Sīlappabhedakathā
(10)
Auf diese Frage lautet die Antwort:
(I) Mit Hinsicht auf ihr eignes Merkmal ist die ganze Sittlichkeit von einer Art.
(II) Zweifach ist sie:
(1-2) als Ausübung oder Vermeidung;
(3-4) als gute Benehmensweise oder urheiliger Wandel;
(5-6), als Vermeidung oder Nichtvermeidung;
(7-8) als abhängig oder unabhängig;
(9-10) als zeitlich begrenzt oder lebenslänglich;
(11-12) als eingeschränkt oder uneingeschränkt;
(13-14) als weltlich oder überweltlich.
(III) Dreifach ist sie:
(15-17) als niedrig, mittelmäßig oder erhaben; ebenso:
(18-20) als durch das Ich beherrscht, durch die Welt beherrscht oder durch das Gesetz beherrscht;
(21-23) als beeinflußt, unbeeinflußt oder gestillt;
(24-26) als rein, unrein oder zweifelhaft;
(27-29) als Sittlichkeit des Schulungsbeflissenen (sekha), des Entschulten (asekha) oder des weder Schulungsbeflissenen noch Entschulten.
(IV) Vierfach ist sie:
(30-33) als mit Abnahme, Stillstand, Fortschritt oder Durchdringung verbunden; ferner:
(34-37) als Sittlichkeit der Mönche, der Nonnen, der Nichtvollordinierten oder der Hausleute;
(38-41) als ursprünglich, als Sittenbrauch, als Naturbestimmung oder als vorbedingt;
(42-45) als Zügelung gemäß der Ordenssatzung, als Sinnenzügelung, als Reinheit des Lebenserwerbs oder als die Bedarfsgegenstände betreffend.
(V) Fünffach ist sie:
(46-50) als in Reinheit bestehende begrenzte Sittlichkeit usw. In Patisambhidā (I.p.46) heißt es: "Fünf Arten der Sittlichkeit gibt es: in Reinheit bestehende begrenzte, unbegrenzte, vollendete, unbeeinflußte oder gestillte Sittlichkeit; ferner:
(51-55) als Überwindung, Abstehung, Wille, Zügelung oder Nichtausschreitung.
(I) Von diesen nun ist in dem Abschnitt der Einergruppe der Sinn in der besprochenen Weise zu verstehen.
(11)
(1) (II) Im Abschnitte der Zweiergruppe bedeutet "Ausübung" (cāritta) soviel wie Erfüllung der vom Erhabenen als auszuübend vorgeschiebenen Übungsregeln;
(2) und "Vermeidung" (vāritta) bedeutet die Nichtausübung dessen, was der Erhabene als nicht auszuübend verworfen hat. Hier nun ist die Wortbedeutung folgende: 'Ausübung' bedeutet, daß, durch Vervollkommnung in den Übungsregeln, man sich darin übe und darin bewege; und 'Vermeidung' bedeutet, daß man dadurch sich vor dem Verbotenen hüte und bewahre. Von diesen beiden kommt 'Ausübung' durch Vertrauen und Willenskraft zustande, und 'Vermeidung' durch Vertrauen. Auf diese Weise ist die Sittlichkeit zweifach; als Ausübung oder Vermeidung.
(3) In der 2. Zweiergruppe bedeutet 'gutes Benehmen' (abhisamācāra) das höchste Benehmen. Gutes Benehmen ist dasselbe wie "gute Benehmensweise" (abhisamācārika); oder wegen des guten Benehmens wurde die gute Benehmensweise vorgeschrieben. Sie ist eine Bezeichnung derjenigen Sittenregeln, die nach Abzug der mit rechtem Lebenserwerb endenden acht Sittenregeln (3 in Werken, 4 in Worten und rechter Lebenserwerb; d.i. der 3., 4. und 5. Stufe des achtfachen Pfades) übrig bleibt.
