„Pañcāla mit dem ganzen Heere“ [1]
§A. Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf die Vollendung in der Weisheit. Eines Tages nämlich priesen die Mönche in der Lehrhalle des Vollendeten Weisheitsfülle und sagten: „Freunde, der Vollendete ist von großer Weisheit, von ausgebreiteter Weisheit, von fröhlicher Weisheit, von rascher Weisheit, von scharfer Weisheit, von durchdringender Weisheit. Er zerschmettert die Widerreden [genau dieselbe Stelle findet sich auch im Anfang des vorigen Jātaka]; durch die übernatürliche Kraft seiner Weisheit hat er
gebändigt und zur Selbstverleugnung gebracht. Viele Menschen sind auch durch ihn zur Weltflucht veranlasst und in den Früchten der Wege befestigt worden. Von so großer Weisheit ist, Freunde, der Meister.“ So priesen sie, während sie da saßen, den Vorzug des Meisters. Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Erzählung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen?“ Als sie antworteten: „Zu der und der“, fuhr der Meister fort: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, ist der Vollendete weisheitsvoll; auch früher, als seine Erkenntnis noch nicht völlig gereift war und er, um die Erkenntnis der Erleuchtung zu erlangen, umherwandelte, war er schon weisheitsvoll.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.
§B1. (Die neunzehn Fragen)
Als ehedem zu Mithilā der König Vedeha regierte, waren seine Unterweiser in der Tugend vier Weise mit Namen Senaka, Pukkusa, Kavinda und Devinda. Damals hatte der König an dem Tage, da der Bodhisattva seine Wiedergeburt nahm, zur Zeit der Morgendämmerung folgenden Traum: Im Hofe des königlichen Palastes erhoben sich an den vier Ecken vier Feuersäulen, so groß wie die große Mauer, und brannten. In ihrer Mitte entstand ein Feuer so klein wie ein Leuchtkäfer; im Augenblick aber überstieg es die Feuersäulen, wuchs an zu einer Größe wie die Brahmawelt und blieb stehen, indem es das ganze Weltsystem erleuchtete. Selbst ein Senfkorn konnte man darin sehen, das auf den Boden gefallen war. Die Welt mit Göttern und Menschen brachte ihm mit Kränzen und wohlriechenden Substanzen ihre Verehrung dar. Eine große Menschenmenge wandelte auch in dem Glanze umher; aber nicht einmal eine Haarspitze ergriff die Glut.
Als der König dies Traumgesicht gesehen, erhob er sich furchterfüllt, und indem er dachte: „Was wird da wohl geschehen?“, wartete er sitzend auf die Morgenröte. In der Frühe kamen auch die vier Weisen und fragten nach seinem guten Schlafe, indem sie sagten: „O Fürst, habt Ihr glücklich geruht?“ Er erwiderte: „Woher soll ich Glück haben? Einen so beschaffenen Traum habe ich gehabt“, und erzählte ihnen seinen Traum. Darauf sagte ihm der weise Senaka: „Sei ohne Furcht, o Großkönig, dies ist ein Glückstraum; Förderung wird dir zuteil werden.“ Auf die Frage des Königs: „Warum?“, sprach der Weise: „O Großkönig, es wird ein anderer fünfter Weiser erscheinen, der uns vier Weise übertreffen und unseres Glanzes berauben wird. Wir vier Leute sind nämlich gleich vier Feuersäulen; gleich der in der Mitte entstandenen Feuersäule wird ein fünfter Weiser kommen, unübertrefflich in der Welt der Götter und Menschen und unvergleichlich.“ Als der König weiter fragte: „Wo ist dieser jetzt?“, antwortete jener: „O Großkönig, heute muss er entweder seine Wiedergeburt genommen oder den Mutterschoß verlassen haben“; dies sagte er infolge seines starken Wissens, als wäre er mit göttlicher Einsicht begabt. Der König aber erinnerte sich von da an an dieses Wort.
Bei Mithilā aber waren an den vier Toren vier Vorstädte, die Ostvorstadt, die Südvorstadt, die Westvorstadt und die Nordvorstadt [Im Pali sind die Namen: pacinayavamajjhako, dakkhinayavamajjhako, pacchimayavamajjhako, uttarayavamajjhako]. Von diesen war in der Ostvorstadt der Älteste der Kaufleute ein Mann namens Sirivaddhaka; dessen Gemahlin hieß Sumanadevi. An diesem Tage nun, zur Zeit da der König jenen Traum hatte, verließ das große Wesen den Himmel der Dreiunddreißig und nahm im Schoße dieser Frau seine Wiedergeburt. Auch andre tausend Göttersöhne verließen den Himmel der Dreiunddreißig und nahmen in derselben Stadt in den Familien der Großkaufleute und der Leute, die nach den Großkaufleuten kamen, ihre Wiedergeburt.
Sumanadevi aber gebar nach Verlauf von zehn Monaten einen goldfarbenen Sohn. In diesem Augenblicke betrachtete gerade Gott Sakka die Menschenwelt. Als er sah, dass das große Wesen den Schoß seiner Mutter verlassen wollte, dachte er: „Diesen Buddhasamen [d.h. dies Wesen, das sich später zum Buddha entwickeln will] muss man in der Welt der Götter und Menschen bekannt machen.“ In dem Augenblicke, da das große Wesen aus dem Schoße seiner Mutter hervorging, kam er mit unsichtbarem Körper herbei und legte in seiner Hand ein Bündel Heilkräuter; dann kehrte er an seinen Wohnort zurück. Das große Wesen fasste das Bündel mit der Faust. Als es aber den Schoß seiner Mutter verließ, hatte seine Mutter nicht den geringsten Schmerz: es kam hervor wie Wasser aus einem geweihten Wassertopf.
Als die Mutter in seiner Hand das Bündel Heilkräuter sah, sagte sie: „Mein Sohn, was hast du da bekommen?“ Der Knabe antwortete: „Ein Heilmittel, Mutter“, und gab das göttliche Heilkraut seiner Mutter in die Hand, indem er hinzufügte: „Mutter, nehmt dies Heilmittel und gebt es denen, die an irgend einer Krankheit leiden.“ Freudeerfüllt meldete sie dies dem Großkaufmann Sirivaddhaka. Dieser aber litt seit sieben Jahren an Kopfschmerzen. Voll Freude dachte er: „Dieser Knabe ist, da er aus dem Mutterschoße geboren wurde, mit einem Heilmittel gekommen und in dem Augenblick, da er geboren war, hat er mit seiner Mutter gesprochen. Ein von einem so tugendhaften Wesen gegebenes Heilmittel wird große Macht besitzen.“ Er rieb es an einem Reibstein und strich es ein wenig auf seine Stirn. Da wendete sich der siebenjährige Kopfschmerz wie Wasser von einem Lotosblatt und verschwand. So merkte er, dass das Heilmittel große Kraft habe, und war darüber hocherfreut.
Dass aber das große Wesen mit einem Heilmittel in der Hand gekommen war, wurde allenthalben bekannt. Wer irgend krank war, die kamen alle zu dem Hause des Großkaufmanns und baten um das Heilmittel. Für sie alle rieb man es an einem Reibstein, nahm ein wenig davon, vermischte es mit Wasser und gab es ihnen; kaum war ihr Körper mit dem göttlichen Heilmittel bestrichen, so hörten alle Krankheiten auf. Beglückt gingen die Menschen fort, indem sie es mit folgenden Worten priesen: „Im Hause des Großkaufmanns Sirivaddha ist ein Heilmittel von großer Kraft.“
An dem Tage, da das große Wesen seinen Namen bekommen sollte, sagte der Großkaufmann: „Mein Sohn braucht nicht den Namen seines Großvaters oder dgl., nach dem Heilmittel soll er den Namen haben“, und er gab ihm den Namen Osadhakumara (= Prinz Heilmittel). Dann kam ihm folgender Gedanke: „Mein Sohn besitzt große Vorzüge; er wird nicht allein seine Wiedergeburt genommen haben; es müssen noch andre Knaben zugleich mit ihm geboren sein.“ Während er so Beobachtungen anstellen ließ, hörte er, man habe tausend kleine Knaben gesehen. All diesen Knäblein schenkte er Schmucksachen, schickte ihnen Ammen, und indem er dachte: „Sie werden die Diener meines Sohnes sein“, veranstaltete er für sie mit dem Bodhisattva ein Fest. Man brachte aber die Knaben geschmückt jeden Tag zu dem großen Wesen um ihm aufzuwarten.
Während so der Bodhisattva mit ihnen spielte, wuchs er heran und war, als er sieben Jahre alt war, so schön wie eine goldene Schüssel. Wenn er aber inmitten des Dorfes mit ihnen spielte, wurde ihm, wenn Elefanten oder dgl. kamen, sein Spielplatz zerstört; wenn der Glutwind wehte, wurden die Knaben matt.
Eines Tages, als sie gerade spielten, stieg eine unzeitige Regenwolke empor. Als das große Wesen sie sah, lief es mit Elefantenstärke davon und gelangte in eine Halle. Die anderen Knaben, die hinterdrein liefen, strauchelten gegenseitig über ihre Füße, fielen zu Boden und zerbrachen sich die Kniee usw. Da dachte der Bodhisattva: „An diesem Orte muss man eine Spielhalle errichten; so werden wir nicht gestört werden.“ Und er sprach zu den Knaben: „An diesem Orte wollen wir eine Halle errichten, die beim Sturm oder bei der Hitze oder beim Regen einen passenden Ort bietet zum Niedersetzen oder zum Niederlegen. Bringt jeder ein Kahapana!“ Die tausend Knaben taten so.
Darauf ließ das große Wesen den Führer der Zimmerleute rufen und gab ihm die tausend Geldstücke mit dem Auftrage, er solle an dieser Stelle eine Halle erbauen. Dieser war damit einverstanden, nahm die tausend Geldstücke, ließ den Boden ebnen, grub Pfähle ein und richtete die Messschnur. Dies aber passte dem Sinne des großen Wesens nicht; deshalb zeigte ihm das große Wesen die Art, wie er seine Messschnur ausspannen sollte, und sagte: „Wenn du sie so richtest, richtest du sie gut!“ Der Zimmermann versetzte: „Herr, ich spannte sie aus gemäß meinem Wissen; auf andere Weise verstehe ich es nicht.“ Darauf sprach der Bodhisattva: „Wenn du nicht einmal soviel verstehst, wie willst du uns da für unser Geld eine Halle erbauen? Bringe die Messschnur herbei; ich werde sie ausspannen und dann dir geben.“ So ließ er sich die Messschnur herbeibringen und richtete sie selbst; es war, als hätte sie der göttliche Baumeister Vissakamma selbst gerichtet. Darauf sprach er weiter zu dem Zimmermann: „Wirst du im Stande sein, so die Messschnur zu richten?“ Dieser antwortete: „Ich werde es nicht können, Herr.“ „Wirst du es aber nach meiner Anleitung können?“ „Dann werde ich es können, Herr“, war die Antwort.
Darauf machte es das große Wesen so, dass in dieser Halle an einer Stelle ein Wohnort war für die übrigen Fremden, an einer Stelle für die Hilflosen, an einer Stelle ein Ort für hilflose Frauen zum Gebären, an einer Stelle ein Wohnort für fremde Asketen und Brahmanen, an einer Stelle für die übrigen Fremden und an einer Stelle für die fremden Kaufleute ein Ort, wo sie ihre Waren aufheben könnten. Es teilte die Halle so ein, dass alle diese Plätze eine Öffnung nach außen hatten. Dann ließ es dort auch einen Spielplatz, eine Gerichtsstätte und eine Lehrhalle errichten. Als nach wenigen Tagen die Halle fertig gestellt war, ließ es die Maler zu sich rufen und ließ nach eigener Angabe eine entzückende Malerei anbringen. Die Halle glich so der Götterhalle Sudhammā.
Darauf dachte es: „Die Halle ist so nicht schön genug, man muss noch einen Lotosteich anlegen.“ Es ließ einen Lotosteich graben, ließ einen Maurer rufen und diesen nach seiner eigenen Angabe um Lohn einen Lotosteich mit tausend Krümmungen und hundert Badestellen fertigen. Dieser war mit fünf verschiedenen Lotosarten bedeckt und war schön wie der Lotosteich im Nandana-Parke. An dessen Ufer ließ es mannigfache Bäume, die Blumen und Früchte trugen, anpflanzen und schuf so einen Park, der dem Nandana-Parke glich. Bei dieser Halle ließ es den tugendhaften Asketen und Brahmanen und den Fremden und Reisenden beständig Almosen spenden. Diese seine Tat wurde überall bekannt; viele Menschen kamen dorthin. Das große Wesen setzte sich in der Halle nieder und verkündete allen, die dorthin kamen, was jedes Mal für sie zu tun passend war. Es entschied die Rechtsstreitigkeiten; es war, als sei ein Buddha erschienen.
