PETA-VATTHU

Buch I - Uraga Vagga

I,12: Die Schlange - Uragapetavatthu

Bei Sāvatthī war einem Gutsbesitzer ein Sohn gestorben, und von Kummer überwältigt ging er in seiner Trauer unter, ging nicht aus dem Haus und war unfähig zu jeder Arbeit. Als der Buddha über die Welt hin blickte, sah er jenen trauernden Vater, der ein Laienanhänger war. Er ging um Almosen zu seinem Haus. Da eilte der Vater ihm entgegen und lud ihn ein. Als er ihm sein Leid geklagt hatte, erklärte der Buddha ihm das Gesetz der Allvergänglichkeit, dem alle gewordenen Dinge unterliegen, alle Wesen und alle Erscheinungen. Zur Verdeutlichung der rechten Haltung erzählte er ihm das 354. Jātaka, um ihm allen Kummer zu nehmen:
Einst lebte ein Brahmane mit Frau, Sohn, Tochter, Schwiegertochter und einer Magd einträchtig zusammen auf einem Bauernhof. Er lehrte alle die Betrachtung der Allvergänglichkeit auf der Grundlage der Tugend. Als er eines Tages mit seinem Sohn zum Pflügen ging, biß diesen eine Giftschlange, so daß er starb. Die ganze Familie aber bewahrte ihre Seelenruhe eingedenk der Vergänglichkeitsbetrachtung, auch als Sakko in Gestalt eines Brahmanen allen nahelegte, daß sie doch trauern müßten: der Vater um seinen tugendhaften Sohn und Erben, die Mutter um ihr großgezogenes Kind, die Schwester aus Bruderliebe, die Gattin aus Verlassenheit und die Magd, weil sie nun nicht mehr von ihm angetrieben werden könne. Alle erklärten dann, warum sie nicht weinten. Und so verschwand auch dem Gutsbesitzer sein Kummer.

(85)
Vater:
Wie Schlange ihre alte Haut
nur abstreift und dann weitergeht,
so, wenn der Leib nicht mehr genießt,
weil tot, weil er zu Petas ging.
 
(86)
Da er verbrannt ist, weiß er nichts
von der Verwandten Klag um ihn.
Deshalb ich weine nicht um ihn,
gegangen ist er seinen Gang.
 
(87)
Mutter:
Unaufgefordert kam er her,
ohn Abschied ging er wieder fort.
So wie er kam, so ging er auch,
warum sollt klagen ich dazu?
 
(88)
Da er verbrannt ist, weiß er nichts
von der Verwandten Klage um ihn.
Deshalb ich weine nicht um ihn,
gegangen ist er seinen Gang.
 
(89)
Schwester:
Abmagern würd ich, wenn ich wein,
welch Früchte brächt mir solches ein?
Verwandten, Freund, Genossen auch
würd Unlust ich nur mehren noch.
 
(90)
Da er verbrannt ist, weiß er nichts
von der Verwandten Klag um ihn.
Deshalb ich weine nicht um ihn,
gegangen ist er seinen Gang.
 
(91)
Gattin:  
So wie ein kleines Kind dem Mond,
wenn er verschwindet, weinet nach,
so würde sich verhalten wohl,
wer Abgeschiednem trauert nach.
 
(92)
Da er verbrannt ist, weiß er nichts
von der Verwandten Klag um ihn.
Deshalb ich weine nicht um ihn,
gegangen ist er seinen Gang.
 
(93)
Magd:
So wie ein Wassertopf, wenn er
zerbrochen, nie wird wieder ganz,
so würde sich verhalten wohl,
wer Abgeschiednem trauert nach.
 
(94)
Da er verbrannt ist, weiß er nichts
von der Verwandten Klag um ihn.
Deshalb ich weine nicht um ihn,
gegangen ist er seinen Gang.

 


Bemerkungen:

Die Rahmenerzählung und der Jātaka-Bericht sind nahezu identisch. Im Jātaka ist der Vater der Bodhisattva, in der Rahmenerzählung dagegen ist der gestorbene Sohn der Bodhisattva, der als Sakko wiedergeboren war und nun seiner Familie erscheint. Im Jātaka dagegen hat Sakko keine Verbindung mit der Familie, was überzeugender ist.

In dem ganzen Bericht kommt von Petas nichts vor. Hier wird Peta aber im weiteren Sinne als "Vorangegangene, Abgeschiedene" gebraucht (so in Vers 85 und 93) und kann daher nicht mit Peta im engeren Sinne wiedergegeben werden, zumal hier der Sohn als Sakko vorgestellt wird. Und Sakko ist kein Peta (Gespenst).


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