PETA-VATTHU

Buch I - Uraga Vagga

I,10: Die Kahlköpfige - Khallāṭiyapetivatthu

In längst vergangenen Zeiten lebte in Benares eine Hetäre, die von ungewöhnlicher Schönheit war. Besonders hatte sie herrliches schwarzes Haar, fein und weich und gelockt. Wenn sie es lose trug, reichte es ihr bis zu den Hüften. Die jungen Männer der Stadt verliebten sich bei ihrem bloßen Anblick schon in sie. Überall wurde sie als die schönste Frau gepriesen. Einige Frauen wurden nun neidisch auf sie, besonders mißgönnten sie ihr das schöne Haar. Sie berieten sich, wie sie ihr wohl schaden könnten. Sie bestachen dann ihre Dienerin. Diese gab ihrer Herrin einen Trank, der Haarausfall verursachte. Während die Hetäre im Ganges badete, verabreichte die Dienerin ihr den Trank. Daraufhin fielen ihr die Haare mit der Wurzel aus, und sie war plötzlich kahl wie ein Kürbis. Sie schämte sich ungemein und wollte nicht wieder in die Stadt gehen. Sie schlang ein Tuch um ihren Kopf und ließ sich vor den Stadttoren nieder. Nach einigen Tagen verließ sie das Schamgefühl wegen ihrer Kahlheit. Sie preßte Sesam aus und erwarb ihren Lebensunterhalt durch Verkauf von Öl und Alkohol. Eines Tages hatten zwei oder drei Männer bei ihr zuviel getrunken und fielen in tiefen Schlaf. Da stahl sie ihnen die Mäntel aus Geldgier.

Etwas später sah sie eines Tages einen Mönch auf dem Almosengang. Der war ein Heiliger. Sie fühlte tiefen Respekt vor ihm, ohne zu wissen warum, lud ihn zu sich ein und bot ihm Ölkuchen an. Von Mitleid bewogen aß er ihn, und nachdem er ihr gedankt, ging er fort. Sie aber fühlte große Freude über ihre Gabe. Und sie wünschte, daß ihr das Verdienst dafür reifen würde, indem sie ihr schönes Haar wieder erhielt.

Als sie starb, wurde sie eine glückliche Petī mit einem schönen Vimāna im Ozean. Ihr Haar war wie zuvor, doch wegen der gestohlenen Kleider war sie nackt und konnte sich nur mit den Haaren bedecken. Außerdem war sie allein, einsam, ohne Gesellschaft. So vergingen lange Zeiten. Wenn sie starb, wurde sie immer wieder als glückliche Petīin denselben Umständen wiedergeboren.

Als unser Buddha in der Welt erschienen war, fuhren etwa hundert Kaufleute aus Sāvatthī zum Goldland. Ihr Schiff wurde in jene Gegend des Ozeans verschlagen, an dem die Petī lebte. Dort zeigte sich die Petī ihnen, und der Führer der Kaufleute wandte sich an sie:

(58)
Kaufmann:
Wer bist du, die nicht kommt heraus
aus dem Vimāna, wo du wohnst?
Komm doch heraus, du Glückliche,
wir woll'n dich gerne draußen sehn.
 
(59)
Petī:
Ich schäme mich, ich ekle mich,
als Nackte hier heraus zugehn.
Bedeckt bin ich mit Haaren nur,
hab wenig an Verdienstgewirkt.
 
(60)
Kaufmann:
Hier geb ich was zum Anziehn dir,
nimm dieses Kleid und leg es an,
und wenn du's angezogen hast,
dann komm, o Schöne, doch heraus.
Nun komme doch, du Glückliche,
wir woll'n dich gerne draußen sehn.
 
(61)
Petī:
Was du mir ausgehändigt hast,
das kommt zugute mir noch nicht.
Ein gläubiger Anhänger hier,
ein Jünger des erwachten Herrn,
 
(62)
wenn diesen du bekleidest jetzt
und mir die Gabe widmest, dann
werd ich ganz glücklich sein davon,
und aller Wunsch ist mir erfüllt.
 