Zu dieser Zeit, als sieben Jahre verstrichen waren, erinnerte sich der König Vedeha: „Die vier Weisen erzählten mir, ein fünfter Weiser werde erscheinen, der sie übertreffen werde; wo ist dieser jetzt?“ Und er schickte mit dem Auftrag, sie sollten dessen Aufenthaltsort erfahren, zu den vier Toren vier Minister aus. Diejenigen, welche an den anderen Toren hinausgegangen waren, sahen das große Wesen nicht; derjenige aber, der zum Osttor hinausgegangen war, sah die Halle und die anderen Dinge und dachte: „Wer diese Halle fertigte oder fertigen ließ, muss ein Weiser sein.“ Deshalb fragte er die Leute: „Von welchem Zimmermann ist diese Halle erbaut worden?“ Die Leute antworteten: „Diese hat der Zimmermann nicht durch eigene Kraft gemacht, sondern nach der Angabe des weisen Mahosadha, des Sohnes des Großkaufmanns Sirivaddhaka, ist diese Halle erbaut worden.“ Auf seine weitere Frage, wie viel Jahre der Weise zähle, erwiderten sie: „Er hat sieben Jahre vollendet.“
Da rechnete der Minister von dem Tage an, da der König den Traum gehabt, und merkte: „Das Traumgesicht des Königs passt; dieser allein ist der Weise.“ Er schickte daher dem König folgende Botschaft: „O Fürst, in der Ostvorstadt hat der Sohn des Großkaufmanns Sirivaddha, der weise Mahosadha, der im Alter von sieben Jahren steht, eine derartige Halle errichten lassen; auch einen Lotosteich und einen Park ließ er anlegen. Soll ich diesen Weisen mitbringen oder soll ich ihn nicht mitbringen?“ Diese Nachricht sandte er dem König.
Als der König dies hörte, ließ er hocherfreut den Senaka zu sich rufen, verkündete ihm die Begebenheit und fragte: „Wie, Senaka, sollen wir den Weisen herbeiholen?“ Dieser antwortete, um dessen Ruhm zu verkleinern: „O Großkönig, es ist noch kein Weiser, wer nur eine Halle und dergleichen errichten lässt; jeder beliebige kann das tun; das ist wenig!“ Als der König dessen Worte hörte, dachte er: „Da muss eine Ursache vorhanden sein“, und schwieg still. Seinem Minister aber schickte er die Gegenbotschaft: „Er soll dort bleiben und den Weisen auf die Probe stellen.“ Da dies der Minister hörte, blieb er dort und prüfte den Weisen; von diesen Prüfungen gibt es folgende Zusammenstellung:
Als eines Tages der Bodhisattva sich nach dem Spielplatz begab, nahm ein Habicht von einem Metzgertisch ein Stück Fleisch und flog damit in die Luft empor. Als dies die Knaben sahen, lachten sie: „Wir wollen ihn veranlassen, dass er das Stück Fleisch wegwirft“, und verfolgten den Habicht. Der Habicht aber flog hierhin und dorthin. Während jene nun nach oben schauten und ihm immer nachliefen, stolperten sie über Steine u. dgl. und wurden müde. Du sagte zu ihnen der Weise: „Ich mache, dass er es wegwirft.“ „Bewirke dies, o Herr!“, entgegneten die anderen. „So seht also zu“, versetzte er. Ohne hinauf zusehen lief er mit Windesschnelle nach und trat dabei auf des Habichts Schatten; dazu stieß er einen lauten Ruf aus und klatschte in die Hände. Infolge seiner Kraft durchdrang dieser Ruf des Habichts Leib und breitete sich darin gewissermaßen aus. Voll Furcht ließ er das Fleisch fallen. Als das große Wesen merkte, dass der Vogel das Fleisch weggeworfen hatte, betrachtete es den Schatten und gestattete nicht, dass es auf den Boden fiel, sondern fing es noch in der Luft auf. Da die Menge dies Wunder sah, machte sie mit Rufen und Händeklatschen großen Lärm. — Als der Minister diese Begebenheit erfuhr, schickte er dem König folgende Botschaft: „Der Weise hat auf diese Weise den Habicht zum Herabwerfen des Fleischstückes veranlasst, dies möge der Fürst erfahren.“ Als der König dies hörte, fragte er den Senaka: „Wie, Senaka, sollen wir den Weisen herbeiholen?“ Jener aber dachte bei sich: „Sobald dieser hierher kommt, von dieser Zeit an werden wir unsern Glanz verlieren; der König wird dann nicht einmal mehr wissen, dass wir existieren. Es ziemt sich, ihn nicht herbeiholen zu lassen.“ Und aus Eifersucht auf seinen Ruhm sagte er: „Wegen so wenigem, o Großkönig, ist er noch kein Weiser; das ist etwas Geringes.“ Da wurde der König gleichgültig und sandte die Gegenbotschaft, jener solle ihn weiter prüfen.
Ein Mann, der in der Vorstadt wohnte, wollte einmal, als es geregnet hatte, pflügen. Er kaufte in einem Dorfe Ochsen, brachte sie nach Hause und ließ sie dort bleiben. Am andern Tage führt er sie zum Füttern auf einen Grasplatz. Während er aber auf dem Rücken des einen Ochsen saß, wurde er müde, stieg herab, setzte sich nieder und schlief ein. In diesem Augenblicke nahm ein Dieb die Ochsen und lief mit ihnen davon. Als jener beim Aufwachen die Ochsen nicht mehr sah, schaute er überall herum. Da bemerkte er den forteilenden Dieb. Schnell sprang er auf und rief: „Wohin führst du meine Ochsen?“ Jener erwiderte: „Ich führe meine Ochsen, wohin ich will.“ Man hörte ihren Streit und so versammelte sich eine große Menge. Als nun der Weise den Lärm von ihnen hörte, wie sie an der Tür der Halle vorbeigingen, ließ er sie herbeirufen, und da er ihr Gebaren bemerkte, erkannte er: „Dies ist der Eigentümer und dieser ist der Dieb.“ Obwohl er dies aber erkannte, fragte er: „Warum streitet ihr?“ Da sagte der Eigentümer der Ochsen: „Ich habe diese in dem Dorfe so und so von einem Manne so und so gekauft, nach Hause gebracht, sie dort die Nacht verbringen lassen und sie dann zu einem Grasplatze geführt. Dort sah dieser Mann, dass ich ermüdet war, und lief mit den Ochsen davon. Als ich nun überall umschaute, sah ich ihn, verfolgte ihn und packte ihn. Die Bewohner des Dorfes so und so wissen, dass ich sie gekauft und mitgenommen habe.“ Der Dieb aber erwiderte: „Sie sind in meinem Hause geboren; dieser lügt.“ Da sagte der Weise: „Ich werde euren Streit gerecht entscheiden; wollt ihr mich auf den Richterstuhl setzen [das heißt nur: Wollt ihr euch meiner Entscheidung unterwerfen?]?“ Als sie antworteten: „Wir wollen es tun“, dachte er: „Es ziemt sich, das Herz der Menge zu gewinnen“, und fragte zuerst den Dieb: „Womit hast du diese Ochsen gefüttert, womit hast du sie getränkt?“ Jener antwortete: „Ich habe sie Reisschleim trinken lassen und habe ihnen Sesam und Bohnen zu fressen gegeben.“ Darauf fragte er den Eigentümer der Ochsen; dieser erwiderte: „Woher, Herr, soll ich armer Mann Reisschleim und dergleichen haben? Ich habe sie Gras fressen lassen.“ Nachdem der Weise diese ihre Worte der Menge mitgeteilt, ließ er Piyangu-Blätter [eine Heilpflanze mit sehr bitteren Blättern, Panicum italicum] herbeibringen, die in einem Mörser zerstoßen und in Wasser zerrieben wurden; dieses gab er den Ochsen zu trinken. Da gaben die Ochsen nur Gras von sich. Der Weise zeigte dies der Menge mit den Worten: „Seht dies!“ Dann fragte er den Dieb: „Bist du ein Dieb oder bist du kein Dieb?“ Jener gestand, er sei ein Dieb. Der Weise fuhr fort: „So tue von nun an nicht mehr dergleichen!“ Die Leute des Bodhisattva aber führten ihn fort und schlugen ihn mit Händen und Füßen, dass er krank wurde. Da wandte sich an ihn der Weise mit dieser Ermahnung: „Schon in dieser sichtbaren Welt ist dir solches Leid zuteil geworden, im künftigen Leben aber wirst du in der Hölle und ähnlichen Straforten große Schmerzen erdulden. Von jetzt an gib solche Taten auf!“ So gab er ihm die fünf Gebote. — Der Minister berichtete diese Begebenheit dem Könige, wie sie geschehen war. Der König fragte Senaka; dieser aber antwortete: „Ein Streit um Rinder wird von jedem beliebigen entschieden; warte nur!“ Da wurde der König gleichgültig und sandte jenem wieder dieselbe Botschaft. — So ist es auch bei allen anderen Geschichten zu verstehen; von jetzt an aber wollen wir nur erzählen, um das Inhaltsverzeichnis zu erklären. —
Ein armes Weib hatte aus bunten Fäden ein Band gebunden. Einmal machte es den aus den Fäden hergestellten Bandschmuck vom Halse los, legte ihn auf ihr Gewand und stieg in den Lotosteich, den der Weise hatte graben lassen, um darin zu baden. Ein anderes junges Weib sah dies, bekam Lust danach, hob ihn auf und sagte: „Mutter, dies ist gar schön; mit wieviel hast du dies gemacht? Auch ich möchte mir ein solches verfertigen.“ Sie hing es um ihren Hals [8] und fragte: „Kann ich sein Maß untersuchen?“ Als die andere geraden Sinnes antwortete: „Untersuche es nur!“, hing jene es um den Hals und entfernte sich damit. Da die andere dies sah, stieg sie rasch heraus, zog ihr Gewand an, lief ihr nach und fasste sie am Gewande mit den Worten: „Nimmst du den von mir gefertigten Schmuck und läufst damit fort?“ Die andere versetzte: „Ich nehme nichts, was dir gehört; an meinem Halse ist nur mein Schmuck.“ Als man dies hörte, versammelte sich eine große Menge. — Der Weise, der gerade mit den anderen Knaben in der Halle spielte, hörte, wie sie streitend an der Tür der Halle vorbeigingen. Er fragte: „Was für ein Gespräch ist dies?“ Als er hörte, was der Grund ihres Streites war, ließ er sie zu sich rufen und merkte gleich beim Anblick: „Dies ist die Diebin.“ Er fragte nach dem Sachverhalt und fragte sie: „Unterwerft ihr euch meinem Urteil?“ Als sie antworteten: „Ja, Herr“, fragte er zuerst die Diebin: „Mit welchem Parfüm hast du deinen Schmuck besprengt?“ Sie erwiderte: „Ich sprenge immer den alles umfassenden Wohlgeruch aus.“ Der „alles umfassende Wohlgeruch“ ist nämlich ein aus allen Parfüms verbunden hergestellter Wohlgeruch. — Dann fragte er die andere. Diese sprach: „Woher soll ich Arme den alles umfassenden Wohlgeruch haben? Ich besprenge immer nur mit dem Duft der Priyangu-Blume.“ Darauf ließ der Weise eine Schüssel mit Wasser holen und den Schmuck hineinwerfen; dann ließ er einen Parfümverkäufer herbeirufen, ihn an der Schüssel riechen und sagte zu ihm: „Erkenne, was dies für ein Wohlgeruch ist.“ Dieser merkte beim Riechen, dass es der Duft der Priyangu-Blume war, und sprach folgende Strophe aus dem ersten Buche [diese Strophe ist im Jātaka 110 lediglich zitiert ohne weitere Beifügung]:
Das große Wesen tat dies der Menge kund; dann fragte er jene: „Bist du eine Diebin oder bist du keine Diebin?“, und ließ sie so eingestehen, dass sie die Diebin war. Von da an wurde die Weisheit des großen Wesens der Volksmenge bekannt.
Eine Baumwollfeldwächterin nahm, während sie ein Baumwollfeld hütete, dort ganz reine Baumwolle, spann sich einen feinen Faden daraus, machte davon einen Knäuel und legte diesen in den Bausch ihres Gewandes. Als sie dann in ihr Dorf zurückkehrte, wollte sie in dem Lotosteich des Weisen baden; deshalb legte sie den Fadenknäuel auf ihr Gewand und stieg in das Wasser hinab, um zu baden. Als eine andere Frau dies sah, nahm sie es mit räuberischem Sinne weg und sagte: „Ach, Mutter, dies ist ein schöner Faden, den du da gemacht hast.“ Sie schnippte mit den Fingern, tat ihn, als wenn sie ihn nur ansehen wollte, in den Bausch ihres Gewandes und entfernte sich. — Das nächste ist in der Art auszuführen wie oben angegeben. — Der Weise fragte nun die Diebin: „Als du den Knäuel machtest, was legtest du da hinein?“ Sie antwortete: „Einen Baumwollfruchtkern, Herr.“ Als er die andere fragte, sagte diese: „Einen Tinduka-Kern.“ Nachdem er nun die Worte von beiden der Volksmenge mitgeteilt hatte, ließ er den Fadenknäuel auseinander wickeln und sah den Tinduka-Kern darinnen. Er ließ die Diebin eingestehen, dass sie gestohlen hatte. Hochbefriedigt rief die Menge: „Gut entschieden ist der Streit“, und ließ tausend Beifallsrufe erschallen.
