PETA-VATTHU

Buch I - Uraga Vagga

I,11: Der Elefant - Nāgapetavatthu

Eine Frau war schwanger und starb noch vor der Geburt des Kindes. Sie wurde verbrannt, aber das Kind wurde auf wunderbare Weise gerettet. Es war ein Knabe, der Sankicca genannt wurde. Als er sieben Jahre alt war, hörte er, daß seine Mutter so tragisch gestorben war. Das ergriff ihn derart, daß er zu Sāriputto ging und als Novize aufgenommen zu werden wünschte. Während ihm die Haare geschoren wurden, schnitt er sich selber die letzten Triebe ab und war ein Heiliger. Erlebte dann mit dreißig Mönchen im Walde. Als eine große Räuberschar die Mönche überfiel, gelang es ihm durch seine Geisteskraft, die Räuber zu zähmen. Sie waren so gepackt, daß sie ihr Handwerk aufgaben und Mönche wurden.

Als er volljährig war und die Mönchsweihe erhalten hatte, wanderte er nach Benares und ließ sich mit anderen Mönchen am Seherstein nieder. Dort wurden sie von den Hausleuten gut versorgt. Ein Laienanhänger des Buddha riet ihnen, eine ständige Versorgung einzurichten, was auch geschah.
Damals lebte in Benares ein Brahmane mit zwei Söhnen und einer Tochter. Er war aber ungläubig. Der älteste Sohn war nun ein Freund jenes Laien. Dieser nahm ihn mit zu Sankicca, der beide durch ein Lehrgespräch erfreute. Dann sagte der Laie zu seinem Freund, er möchte doch auch eine ständige Versorgung für einen Mönch übernehmen. Der Jüngling erwiderte aber, es sei für sie als Brahmanen nicht üblich, solche Asketen des Sakyersohns zu versorgen. Der Laie fragte: "Würdest du denn mir etwas an Nahrung spenden?" Der Jüngling sagte ja. Da sagte der Laie: "So gib das, was du mir geben würdest, dem Mönch." Das tat jener und versorgte nun täglich in der Frühe einen Mönch am Seherstein. Sein jüngerer Bruder und seine Schwester sahen den guten Wandel der Mönche. Daher hörten sie ihnen zu, nahmen die Lehre auf und bekamen Lust an guten Werken. So spendeten die drei Kinder nun den Mönchen, verehrten sie und würdigten überhaupt Asketen und Pilger. Ihre Eltern aber hatten keinen Sinn dafür und verachteten die Kahlköpfe. Ihre Verwandten rieten ihnen, die Tochter an einen Vetter zu verheiraten. Aber dieser hörte zu jener Zeit die Lehre von Sankicca und war so gepackt, daß er in den Orden eintrat.

Er ging aber um Almosen täglich zu seinem Elternhaus. Seine Mutter aber wollte ihn unbedingt mit seiner Kusine verheiraten und erreichte durch ihr Reden von deren Vorzügen, daß er im Orden unzufrieden wurde. So ging er zu Sankicca und sagte, er wolle die Robe ablegen und wieder Laie werden. Sankicca aber erkannte, welche spirituellen Fähigkeiten in jenem schlummerten und erwiderte: "Warte noch einen Monat, Novize." Nach einem Monat kam er wieder. Sankicca bat ihn, noch 14 Tage zu warten. Als er nach zwei Wochen wiederkam, bat er ihn, noch eine Woche zu warten. Innerhalb dieser Woche aber stürzte das Haus seiner Verwandten vom Sturm zusammen und tötete alle fünf Familienmitglieder.

Der geizige Brahmane und seine ebenso weltgläubige Frau wurden als Petas wiedergeboren, ihre drei Kinder aber als Erdgötter.

Als die letzte Woche herum war, erschien der Novize wieder bei seinem Lehrer Sankicca und sprach: "Ich habe die vereinbarte Anzahl von Tagen gewartet, o Herr. Ich möchte nach Hause gehen, o Herr. Bitte gebt mir eure Erlaubnis." Sankicca antwortete: "Komm hierher bei Sonnenuntergang am Tage des Neumonds."
An diesem Uposatha-Tag gingen die drei Kinder zu einer Versammlung der Yakkhos, gefolgt von ihren Eltern, wie unten in den Versen näher beschrieben. Da ließ nun Sankicca kraft seiner magischen Macht den Novizen diese fünf Personen aus der geistigen Welt sichtbar werden, wie sie dahin zogen, und erfragte ihn: "Siehst du sie da hinziehen, Novize?" Dieser bejahte es. Sankicca sagte: "Dann frage sie über die Taten, die sie früher getan haben und deren Ernte sie nun im Jenseits erleben." Darauf wandte sich der Novize der Reihe nach an die Geistwesen:

(73)
Novize:
Voran auf weißem Elefanten reitet einer,
auf Maultierwagen einer in der Mitte,
dahinter eine Jungfrau in der Sänfte,
die Glanz ausstrahlt nach jeder Himmelsrichtung.
 
