PETA-VATTHU

Buch I - Uraga Vagga

I,8: Der Ochse - Goṇapetavatthu

Einem reichen Mann in Sāvatthī war sein Vater gestorben. Er war untröstlich und rannte wie ein Irrer herum, jeden fragend, ob er seinen Vater gesehen habe. Als der Buddha morgens über die Welt blickte, sah er, daß in diesem Mann die Bereitschaft zum Verständnis des Leidens und seiner Überwindung reif geworden war. So ging er um Almosen zu seinem Haus. Der Mann lud ihn zum Essen ein und fragte den Buddha, ob er wisse, wohin sein Vater gegangen sei. Der Buddha stellte sofort die Gegenfrage, welchen Vater er wohl meine, den dieses Lebens oder einen der früheren Väter? Da war der Mann plötzlich angerührt. Er sah: Ich habe ja schon viele Väter gehabt, und alle sind gestorben. So legte sich sein Kummer, und er gewann wieder etwas Fassung. Der Buddha sprach dann so zu ihm, daß sein Kummer noch weiter aufgelöst wurde, und dann gab er ihm die stufenweise Lehrdarlegung: vom Geben, Tugend, Jenseits, Herzensfrieden. Und als der Hausvater dadurch bereitet war, legte er ihm die vier Wahrheiten dar. Dadurch gelangte dieser sofort zur Frucht des Stromeintritts und nach dem Tode zum Himmel. Dann kehrte der Buddha ins Kloster zurück. Die Mönche sprachen gerade darüber, wie erstaunlich es sei, daß der Buddha in einem kurzen Gespräch den verzweifelten Hausvater zum Stromeintrittgeführt habe. Darauf erzählte er ihnen, wie er schon früher selber als Sohn eines trauernden Hausvaters diesen vom Kummer befreit habe, aber nur für jene Existenz. Er habe damals am Beispiel eines toten Ochsen den Vater vom Kummer abgebracht:


(46)
Vater:
Was tust du wie ein Irrer denn
und reißest ab das grüne Gras
und redest immer: "Iß doch, iß!"
zu diesem toten alten Ochs?
 
(47)
Denn nicht durch Speise und durch Trank
kann aufstehn der gestorbne Ochs,
und zwecklos redest du daher,
wie wenn du den Verstand verlorn.
 
(48)
Sohn:
Der Ochs hat Füße noch und Kopf,
erhat den Körper mit dem Schwanz,
die Augensterne sind noch da.
Warum sollt er nicht stehen auf?
 
(49)
Großvaters Hand und Fuß und Leib
und Kopf sieht man nicht mehr.
Wenn du bei seinem Grabmal weinst,
hast du nicht den Verstand verlorn?
 
(50)
Vater:
Wie Feuer brannte Kummer mir,
in das man flüss'ge Butter gibt;
gleichwie man Wasser gießt hinein,
hast alles Weh du mir gelöscht.
 
(51)
Des Kummers Stachel zog er raus,
der mir in meinem Herz gesteckt.
Den Kummer, der mich ganz erfüllt,
den Vaterkummer nahm er mir.
 
(52)
Der Kummerstachel, der ist fort,
bin kühl geworden, brandgelöscht,
ich trau're nicht, ich wein nicht mehr,
nachdem, mein Sohn, ich dich gehört.
 
(53)
Sprecher:
Die weise sind, die handeln so,
sie nehmen anderer sich an,
sie machen sie vom Kummer frei,
wie seinen Vater Sujāta.

 


Bemerkungen:

Die Vorgeschichte erscheint kürzer auch in Jat.352 E. Dort aber erzählt dann der Buddha das Jātaka dem Hausvater und nicht den Mönchen.

Die Verse 50 - 52 kommen noch sehr oft im Kanon vor: Vv 83, Pv.II.6, Pv.II.13; Jat.352, Jat.372, Jat.410, Jat.449, Jat.454. In J steht in Vers 52 anavila statt sitibhuta. J 352 ist in der "Schatzkiste" von Fritz Schäfer nacherzählt (1. Aufl. S. 418; 2. Aufl. S. 386).


I,9: Der Webermeister - Mahāpesakārapetivatthu

Einstmals hatte eine Gruppe von 12 Mönchen den Buddha um einen Meditationsgegenstand gebeten, um in der Regenzeit sich danach zu üben. Als sie ihr Thema erhalten hatten, suchten sie einen geeigneten Ort. Dabei kamen sie zu einem Weberdorf in einem Wald. Dort wohnten 11 Weber, die rasch Hütten errichteten und sie mit allem versorgten. Der Webermeister versorgte zwei Mönche, die übrigen zehn Weber je einen Mönch. Die Ehefrau des Webermeisters aber war eine ungläubige Materialistin, geizig und kleinlich. Als der Webermeister sah, daß sie sich weigerte, den Mönchen etwas zu geben, nahm er sich eine zweite Frau, und zwar deren Schwester. Die war hochsinnig und versorgte die Mönche ehrfürchtig mit allem Nötigen. Am Ende der Regenzeit gab jeder der Weber den Mönchen ein Gewand. Die erste Frau aber verfluchte ihn, wie im Vers gesagt.

Als der Webermeister gestorben war, wurde er eine mächtige Baumgottheit mit einem schönen Vimāna. Die geizige Frau überlebte ihn. Als sie starb, wurde sie eine leidende Petī, nicht weit von ihm. Sie bat ihn um Hilfe. Er verschaffte ihr bestes Essen und schönste Kleidung, aber sowie sie es berührte, wurde es zu Kot und Urin, Blut und Eiter, und das Kleid wurde glühendes Kupfer. So ging sie heulend davon.

Zu jener Zeit hatte sich ein Mönch einer Karawane angeschlossen, die nach Sāvatthī zog, wo erden Buddha aufsuchen wollte. Er verirrte sich aber in einem Wald. Da sah in die Baumgottheit und erschien ihm in menschlicher Form und zeigte ihm sein Vimāna und versorgte ihn. Da kam die Petī wieder und bat erneut um Nahrung und Kleidung. Doch wieder konnte sie nichts annehmen wie vorher. Darauf entspann sich der folgende Dialog:

(54)
Mönch:
Urin und Kot und Eiter, Blut
verzehret sie. Was reifte da?
Was für ein Wirken tat die Frau,
daß sie stets Blut und Eiter ißt?
 
(55)
Gewänder neu und schön und weich,
gar rein und wollig, sie empfängt,
doch glühend Kupfer werden sie.
Was für ein Wirken tat die Frau?
 
(56)
Yakkha:
Sie war mein Eheweib, o Herr,
nichts gebend, geizig, knickerig,
und wenn ich den Asketen gab,
dann schalt sie mich und schimpfte laut:
 
(57)
"Urin und Kot und Eiter, Blut,
Unreines sollst verzehren du
für alle Zeit in jener Welt,
und Kleider soll'n dir Kupfersein."
Weil schlechten Wandel sie geführt,
muß sie so essen lange Zeit.


Danach fragte die Gottheit den Mönch, ob es ein Mittel gäbe, ihr zu helfen. Der Mönch erklärte ihm, wie es möglich sei. Darauf gab die Baumgottheit ihm Speise und Kleidung und widmete diese Gabe der Petī. Sofort war ihr Leiden beendet, und sie wurde eine himmlische Nymphe.


Bemerkungen:

Die vier Verse sind kein Sloka, es erschien hier aber ausnahmsweise sinnvoller, den Dialog im Sloka-Metrum zu übersetzen.


  Oben zeilen.gif (1054 bytes)