Eine Frau war mit ihrem Sohne, um sich das Antlitz zu waschen, nach dem Lotosteiche des Weisen gegangen. Nachdem sie ihren Sohn gebadet, setzte sie ihn auf ihr Gewand, wusch ihr Antlitz und stieg hinab, um zu baden. In diesem Augenblick sah eine Dämonin den Knaben und bekam Lust, das Kind aufzufressen. Sie nahm die Gestalt einer Frau an und fragte: „Es glänzt fürwahr dieser Knabe; ist er dein Sohn?“ Als die andere antwortete: „Ja, Mutter“, fuhr sie fort: „Ich will ihn trinken lassen.“ Auf die Zusage der andern nahm sie ihn, ließ ihn ein wenig spielen und begann dann, mit ihm davonzulaufen. Als die andere dies sah, lief sie ihr nach und fasste sie mit den Worten: „Wohin bringst du meinen Sohn?“ Die Dämonin versetzte: „Woher soll ich deinen Sohn erhalten haben? Dies ist mein Sohn.“ — Während sie so stritten, kamen sie an der Türe der Halle vorbei. Als der Weise den Lärm von ihrem Streit hörte, rief er sie zu sich und fragte sie: „Was ist dies?“ Nachdem er ihren Streit erfahren, erkannte er an dem Nichtblinzeln und der Röte ihrer Augen, dass jene eine Dämonin war; gleichwohl sagte er: „Wollt ihr euch meinem Urteile unterwerfen?“ Als sie antworteten: „Ja, wir wollen uns unterwerfen“, zog er einen Strich und ließ den Knaben mitten auf den Strich legen. Dann ließ er ihn von der Dämonin an den Händen, von der Mutter an den Füßen ergreifen und sagte zu den beiden „Zieht und nehmt ihn; nur derjenigen, die ihn zu sich zu ziehen vermag, soll der Knabe gehören.“ Die beiden zogen an. Während aber der Knabe so hin und her gezogen wurde, litt er Schmerzen und begann zu weinen. Da ließ die Mutter, als ob ihr das Herz zerbräche, ihren Sohn los und blieb weinend stehen. Jetzt fragte der Weise die Menge: „Ist gegen einen Knaben das Herz der Mutter mild oder das Herz von einer, du nicht seine Mutter ist?“ Er erhielt zur Antwort: „Das Herz einer Mutter, du Weiser.“ „Ist also jetzt dies die Mutter, die ihn festhält, oder die, die ihn losgelassen hat?“ „Diejenige, die ihn losgelassen hat“, war die Antwort. Der Weise fuhr fort: „Kennt ihr aber diese Knabendiebin?“ „Wir kennen sie nicht, Weiser.“ „Dies ist eine Dämonin; sie nahm den Knaben, um ihn zu fressen.“ „Wie erkennst du dies, Weiser?“, fragten sie. Er erwiderte: „An dem Nichtblinzeln und der Röte ihrer Augen, am Fehlen des Schattens, an ihrer Furchtlosigkeit und an ihrer Mitleidlosigkeit.“ Darauf fragte er sie: „Wer bist du?“ Sie antwortete: „Ich bin eine Dämonin, o Herr.“ Weiter fragte er: „Warum hast du diesen Knaben weggenommen?“ „Um ihn zu verzehren, o Herr“, war die Antwort. Jetzt sagte der Weise: „Du blinde Törin, weil du auch früher Böses tatest, wurdest du als Dämonin geboren und jetzt tust du wieder Böses? Ach, du bist eine blinde Törin!“ Nachdem er sie so ermahnt, befestigte er sie in den fünf Geboten und entließ sie dann. Die Mutter des Knaben aber pries den Weisen mit den Worten: „Lebe lange, o Herr“, und entfernte sich dann mit ihrem Sohne.
Ein Mann nämlich, der wegen seiner Zwerghaftigkeit Ball und wegen seiner schwarzen Farbe Schwarzer genannt wurde, der also den Namen Golakala (= schwarzer Ball) hatte, nahm sich, nachdem er sieben Jahre lang zu Hause gearbeitet hatte, eine Frau; diese hieß Dighatala (= lange Palme). Eines Tages sagte er zu ihr: „Liebe, backe Kuchen und Esswaren; wir wollen fortgehen, um die Eltern zu besuchen.“ Sie aber wies ihn zurück mit den Worten: „Was willst du mit den Eltern?“ Als er es aber dreimal gesagt hatte, ließ er Kuchen backen, nahm Reisevorrat und ein Geschenk mit und machte sich mit ihr auf den Weg. Unterwegs sah er einen Fluss, der seicht dahin floss; die beiden aber hatten Angst vor dem Wasser. Da sie sich deshalb den Fluss nicht zu überschreiten getrauten, blieben sie am Flussufer stehen. Damals kam nun gerade ein armer Mann namens Dighapitthi (= Langrücken), während er an dem Fluss umherwandelte, an diese Stelle. Als sie ihn sahen, fragten sie ihn: „Freund, ist dieser Fluss tief oder nicht?“ Jener merkte, dass sie vor dem Wasser Angst hatten, und antwortete deshalb: „Er ist sehr tief und voll wilder Fische.“ Sie fragten weiter: „Freund, wie wirst du darüber gehen?“ Er erwiderte: „Hier haben die Krokodile eine nähere Bekanntschaft mit uns; darum verletzen sie uns nicht.“ „So bringe du uns hinüber“, baten sie. „Gut“, stimmte er zu. Darauf gaben sie ihm feste und flüssige Speise. Nachdem er sein Mahl verzehrt hatte, fragte er: „Wen, Freund, soll ich zuerst hinüberbringen?“ Der Mann antwortete: „Nimm deine [11] Freundin zuerst mit; mich kannst du nachher holen.“ Jener erwiderte: „Gut“, setzte sie auf seine Schulter, nahm den Reisevorrat und die ganzen Geschenke mit und stieg in den Fluss hinab. Als er ein wenig gegangen war, bückte er sich bis auf die Kniee nieder und ging so weiter. Da dachte Golakala, während er am Ufer stand: „Wie tief fürwahr ist dieser Fluss! Auch auf diesem Langrücken wird mir ein derartiger Fluss unüberschreitbar sein.“ Nachdem aber der andere die Frau bis in die Mitte des Flusses gebracht hatte, sagte er zu ihr: „Liebe, ich werde dich ernähren, du wirst leben reich versehen mit Gewändern und Schmuck und umgeben von Sklaven und Sklavinnen. Was kann dir dieser winzige Zwerg machen? Tue nach meinem Wort!“ Als sie seine Worte hörte, zerstörte sie die Liebe zu ihrem Manne und verliebte sich noch in demselben Augenblick in den anderen; sie gab ihre Zustimmung mit den Worten: „Herr, wenn du mich nicht verstoßen willst, werde ich tun nach deinem Worte.“ Als sie an das andere Ufer gekommen waren, ließen einträchtig die beiden den Golakala im Stich; mit den Worten: „Bleibe nur!“, verzehrten sie vor seinen Augen die Speisen und gingen dann fort. — Als jener dies sah, dachte er: „Die beiden sind einig geworden, geben mich auf und laufen davon, glaub ich.“ Er lief immer hin und her, stieg ein wenig ins Wasser hinab, kehrte aber aus Furcht wieder um. Dann dachte er aus Zorn über sie: „Entweder bleibe ich leben oder ich sterbe“, sprang in den Fluss und fiel hin. Da merkte er die Seichtheit des Flusses, überschritt ihn und verfolgte den anderen. Als er ihn erreicht hatte, rief er: „Holla, du verräterischer Dieb, wohin bringst du meine Gattin?“ Der andere aber versetzte: „Holla, du falscher Zwerg, woher ist dies deine Gattin? Meine Gattin ist dies!“ Mit diesen Worten packte er ihn am Halse, drehte ihn um und warf ihn zu Boden. Jener nahm nun Dighatala bei der Hand und sagte zu ihr: „Bleib stehen; wohin gehst du? Nachdem ich sieben Jahre lang im Hause gearbeitet, habe ich dich zur Gattin erhalten.“ — Während er so mit dem anderen stritt, gelangte er in die Nähe der Halle; eine große Volksmenge versammelte sich. Das große Wesen fragte: „Was für ein Lärm ist dies?“, ließ die beiden zu sich rufen, hörte ihre Rede und Gegenrede und sagte zu ihnen: „Wollt ihr euch meiner Entscheidung unterwerfen?“ Auf ihre bejahende Antwort rief er zuerst den Dighapitthi zu sich und fragte ihn: „Wie heißt du?“ Jener antwortete: „Ich heiße Dighapitthi, Herr.“ „Wie heißt deine Gattin?“, fragte der Weise weiter. Da er ihren Namen nicht kannte, nannte er irgend einen anderen Namen. Jener fuhr fort: „Wie heißen deine Eltern?“ „Sie heißen so und so.“ „Wie heißen die Eltern deiner Gattin?“, fragte jener weiter. Da der andere dies nicht wusste, nannte er wieder einen anderen Namen. Darauf hieß der Weise die Versammlung diese Namen behalten, schickte jenen weg und ließ den andern rufen. Diesen fragte er nach der angegebenen Art nach den Namen von diesen allen und er, der sie der Wahrheit gemäß kannte, nannte sie ohne Fehler. Darauf schickte jener auch diesen weg und ließ Dighatala zu sich rufen. Diese fragte er: „Wie heißt du?“ Sie antwortete: „Ich heiße Dighatala, Herr.“ „Wie heißt dein Gatte?“, fragte er weiter. Da sie es nicht wusste, nannte sie einen anderen Namen. „Wie heißen deine Eltern?“, fragte er weiter. Sie nannte die Namen, wie sie waren. Als er aber weiter fragte, wie die Eltern ihres Mannes hießen, nannte sie stammelnd wieder einen anderen Namen. Jetzt ließ der Weise die beiden anderen herbeirufen und fragte die Menge: „Passt die Rede von dieser zu den Worten des Dighapitthi oder zu denen des Golakala?“ „Zu denen des Gola, Herr“, antworteten sie. „So ist also dieser ihr Gatte und der andere ist der Dieb“, fuhr er fort; und er fragte jenen und ließ ihn seinen Diebstahl eingestehen.
Ein Mann hatte sich auf seinen Wagen gesetzt und war fortgefahren, um sein Antlitz zu waschen. In diesem Augenblick überlegte gerade Gott Sakka und sah dabei den Weisen. Er dachte bei sich: „Ich werde die übernatürliche Macht der Weisheit des Buddhasprossen Mahosadha bekannt machen“, kam in Menschengestalt herbei, packte den Wagen an seinem Hinterteile und ging so weiter. Der auf dem Wagen sitzende Mann fragte ihn: „Freund, zu welchem Zweck bist du gekommen?“ „Um Euch zu dienen.“ Jener stimmte zu, stieg vom Wagen herab und ging fort, um seinen Körper zu pflegen. In diesem Augenblick bestieg Sakka den Wagen und fuhr rasch fort. Nachdem der Besitzer des Wagens seinen Körper gereinigt hatte, kam er heraus und sah, wie Sakka mit dem Wagen davonfuhr. Rasch ging er nach und rief: „Bleibe, bleibe; wohin führst du meinen Wagen?“ Der andere erwiderte: „Dein Wagen wird ein anderer sein; dies aber ist mein Wagen.“ — Indem er so mit ihm stritt, kam er zur Türe der Halle. Der Weise dachte: „Was ist dies?“, und ließ ihn zu sich rufen. Als er ihn herankommen sah, merkte er an seiner Furchtlosigkeit und an dem Nichtblinzeln der Augen, dass der eine Gott Sakka war, der andere aber der Eigentümer des Wagens. Trotzdem aber fragte er nach dem Grunde des Streites und sagte: „Wollt ihr euch meiner Entscheidung unterwerfen?“ Als sie antworteten: „Ja, Herr“, fuhr er fort: „Ich werde den Wagen vorwärts treiben; ihr zwei fasst den Wagen hinten und lauft mit. Derjenige, dem der Wagen gehört, lässt nicht los, der andere wird ihn loslassen.“ Und er befahl einem Manne: „Treibe den Wagen voran!“ Dieser tat so. Die beiden anderen fassten den Wagen hinten und liefen nach. Der Eigentümer des Wagens aber konnte, nachdem er ein wenig gelaufen war, nicht mehr weiterlaufen, ließ den Wagen los und blieb stehen; Gott Sakka aber lief immer mit dem Wagen. Da ließ der Weise den Wagen wieder umkehren und verkündete nun den Leuten: „Dieser Mann hat, nachdem er ein wenig gelaufen, den Wagen losgelassen und ist stehen geblieben; dieser andere aber ist mit dem Wagen gelaufen und auch mit dem Wagen wieder umgekehrt. An seinem Körper ist kein einziger Schweißtropfen, auch kein Ein- und Ausatmen ist zu hören. Dieser Furchtlose, der mit den Augen nicht blinzelt, ist nur Sakka, der Götterkönig!“ Darauf fragte er ihn: „Bist du der Götterkönig?“ Auf seine bejahende Antwort fragte er weiter: „Warum bist du gekommen?“ Jener erwiderte: „Um deine Weisheit bekannt zu machen, du Weiser:“ Der Weise ermahnte ihn nun, er solle von jetzt an nicht mehr so tun; Sakka aber stellte sich, indem er seine göttliche Macht zeigte, in die Luft und pries den Weisen mit den Worten: „Gut entschieden ist der Streit.“ Darauf kehrte er an seinen Wohnort zurück. Hierauf ging jener Minister selbst zum Könige hin und sprach zu ihm: „O Großkönig, so hat der Weise den Streit wegen des Wagens entschieden; selbst Gott Sakka wurde von ihm überwunden. Warum erkennst du nicht den Vorzug des Mannes, o Fürst?“ Da fragte der König den Senaka: „Senaka, sollen wir den Weisen holen lassen?“ Dieser aber antwortete: „O Großkönig, mit so wenig ist man noch kein Weiser. Wartet; ich will ihn sogleich prüfen und es so sehen.“
Ende der sieben Fragen des Knaben
Eines Tages sagten sie: „Wir wollen den Weisen auf die Probe stellen.“ Sie ließen einen Akazienstab herbeibringen, nahmen davon eine Spanne lang weg, ließen dies Stück von einem Drechsler gut abschaben und schickten es so in die Ostvorstadt mit folgender Botschaft: „Die Bewohner der Ostvorstadt sind ja weise; sie sollen erkennen, was die Spitze und was der Fuß dieses Akazienstabes ist. Wenn sie es nicht finden, müssen sie tausend Kahapanas Strafe zahlen.“ Da versammelten sich die Dorfbewohner, und weil sie es nicht herausfinden konnten, berichteten sie dem Großkaufmann: „Vielleicht kann es der weise Mahosadha erkennen; lasst ihn rufen und fragt ihn!“ Der Großkaufmann ließ den Weisen vom Spielplatz rufen, erzählte ihm die Sache und fragte ihn: „Mein Sohn, wir sind nicht im Stande, es zu erkennen; wirst vielleicht du es herausbringen können, mein Sohn?“ Als dies der Weise hörte, dachte er: „Dem Könige ist es nicht darum zu tun, ob dies die Spitze und dies der Fuß ist; er wird es, um mich auf die Probe zu stellen, geschickt haben.“ Und er sprach: „Vater, bringt es herbei; ich werde es herausbringen.“ Er nahm den Stab in die Hand; obwohl er aber gleich merkte, was die Spitze und was der Fuß war, ließ er, um das Herz der Menge zu gewinnen, eine Schüssel mit Wasser bringen. Um den Akazienstab band er in der Mitte eine Schnur, fasste dann das Ende der Schnur und legte den Akazienstab auf das Wasser. Da tauchte der Fuß infolge seiner Schwere zuerst in das Wasser ein. Jetzt fragte er die Menge: „Ist bei einem Baume die Wurzel schwerer oder die Spitze?“ Man antwortete ihm: „Die Wurzel, du Weiser.“ Darauf sagte er: „So seht also, wie bei diesem zuerst der untere Teil untergegangen ist“, und erklärte ihnen mit diesem Zeichen die Spitze und den Fuß. Die Dorfbewohner aber sandten den Stab wieder dem Könige mit der Bemerkung, das sei die Spitze und das der Fuß. Erfreut fragte der König, wer dies gefunden habe. Als er hörte, es sei der weise Mahosadha, der Sohn des Großkaufmanns Sirivaddhi, da fragte er: „Wie, Senaka, wollen wir ihn herbeiholen?“ Dieser aber versetzte: „Warte noch, Fürst, wir wollen ihn auch mit einem anderen Mittel auf die Probe stellen.“
Eines Tages ließen sie zwei Schädel herbeibringen, den eines Mannes und den einer Frau, und schickten sie in die Vorstadt mit dem Befehl: „Sie sollen erkennen, was der Schädel der Frau und was der Schädel des Mannes ist; wenn sie es nicht erkennen, sollen sie tausend (Kahapanas) als Strafe zahlen.“ Da es die Dorfbewohner nicht wussten, fragten sie den Mahosadha. Sobald dieser es sah, merkte er sogleich: „An einem Männerschädel sind die Nähte gerade, an einem Frauenschädel aber sind sie krummer und gehen ringsum.“ Infolge dieser Erkenntnis bestimmte er: „Dies ist der Schädel der Frau und dies der Schädel des Mannes.“ Die Dorfbewohner schickten diese Botschaft dem Könige; das Übrige gleicht dem oben Erzählten.