(4) "Urheiliger Wandel" (ādibrahmacariyaka) besagt, daß er die Grundlage ist zum heiligen Wandel auf dem Pfade; er ist eine Bezeichnung der mit rechtem Lebenserwerb endenden acht Sittenregeln (rechte Werke, rechte Worte, rechter Lebenserwerb). Diese nämlich sind die Grundlage des (heiligen) Pfades, insofern sie bereits vorher geläutert sein müssen. Darum heißt es: "Schon vorher aber ist sein Tun in Werken, sein Tun in Worten und seine Lebensweise völlig geläutert."
Oder: diejenigen Sittenregeln, die man als die kleinen und ganz kleinen Übungsregeln bezeichnet, gelten als die in 'guter Benehmensweise' bestehende Sittlichkeit, die übrige Sittlichkeit aber als der 'urheilige Wandel'. Oder: die in beiden Vibhangas (d.i. Bhikkhu Vibhanga und Bhikhuni-Vibhanga des Vinaya-Pitaka) eingeschlossenen Sittenregeln gelten als der urheilige Wandel; und die in den Pflichten der Khandakas (d. i. Mahāvagga und Cullavagga des Vinaya-Pitaka) eingeschlossenen als die gute Benehmensweise. Durch Erfüllung derselben gelangt der urheilige Wandei zur Erfüllung. Eben darum heißt es (A.V.21): "Wahrlich, ihr Mönche, daß ein Mönch, der das Gesetz der guten Benehmensweise nicht erfüllt hat, das Gesetz des urheiligen Wandels erfüllen wird, das ist nicht möglich." Somit ist die Sittlichkeit zweifach: als gute Benehmensweise oder urheiliger Wandel.
(5) In der 3. Zweiergruppe bedeutet die Sittlichkeit als "Vermeidung" (virati) bloß das Abstehen von Lebenzerstörung usw.;
(6) die Sittlichkeit als "Nicht-vermeidung,' (a-virati) aber bilden die übrigen Arten, d.i. Sittlichkeit als Wille, Geistesverfassung, Zügelung. Somit ist die Sittlichkeit zweifach: als Vermeidung oder Nichtvermeidung.
In der 4. Zweiergruppe bezieht sich das Abhängigsein auf die beiden Arten der Abhängigkeit, nämlich die Abhängigkeit vom Begehren (tanhā-nissaya) und die Abhängigkeit von Ansichten (ditthi-nissaya).
(7) Hier nun gilt als "vom Begehren abhängig (tanhā-nissita) diejenige Sittlichkeit, die zustande gekommen ist in der Erwartung auf Daseinsglück, wie: "Ach, möchte ich doch durch diese Sittlichkeit ein Gott werden oder irgend ein Himmelswesen!" (A.IX.72) Als "von Ansichten abhängig" (ditthi-nissita) gilt diejenige Sittlichkeit, die veranlaßt wurde durch die Ansicht, daß man durch Sittlichkeit die Läuterung erreiche (Dhs.§ 1005).
(8) Als "unabhängig" (a-nissita) gilt die überweltliche (lokuttara) Sittlichkeit und die ihre Stütze bildende weltliche (lokiya) Sittlichkeit. Auf diese Weise ist die Sittlichkeit zweifach: als abhängig oder unabhängig.
(9) In der 5. Zweiergruppe gilt als "zeitlich begrenzt" (kālapariyanta) die für einen gewissen Zeitabschnitt gelobte Sittlichkeit,
(10) als "lebenslänglich" (āpāna-koti-ka) die auf zeitlebens gelobte und ebenso aufrecht erhaltene Sittlichkeit. Auf diese Weise ist die Sittlichkeit zweifach: als zeitlich begrenzt oder lebenslänglich.
