Therigāthā (Vers 127-174)
Lieder der Nonnen (Übersetzt von KE Neumann)
Sechser-Bruchstück - Chakkanipāto
Patācārā / Die Fünfmal Feine
- 127
- «Wo keinen Weg du wissen kannst
- Von ihm der kommt und wieder geht,
- Gekommen ungekannt woher,
- Da willst du seufzen 'Ach, mein Sohn'?
(Vergl. v. 51-53)
- 128
- «Ja, wüsstest wirklich du den Weg
- Von seinem Kommen, seinem Gehn,
- Du weintest nimmer neu um ihn:
- Denn was entstanden ist erstirbt.
-
- 129
- «Als ungebeten kam er her,
- Als unentboten ging er hin,
- Wozu gekommen, weiß ich kaum,
- Auf kurze Tage, karge Zeit.
-
- 130
- «Von dir entwesen weilt er dort,
- Von dort entwest er weiter dann;
- Verwesen, wird er wieder Mensch
- Allmälig werden, wandelbar,
- Gekommen gleich, gegangen gleich:
- So gib mir Kunde, was du weinst?»
-
- 131
- Vom Stachel ward ich so geheilt,
- Der tief im Herzen heimlich stach:
- Verschmachtend um das tote Kind
- Genas ich also, schmerzvernarbt.
-
- 132
- Kein Stachel sticht mich heute wund,
- Erloschen bin ich, ausgelebt;
- Mein Hort und Helfer ist der Herr,
- Des Weisen Satzung, sein Gebot.
-
Vāsitthī
- 133
- Aus Kummer um des Kindes Tod
- In Irrsinn taumelnd, hirnverrückt,
- Die Haare raufend, blöd entblößt,
- So lief ich lachend hin und her.
-
- 134
- Im Gassenkehricht, Gassenkot,
- Im Leichenhof, im Straßenstaub
- Drei Jahre lungernd lag ich um,
- Von Durst und Hunger heimgesucht.
-
- 135
- Da hab' ich Ihn gesehn dereinst
- In Mithilā, den Meisterherrn,
- Der Unbezähmte zähmen kann,
- Der, auferwacht, kein Fürchten kennt.
-
(Mithilā, die uralte Hauptstadt von Videhā, in der nördlichen Gangesebene,
an den Vorbergen Nepāls gelegen, ist noch (um 1900) nicht ausgegraben; nahebei
heute Janakapur, in Nepāl.)
- 136
- Und plötzlich war mein Geist geklärt!
- Mit frohem Gruße ging ich hin:
- Und Er hat Wahrheit offenbart
- Aus Mitleid mir, Herr Gotamo.
-
- 137
- Sein Wort, ich hab' es wohl gehört;
- Gewandert bin ich weiter dann
- Als Nonne, hold genommen auf:
- Und helle Spur war bald erspäht.
-
- 138
- Und aller Gram ist ausgegrämt,
- Verloren, ewig abgelöscht:
- Gefunden hab' ich fein den Grund,
- Woher das Grämen quälend quillt.
-
Khemā
- 139
- DER VERSUCHER:
- So jung bist du, bist, ach, so schön,
- Und ich bin jung, und ich bin sanft:
- So komm', o Khemā, lass' Musik
- Im Fünferspiel ergetzen uns!
(Vergl. Therag. 398)
- 140
- Khemā:
- Der eitersam gefüllte Leib,
- Der siech verseucht ist, faul zerfällt,
- Entsetzt mich nur, empört mich nur:
- Verleugnet hab' ich Liebeshuld.
-
- 141
- Wie Lanzenspitze seh' ich Lust
- Die Sinne reizen, reißen auf:
- Und was du heißest Liebeslust,
- Nur Unlust dünkt mich heute das.
(Vergl. v. 58f)
-
- 142
- Und alle Neigung ist vertilgt,
- Und Nacht und Nebel durchgeteilt;
- Ich raun' es dir, Verruchter, zu:
- Zermalmt ist deine Todesmacht.
-
- 143
- Im Sternendienste sternentzückt,
- Im Walde betend Feuer an,
- Entraten rechter Wissenschaft,
- Auf Sühne sannen Toren so.
(Vergl. Therag. 219)
- 144
- Ich aber, ich verehre Ihn,
- Den auferwachten höchsten Herrn,
- Bin losgelöst von allem Weh',
- Im reinen Orden echt bewährt.
(Vergl. v. 113)
-
Sujātā
- 145 - 146
- In seidnen Schleiern, goldnem Schmuck,
- Bekränzt mit Blumen, blaß gesalbt,
- Behangen mit Geschmeide hell
- Inmitten meiner Mägde Schar,
- Versehn mit Reis und kühler Milch,
- Mit süßem Backwerk, frischem Obst:
- So fuhr ich fröhlich fort von Haus
- Zum Freudenfest im Gartenhain.
-
- 147
- Nach Tanz und Spiel vergnügt genug
- Von hinnen fahrend heimwärts dann
- Ein Kloster sah ich, ging hinein,
- Bei Sāketam, am Waldessaum.
(Sāketam, eine der beiden Residenzstädte von Kosalā.)
- 148
- Den Welterleuchter (*) fand ich dort!
- Ich bot ihm Gruß, ich saß beiseit:
- Und Er hat Wahrheit offenbart
- Aus Mitleid mir, der Seherfürst.
(*) lokapajjoto, wörtlich: die Leuchte der Welt.
- 149
- Des hohen Denkers heilig Wort,
- Begriffen hab' ich gründlich das,
- Verstanden auf der Stelle gleich,
- Das ewig reine Glück erfasst.
-
- 150
- Und also innig aufgeklärt
- Verlassen hab' ich Haus und Heim;
- Drei Wissen weiß ich, nicht umsonst
- Ist mir das Meisterwort gesagt.