Eines Tages ließen sie ein Schlangenmännchen und ein Schlangenweibchen herbeibringen und schickten sie in die Vorstadt mit dem Auftrag, man solle erkennen, welches die männliche und welches die weibliche Schlange sei. Die Dorfbewohner fragten den Weisen; sobald er sie sah, merkte er: Beim Schlangenmännchen ist der Schwanz dick, bei dem Weibchen dünn; beim Schlangenmännchen ist der Kopf dick, beim Weibchen lang; beim Schlangenmännchen sind die Augen groß, beim Weibchen klein; beim Schlangenmännchen ist der Gürtel hübsch rund [12], beim Weibchen zerrissen. Infolge dieser Merkmale verkündete er, was das Schlangenmännchen und was das Weibchen war. Das Übrige entspricht dem oben Erzählten.
Eines Tages schickten sie den Befehl: „Die Bewohner der Ostvorstadt sollen uns einen ganz weißen, an den Füßen gehörnten, am Kopfe mit Buckel versehenen Stier senden, der schreit, ohne drei Zeiten zu überschreiten; wenn sie ihn nicht senden, sollen sie tausend Kahapanas Strafe zahlen.“ Da jene dies nicht verstanden, fragten sie den Weisen. Dieser sagte: „Der König befiehlt euch, einen ganz weißen Hahn zu bringen; dieser ist, weil er an seinem Fuße einen Sporn hat, an den Füßen gehörnt; wegen des Schopfes auf seinem Haupte ist er am Haupte gebuckelt; wenn er dreimal kräht, so schreit er, ohne drei Zeiten zu überschreiten. Darum sendet ihm einen derartigen Hahn.“ Sie taten so.
Das Kleinod, das Gott Sakka dem König Kusa gegeben hatte, war an den acht Ecken gekrümmt [d.h. das Kleinod war achteckig]. Von ihm war die Schnur zerrissen. Niemand war im Stande, die alte Schnur herauszuziehen und eine neue durchzuziehen. Eines Tages nun sandten sie dies den Vorstadtbewohnern mit dem Auftrag, sie sollten aus diesem Kleinod die alte Schnur herausziehen und eine neue hindurch stecken. Die Dorfbewohner aber konnten weder die alte herausnehmen noch eine neue durchziehen. Da sie nicht dazu im Stande waren, meldeten sie es dem Weisen. Dieser sagte: „Seid unbekümmert!“ Dann befahl er ihnen, einen Tropfen Honig herbeizubringen, und bestrich das Loch an beiden Seiten des Kleinods mit dem Honig. Hierauf drehte er einen Wollfaden zusammen, benetzte ihn an der Spitze mit Honig und drehte ihn ein wenig in das Loch. Das Ganze legte er an eine Stelle, wo Ameisen herauskamen. Infolge des Honiggeruches kamen die Ameisen aus ihrer Höhle hervor; sie gingen voran, indem sie in dem Kleinod den alten Faden auffraßen; dann fassten sie den Wollfaden, bissen hinein und zogen ihn durch, bis sie ihn an einer Seite herausgebracht hatten. Als der Weise merkte, dass der Faden durchgezogen war, gab er das Kleinod den Dorfbewohnern mit der Weisung, es dem König zu übergeben. Diese schickten es dem König; als dieser das Mittel hörte, wie der Faden durchgezogen war, war er befriedigt.
Eines Tages gaben sie dem Leibstier des Königs viel Bohnen zu fressen, dass er einen dicken Bauch bekam; sie reinigten ihm die Hörner, bestrichen ihn mit Öl, wuschen ihn mit Gelbwurz und schickten ihn so zu den Bewohnern der Ostvorstadt mit folgender Botschaft: „Ihr seid ja weise. Dieser Leibstier des Königs hat eine Leibesfrucht empfangen; lasset ihn gebären und schickt ihn mit dem Kalbe zurück. Wenn ihr dies nicht tut, müsst ihr tausend Kahapanas Strafe zahlen.“ Die Dorfbewohner fragten den Weisen: „Wir sind nicht im Stande, so zu tun; was sollen wir machen?“ Dieser dachte bei sich: „Man muss eine Gegenfrage stellen“, und er fragte jene: „Werdet ihr einen kühnen Mann bekommen können, der im Stande ist, mit dem Könige zu reden?“ Sie antworteten: „Dies ist nicht schwer, Weiser.“ „So ruft ihn also herbei“, fuhr er fort. Sie riefen ihn herbei; darauf sprach zu ihm das große Wesen: „Gehe mit auf den Rücken herabfallenden Haaren, und indem du mannigfache laute Klagerufe ausstößt, an das Tor des königlichen Palastes. Wenn dich die anderen fragen, so erwidere nichts, sondern klage weiter. Wenn dich aber der König rufen lässt und dich nach dem Grunde deines Jammerns fragt, so antworte: ‘Mein Vater, o Fürst, kann nicht gebären. Heute ist der siebente Tag. Sei du meine Rettung und sage ihm ein Mittel, wie er gebären kann.’ Wenn dann der König sagt: ‘Was plapperst du da für Unsinn? Es gibt doch keine Männer, die gebären,’ dann sprich: ‘Wenn dies, o Fürst, wahr ist, wie sollen dann die Bewohner der Ostvorstadt den königlichen Leibochsen zum Gebären veranlassen?’“ Jener stimmte dem zu und tat so. Der König fragte: „Von wem ist diese Gegenfrage ausgedacht?“ Als er hörte, dies sei vom weisen Mahosadha geschehen, war er darüber befriedigt.
An einem andern Tage dachten sie wieder: „Wir wollen den Weisen auf die Probe stellen“, und sie schickten den Bewohnern der Ostvorstadt folgende Weisung: „Sie sollen sauren Reisbrei kochen, der mit acht Kennzeichen versehen ist, und uns schicken. Dies sind die acht Kennzeichen: Nicht aus Reiskörnern, nicht mit Wasser, nicht in einem Topf, nicht in einem Ofen, nicht mit Feuer, nicht mit Holz, nicht von einer Frau, nicht von einem Mann, nicht auf einer Straße. Wenn sie ihn nicht schicken, müssen sie tausend Kahapanas Strafe zahlen.“ Da die Dorfbewohner dies nicht verstanden, fragten sie den Weisen. Dieser versetzte: „Seid unbekümmert!“ Weil der Brei nicht aus Reiskörnern sein sollte, ließ er sie Reisstaub nehmen; „nicht mit Wasser“, deshalb ließ er sie Schnee nehmen; „nicht in einer Schüssel“, da ließ er sie ein anderes Tongefäß nehmen; „nicht im Ofen“, da ließ er das Gefäß in einen Baumstumpf eingraben; „nicht mit Feuer“, deshalb verzichtete er auf natürliches Feuer und ließ Feuer von Reibehölzern nehmen; „nicht mit Holz“, deshalb ließ er Blätter nehmen und damit den sauren Reisbrei kochen. Dann legte er diesen in ein neues Gefäß, röstete ihn und ließ dieses nicht von einem Weibe oder einem Manne, sondern von einem Verschnittenen aufheben und sagte dann: „Weil es nicht auf der Straße geschehen soll, so verzichtet auf die Hauptstraße und schickt es dem Könige auf einem Fußpfade!“ Sie taten so. Der König fragte, von wem diese Frage so verstanden worden sei; als er hörte, von dem weisen Mahosadha, war er hochbefriedigt.
An einem anderen Tage sandten sie, um den Weisen wieder auf die Probe zu stellen den Dorfbewohnern folgenden Auftrag: „Der König möchte sich auf der Schaukel vergnügen; im königlichen Hause aber ist der alte Sandstrick zerrissen. Man soll einen neuen Strick aus Sand drehen und ihn schicken; wenn man ihn nicht schickt, muss man tausend Kahapanas Strafe zahlen.“ Da dies die Bewohner nicht verstanden, fragten sie den Weisen. Dieser dachte: „Auch hier muss eine Gegenfrage gestellt werden.“ Er tröstete die Dorfbewohner, ließ zwei oder drei des Wortes kundige Männer herbeirufen und sagte zu ihnen: „Gehet zum König und sprechet zu ihm: ‘O Fürst, die Dorfbewohner kennen von diesem Strick nicht das Maß, ob er dünn oder dick ist. Schickt von dem alten Sandstrick ein Stück eine Spanne lang oder vier Zoll lang; dieses werden wir anschauen und dann nach diesem Maß den Strick drehen.’ Wenn dann der König euch sagt: ‘In unserem Hause hat es früher noch keinen Sandstrick gegeben,’ so sprecht: ‘Wenn, o Großkönig, man dies nicht machen kann, wie sollen dann die Bewohner der Ostvorstadt einen Strick aus Sand machen können?’“ Mit dieser Weisung schickte er sie fort. Sie taten so. Als der König dies hörte, fragte er: „Von wem ist diese Gegenfrage ausgedacht worden?“ Da er hörte, von dem Weisen, war er hochbefriedigt.
An einem anderen Tage sandten sie den Dorfbewohnern wieder folgenden Befehl: „Der König möchte sich am Wasserspiel erfreuen. Man soll ihm einen mit fünf Arten von Lotosblumen bedeckten neuen Lotosteich schicken; wenn man diesen nicht schickt, werden sie um tausend Kahapanas gestraft.“ Jene meldeten dies dem Weisen; dieser dachte wieder: „Man muss dabei eine Gegenfrage stellen.“ Er gab den Auftrag, einige redekundige Männer zu sich zu rufen, und sagte zu diesen: „Spielt ihr im Wasser, macht eure Augen rot, eure Haare und eure Kleider nass, bestreicht mit Schmutz euren Körper, nehmt Schlingen, Stöcke und Erdklumpen in die Hand und geht so an die Türe des königlichen Palastes. Lasst dem Könige melden, dass ihr an der Türe steht; wenn ihr dann Erlaubnis erhaltet, so geht hinein und sprechet: ‘O Großkönig, weil ihr zu den Bewohnern der Ostvorstadt gesandt habt mit dem Auftrag, sie sollten Euch einen Lotosteich schicken, sind wir mit einem Euch angemessenen großen Lotosteich gekommen. Weil dieser aber immer im Walde gelebt hat, hat er, als er die Stadt sah und die Mauern, Wälle und Tortürme betrachtete, voll Furcht die Schlingen zerrissen, ist davon gelaufen und in den Wald hineingeflüchtet. Wir haben ihn dann mit Erdklumpen und Stöcken geschlagen, konnten ihn aber nicht zur Umkehr veranlassen [14]. Gebt uns den aus Eurem Walde geholten alten Lotosteich; mit ihm wollen wir den anderen zusammenbinden und ihn so herbeibringen.’ Wenn dann der König sagt: ‘Noch niemals ist früher zu mir aus meinem Walde ein Lotosteich gekommen und noch niemals habe ich meinen Lotosteich an jemand angebunden und, um etwas zu holen, fortgeschickt’, so erwidert: ‘Wenn es so ist, wie sollen dann die Bewohner der Ostvorstadt den Lotosteich schicken können?’“ Mit diesem Auftrage schickte er sie fort. Diese taten so; als aber der König hörte, dass dies von dem Weisen so erdacht sei, war er hochbefriedigt.