(11) In der 6. Zweiergruppe gilt als "eingeschränkt" (sapariyanta) diejenige Sittlichkeit, die ihre sichtbare Beschränkung findet infolge von Gewinn, Ehre, Verwandtschaft, Leib und Leben; das Gegenteil
(12) davon bildet die "uneingeschränkte" (a-pariyanta) Sittlichkeit. Auch in Patisambhidā (I,p. 43) wird gesagt:
"Was ist die eingeschränkte Sittlichkeit? Es gibt:
Was ist nun die des Gewinnes wegen eingeschränkte Sittlichkeit? Da überschreitet einer des Gewinnes wegen, des Gewinnes halber, dem Gewinn zuliebe eine Übungsregel, die er auf sich genommen hat. Das ist die des Gewinnes wegen eingeschränkte Sittlichkeit." In derselben Weise sind auch die übrigen Arten zu erklären.
Auch in der Antwort betreffs der uneingeschränkten Sittlichkeit wird gesagt (Pts.I,p.44): "Was ist die nicht des Gewinnes wegen eingeschränkte Sittlichkeit? Da läßt einer selbst nicht einmal den Gedanken aufkommen, des Gewinnes wegen, des Gewinnes halber, dem Gewinn zuliebe eine Übungsregel zu überschreiten. Wie sollte er sie da gar überschreiten! Das ist die nicht des Gewinnes wegen eingeschränkte Sittlichkeit." Genau in derselben Weise sind auch die übrigen Arten zu erklären. Auf diese Weise ist die Sittlichkeit zweifach: als eingeschränkt oder uneingeschränkt.
(13) In der 7. Zweiergruppe gilt als "weltlich" (lokiya) alle befleckte Sittlichkeit, als "überweltlich" (lokuttara) alle unbefleckte Sittlichkeit.
(14) Von diesen beiden führt die weltliche Sittlichkeit zu höherem Dasein und bildet die Grundlage zur Daseinsentrinnung; denn es wird gesagt (Pariv. p. 164): "Die Disziplin (vinaya) hat -
- die Zügelung (samvara) zum Zwecke,
- die Zügelung die Reuelosigkeit,
- die Reuelosigkeit die Freude,
- die Freude die Verzückung (*1),
- die Verzückung die Beruhigung,
- die Beruhigung das Glück,
- das Glück die Sammlung,
- die Sammlung den wahrheitsgemäßen Erkenntnisblick (*2),
- der wahrheitsgemäße Erkenntnisblick die Abwendung (*3),
- die Abwendung die Loslösung,
- die Loslösung die Erlösung (*4),
- die Erlösung den Erkenntnisblick der Erlösung,
- der Erkenntnisblick der Erlösung das haftlose, völlige Nirwahn.
(*1) "Freude" (pāmojja) ist beginnende Verzückung (pīti)" (Komm.).
(*2) "D.i. Einblick in die bedingte Entstehung des Geistigen (nāma) und Körperlichen (rūpa)." (Komm.)
(*3) "Dadurch ist intensiver Hellblick (vipassanā) angedeutet." (Komm.).
(*4) Identisch mit dem Pfade (des Stromeingetretenen, Einmal-Wiederkehrenden usw.).
Dies also ist der Zweck der Belehrung, dies der Zweck der Überlegung, dies der Zweck der Hingebung, dies der Zweck des Hinhörens, nämlich restlose Gemütserlösung". Die überweltliche Sittlichkeit führt zur Daseinsentrinnung und ist der Boden für das Rückblick-Wissen (paccavekkhanañāna). Auf diese Weise ist die Sittlichkeit zweifach: als weltlich oder überweltlich.
