(von KE Neumann)
(Nāgasamālo wird am Ende von M 12 genannt.)
267
IN seidnen Schleiern, goldnem Schmuck,
Bekränzt, mit Sandel kraß geschminkt,
Im Takte tanzt' ein Dirnchen dort
Bei Lautenschlag die Lände lang.
Und als ich bettelnd kam vorbei,
Von Haus zu Haus, erkannt' ich sie,
In seidnen Schleiern, goldnem Schmuck,
Wie schlau der Tod die Schlinge legt:
Und gründlich ward ich aufgemischt,
Ergriffen innig im Gemüt,
Das Elend sah ich offenbar,
Den Unrat ragen rings umher.
270
Und alle Fesseln fielen ab -
O sieh' wie stark die Lehre wirkt -
Das Wissen ging mir dreifach auf,
Das Meisterwort, es war erfüllt.
271
VON matter Müde übermannt
In Klosterstille, stand ich auf,
'Zum Garten wollt' ich, wollte gehn,
Da stürzt' ich schwach zur Schwelle gleich.
272
Ich rieb die Rippen, hob mich hoch,
Begann aufs neue nun den Gang,
Und ging im Garten auf und ab,
Im Innern standhaft, eigenstark.
273
Und gründlich ward ich aufgemischt,
Ergriffen innig im Gemüt,
Das Elend sah ich offenbar,
Den Unrat ragen rings umher.
274
Und alle Fesseln fielen ab -
O sieh' wie stark die Lehre wirkt -
Das Wissen ging mir dreifach auf,
Das Meisterwort, es war erfüllt.
275
DIE Menschen sehn es selten ein,
Daß Dulden uns geduldig macht:
Doch wer es einsieht, wer es weiß
Gibt alles Eifern willig auf.
276
Wo Toren eifern unbedacht,
Kein Sterbestündlein kommen sehn,
Sind Kenner, klüglich aufgeklärt,
Gesunden unter Siechen gleich.
277
Was taugen Taten, lässig, lau,
Gelübde, listig abgelegt?
Asketentum in Säumigkeit
Hat karge Süße, kargen Lohn.
278
Wer unter Jüngern echter Art
Zu Ehr' und Ansehn nicht gelangt,
Von echter Tugend steht er weit,
Wie Wolken weit vom Staube stehn.
NANDAKO:
(Einer Versucherin gegenüber)
279
Du Schande, scheußlich angefüllt,
Der Todesdiener faul Gefäß:
Neun Höhlen (*) hast im Leibe du,
Neun Tröpfelquellen träufeln stets!
(*) Augen, Ohren, Nasenlöcher, Mund, After und Scham.
280
Vergangner Gunst gedenke nicht
Und nicht versuche Sieger du:
Nicht einmal Götter gieren dein,
Wie mag da missen dich der Mensch!
281
Doch wer da blöde, wer verblüfft
In blindem Wahne gaffend geht
Begeilt sich dran, ergetzt sich dran,
In Todesbanden todesbang.
282
Wer gierentgangen, haßgeheilt
Den ganzen Wahn verwunden hat
Begeilt sich nicht, ergetzt sich nicht.
Ist fronentfahren fesselfrei.
283
DURCH fünfundfünfzig Jahre hin
Beschmiert ich schmutzig mir die Haut,
Die Fasten übt' ich Mond um Mond,
Riß aus das Haar mir, aus den Bart.
(Zur Praxis indischer Büßer siehe M 12, 36, 45, 57)
284
Auf einem Fuße stand ich, starr,
Entsagte Sitz und Lagerstatt,
Aß trocknen Dreck, der Kühe Kot,
Ein Mittagmahl, ich nahm's nicht an.
285
Und also übt' ich üble Zucht,
In eitel Elend arg verzerrt -:
Da brach der Strom die Bresche durch
Und trieb mich hin zum wachen Herrn!
(Vergl. v. 880)
286
Gerettet sieh' mich rasten heut,
O sieh' wie stark die Lehre wirkt:
Drei Wissenschaften sind geschafft,
Erfüllt ist was der Herr befiehlt.
287
WILLKOMMEN, wahrlich, war Er mir,
Zu Gayā dort, in Gayerau,
Der wache Seher, den ich sah,
Der besten Botschaft Weiheherr:
Die Gayā, an der die uralte gleichnamige Stadt liegt, wird heute noch, wie einst, auch Phalgu, die Rötliche genannt.
288
Der glanzverklärte Scharenfürst,
Der Herde Führer, Herde Haupt,
Der Überwinder aller Welt,
Wie keiner köstlich anzuschaun,
289
Der hehre Herrscher, helle Held,
So sonnenheiter, sonnenhoch,
Entwunden allem Wust und Wahn,
Der Meister, der kein Fürchten kennt!
290
Beklommen lang in Ach und Angst,
Ins Garn des Glaubens (*) eingegarnt,
Ward heil vom Herrn ich losgelöst,
Von allen Knoten abgeknüpft.
Zum Garn des Glaubens, Garn der Ansichten, ditthisandānam, M 2.