Wiederum sandten sie eines Tages folgenden Auftrag: „Wir möchten uns im Parke ergehen; unser Park aber ist alt. Die Bewohner der Ostvorstadt sollen uns einen neuen schicken, der mit schön blühenden Bäumen erfüllt ist.“ Der Weise dachte wieder: „Dabei muss man eine Gegenfrage anwenden“; er tröstete sie, sandte wieder Leute ab und ließ diese in der oben angegebenen Art reden. —
Da war der König wieder erfreut und fragte den Senaka: „Wie, Senaka, sollen wir den Weisen holen lassen?“ Dieser aber sagte aus Neid gegen diese Ehrung: „Mit so wenig ist man noch kein Weiser; warte nur.“ Als der König dessen Worte vernahm, dachte er bei sich: „Der weise Mahosadha hat, obwohl er noch jung an Weisheit ist, doch mein Herz gewonnen; auch bei so versteckten Prüfungen und bei der Beantwortung von Fragen hat er eine Lösung gefunden wie ein Buddha. Senaka erlaubt mir nicht, einen solchen Weisen herbeizuholen. Was brauche ich Senaka? Ich werde ihn selbst herbeiholen.“ Und er zog mit großem Gefolge fort nach dem Dorfe.
Als er aber sein königliches Leibross bestiegen hatte und so dahinritt, drang der Fuß des Rosses in eine Erdspalte und zerbrach. Der König kehrte sogleich von da um und begab sich wieder in die Stadt zurück. Da suchte ihn Senaka auf und fragte: „O Großkönig, seid Ihr, um den Weisen zu holen, nach der Ostvorstadt gegangen?“ Auf die bejahende Antwort des Königs fuhr Senaka fort: „O Großkönig, Ihr habt mich zu einem gemacht, der nicht Euren Vorteil liebt, und während ich sagte: ‘Seht noch zu und wartet noch’, seid Ihr allzu rasch fortgezogen; dabei ist beim ersten Schritt der Fuß Eures Leibrosses gebrochen.“ Als der König dessen Worte hörte, verstummte er.
Abermals an einem Tage sagte er zu Senaka „Wie, Senaka, sollen wir den weisen Mahosadha herbei holen?“ Dieser erwiderte: „Darum, o Fürst, gehet nicht selbst, sondern sendet einen Boten mit folgendem Auftrag: ‘Du Weiser, als wir zu dir kommen wollten, brach mein Ross den Fuß; er soll uns ein besseres Ross schicken [15] und einen Älteren.’ Wenn er ein besseres Ross schicken wird, so wird er selbst kommen; wenn er einen Älteren schickt, wird er seinen Vater schicken. Dies wird für uns wieder eine Frage sein.“ Der König gab seine Zustimmung und schickte einen Boten mit diesem Auftrage.
Als der Weise das Wort des Boten hörte, dachte er bei sich: „Der König möchte mich und auch meinen Vater sehen.“ Deshalb ging er zu seinem Vater hin, bezeigte ihm seine Verehrung und sprach zu ihm „Vater, der König möchte Euch sowohl wie auch mich sehen. Geht Ihr zuerst hin, umgeben von tausend Großkaufleuten; wenn ihr aber hingeht, so gehet nicht um leeren Händen, sondern nehmt eine mit frischer Butter gefüllte Schachtel aus Sandelholz mit. Wenn dann der König mit Euch ein liebenswürdiges Gespräch begonnen hat, wird er sagen: ‘Suchet Euch einen für einen Hausvater passenden Sitz und setzt Euch nieder!’ Ihr sucht Euch dann einen passenden Sitz und setzt Euch nieder. Wenn Ihr Platz genommen habt, werde ich kommen. Der König wird auch mit mir eine liebenswürdige Unterhaltung beginnen und sagen: ‘Du Weiser, suche dir einen für dich passenden Sitz und setze dich nieder.’ Dann werde ich Euch ansehen; Ihr aber erhebt Euch bei diesem Zeichen und sagt: ‘Lieber weiser Mahosadha, setze dich auf diesen Sitz.’ Heute wird eine Frage zu ihrem Ziele kommen.“
Jener stimmte zu, begab sich auf die angegebene Art dorthin und ließ dem Könige melden, dass er an dem Tore stehe. Als die Botschaft kam, er möge hereinkommen, trat er ein, bezeigte dem Könige seine Ehrfurcht und blieb ihm zur Seite stehen. Der König begann mit ihm ein freundliches Gespräch und fragte ihn dann: „Hausvater, wo ist dein Sohn, der weise Mahosadha?“ Jener antwortete: „Er kommt hinter mir her.“ Als der König hörte, er komme, war er hocherfreut und sagte: „Suche dir einen für dich passenden Sitz und setze dich nieder.“ Jener suchte sich einen für ihn passenden Sitz und setzte sich nieder.
Als nun der weise Mahosadha mit allem Schmuck geziert und von tausend Knaben umgeben auf einem reichgezierten Wagen sitzend in die Stadt fuhr, sah er auf einem Walle einen Esel und gab einigen kräftigen Jünglingen folgenden Auftrag: „Verfolgt diesen Esel, ergreift ihn und bindet ihm so das Maul zu, dass er keinen Laut von sich geben kann; wickelt ihn dann in eine Decke, nehmt ihn auf die Schulter und geht mit ihm fort!“ Sie taten so. — So zog auch der Bodhisattva mit großem Gefolge in die Stadt ein. Die Volksmenge sagte: „Dies ist ja der Sohn des Großkaufmanns Sirivuddhaka, der weise Mahosadha. Dieser hatte bei seiner Geburt ein Bündel mit Heilkräutern in der Hand; von ihm wurden bei allen den vielen Prüfungsfragen die richtigen Antworten gefunden.“ So ersättigten sie sich nicht, das große Wesen zu preisen und anzuschauen.
Als der Bodhisattva an das Tor des königlichen Palastes kam, gab er den Auftrag, seine Ankunft zu melden. Als der König dies hörte, antwortete er hocherfreut: „Mein Sohn, der weise Mahosadha, soll rasch kommen!“ Dieser stieg von den tausend Knaben umgeben zu dem Palaste hinauf, bezeigte dem Könige seine Ehrfurcht und stellte sich ihm zur Seite. Als der König ihn sah, begann er voll Freude eine liebenswürdige Unterhaltung mit ihm und sagte dann: „Du Weiser, suche dir einen passenden Sitz und nimm Platz!“ Dieser sah seinen Vater an; sein Vater aber stand bei dem Zeichen des Blickes auf und sagte: „Du Weiser, nimm auf diesem Sitze Platz!“ Er aber setzte sich dort nieder.
Als sie ihn dort sitzen sahen, schlugen Senaka, Pukkusa, Kavinda, Devinda und noch andere blinde Toren sich in die Hand, schlugen ein lautes Gelächter auf und sagten: „O dieser Weise ist ein blinder Tor! Er ließ seinen Vater von seinem Sitze aufstehen und hat sich selbst dort niedergesetzt. Ihn einen Weisen zu nennen, ist unziemlich!“ So spotteten sie. Auch der König war darüber missvergnügt. Da fragte ihn das große Wesen: „Wie, o Großkönig, seid Ihr missvergnügt?“ Er antwortete: „Ja, ich bin missvergnügt. Nur von dir zu hören ist schön, dich aber zu sehen ist unangenehm geworden.“ „Warum?“, fragte Mahosadha und der König erwiderte: „Weil du deinen Vater veranlasst hast, von seinem Sitze aufzustehen, und dich selbst dort niedergesetzt hast.“
Jetzt fragte Mahosadha: „Wie aber, o Großkönig, glaubst du, dass in allen Fällen der Vater den Vorzug verdient vor den Kindern?“ Als der König diese Frage bejahte, fuhr jener fort: „O Großkönig, habt Ihr uns nicht den Auftrag gesandt, ein besseres Pferd [16] oder einen Älteren zu schicken?“ Mit diesen Worten erhob er sich von seinem Sitze, blickte die Jünglinge an und befahl ihnen: „Bringt den von euch gefangenen Esel herbei!“ Diesen ließ er zu den Füßen des Königs hinlegen und fragte hierauf den König: „O Großkönig, was ist dieser Esel wert?“ Der König antwortete: „Wenn er ein zur Arbeit tauglicher Esel ist, so ist er acht Kahapanas wert.“ „Ein Maultier aber, das durch diesen Esel im Schoße einer edlen Stute entsteht, was ist dies wert?“ „Dies ist unschätzbar, du Weiser“, antwortete der König. Nun sprach Mahosadha: „O Fürst, warum redet Ihr so? Habt Ihr nicht soeben gesagt, dass der Vater in allen Fällen den Vorzug verdient vor dem Sohne? Wenn dies wahr ist, so ist nach Eurem Wort der Esel mehr wert als das Maultier. Wie aber, o Großkönig, Eure Weisen konnten dies so Geringe nicht erkennen, schlugen sich deshalb in die Hand und lachten! Ach diese Weisheitsfülle Eurer Weisen! Woher habt Ihr diese erhalten?“ Nachdem er so die vier Weisen gleichfalls verspottet, redete er den König mit folgender Strophe aus dem ersten Buche an [dies ist die Strophe zum Jātaka 111, das nur aus diesem Zitat besteht]:
Nach diesen Worten aber fuhr er fort: „Ja, o Großkönig, wenn der Vater besser ist als der Sohn, so nehmt meinen Vater; wenn aber der Sohn besser ist als der Vater, so nehmt mich zu Eurem Nutzen!“ Der König war darüber hocherfreut. Das ganze Gefolge des Königs aber rief: „Gut hat der Weise die Frage gelöst“, und ließ tausend Beifallsrufe erschallen; sie klappten mit den Fingern und warfen ihre Gewänder in die Luft. Die vier Weisen jedoch waren missvergnügt. — Es gibt aber niemand, der den Vorzug der Eltern so gut verstände wie der Bodhisattva. Warum tat er so? Nicht um seinen Vater der Ehre zu berauben, sondern weil der König die Botschaft geschickt hatte, er solle ein besseres Pferd schicken oder einen Älteren, tat er so, um diese Frage offenkundig zu machen und zugleich um seine Weisheit bekannt zu machen und um die vier Weisen ihres Glanzes zu berauben. Ende der Frage nach dem Esel.
Hocherfreut nahm jetzt der König eine mit duftendem Wasser gefüllte goldene Kanne in die Hand und ließ das Wasser dem Großkaufmann in die Hand fallen, indem er dabei sprach: „Genieße die Einkünfte der Ostvorstadt nach dem Rechte des Königs!“ Er fügte hinzu: „Die übrigen Großkaufleute sollen nur dessen Diener sein.“ Der Mutter des Bodhisattva sandte er alle Arten von Schmucksachen. Weil er aber über die Frage nach dem Esel befriedigt war, sagte er, um den Bodhisattva zu seinem Sohn zu erhalten, zu dem Großkaufmann: „O Hausvater, mache den weisen Mahosadha zu meinem Sohn und gib ihn mir!“ Jener antwortete: „O Fürst, er ist noch jung, noch heute riecht sein Mund nach Milch. Wenn er älter geworden ist, wird er bei Euch sein.“ Doch der König erwiderte: „Hausvater, sei du von jetzt an ohne Anhänglichkeit an diesen; von heute angefangen ist er mein Sohn. Ich werde schon im Stande sein, meinen Sohn aufzuziehen; gehe nur!“ Mit diesen Worten entließ er ihn. Jener bezeigte dem Könige seine Verehrung; dann umarmte er seinen Sohn, legte ihn an sein Herz, küsste ihn auf das Haupt und gab ihm eine Ermahnung. Auch der Sohn bezeigte dem Vater seine Verehrung und entließ ihn mit den Worten: „Vater, seid nicht bekümmert!“ Darauf fragte der König den Weisen: „Mein Sohn, willst du innerhalb meines Palastes bleiben oder außerhalb meines Palastes?“ Dieser dachte: „Mein Gefolge ist groß; es ziemt mir, außerhalb des Palastes zu bleiben“, und er sagte: „Ich will außerhalb des Palastes wohnen.“ Darauf ließ ihm der König ein passendes Haus geben, ließ ihm angefangen von den tausend Knaben alle Ausgaben zahlen und überwies ihm alle Besitzungen. Von da an diente er dem Könige; der König aber wollte ihn immer noch auf die Probe stellen.
Damals befand sich unweit vom Südtor der Stadt am Ufer eines Lotosteiches auf einer Palme in einem Krähenneste ein Edelsteinkleinod; dessen Schatten ward in dem Lotosteiche sichtbar. Man meldete dem König, in dem Lotosteiche sei ein Kleinod. Dieser sagte zu Senaka: „In dem Lotosteiche wird ja ein Edelsteinkleinod bemerkt; wie sollen wir dies holen lassen?“ Jener erwiderte: „Man muss zuerst das Wasser entfernen lassen; dann kann man es holen.“ Mit den Worten: „Tue daher so!“, gab ihm der König diesen Auftrag. Jener ließ viele Leute zusammenkommen und befahl ihnen das Wasser und den Schlamm zu entfernen; auch die Erde ließ er aufgraben, doch fand er das Kleinod nicht. Als aber der Teich wieder mit Wasser gefüllt war, sah man wieder den Schatten des Kleinods. Jener tat abermals wie vorher, fand aber wieder nichts.