(Vergl. v. 126)
-
Anopamā
- 151
- Von stolzem Hause stamm' ich ab,
- Geboren hoch und hold begabt
- Mit Anmut, Schönheit, Reichtum, Pracht,
- Als Vaters Tochter echt gezeugt.
-
- 152
- Gefreit von tapfern Prinzen bald,
- Von reichen Söhnen bald begehrt,
- Kam Botschaft an den Vater einst:
- «Die beste Maid erbitt' ich mir!
-
- 153
- «So viel sie wiegt, gewogen gut,
- Anopamā, die Tochter dein,
- Ich geb' dir achtmal so viel Gold,
- Juwelen, Perlen, was du willst!»
-
- 154
- Und, ach, da sah den Sieger ich,
- Den welterhabnen, höchsten Mann:
- Zu Füßen fiel ich, bot ihm Gruß,
- Und saß dann nieder, nah' beiseit.
-
- 155
- Und Er hat Wahrheit offenbart
- Aus Mitleid mir, Herr Gotamo;
- Am selben Sitze saß ich noch
- Und gar genesen dreifach schon.
-
- 156
- Und kahlgeschoren zog ich fort
- Als Bettelnonne, heimatlos;
- Und sieben Nächte zähl' ich nun
- Seit alle Sucht ist aufgezehrt.
(Vergl. v. 41)
-
Pajāpatī / Die Große Gotamidin
(Die jüngere Schwester der Königin Mahā-Māyā und Pflegemutter des Prinzen
Siddhattha. Über die von ihr vom Buddha erbetene Begründung des Nonnenordens
siehe A.VIII.51. Sie erhielt als
erste die Nonnen-Ordination. M.142, 146.)
- 157
- Erwachter Held, Verehrung dir,
- Dem höchsten Wesen aller Welt,
- Erlöser mir aus Leiden du,
- Erlöser vielem, vielem Volk!
-
- 158
- Das ganze Weh' ist wohl erkannt,
- Und Sucht, als Ursach, aufgezehrt,
- Und hier der achtgeteilte Pfad
- Vollendet bis zum Ziele hin.
-
- 159
- Als Vater, Mutter, Bruder, Kind,
- Als Ahne war ich eher da:
- Was einzig not ist wußt' ich nicht,
- Bin elend auf und ab gewallt.
(Vergl. Therag. 78)
- 160
- Den Meister hab' ich jetzt gemerkt!
- Das letzte Dasein leb' ich nun,
- Zunichte geht die Wandelwelt,
- Und nimmer gibt es Wiedersein.
(Vergl. v. 22)
- 161
- In ernstem Eifer, zäher Zucht,
- Beständig standhaft, unverzagt
- Und einig sieh' die Jünger dein:
- So ehrt man wache Meister echt.
-
- 162
- In ernstem Eifer, zäher Zucht,
- Beständig standhaft, unverzagt
- Und einig sieh' die Jünger dein:
- So ehrt man wache Meister echt.
-
- 162
- Zum Heile vieler hat, fürwahr,
- Maya geboren dich, o Herr,
- Der uns vor Todeswunden wahrt,
- Aus Leid und Übel tapfer löst.
-
Guttā
- 163
- WARUM du ließest Haus und Hof
- Und Kind, so heiß geliebt, zurück,
- Erkämpf' es, jenes kühne Ziel,
- Dem Herzen hänge nimmer nach!
-
- 164
- Das Herz verlockt uns lügenhaft:
- Wo Tod gebietet liebt es Lust!
- In öder, irrer Wandelwelt
- Verblendet wandern blöde wir.
(Vergl. Therag. 78)
- 165-166
- Und Wunschbegier, und Hassensgroll
- Und Sehnsucht immer da zu sein,
- Und Aftertugend, Afterdienst,
- Und fünftens feige Zweifel noch:
- O Nonne, hast du heil dies Netz,
- Das niederzieht und niederzerrt
- Und niederhält, gerissen durch,
- So fährst du nimmer wieder her!
-
- 167
- Und hast du Hangen, Dünkel, Durst
- Und Hochmut gänzlich abgelegt,
- Verleugnet was da fesseln kann,
- So wirst du enden alles Leid.
(Vergl. Therag. 84, 195, 257; M 9)
- 168
- Verwirf sie, diese Wandelwelt,
- Gewahr' es, dieses Wiedersein:
- Und lebst du gleich, du bist erlöst,
- Erloschen wirst du weiter ziehn.
-
Vijayā
- 169
- Zum vierten Male, fünften Mal
- Ging aus der Klause weit ich weg,
- Unmut im Busen, ungeeint,
- Ohnmächtig elend im Gemüt!
(Vergl. v. 42f)
-
- 170
- Da hab' ich ernst und ehrlich einst
- Erfahrne Schwester frei gefragt;
- Die hat gewiesen offenbar
- Die Stätte mir, den Urbestand,
- 171
- Und Wahrheit, heilig, viergeteilt,
- Besinnung, selig geistbegabt,
- Erweckung, endlich achtmal fein
- Die Fährte dann zum höchsten Ziel.
(Vergl. Therag. 492)
- 172-173
- Ihr Wort, ich nahm es willig an,
- Und ihr Gebot war bald erfüllt:
- Am Abend um die Dämmerzeit,
- Erkannt' ich Sein und Wiedersein;
- Um Mitternacht ward himmlisch hell
- Mein Antlitz, innen abgeklärt;
- Und als der junge Tag erschien
- War Nacht und Nebel fortgescheucht.
(Vergl. v. 120)
- 174
- Mit Wonnestrahlen hatt' ich kühl
- Den Körper durch und durch gestrählt;
- Und sieben Tage saß ich still:
- Am achten stand ich heiter auf.