(74)
Ihr aber da, mit Hämmern in den Händen,
im Antlitz Tränen, Körper aufgerissen,
als Mensch ihr wart, was wirktet ihr an Bösem,
daß gegenseitig euer Blut ihr trinket?
 
(75)
Vater:
Der, welcher vorn sitzt auf dem Ilf, dem weißen,
auf dem vierfüß'gen Elefanten reitet,
war unser Sohn einst, unser Ält'ster.
Weil Gaben er gegeben, freut ihn Glück nun.
 
(76)
Der, welcher in der Mitte folgt im Maultierwagen,
vierspännig und gar schnelle fahrend,
war unser Sohn, der mittlere gewesen,
gar frei von Geiz, als Gabenspender leuchtet er.
 
(77)
Die, die da hinten auf der Sänfte folgt,
die Jungfrau, weise, mit gazellenhaftem Auge,
war unsre Tochter, war die Jüngste früher.
Auch halbes Glück genießend, freut sie sich nun.
 
(78)
Im früh'ren Leben spendeten sie Gaben,
gar heit'ren Herzens an Brahmanen und Asketen,
wir aber waren leider geizig nur gewesen
und schimpften auf Brahmanen und Asketen.
Wir dörren aus wie Gras, das abgeschnitten,
sie aber, die gegeben, wandeln glücklich.
 
(79)
Novize:
Was ist denn eure Speise, was ist euer Lager,
wie lebt ihr, die ihr tatet böse Dinge,
die ihr bei großem, grenzenlosem Reichtum
das Glück verscherzend Leiden nun erfahret?
 
(80)
Vater:
Wir schlagen uns einander hier
und trinken Blut und Eiter wohl,
doch soviel wir auch trinken dann,
wir werden nie befriedigt, satt.
 
(81)
Weil nicht gegeben wir, wir müssen klagen,
nachdem, gestorben, wir in Yamas Reich gekommen.
Wir sehen den Genuß und sind doch davon ferne.
Genießen könn' wir nicht und auch Verdienst nicht wirken.
 
(82)
Von Hunger, Durst in anderer Weltgepeinigt,
wir Petas lange brennen dann gequälet.
Weil Werke wir gewirkt, die Leidenzüchten,
erfahren wir des Leidensbittre Früchte.
 
(83)
Sprecher:
Vorüber geht Besitz und Gut,
vorüber rauscht die Lebenszeit.
Erkennend wie es also ist,
der Weise schaff ein Eiland sich.
 
(84)
Die Menschen, die's erkennen so,
die des Gesetzes kundig sind,
versäumen hier das Geben nicht,
sie hören auf der Heil'gen Wort.


Nachdem der brahmanische Vater derart die Fragen des Novizen beantwortet hatte, schloß er mit den Worten: "Ich bin dein Onkel, dies da ist deine Tante, und die drei Glücklichen da sind deine Vettern und deine Base." Da wurde der Novize plötzlich ernüchtert und ergriffen, als er das Karmagesetz leibhaftig vor sich sah, und seine Unbefriedigung am Läuterungsleben der Mönche verschwand. Er fiel seinem Lehrer zu Füßen und sprach: "Was immer ihr von Mitleid bewogen für mich an Fürsorge hättet zeigen können, das habt ihr getan. Dadurch habt ihr verhindert, daß ich in großes Unheil fiel. Ich habe jetzt kein Interesse mehr am Hausleben und werde meine Freude am Brahmawandel finden." Darauf gab ihm Sankicca einen für ihn passenden Meditationsgegenstand. Er zog sich in die Einsamkeit zurück, und in gar nicht langer Zeit war auch er einer der Heiligen geworden.


Bemerkungen:

Sankiccas Verse in den Liedern der Mönche: Thag 597 - 604.

Stedes Übersetzung obiger Verse 73 - 84 auch in WW 1970, S. 284 f.


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