Darauf sprach der König zu dem Weisen: „In dem Lotosteich sieht man einen Edelstein. Senaka hat ihn nicht gefunden, obwohl er das Wasser und den Schlamm wegschaffen und den Grund aufgraben ließ. Nachdem aber der Lotosteich wieder gefüllt ist, sieht man ihn wieder. Wirst du im Stande sein, den Edelstein holen zu lassen?“ Der Weise erwiderte: „Dies ist nicht schwer, o Großkönig; kommt, ich werde es Euch zeigen!“ Erfreut dachte der König: „Heute werde ich die Kraft des Verstandes des Weisen sehen“; und von einer großen Volksmenge umgeben ging er an das Ufer des Lotosteiches. Jetzt trat das große Wesen an das Ufer, betrachtete das Kleinod und erkannte dabei: „Dies Kleinod ist nicht in dem Lotosteiche; es muss auf diesem Palmbaum sein.“ Und es sprach: „O Fürst, das Kleinod ist nicht im Lotosteiche.“ Als dieser erwiderte: „Sieht man es nicht im Wasser?“, ließ der Weise eine Schüssel mit Wasser herbeibringen und sagte: „Sieh, Fürst, dieses Kleinod ist nicht nur in dem Lotosteiche zu sehen, sondern es ist auch in der Schüssel sichtbar.“ Als dann der König fragte: „Du Weiser, wo muss aber das Kleinod sein?“, antwortete er: „O Fürst, in dem Lotosteiche sowohl wie in der Schüssel sieht man nur seinen Schatten, nicht das Kleinod selbst. Das Kleinod aber befindet sich auf diesem Palmbaume in dem Krähennest. Lass einen Mann hinaufsteigen und es herunterholen!“ Darauf ließ der König so das Kleinod herbeiholen; der Mann nahm es und legte es in die Hand des Königs. Da äußerte die Menge gegen den Weisen ihren Beifall, schalt auf Senaka und lobte das große Wesen, indem sie rief: „Das Edelsteinkleinod ist auf dem Palmbaum im Krähennest. Senaka ließ von starken Männern nur den Lotosteich aufgraben. Ein Weiser muss fürwahr dem Mahosadha ähnlich sein [18].“ Hocherfreut gab ihm der König die Perlenkette, die seinen eigenen Hals schmückte; auch den tausend Knaben ließ er Perlenhalsbänder geben. Dem Bodhisattva aber und seinem Gefolge gewährte er, dass sie ihm aufwarten durften ohne Türhüter [d.h. sie durften unangemeldet bei ihm eintreten].
Ende der neunzehn Fragen [nämlich der oben mit Nummern versehenen 18 Fragen und der Frage nach dem Kleinod].
Wiederum an einem Tage ging der König mit dem Weisen zusammen in seinen Park. Damals wohnte ein Chamäleon oben auf dem Torbogen. Als dies den König kommen sah, stieg es herunter und legte sich auf den Boden. Als der König dessen Gebaren sah, fragte er: „Du Weiser, was tut da dieses Chamäleon?“ Er antwortete: „O Großkönig, es verehrt Euch.“ Der König versetzte: „Wenn es sich so verhält, so soll die uns bezeigte Verehrung nicht fruchtlos sein; lasse ihm seinen Lohn geben.“ Der Weise erwiderte: „O Großkönig, dieses Tier braucht keinen Lohn; es genügt ihm, wenn es etwas zu fressen bekommt.“ „Was frisst es aber?“ „Fleisch, o Fürst.“ „Wie viel soll es erhalten?“ „Soviel man für einen Heller [21] bekommt, o Fürst.“ Jetzt gab der König einem Manne folgenden Auftrag: „Eine Königsgabe von einem Heller ziemt sich nicht; bringe für dieses Tier beständig für einen halben Groschen Fleisch und gib es ihm!“ Dieser sagte: „Gut“, und tat von da an so.
Eines Tages nun, als wegen des Uposatha keine Tötung vorgenommen wurde und er deshalb kein Fleisch erhielt, durchbohrte er den halben Groschen, zog eine Schnur hindurch und hängte ihn dem Chamäleon um den Hals; dieses wurde deswegen stolz. An eben diesem Tage ging der König wieder in den Park. Als das Tier den König kommen sah, dachte es infolge seines Stolzes, der durch das Geldstück in ihm erwachsen war: „O Vedeha, bist du jetzt reich an Geld oder bin ich es?“ Und indem es sich mit dem König gleichstellte, stieg es nicht herunter, sondern es legte sich auf den Torbogen und bewegte das Haupt.
Als der König dessen Tun bemerkte, fragte er: „Du Weiser, dieses Tier steigt nicht wie sonst heute herab; was ist schuld daran?“ Und er sprach folgende erste Strophe:
Der Weise erkannte: „Weil der Mann des Königs am Uposatha-Tage, wo keine Tötung vorgenommen werden darf, kein Fleisch erhielt, hat er den halben Groschen ihm an den Hals gebunden und darüber muss es stolz geworden sein.“ Und er sprach folgende Strophe:
Der König ließ den Mann rufen und fragte ihn; dieser erzählte es, wie es geschehen war. Da dachte der König: „Ohne irgend jemand zu fragen, hat der Weise wie ein allwissender Buddha die Absicht des Chamäleons erkannt“; überaus erfreut gab er dem Weisen die Zölle aus den vier Toren. Dem Chamäleon aber zürnte er und wollte ihm seine Nahrung nehmen; der Weise jedoch verhinderte dies, indem er sagte: „Es ist unpassend.“
Ende der Frage nach dem Chamäleon
Es war aber ein zu Mithilā wohnender junger Brahmane namens Pinguttara nach Takkasilā gezogen und hatte, während er bei einem weltberühmten Lehrer die Künste erlernte, diese sehr schnell sich zu eigen gemacht. Nachdem er sich so bemüht hatte, verabschiedete er sich von seinem Lehrer, indem er sagte: „Ich will gehen.“ Es herrschte aber in dieser Familie der Brauch, dass, wenn eine erwachsene Tochter da ist, diese dem vorzüglichsten Schüler gegeben werden muss. Dieser Lehrer nun hatte eine sehr schöne Tochter, die einem Göttermädchen an Schönheit glich. Deshalb sprach er zu jenem: „Mein Sohn, ich will dir meine Tochter geben; gehe mit ihr fort!“
Jener Brahmanenjüngling aber war unglücklich und ein Unglücksrabe, das Mädchen jedoch besaß große Tugenden. Als er sie nun sah, wurde sein Herz nicht an sie gefesselt; obwohl er sie aber nicht begehrte, stimmte er doch zu, indem er dachte: „Des Lehrers Wort werde ich nicht brechen.“ Der Brahmane gab ihm also seine Tochter. Als jener aber zur Nacht auf seinem reich geschmückten Lager lag und diese kam und kaum hinaufgestiegen war, da erhob er sich zitternd vom Lager und legte sich auf den Boden. Darauf stieg sie herab und ging zu ihm hin; er aber stand wieder auf und bestieg wieder sein Lager. Sie stieg auch wieder hinauf; er aber stieg wieder von seinem Bett herab. Ein Unglücksrabe nämlich kommt mit dem Glück nicht zusammen. So lag das Mädchen auf dem Bett, er aber lag nur auf dem Boden. Nachdem er so sieben Tage verbracht hatte, verabschiedete er sich mit ihr von seinem Lehrer und zog fort; unterwegs gab es nicht einmal eine Ansprache noch ein Gespräch. So kamen beide unwillig nach Mithilā.
Da sah Pinguttara unweit der Stadt einen früchtebeladenen Udumbarā-Baum [der Baum Ficus glomerata]. Von Hunger gequält stieg er hinauf und aß. Da seine Frau aber auch hungrig war, ging sie an den Fuß des Baumes hin und sagte: „Werft mir auch Früchte herunter!“ Er aber antwortete: „Wie, hast du keine Hände und Füße? Steige selbst hinauf und iss!“ Sie stieg hinauf und aß. Als er nun merkte, dass sie hinaufgestiegen war, stieg er rasch herab, umgab den Baum mit Dornen, und indem er sagte: „Befreit bin ich von dem Unglücksvogel“, lief er davon. Da sie aber nicht herabsteigen und weiter gehen konnte, setzte sie sich dort nieder.
Der König hatte gerade in seinem Parke sich ergangen und kehrte auf dem Rücken seines Elefanten sitzend zur Abendzeit in die Stadt zurück. Da sah er sie dort, verliebte sich in sie und ließ sie fragen, ob sie verheiratet oder unverheiratet sei. Sie antwortete: „O Herr, ich habe einen Gatten, der mir von meiner Familie gegeben wurde; dieser aber ließ mich hier sitzen, verstieß mich und lief fort.“ Der Minister meldete diese Begebenheit dem Könige. Da sagte der König: „Herrenloser Besitz gehört ja dem König“; er ließ sie herabholen, auf seinen Elefanten heben und brachte sie in seinen Palast. Hier weihte er sie und setzte sie als seine erste Gemahlin ein. Sie war ihm lieb und angenehm; weil er sie aber auf einem Udumbarā-Baum gesehen hatte, gab man ihr nur den Namen: Fürstin Udumbarā. Als nun eines Tages der König in den Park gehen wollte, übertrug man den Bewohnern der Vorstadt das Geschäft, den Weg herzurichten. Auch Pinguttara, der um Lohn arbeitete, gürtete sein Gewand hoch und glättete mit dem Spaten den Weg. Als der Weg noch nicht fertig gestellt war, fuhr der König fort, indem er mit der Fürstin Udumbarā auf dem Wagen stand. Als aber die Fürstin jenen Unglücksraben den Weg glätten sah, konnte sie ein so großes Glück nicht ertragen, sondern indem sie dachte: „Da ist der Unglücksrabe“, schaute sie ihn an und lachte. Da der König sie lachen sah, wurde er zornig und fragte: „Warum hast du gelacht?“ Sie antwortete: „O Fürst, dieser den Weg glättende Mann ist mein früherer Gatte; dieser ließ mich den Feigenbaum hinaufsteigen, umgab mich dann mit Dornen und ging fort. Da ich ihn jetzt erblickte, konnte ich ein solches Glück nicht ertragen, sondern ich dachte: ‘Da ist der Unglücksrabe’ und lachte.“ Der König aber erwiderte: „Du sagst die Unwahrheit; weil du irgendeinen anderen gesehen hast, hast du gelacht. Ich werde dich töten.“ Und er ergriff sein Schwert. Voll Furcht sagte sie jetzt: „O Fürst, frage nur deine Weisen!“ Darauf fragte der König den Senaka: „Glaubst du diesem Worte von dieser?“ Er erwiderte: „Ich glaube ihr nicht; denn wer wird ein solches Weib aufgeben und fortgehen?“ Als jene diese Rede hörte, fürchtete sie sich noch viel mehr. Da dachte der König: „Was versteht Senaka? Ich will den Weisen fragen.“ Und indem er diesen fragte, sprach er folgende Strophe [der Anfang der Strophe ist im Jātaka 192 zitiert]:
Als dies der Weise hörte, sprach er folgende Strophe:
Auf dessen Wort hin zürnte der König nicht mehr darüber und sein Herz beruhigte sich. Befriedigt über ihn sagte er: „Du Weiser, wenn du nicht hier gewesen wärest, wäre ich heute bei dem Worte des Toren Senaka geblieben und hätte ein solches Frauenkleinod nicht mehr erhalten. Jetzt habe ich sie durch dich erhalten.“ Er erwies dem Weisen mit hunderttausend Geldstücken Ehrung. Darauf bezeigte die Königin dem König ihre Ehrfurcht und sagte: „O Fürst, durch den Weisen wurde mir das Leben gerettet; ich spreche den Wunsch aus, ihn an die Stelle meines jüngeren Bruders zu setzen.“ Der König erwiderte: „Gut, Fürstin, hast du gewählt; ich gewähre dir den Wunsch.“ Darauf sprach die Königin weiter: „O Fürst, von heute an werde ich ohne meinen jüngeren Bruder nichts süß Schmeckendes mehr verzehren; dass ich von jetzt an zur Zeit oder zur Unzeit meine Tür öffnen lassen und ihm Süßigkeiten schicken darf, dies spreche ich als einen mir zu gewährenden Wunsch aus.“ Der König antwortete: „Gut, Liebe, nimm die Erfüllung deines Wunsches entgegen!“