(12)
(15) (III) In der 1. von den Dreiergruppen gilt als "niedrig' (hīna) die aus niedriger Absicht (chanda), Bewußtsein (citta), Willenskraft (viriya) oder Erwägung (vīmamsā) entsprungene Sittlichkeit;
(16) als "mittelmäßig" (majjhima) die aus mittelmäßiger Absicht usw. entsprungene Sittlichkeit; als "erhaben" (panitā) die aus erhabener Absicht usw. entsprungene Sittlichkeit: - Oder: 'niedrig' ist die aus Ruhmsucht befolgte Sittlichkeit, 'mittelmäßig' die aus Sucht nach dem Lohne guter Werke befolgte Sittlichkeit, 'erhaben' die aus Pflichtgefühl (eigentlich, weil man so handeln müsse') und der Heiligkeit wegen befolgte Sittlichkeit. - Oder: 'niedrig' ist die Sittlichkeit, die befleckt ist durch eigene Überhebung und Herabsetzung anderer, denkend: 'Ich bin sittlich vollkommen, doch diese anderen Mönche sind sittenlos, dem Bösen ergeben'; 'mittelmäßig' ist die weltliche Sittlichkeit, sofern sie unbefleckt ist; 'erhaben' ist die überweltliche (lokuttara) Sittlichkeit. - Oder: 'niedrig' ist die Sittlichkeit, die dem Begehren nach Gewinn und Reichtum entsprungen ist; 'mittelmäßig', die der eigenen Erlösung wegen zustande gekommen ist; 'erhaben', die zu den Vollkommenheiten (pāramitā) gehört und der Erlösung aller Wesen wegen zustande gekommen ist. Auf diese Weise ist die Sittlichkeit dreifach: als niedrig, mittelmäßig oder erhaben.
(18) In der 2. Dreiergruppe gilt als "durch das Ich beherrscht" (attādhipateyya) diejenige Sittlichkeit, die entsprungen ist aus Achtung und Rücksicht gegen sich selber und aus dem Wunsche, das für einen selber Unpassende aufzugeben;
(19) "durch die Welt beherrscht" (lokādhipateyya) ist diejenige Sittlichkeit, die entsprungen ist aus Achtung und Rücksicht gegen die Welt und dem Wunsche, den Tadel der Welt zu vermeiden;
(20) "durch das Gesetz beherrscht" (dhammādhipateyya) ist diejenige Sittlichkeit, die entsprungen ist aus Achtung und Ehrfurcht vor dem Gesetz (Tugendgesetz) und dem Wunsche, die Erhabenheit des Gesetzes hoch zu halten. Auf diese Weise ist die Sittlichkeit dreifach: als 'durch das Ich beherrscht' usw.
(21) In der 3. Dreiergruppe gilt als "beeinflußt" (parāmattha) diejenige Sittlichkeit, die in den Zweiergruppen als 'abhängig' (7) bezeichnet wird, insofern sie eben durch Begehren und Ansichten beeinflußt ist.
(22) Als "unbeeinflußt" (a-parāmattha) gilt die die Grundlage zum Pfade bildende Sittlichkeit des edlen Weltlings (puthujjana-kalyānaka, oder kalyāna-puthujjana) und die mit dem Pfade des 'Schulungbeflissenen' (sekha) verbundene Sittlichkeit.
(23) Als "gestillt" (patippassaddha) gilt die mit dem Ziele der 'Schulungbeflissenen' und der 'Entschulten' (a-sekha = Arahat) verbundene Sittlichkeit. Auf diese Weise ist die Sittlichkeit dreifach: als beeinflußt, unbeeinflußt oder gestillt.
(24) In der 4. Dreiergruppe gilt als "rein" (visuddha) diejenige Sittlichkeit, die man erfüllt, ohne sich zu vergehen, oder die im Wiedergutmachen eines begangenen Vergehens besteht.
(25) Als "unrein" (a-visuddha) gilt die Sittlichkeit eines (Mönches), der nach Verübung eines Vergehens keine Sühne getan hat.
(26) Als "zweifelhaft" (vematika) gilt die Sittlichkeit eines Mönches, der Zweifel hat in irgend einem Punkte, einem Vergehen oder einer Ausschreitung. Hier nun soll der Sichübende (yogī) die 'unreine' Sittlichkeit läutern, hinsichtlich der 'zweifelhaften' Sittlichkeit aber soll er den Zweifel dadurch beseitigen, daß er sich nicht gegen den Gegenstand vergehe; und so wird er sich wohl fühlen. Auf diese Weise ist die Sittlichkeit dreifach: als rein usw.
