen einst mich an
Die einsam in der Zelle saß:
«Im Sumpfe sink' ich elend ein,
Hinabgezerrt von Daseinsdurst!
95
«Nur kurze Frist noch frommen kann,
Und Alter nagt und Übel nagt
Bis dieser Körper da zergeht:
Kein Zögern taugt mir, kein Verzug.»
96
Besonnen hab' ich hingesehn
Wie Teil um Teil entsteht und stirbt,
Bin aufgestanden lasterlöst:
Das Meisterwort, es war erfüllt.

(Vergl. Therag. 121)

Sakulā

97
Im Hause weilt' ich, hausgewohnt,
Als einst ein Mönch bei mir erschien
Und Wahrheit wies: und ich ersah
Das wahnlos ewig reine Reich.
98
Die Tochter ließ ich, ließ den Sohn,
Gefüllte Scheunen, helles Gold,
Und kahlgeschoren zog ich fort
Als Bettelnonne, heimatlos.
99
Um Ruhe warb ich, warb um Rast:
Und Pfad und Fährte fand ich bald,
Ließ Haß und Liebe hinter mir
Und Wunsch und Wähnen allzumal.
100
Zur Nonne war ich nun erkürt,
Erkannte Sein und Wiedersein,
Geklärt im Auge himmlisch ab,
So licht und heiter, lauter, echt.
101
Die Unterschiede schau' ich durch:
Bedingt bestehn sie, stürzen ein;
Der Wahn ist endlich ausgewähnt,
Erloschen bin ich, bin entlebt.

Sonā

102
Zehn Kinder hab' Ich mein genannt,
In diesem Körper reif genährt;
Hab' erst im Alter, grämlich, grau,
Die Nonne nah' gesehnt, gesucht.
103
Die hat gewiesen Wahrheit mir:
Entstehung, Stätte, Urbestand;
Von ihr gewitzigt, aufgeweckt,
Bin gern gegangen, kahl und fahl.

(Vergl. v. 43)

104
Und weil ich kämpfe kühngemut
Wird himmlisch hell das Auge mir,
Verwirktes Wesen wird mir kund,
Ich weiß es was ich jeher war.
105
Was nirgend reizt erring' ich nun,
Geeinigt innen, fest gefügt,
In unbegrenzter Ewigkeit
Erloschen gänzlich, grunderlöst.
106
Der Fünferstrunk (khandha), er ist erforscht,
Er ist gefällt am Wurzelkamm:
In steter Stille fass' ich fuß,
Und nimmer gibt es Wiedersein.

(Vergl. Therag. 90, 120, 440; 1160)

Bhaddā / Die Ehmalige Jainin

107
Kein Haar am Haupte (*), schmutzbeschmiert,
Im bloßen Hemde ging ich um: -
Unedle Weise hielt ich wert
Und unwert was da edel ist.

(*) lūnakesī, mit ausgerauftem Haar.

108
Nach Tagesdiensten wollt' ich ruhn
Im Abendrot am Geierkulm:
Da sah ich heiter sitzen, wach,
Den Herrn mit seiner Jünger Schar.
 

(Vergl. v. 48)

109
Zu Boden sank ich, bog das Knie,
Die Hände hob ich auf zu Ihm:
«Willkommen, Bhaddā!» sprach der Herr,
Bot also mir den Weihegruß.
 

(Vergl. Therag. 478, 625, 870)

 
110
Durch Magadhā, Bengālen durch.
Benāres, Vajjī, Kosalā,
Gepilgert bin ich fünfzig Jahr',
Mit Bettelbissen selig satt.

(Vergl. v. 2)

111
Erworben hat er vieles Heil,
Der weise Gönner, kluge Mann,
Der Kleidung mir als Gabe gab,
Der allenterbten freien Frau.

Patācārā

112
Mit Pflügen pflügt man Äcker auf,
Sät in die Erde Samen ein:
Um Weib und Kinder sorgen sie,
Erwerben Geld, erwerben Gut.
 

(Vergl. Therag.530f)

113
Warum erwerb' ich, tugendreich,
Im reinen Orden echt bewährt,
Erlöschung nicht, Erlösung nicht
In ernstem Eifer, zäher Zucht?
114
Und als ich einst am Bache saß,
Im Wasser so die Füße wusch,
Gewahrt' ich wie die Welle fließt
Und flüchtig weiter wellt hinab:
Da hielt ich rüstig an das Herz,
Gleichwie man hält ein edles Roß.
115
Zur Klause bin ich heimgekehrt;
Ich nahm die Lampe für die Nacht,
Besah den rechten Ruhesitz
Und setzte mich aufs Lager hin.
116
Die Lampennadel faßt' ich nun
Und ließ den Docht nach unten ziehn:
Und wie die Leuchte sanft erlosch
War da mein Wähnen ausgelöscht.

Patācārā Und Ihre Nonnen

117
PATĀCĀRĀ:
«In Mörsern stampft man Reis zurecht,
Zerstößt das Korn in mildes Mehl:
Um Weib und Kinder sorgen sie,
Erwerben Geld, erwerben Gut.
118
«Des Ordens Regel achtet rein,
Daß keine Reue keimen mag;
Den Staub der Füße, wascht ihn ab,
Und setzt euch dann zur Seite still:
Im Innern sollt ihr einig sein,
Des Ordens Regel achtet rein!»
119
Die Schwestern hörten wohl das Wort,
Der Patācārā Heilgebot:
Sie spülten ab der Füße Staub
Und saßen still zur Seite dann,
Der eignen Ebbung eingedenk,
Erschufen was der Meister schafft.
120
Am Abend, um die Dämmerzeit,
Gewahrten sie das Wandelsein;
Um Mitternacht ward himmlisch hell
Ihr Antlitz, innen abgeklärt;
Und als der junge Tag erschien
War Nacht und Nebel fortgescheucht.
 

(Vergl. Therag. 627)

121
Sie kamen her, entboten Gruß:
«Das Heilgebot, es ist erfüllt!
Den Dreiunddreißig Göttern gleich,
Die Sakko dienen weil er siegt, *
Sieh' uns zu Füßen, die du führst,
Dreifach gewitzigt, ausgewähnt.»
 

(* Zur Legende vom Siege Sakkos über die Dämonen siehe M 37)

Candā

122
Bekümmert, elend lebt' ich einst,
Verwaist als Witwe, kinderlos:
Und ohne Bruder, ohne Freund
Entbehrt' ich Mahl und Mantel bald.
123
So nahm ich Napf und Wanderstab,
Ging bettelnd hin von Haus zu Haus.
In Frost und Hitze sieben Jahr'
Gepilgert bin ich fremd umher.
124
Gar manche Nonne sah ich gehn,
Gespeist, gelabt von milder Hand:
Und einmal hab' ich laut gefleht
Um Zuflucht bei der Schwestern Schar.
125
Und Patācārā war es, ja,
Die mich aus Mitleid hat erhört,
Gewiesen dann, gewitzigt hat
Und eingeweiht in höchstes Heil.
126
Ihr Wort, ich nahm es willig an,
Und ihr Gebot war bald erfüllt;
Umsonst nicht gab sie Kunde mir:
Drei Wissen merk' ich, wahnversiegt.
 

(Vergl. v. 150; Therag. 203, 508, 837)


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