Ende der Frage nach dem Glück und dem Unglücksvogel
An einem anderen Tage ging der König, nachdem er das Frühmahl eingenommen, in dem langen Gange auf und ab. Da sah er, wie in einer Torbefestigung ein Bock und ein Hund freundschaftlich miteinander verkehrten. — Dieser Bock hatte in dem Elefantenstall das dem Elefanten vorgeworfene, noch unberührte Gras gefressen; darauf schlugen ihn die Elefantenwärter und trieben ihn hinaus. Als er schreiend davonlief, kam einer rasch her und schlug ihm mit einem Stock auf den Rücken. Der Bock ging mit gebeugtem Rücken schmerzbetäubt davon und legte sich im Hause des Königs neben die große Mauer an deren Rückseite [24]. An demselben Tage konnte ein Hund, der in des Königs Küche von Knochen, Haut u. dgl. groß geworden war, als der Koch das Mahl hergerichtet hatte und hinaustrat, um den Schweiß an seinem Körper zu trocknen, den Wohlgeruch von dem Fisch und Fleisch nicht aushalten, sondern er drang in die Küche hinein, warf den Deckel herunter und fraß das Fleisch. Bei dem Klang des Gefäßes kam der Koch herein; als er den Hund sah, schloss er die Tür und schlug ihn mit Erdklumpen, Stöcken u. dgl. Der Hund ließ das gefressene Fleisch aus dem Maul fallen und lief schreiend davon. Als aber der Koch merkte, dass jener draußen war, lief er ihm nach und schlug ihm den Rücken kreuz und quer mit einem Stock. So kam der Hund, den Rücken gebeugt und einen Fuß aufhebend, an den Ort, wo der Bock lag. Da sagte zu ihm der Bock: „Freund, was kommst du mit gebeugtem Rücken daher; leidest du an Blähungen?“ Der Hund erwiderte: „Auch du liegst mit gebeugtem Rücken; hast du in deinem Leibe Blähungen?“ Darauf erzählte ihm dieser, was ihm begegnet war. Dann fragte ihn der Bock: „Wirst du dich aber getrauen, nochmals in die Küche zu gehen?“ Der Hund antwortete: „Ich werde dazu nicht im Stande sein; wenn ich dorthin gehe, ist es um mein Leben geschehen.“ Der Hund fragte weiter: „Wirst du dich aber getrauen, nochmals in den Elefantenstall zu gehen?“ Der Bock erwiderte: „Auch ich kann nicht mehr dorthin gehen; wenn ich dorthin komme, so ist es um mein Leben geschehen.“ Da sagten sie: „Wie werden wir denn jetzt leben können?“, und sannen über ein Mittel nach. Darauf sprach der Bock: „Wenn wir in Eintracht zusammen leben, so gibt es ein Mittel.“ „So rede also“, sagte der Hund und der Bock sprach weiter: „Freund, gehe du von jetzt an in den Elefantenstall. Die Elefantenwärter werden denken: ‘Dieser frisst kein Gras’ und um deinetwillen keinen Zweifel hegen; du aber kannst mir dann Gras bringen. Ich meinerseits werde in die Küche hineingehen. Der Koch wird denken: ‘Dies ist kein Fleischfresser’ und um meinetwillen keine Angst haben; dann werde ich dir Fleisch bringen.“ Da dachten die beiden: „Es gibt ein Mittel“, und waren beide einverstanden. Der Hund lief in den Elefantenstall, fasste mit den Zähnen einen Grasbüschel, brachte diesen herbei und legte ihn auf die Rückseite der großen Mauer; der andere hinwiederum ging in die Küche, nahm ein Stück Fleisch in das Maul, so groß, dass es ihm das Maul füllte, brachte es herbei und legte es ebendahin. So wohnten durch diese List die beiden in voller Eintracht zusammen an der Rückseite der großen Mauer. Als der König ihre Freundschaft bemerkte, dachte er bei sich: „Ein noch nie gesehenes Ereignis fürwahr habe ich wahrgenommen. Obwohl diese beiden Feinde sind, wohnen sie einträchtig beieinander. Aus diesem Ereignis will ich eine Frage machen und diese den Weisen vorlegen. Diejenigen, welche diese Frage nicht verstehen, werde ich aus dem Reiche vertreiben; demjenigen aber, welcher sie versteht, werde ich sagen: ‘Einen solchen Weisen gibt es nicht mehr’ und ihm große Ehrung zuteil werden lassen. Heute ist keine Zeit mehr; morgen werde ich sie fragen, wenn sie mich zur Zeit der Aufwartung besuchen.“
Als nun am nächsten Tage die Weisen zur Aufwartung kamen und bei ihm saßen, sprach er um seine Frage vorzulegen folgende Strophe:
Nachdem er aber so gesprochen, sagte er abermals:
Senaka saß auf dem obersten Sitze, der Weise am Rande des Sitzes. Dieser überlegte die Frage; da er aber ihren Sinn nicht fand, dachte er bei sich: „Dieser König ist ein Tor von Natur; er ist unfähig diese Frage auszudenken und zusammenzubringen. Er wird irgendetwas gesehen haben. Wenn ich einen Tag Zeit finde, werde ich diese Frage herausbringen.“ Senaka dachte: „Durch irgend ein Mittel muss man ihn heute veranlassen, dass er einen einzigen Tag wartet.“ Auch die vier anderen fanden nichts, als wären sie in der tiefsten Finsternis. Senaka dachte nun: „Wie steht es mit Mahosadha?“, und schaute den Bodhisattva an; auch dieser schaute ihn an. Senaka aber erkannte, als er den Bodhisattva anschaute, dessen Gedanken und merkte, dass auch diesem Weisen der Sinn nicht klar sei. Da dachte er: „Weil dieser es heute nicht sagen kann, darum wünscht er für einen Tag freie Zeit; ich werde seinen Wunsch erfüllen.“ Infolge seiner Vertrautheit mit dem Könige fing er laut zu lachen an und fragte: „Wie, o Großkönig, willst du uns alle, wenn wir deine Frage nicht beantworten können, aus dem Lande treiben?“ „Ja, du Weiser“, antwortete der König.
Darauf fuhr Senaka fort: „Du merkst, dass dies eine Knotenfrage [25] ist; wir können diese Frage nicht lösen. Warte noch ein wenig! Diese Knotenfrage kann man nicht inmitten einer großen Menge herausbringen. Wir wollen sie allein überdenken und sie Euch nachher verkünden. Gib uns Zeit!“ Und er sprach mit Rücksicht auf das große Wesen folgendes Strophenpaar:
Als der König ihre Worte hörte, wurde er zwar unwillig, doch sagte er: „Gut, denkt nach und sagt es dann; wenn ihr es nicht sagt, werde ich euch aus dem Lande jagen.“ Mit diesen Worten flößte er ihnen Furcht ein. Die vier Weisen stiegen nun von dem Palast herab. Da sprach Senaka zu den anderen: „Ihr Lieben, der König hat eine subtile Frage gestellt; wenn sie nicht gleich gelöst wird, würde für uns eine große Gefahr entstehen. Verzehrt ihr Reisbrei mit zerlassener Butter und überleget gut!“
Auch der Weise erhob sich; er ging zur Fürstin Udumbarā hin und fragte sie: „Fürstin, wo hat heute oder gestern der König lange gestanden?“ Sie antwortete: „Mein Lieber, er ist im langen Gang umhergewandelt und hat dabei zum Fenster hinausgeschaut.“ Da dachte der Bodhisattva: „Der König wird auf dieser Seite etwas gesehen haben.“ Er ging dorthin, schaute hinaus und zog folgenden Schluss: „Nachdem der König das Tun des Bockes und des Hundes gesehen, hat er die Frage ausgedacht.“ Und er ging nach Hause.
Nachdem aber die anderen drei nachgedacht und nichts gefunden hatten, gingen sie zu Senaka. Dieser fragte sie: „Habt ihr die Frage verstanden?“ „Wir haben sie nicht verstanden, Meister“, antworteten sie. „Wenn aber der König uns deshalb verbannen wird, was werdet ihr da tun?“ „Habt aber ihr etwas gefunden?“ „Auch ich finde nichts.“ „Wenn Ihr nichts findet, was sollen da wir finden? Bei dem König haben wir wie Löwen gebrüllt: ‘Wir wollen darüber nachdenken und es Euch dann sagen’ und sind darum gekommen. Wenn wir es nicht sagen, wird der König zornig werden; was sollen wir tun?“
Darauf dachten sie: „Diese Frage können wir nicht verstehen; der Weise wird es auf hundert Arten ausgedacht haben.“ Und sie sprachen: „Kommt, lasst uns zu ihm hingehen.“ So gingen die vier an das Haustor des Bodhisattva, ließen ihm ihre Ankunft melden und traten ein. Nachdem sie ein freundliches Gespräch mit ihn begonnen hatten, fragten sie zu seiner Seite stehend das große Wesen: „Wie, du Weiser, hast du die Frage ausgedacht?“ Er antwortete: „Wenn ich sie nicht ausdenke, welcher andere wird sie da ausdenken? Ja, ich habe sie herausgebracht.“ „So teilt dies auch uns mit“, baten sie. Darauf dachte der Weise: „Wenn ich es diesen nicht mitteile, wird sie der König aus seinem Reiche vertreiben, mich aber mit den sieben Arten der Kostbarkeiten verehren. Diese Toren sollen nicht zugrunde gehen; ich will es ihnen mitteilen.“ Er ließ die vier sich auf einen niederen Sitz setzen und dir Hände zu ihm falten. Dann sagte er, ohne sie wissen zu lassen, was der König gesehen: „Wenn euch der König fragt, so sagt folgendes.“ Er setzte für die vier vier Strophen zusammen, ließ sie die Stelle [26] lernen und entließ sie.
Am zweiten Tage gingen sie zur Aufwartung des Königs und ließen sich auf dem hergerichteten Sitz nieder. Darauf fragte der König den Senaka: „Senaka, hast du die Frage verstanden?“ Dieser antwortete „Wenn ich sie nicht verstehe, welcher andere wird sie da verstehen?“ Der König fuhr fort: „So sage es also!“ „Höret, o Fürst“, entgegnete Senaka und sprach in der Art, wie er sie gelernt, folgende Strophe:
Obwohl aber Senaka diese Strophe sprach, verstand er den Sinn nicht; der König aber verstand ihn, weil ihm die Sache bekannt war. Darum dachte er: „Senaka hat ihn jetzt verstanden; ich will nun den Pukkusa fragen“, und fragte den Pukkusa. Auch dieser sagte zu ihm: „Wie, bin ich allein unweise?“, und sprach in der Art, wie er sie gelernt, folgende Strophe:
Auch diesem war der Sinn nicht klar; weil dieser aber dem König offenkundig war, dachte er: „Auch dieser hat ihn erkannt“, und fragte den Kavinda. Dieser sprach folgende Strophe:
Der König dachte: „Auch dieser hat es verstanden“, und fragte den Devinda. Auch dieser sagte nur auf die Art, wie er es gelernt, folgende Strophe:
Darauf fragte der König den Weisen: „Mein Sohn, verstehst du auch diese Frage?“ Dieser antwortete: „O Großkönig, von der Avici-Hölle bis zum höchsten Himmel [28], wer wird da außer mir sonst noch die Frage verstehen?“ „So sage es also“, fuhr der König fort. „Höre nur zu“, erwiderte jener und sprach, um zu offenbaren, dass ihm die Begebenheit bekannt sei, folgendes Strophenpaar:
Da der König nicht merkte, dass es die anderen durch den Bodhisattva erfahren hatten, glaubte er, diese fünf hätten es durch die Kraft ihrer Weisheit allein erkannt, und voller Freude sprach er folgende Strophe:
Er sagte darauf zu ihnen: „Ein Befriedigter muss auch Befriedigung hervorrufen“, und um dies zu tun, sprach er folgende Strophe:
Nachdem er so gesprochen, ließ er ihnen alles geben.
