PETA-VATTHU
Buch II
II,6: Kanha
Identisch mit Vorgeschichte und Text von Jat.454,
wo nur Verse 217 - 221 und 226 fehlen.
Inhalt:
In Dvāraka lebten zehn Königssöhne. Einem, Kanha (=
Kesavā = Vāsudeva),
war der Sohn gestorben. Kanha (der Dunkle) ist der
Familienname des Königs
Vāsudeva, während Kesavā
(der Haarreiche) ein Beiname ist. Kanhas Bruder
Ghata gebrauchte eine List, um seinen untröstlichen Bruder vom Kummer zu
befreien und rief immer: "Gebt mir den Hasen!"
(In Indien der "Mann im Mond", s. 212)
- (207)
- Rohinneyya:
- Erhebe, Kanha, dich, warum
liegst du, was nützt dir
Schlaf?
Dein eigner Bruder, der dir lieb
so wie dein Herz, dein
rechtes Aug,
dem ward ja irre der
Verstand:
Unsinn spricht Ghata,
Kesavā.
-
- (208)
Buddha:
- Als Kesavā das
Wort gehört,
das Rohinneyya ihm gesagt,
erhob er voller Eile
sich,
bekümmert um den Bruder sehr.
-
- (209)
Kesavā:
- Was läufst du wie verrückt umher
hier in dem Städtchen
Dvāraka,
lallst vor dich hin: "Ein Has,
ein Has!"
Was für 'nen Hasen willst du
denn?
-
- (210)
Aus Gold, aus Edelsteinen auch,
aus Eisen und aus
Silber noch,
aus Muschelstein, Korallen
ich
laß machen einen Hasen dir.
-
- (211)
Es gibt auch andre Hasen noch,
die
laufen frei in Wald und
Hain,
auch die ich lasse bringen dir.
Was für 'nen Hasen willst du
denn?
-
- (212)
Ghata:
- Fürwahr, nicht diese meine ich,
die Hasen, die auf Erden
sind.
Vom Mond den Hasen wünsche ich,
den hol herab mir,
Kesavā.
-
- (213)
Kesavā:
- Da wirst du, lieber Bruder mein,
dein süßes Leben lassen wohl,
weil Unerreichbares du
wünscht,
wenn du vom Mond den Hasen
willst.
-
- (214)
Ghata:
- Wenn du dies, Kanha, selbst erkennst,
wie du es einen andern
lehrst,
warum betrauerst du den Sohn,
der längst gestorben,
immer
noch?
-
- (215)
Was man von einem Menschen nicht
und auch von Geistern nicht
erlangt:
"Nicht sterb der Sohn, der mir
geborn",
Unmögliches man nie erlangt.
-
- (216)
Mit Sprüchen, heilend Wurzeln nicht,
mit Medizin, mit
Schätzen
nicht,
kann, Kanha, man beleben dir
den Toten, dem du trauerst
nach.
-
- (217)
- Wer viel besitzt, wer ist sehr reich,
wie Adlige mit ihrem Land,
auch wer hat noch so viel an
Geld,
er wird nicht frei von Alter, Tod.
-
- (218)
- Brahmanen, Adel, Bürgervolk,
die Diener, Kastenlosen auch,
wer
immer auch geboren ist,
er wird nicht frei von Alter,
Tod.
-
- (219)
Die da mit Sprüchen gehen um,
mit den sechs Vedas, Brahmas
Werk,
wer immer wissensreich auch ist,
er wird nicht frei von Alter,
Tod.
-
- (220)
Und auch die Seher, stillgemut,
die Büßer, die gezügelt
sehr,
auch sie verlassen diesen
Leib,
wenn ihre Zeit sich hat erfüllt.
-
- (221)
Doch Heil'ge, die
sich selbst besiegt,
gewirkt das Werk, von Trieben
frei,
wenn sie die Puppe legen ab,
gibt's nicht Verdienst noch
Böses
mehr.
-
- (222)
Kesavā:
- Wir Feuer brannte Kummer mir,
in das man
flüss'ge Butter gibt;
gleichwie man Wasser gießt
hinein,
hast alles Weh du mir gelöscht.
-
- (223)
Des Kummers Stachel zog er raus,
der mir in meinem Herz
gesteckt.
Den Kummer, der mich ganz erfüllt,
den Sohneskummer
nahm er mir.
-
- (224)
Der Kummerstachel, der ist fort,
bin kühl geworden,
brandgelöscht,
ich traure nicht, ich wein
nicht mehr,
nachdem dein Wort ich hab
gehört.
-
- (225)
Buddha:
- Die weise sind, die handeln so,
sie nehmen anderer sich an,
sie
machen sie von Kummerfrei,
wie's Ghata seinem Brudertat.
-
- (226)
Wer da Verwandte also hat,
die ihm mit gutem Ratgedient,
der Wohlgesprochenes
vernimmt,
wie Bruder es von Ghata hört.
Bemerkungen:
Einweiterer der zehn Königssöhne war Ankura (s. Pv
II,9). Rohinneyya war ein Minister von König
Kanha.
Vers 209: Über "Mann im
Mond"
als Hase s. J 316
Verse 217 - 220 = Vv 63
(Verse 987, 989 - 991)
Vers 221: Ich folge der Lesart Jayawickramas
(arahanto) statt der von Stede und Gehmann
(viharantā).
Verse 222 - 225 = 50 – 53
Vergl. E. Hardy, "Eine buddhistische Bearbeitung der
Krshna-Sage"
in: ZDMG 1899, S. 25- 30: Er vergleicht Pv II,6 und J 454 mit der Krishna
Sage.