(63)
Sprecher:
Den badeten die Kaufleute,
den salbten sie mit Wohlgeruch,
dem legten sie Gewänder an
und widmeten die Gabe ihr.
 
(64)
Sofort nach dieser Zuweisung,
da zeigte sich die Ernte schon
an Speise, Kleidung und an Trank.
Das war hier dieser Gabe Frucht.
 
(65)
So ward sie rein, und ihr Gewand
war schöner als ein Kāsi-Kleid.
Aus dem Vimāna lächelt sie:
"So also ist des Gebens Frucht."
 
(66)
Kaufmann:
Gar wohl geschmückt, gefällig auch
erglänzet dein Vimāna jetzt.
Laß fragen, Göttin, dich, erzähl,
von welchem Wirken dies die Frucht.
 
(67)
Petī:
Da war ein Mönch auf Wanderschaft,
ein grader Mensch, dem spendete
ich eine Schüssel Sesambrei,
dabei gar heiter im Gemüt.
 
(68)
Für dieses heilsam Wirken ich
die Ernte lange dann genoß
in dem Vimāna, das mir ward.
Doch wenig nur ist übrig noch.
 
(69)
Nach Ablauf von vier Monaten
wird meine Zeit erfüllet sein,
und ich werd in die Hölle gehn,
die einzig stinkend, fürchterlich.
 
(70)
Vier Ecken hat, vier Tore sie,
ist regelmäßig eingeteilt,
mit einem Eisenwall herum,
mit Eisen oben auch bedeckt.
 
(71)
Ihr Boden auch von Eisen ist,
gar feurig glüht und brennet er,
wohl hundert Meilen im Quadrat
erstrahlt sie und bleibt immerdar.
 
(72)
Dort werde lange Zeiten ich
viel Wehgefühl erfahren dann
als Frucht von bösem Wirken einst.
Darum bin ich bekümmert sehr.

 


Der gläubige Anhänger hatte großes Mitleid mit ihr und fragte sich, ob man den Höllensturz nicht verhindern könne. Er kam zu dem Schluß, daß sie durch die Gabe an ihn schon solchen Nutzen gehabt hätte. Wie viel mehr müßte ihr eine Gabe an den Buddha und den Orden nützen. Nachdem er ihr dies mitgeteilt hatte, spendete sie den Kaufleuten himmlische Nahrung, Kleidung und Juwelen für den Orden, vor allem einen himmlischen Mantel für den Buddha. Die Kaufleute kehrten dann nach Sāvatthī zurück und übergaben dem Buddha den Mantel. Am nächsten Tag luden sie den Buddha und den Orden zum Essen ein und widmeten die Gabe ihr. Die Wirkung war, daß die Hölle für sie verschwand und daß sie bei den Göttern der Dreiunddreißig wiedergeboren wurde, geschmückt mit vielen Juwelen und mit einem Gefolge von tausend himmlischen Nymphen.


Bemerkungen:

Was aus den neidischen Frauen und der bestechlichen Dienerin wurde ist nicht überliefert.
Die negativen Taten von ihr waren: Diebstahl der Kleider der Betrunkenen; Verführung anderer zum Alkohol durch ihren Ausschank; Beruf als Hetäre. Demgegenüber wirkte die eine gute Tat an einen Heiligen so, daß sie viele Wiedergeburten eine glückliche Petī war, nur nackt und einsam. Aber dann war ihr Verdienst aufgezehrt, und es stand ihr die Hölle bevor.

Vers 58: draußen (bahitthita), v.l. mah'iddhika (große Magie). In diesem Falle wünschte er, ihre Magie zu sehen.

Vers 64: kommt noch sehr häufig später vor.

Vers 70 - 71: ebenso in M.129 und M.130, Jat.530, ebenso in Pv 692 - 693.

Vers 69 - 72 = Pv 239 - 242.


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