(27) In der 5. Dreiergruppe gilt als "zum Schulungsbeflissenen gehörig" (sekha) diejenige Sittlichkeit, die verbunden ist mit den vier edlen Pfaden (nämlich des Stromeintritts, der Einmalwiederkehr, der Niewiederkehr oder der Heiligkeit) und den drei Zielen der Asketenschaft (nämlich dem Ziel des Stromeintritts, der Einmal- wiederkehr oder der Niewiederkehr).
(28) Als "zum Entschulten gehörig" (asekha) gilt diejenige Sittlichkeit, die mit dem Ziel der Heiligkeit (arahatta-phala) verbunden ist. Die übrige Sittlichkeit gilt als
(29) "zu dem weder Schulungbeflissenen noch Entschulten gehörig" (nevasekha-nāsekha). Auf diese Weise ist die Sittlichkeit dreifach: als zum Schulungsbeflissenen (sekha, ariya-puggala) gehörig usw.
Insofern nun aber auch die 'Natur' (pakati) dieser und jener Wesen in der Welt als 'sīla' bezeichnet wird und man daher den einen als 'von froher Natur' (sukha-sīla) bezeichnet, den anderen als von übler oder streitsüchtiger oder putzsüchtiger Natur, darum wird aus diesem Grunde in Patisambhidā (I.p.44) eine dreifache Sittlichkeit gelehrt: "Drei Arten der Sittlichkeit gibt es: karmisch heilsame, unheilsame und neutrale (kusala, akusala, avyākata); und somit ist die Sittlichkeit dreifach: als karmisch heilsam usw.
Da sich aber hierbei die 'unheilsame' Sittlichkeit mit dem in obiger Bedeutung aufzufassenden in keinem der Merkmale usw. deckt, so wird hier dieser Begriff nicht behandelt. Deshalb ist die Dreiteilung in der besprochenen Weise zu verstehen.
(13)
(IV) Hinsichtlich der 1. von den Vierergruppen heißt es:
(vgl. A.IV.179.)
Auf diese Weise ist die Sittlichkeit vierfach: als mit Abnahme, Stillstand, Fortschritt oder Durchdringung verbunden.
(34) In der 2. Vierergruppe gelten als "Sittlichkeit der Mönche" (bhikkhu-sīla) die für die Mönche bestimmten Übungsregeln, die diese von denen für die Nonnen bestimmten getrennt zu halten haben.
(35) Als "Sittlichkeit der Nonnen" (bhikkhunī-sīla) gelten die für die Nonnen bestimmten Übungsregeln, die diese von den für die Mönche bestimmten getrennt zu halten haben.
(36) Als "Sittlichkeit der Nichtvollordinierten" (an-upasampanna-sīla) gelten die 10 Übungsregeln der männlichen und weiblichen Novizen (sāmanera, sāmanerī).
(37) Als "Sittlichkeit der Hausleute" (gahattha-sīla) gelten: die 5 Übungsregeln als beständige Sittlichkeit, die 10 Übungsregeln bei besonderem Eifer, die 8 Übungsregeln als Bestandteil des Fasttags (uposatha). Auf diese Weise ist die Sittlichkeit vierfach: als Sittlichkeit der Mönche usw. (siehe sikkhāpada und sīla)
(38) In der 3. Vierergruppe gilt es als "natürliche Sittlichkeit" (pakati-sīla), daß z.B. die Menschen von Nord-Kuru keine Ausschreitungen begehen.
(In A.IX.21 heißt es, daß die Menschen von Nord-Kuru alle anderen, selbst die Himmelswesen der Dreiunddreißig, in 9 Dingen übertreffen, nämlich in Selbstlosigkeit, keuschem Lebenswandel usw.)
(39) Als "Sittenbrauch" (ācāra-sīla) gelten alle Bestimmungen und aufrecht erhaltenen Gewohnheiten der Familie, des Landes oder der Irrlehren.
(40) Als "Naturbestimmung" (dhammatā) gilt die Sittlichkeit der Mutter des Bodhisat, wie angedeutet in den Worten (M.123): "Eine Naturbestimmung ist es, Ananda, daß, als der Bodhisat in den Mutterleib hinabgestiegen war, seiner Mutter hinsichtlich der Männer kein mit Sinnlichkeit verbundener Gedanke aufstieg."