291
WER hastig eilt wo Zögern ziemt,
Wer zögert wo nur Eile hilft:
Mit blödem Blicke, flüchtig, flach,
Der Tor, er läuft in Leiden hin.
292
Sein Wohl nimmt ab von Tag zu Tag,
Gleichwie der Vollmond schwindend schweift,
Und Schimpf und Schande folgen bald,
Entfremdet fragt kein Freund um ihn.
293
Wer zögert wo da Zögern ziemt,
Wer eilig geht wo Eile gilt:
Mit blitzem Blicke, fleißig, flink,
Erwirkt ein Weiser glaues Glück.
294
Sein Wohl nimmt zu von Tag zu Tag,
Gleichwie der Neumond schweifend schwillt,
Und Lob erlangt er, reichen Ruhm,
Und Freundschaft gibt sich fröhlich, gern.
295
IN Gnaden, doppelt gnadenreich,
So bin ich «Gnaden-Rāhulo»:
Bin Sohn des wachen Siegerherrn,
Bin Seher, der die Wahrheit sieht !
296
Weil aller Wahn ist ausgewirkt,
Weil nie sich Wiedersein erneut,
Bin heil ich, bin erhaben hier:
Drei Wissen weiß ich, sehe Sieg.
297
AUS Liebe blind, ins Netz vernarrt,
In Sehnsucht sind wir eingeschnürt:
So fängt uns, faßt uns falsch der Tod,
Gleichwie die Reuse Fische rafft.
298
Ja, solche Liebschaft ist gelöst,
Die Todesfessel abgefeilt,
Der Durst nach Dasein ausgetilgt:
Erloschen bin ich, bin entlebt.
299
MIT Gold umgürtet, reich umreift,
Inmitten ihrer Mägde Schar,
Zu Hüften haltend unser Kind,
So kam zu mir die Gattin mein.
300
Und als die Mutter näher kam
Mit meinem Kinde, kannt' ich sie,
In seidnen Schleiern, goldnem Schmuck,
Wie schlau der Tod die Schlinge legt:
301
Und gründlich ward ich aufgemischt,
Ergriffen innig im Gemüt,
Das Elend sah ich offenbar,
Den Unrat ragen rings umher.
302
Und alle Fesseln fielen ab -
O sieh' wie stark die Lehre wirkt -
Das Wissen ging mir dreifach auf,
Das Meisterwort, es war erfüllt.
303
DAS Rechte rettet, wahrlich, den Gerechten,
Das Rechte, recht errungen, wirkt Gewährung:
Das taugt als Tugend Rechtem, recht errungen,
Daß falscher Fahrt Gerechte sind entronnen.
304
Denn Recht und Unrecht ist nicht gleich,
Ist ungleich hier, ist ungleich dort:
Zum Abweg hetzt uns Unrecht hin,
Empor zur Höhe hebt uns Recht.
305
Den Willen richte drum gar wohl auf Rechtes du:
In solchem Sinne selig treu dem hehren Herrn,
Im Rechten rüstig, besten Meisters Jünger hier,
Bestehn die Starken bester Rettung Meisterschaft.
Der Knäul im Innern ist entknüllt,
Zerrissen rasch der Lüste List:
Versiegt ist Wandelsein, entfremdet bin ich frei,
Entwölkt gleichwie der volle Mond um Mitternacht.
307
WANN dort ein Kranich, blaß gefiedert, flügelgrau,
Vor dunkler Wolken Flucht in Ängsten eilig schwirrt,
Zum Nest hernieder schwebend sichre Nähe sucht:
Gar wohlig tönt mir dann der Ache Wasserschwall.
308
Wann dort ein Kranich, silbern blitzend, fahl gefärbt,
Vor dunkler Wolken Flucht in Angsten eilig schwirrt,
Zum Horste schwebend, bänglich kreisend, Bergung sucht:
Gar wohlig tönt mir dann der Ache Wasserschwall.
309
Wen dünkt nicht lieblich diese Au,
Mit Rosenäpfeln reich umrankt?
Sie blinken hell am Ufer hin,
Umblühn der Felsen festen Fuß.
310
Von wildem Würgervolk umlauert rings
Erlauschen Unken leisen Unkenruf:
«Aus Bergesbächen hüpfe heute keines fort,
In kühlen Wassern wohlig gleitend, hoch beglückt!»
311
Aus Notdurft zog ich fort von Haus,
Fand Eingang in den Orden hier:
Und Zuversicht, sie ward erzeugt,
Ich kämpfte kühn und unverzagt.
312
«Zergehn mag dieser Körper da,
In Fetzen fallen los der Leib,
In beiden Knieen, knochenfest,
Soll Scheibe, Schiene bersten aus:
313
«Nicht essen will ich, trinken nicht,
Nicht eher aus der Öde gehn,
Nicht eher ruhen, rasten nicht,
Bis ausgedarrt ist aller Durst!»
314
Und weil ich rang und weil ich riet -
O sieh' des Mutes Übermacht -
Da ging mir Wissen dreifach auf,
Das Meisterwort, es war erfüllt.