(41) Als "vorbedingt" (pubba-hetuka) gilt die Sittlichkeit, die solch reine Wesen wie Mahā-Kassapa und andere, als auch der Bodhisat, in dieser oder jener Geburt besaßen. Auf diese Weise ist die Sittlichkeit vierfach: als natürlich usw.
(42) In der 4. Vierergruppe gilt als "Zügelung gemäß der Ordenssatzung (pātimokkha-samvara-sīla) diejenige Sittlichkeit, die erklärt wird in den Worten (A.V.87, A.V.109, A.V.114, A.V.134, A.V.232 usw.): "Hier nun, ihr Mönche, verharrt der Mönch (bhikkhu) gezügelt in der Ordensatzung, vollkommen im Wandel und Umgang, und in den kleinsten Vergehen Gefahr erblickend übt er sich in den auf sich genommenen Übungsregeln."
(43) Als "Sinnenzügelung" (indriya-samvara) gilt diejenige Sittlichkeit, die erklärt wird in den Worten (z.B.: A.III.16; A.V.140): "Erblickt er mit dem Auge eine Form, so haftet er nicht an der Gesamterscheinung, haftet nicht an den Einzelheiten. Und sofern in ihn, bei unbewachtem Auge, Begehren und Kummer, üble, schuldvolle Dinge eindringen möchten, so bemüht er sich, dieses zu zügeln, er hütet es und gewinnt Herrschaft darüber. Hört er mit dem Ohre einen Ton - riecht er mit der Nase einen Duft - schmeckt er mit der Zunge einen Saft - empfindet er mit dem Körper einen Eindruck - erkennt er im Geiste ein Ding, so haftet er nicht an den Einzelheiten . . . und gewinnt Herrschaft darüber."
(44) Als die in "Reinheit des Lebensunterhaltes" (ājīva-pārisuddhi) bestehende Sittlichkeit gilt das Abstehen von schlechter Lebensweise, die zustande gekommen ist durch solch üble Dinge, wie die des Lebensunterhaltes wegen begangene Übertretung der vorgeschriebenen sechs Übungsregeln, sowie Hinterlist, Plappern, Anspielerei, Verkleinerungssucht, Gier nach immer größerem Gewinn.
(45) Als "die auf die Bedarfsgegenstände sich beziehende Sittlichkeit" (paccaya- sannissita-sīla) gilt der Gebrauch der vier Bedarfsgegenstände (Mönchsgewand, Almosenspeise, Wohnstätte und Arznei), der geläutert ist durch die in dieser Weise erklärte Erwägung: "Gründlich erwägend bedient er sich des Gewandes (cīvara), eben bloß zur Abwehr der Kälte und Hitze, zur Abwehr des Kontaktes mit Stechmücken, Moskiten, Wind, Sonnenstrahlen und Kriechtieren, eben bloß um die Schamteile zu verhüllen. - Gründlich erwägend bedient er sich der Almosenspeise (pindapāta), weder zur Belustigung, noch um sich zu brüsten, noch zur Verschönerung, noch zur Zierde, eben bloß zur Stütze und Erhaltung dieses Körpers, um Qualen zu vermeiden und zur Förderung des heiligen Wandels, denkend: 'Auf dise Weise werde ich das alte Gefühl vertreiben und kein neues Gefühl aufsteigen lassen, und langes Leben, Untadeligkeit und Wohlbefinden wird mir beschieden sein'. - Gründlich erwägend bedient er sich der Lagerstätte (senāsana) . . . eben bloß um die Wettergefahr fernzuhalten und zum Zwecke die Abgeschiedenheit zu genießen. - Gründlich erwägend bedient er sich der Arzneimittel (gilāna-paccaya) gegen Krankheiten, eben bloß um die aufgestiegenen, durch Krankheit bedingten Gefühle zu unterdrücken und um vollkommener Leidlosigkeit willen." (M.2.)