Ende der Frage nach dem Bock im zwölften Buche [Das Jātaka 471 besteht nur aus der Verweisung auf diese Stelle]
Als aber die Fürstin Udumbarā merkte, dass es die anderen nur durch die Vermittelung des Weisen verstanden hatten, dachte sie: „Der König hat wie einer, der Mugga-Bohnen und Masa-Bohnen [31] ohne Unterschied behandelt, allen fünfen die gleiche Ehrung erwiesen. Ziemt es sich nicht, meinem jüngeren Bruder eine besondere Ehre zu erweisen?“ Sie ging zum Könige hin fragte: „O Fürst, von wem wurde deine Frage gelöst?“ „Von den fünf Weisen.“ Sie fuhr fort: „O Fürst, durch wen aber verstanden jene vier Leute die Frage?“ „Das weiß ich nicht, Liebe“, antwortete der König. Jetzt sprach Udumbarā: „O Großkönig, was verstehen diese? Der Weise aber dachte: ‘Diese Toren sollen nicht zugrunde gehen’ und ließ sie deshalb die Beantwortung der Frage lernen. Ihr erweist allen die gleiche Ehre; dies ist unziemlich. Nur für den Weisen muss man einen Unterschied machen.“
Da dachte der König: „Er hat nicht gesagt, dass sie es durch ihn selbst erkannt hatten.“ Hocherfreut über den Weisen wollte er ihm noch weit mehr Ehre erweisen und dachte daher: „Gut, ich will meinem Sohne eine Frage vorlegen und ihm, wenn er sie beantwortet hat, große Ehrung zuteil werden lassen.“ Während er nun über eine Frage nachsann, dachte er sich die Frage nach dem geringen Wert des Glanzes aus. — Als eines Tages die fünf Weisen gekommen waren um ihm ihre Aufwartung zu machen und vergnügt da saßen, sagte der König: „Senaka, ich möchte eine Frage stellen!“ „Frage nur, o Fürst“, versetzte dieser. Darauf sprach der König folgende erste Strophe von dem geringen Wert des Glanzes [Jātaka 500. Auch hier ist lediglich der Anfang der nächsten Strophe zitiert]:
Die Beantwortung dieser Frage entsprach aber der Familientradition bei Senaka; deshalb beantwortete er sie rasch folgendermaßen:
Als der König dessen Worte vernommen, sagte er, ohne die drei anderen zu fragen, zu dem da sitzenden weisen Mahosadha:
Darauf erwiderte ihm Mahosadha: „Höre, o Großkönig“, und erklärte es ihm folgendermaßen:
Nach diesen Worten schaute der König zu Senaka hin und sprach: „Sagt nicht Mahosadha, dass der Weisheitsvolle nur den Vorzug verdient?“ Senaka erwiderte: „O Großkönig, Mahosadha ist noch jung; noch heute riecht sein Mund nach Milch. Was versteht dieser?“ Und er sprach folgende Strophe:
Als dies der König hörte, sagte er: „Wie ist dies, mein Sohn, du weiser Mahosadha?“ Der Weise erwiderte: „O Fürst, was versteht Senaka? Wie eine Krähe da, wo Reisbrei verschüttet ist, oder wie ein Hund, der angefangen hat, Molken zu trinken, sieht er nur sich selbst und sieht nicht den großen Hammer, der ihm auf das Haupt fallen wird. Höre, o Großkönig!“ Und er sprach folgende Strophe:
Als dies der König hörte, fragte er: „Wie ist dies, Lehrer?“ Senaka antwortete: „O Fürst, was versteht dieser? Sehen wir zunächst von den Menschen ab; auch einen Baum, der im Walde wächst, ehren die Vögel, wenn er reich an Früchten ist.“ Und er sprach folgende Strophe:
Als dies der König hörte, sagte er: „Wie ist dies, mein Sohn?“ Der Weise antwortete: „Was versteht dieser Dickbauch? Höre, Fürst!“ Und er sprach folgende Strophe:
Als wiederum Senaka vom Könige gefragt wurde: „Wie, Senaka?“, sprach er folgende Strophe:
Abermals sagte der König: „Wie, du Weiser?“ Dieser versetzte: „Höre, o Großkönig!“, und sprach folgendes Strophenpaar:
Da dies der König hörte, sagte er: „Wie, Senaka?“ Dieser erwiderte: „Höre, Fürst“, und sprach folgende Strophe:
Als wiederum der König zu dem Weisen sagte: „Wie, mein Sohn?“, antwortete dieser: „Höre, Fürst, was versteht der unverständige Senaka?“, und sprach folgende Strophe:
Darauf sprach Senaka folgende Strophe:
Als wiederum der König zu dem Weisen sagte: „Wie, mein Sohn?“, antwortete dieser: „Was versteht Senaka? Er betrachtet nur diese Welt und nicht die andere.“ Und er sprach folgende Strophe:
Darauf sprach Senaka folgende Strophe:
Darauf versetzte der Weise: „Was versteht dieser?“; und indem er auf diese Tatsache Bezug nahm, sprach er, um dies zu beweisen, folgende Strophe:
Als wieder der König fragte: „Wie?“, sagte Senaka: „O Fürst, was versteht dieser junge Knabe? Höret zu!“ Und indem er dachte: „Ich will dem Weisen die Möglichkeit zur Widerrede nehmen“, sprach er folgende Strophe:
Als dies der König hörte, dachte er bei sich: „Eine willkommene Tatsache hat Senaka vorgebracht; wird wohl mein Sohn im Stande sein, dessen Wort zu widerlegen und etwas anderes beizubringen?“ Und er sagte: „Wie ist dies, du Weiser?“ Außer dem Bodhisattva aber war kein anderer im Stande, als Senaka diese Tatsache angeführt hatte, dies Wort zu widerlegen. Darum sagte das große Wesen, indem es durch die Macht seiner eigenen Einsicht dessen Rede widerlegte: „O Großkönig, was versteht dieser Tor? Er schaut nur auf sich selbst und kennt nicht den Vorzug der Weisheit. Höre, o Großkönig!“ Und er sprach folgende Strophe:
Wie wenn es vom Fuße des Sineru-Berges Goldsand heraufgeholt hätte oder wie wenn es an der Fläche des Himmels den Vollmond aufgehen ließe, so verkündete es diesen logischen Schluss. Als aber so das große Wesen die Macht seiner Weisheit gezeigt und geendet hatte, sprach der König zu Senaka: „Was kennst du noch, Senaka, um noch weiter reden zu können?“ Dieser aber war wie einer, der den in seinem Speicher verwahrten Schatz [38] herausgenommen und verbraucht hat; er fand keine Widerrede, sondern setzte sich ärgerlich und mürrisch nieder. Und wenn er auch etwas anderes noch beigebracht hätte, so hätte der Bodhisattva auch mit tausend Strophen das Jātaka beschlossen [39]. Da er aber ohne Widerrede blieb, so sprach das große Wesen, wie wenn es eine tiefe Flut heranbrächte, um noch weiter die Wahrheit zu preisen, folgende Strophe:
Als dies der König hörte, war er befriedigt über des großen Wesens Beantwortung der Frage. Wie wenn er einen dichten Regen herabströmen ließe, ehrte er das große Wesen durch Schätze und sprach dabei folgende Strophe:
Ende der Frage nach der Geringwertigkeit des Glanzes im Zwanziger-Buche
Von da an war der Ruhm des Bodhisattva groß; dies alles aber beobachtete stets die Fürstin Udumbarā. Als jener nun sechzehn Jahre alt geworden war, dachte sie: „Mein jüngster Bruder ist alt geworden; auch sein Ruhm ist groß geworden. Es ziemt sich für ihn, die Hochzeit herzurichten.“ Sie meldete dies dem Könige. Als dies der König hörte, wurde er von Freude erfüllt und sagte: „Gut, benachrichtige ihn davon!“ Sie benachrichtigte den Bodhisattva davon, und als er seine Zustimmung gegeben, sagte sie: „Darum, mein Lieber, wollen wir dir ein Mädchen zuführen.“ Da dachte das große Wesen: „Vielleicht könnte mir einmal die von ihnen Herbeigebrachte nicht gefallen; ich will jetzt selbst nach einer Frau suchen.“ Und der Weise sprach: „O Fürstin, sagt ein paar Tage lang dem Könige nichts; ich will mir selbst ein Mädchen heraussuchen und dann die meinem Herzen Gefallende Euch anzeigen.“ „Tue so, mein Lieber“, versetzte die Königin.
Nachdem er sich von der Königin verabschiedet, ging er in sein Haus und gab seinen Freunden einen Wink. In anderer Kleidung, mit dem Handwerkszeug eines Schneiders in der Hand, ging er ganz allein zum Nordtore hinaus und begab sich in die Nordvorstadt. Damals aber war dort die alte Großkaufmannsfamilie heruntergekommen; die Tochter dieser Familie jedoch, Amarādevī mit Namen, war sehr schön, mit allen Glückskennzeichen ausgestattet und tugendhaft. Diese hatte am Morgen Reisschleim gekocht und war damit fortgegangen, um sich an den Ort zu begeben, wo ihr Vater pflügte. Dabei kam sie auf diesen Weg.
Als das große Wesen sie herankommen sah, dachte es bei sich: „Es ist ein mit den Glückskennzeichen ausgestattetes Weib. Wenn sie unverheiratet ist, so muss sie meine Dienerin werden.“ Auch sie dachte, als sie den Bodhisattva sah: „Wenn ich in dem Hause eines solches Mannes wäre, so könnte ich meine Familie aufrichten.“ Darauf dachte das große Wesen: „Ich kann nicht erkennen, ob sie verheiratet oder unverheiratet ist. Ich werde sie durch das Spiel der Hand befragen.“ Und er machte ferne stehend nach ihr hin eine Faust. Sie merkte, dass er sie fragen wolle, ob sie einen Gatten habe, und breitete die Hand aus. Als jener es merkte, kam er nahe herbei und fragte sie: „Liebe, wie ist dein Name?“ Sie antwortete: „Herr, ich habe einen Namen, den es in der Vergangenheit, in der Zukunft und jetzt nicht gibt.“ Darauf erwiderte er: „Liebe, in der Welt gibt es keine Unsterblichkeit; du wirst Amarā (die Unsterbliche) heißen.“ „So ist es, Herr“, versetzte sie.
Darauf fragte der Bodhisattva weiter: „Liebe, wem bringst du den Reisschleim?“ Sie erwiderte: „O Herr, der früheren Gottheit.“ Er versetzte: „Die frühere Gottheit sind die Eltern; deinem Vater wirst du ihn bringen, glaub ich.“ „So wird es sein, Herr.“ „Was tut dein Vater?“ „Er macht aus einem zwei“; eines zu zweien machen ist nämlich das Pflügen. „Er pflügt, Liebe.“ „So ist es, Herr.“ „An welchem Orte aber pflügt dein Vater?“ „Dort, wohin man einmal geht und nicht wieder.“ „Der Ort, wohin man einmal geht und von wo es keine Rückkehr gibt, ist das Leichenfeld; er pflügt in der Nähe des Leichenfeldes, Liebe.“ „So ist es, Herr.“ „Liebe, wird er [41] heute noch kommen?“ „Wenn er kommen wird, werde ich nicht kommen; wenn er nicht kommen wird, werde ich kommen.“ „Liebe, dein Vater pflügt, glaub ich, am Flussufer. Wenn das Wasser kommt, wirst du nicht hingehen; wenn es nicht kommt, wirst du hingehen.“ „So ist es, Herr“, versetzte sie. Nachdem sie so lange Rede und Gegenrede getauscht hatten, lud ihn Amarādevī mit folgenden Worten ein: „Willst du Reisschleim trinken, Herr?“ Er erwiderte: „Ja, ich will trinken.“ Darauf setzte sie den Reisschleimtopf nieder. Jetzt dachte das große Wesen: „Wenn sie, ohne die Schüssel zu waschen und ohne mir Wasser zum Händewaschen zu reichen, mir den Schleim geben wird, so werde ich sie auf der Stelle verlassen und fortgehen.“ Sie aber brachte in der Schüssel Wasser herbei und gab ihm Wasser zum Händewaschen. Die leere Schüssel behielt sie nicht in der Hand, sondern stellte sie auf die Erde, schüttelte den Topf und füllte sie mit Reisschleim. Darin waren aber die Reisklumpen wenig; deshalb sprach zu ihr das große Wesen: „Wie, Liebe, gar zu dick ist der Schleim!“ „Wir haben kein Wasser bekommen, Herr“, antwortete sie. „Die Reisfelder werden kein Wasser bekommen haben, glaub ich“, versetzte er. „So ist es, Herr“, erwiderte sie.
Sie hob den Reisschleim für ihren Vater auf und gab dem Bodhisattva. Nachdem er getrunken und sich den Mund gereinigt hatte, sagte er: „Liebe, wir wollen in euer Haus gehen, verkünde uns den Weg!“ Sie erwiderte: „Gut“, und um ihn zu verkünden, sprach sie folgende Strophe aus dem ersten Buch [Jātaka 112. Auch dies besteht nur aus dem Zitat der ersten Zeile]:
Ende der Frage nach dem verborgenen Pfad
Er ging auf dem von ihr angegebenen Wege nach Hause. Als ihn die Mutter der Amarādevī sah, gab sie ihm einen Sitz und sagte: „Ich will Reisschleim bereiten, Herr.“ Doch er erwiderte: „Mutter, meine jüngere Schwester Amarādevī hat mir schon etwas Reisschleim gegeben.“ Da erkannte sie: „Er muss um meiner Tochter willen gekommen sein.“ Obwohl aber das große Wesen ihre Armut bemerkte, sagte es: „Mutter, ich bin ein Schneider; gibt es etwas zu nähen?“ Sie antwortete: „Ja, Herr, aber wir haben kein Geld.“ Doch jener versetzte: „Mutter, um die Bezahlung ist es mir nicht zu tun; bringt es herbei, ich werde es nähen.“ Da brachte sie alte Kleidungsstücke herbei und gab sie ihm; der Bodhisattva aber machte alles fertig, was sie herbeibrachte, denn der Klugen Arbeit gedeiht. Dann sagte er zu ihr: „Mutter, melde es den Nachbarn in der Straße!“ Sie verkündete es im ganzen Dorfe; der Bodhisattva aber erwarb sich mit seiner Schneiderarbeit an einem einzigen Tage tausend Kahapanas.
Nachdem ihm aber die Alte das Frühmahl gekocht und gegeben hatte, sagte sie am Abend: „Mein Sohn, wieviel soll ich kochen?“ Er antwortete: „Mutter, nach dem Bedürfnis von allen, soviele in diesem Hause speisen.“ Darauf kochte sie viel Reisbrei mit verschiedenen Saucen gewürzt. Am Abend kam Amarādevī aus dem Walde zurück, auf dem Kopfe ein Bündel Holz und Blätter im Bausch ihres Gewandes tragend. An der vorderen Tür warf sie das Holz auf den Boden und ging durch die Hintertür in das Haus hinein. Ihr Vater kam später am Abend auch. Jetzt verzehrte das große Wesen sein Mahl von verschiedenartigem, höchstem Wohlgeschmack. Die andere aber gab erst ihren Eltern zu essen, dann aß sie selbst; und nachdem sie ihren Eltern die Füße gewaschen, wusch sie auch dem Bodhisattva die Füße. — Dieser blieb, um sie zu beobachten, einige Tage dort. Eines Tages sprach er, um sie auf die Probe zu stellen: „Liebe Amarādevī, nimm ein halbes Nali [ein bestimmtes Getreidemaß von geringer Größe] Reiskörner und mache mir davon Reisschleim, Kuchen und Reisbrei!“ Sie war damit einverstanden, enthülste die Reiskörner und bereitete aus den unteren Reiskörnern den Schleim, aus den mittleren Körnern den Brei und aus den kleinen den Kuchen. Nachdem sie dann noch die entsprechende Würze zurechtgemacht hatte, gab sie dem großen Wesen den gewürzten Reisschleim. Sobald ihm der Schleim nur in den Mund kam, durchdrang er die Geschmacksnerven und blieb darin. Er aber sagte nur, um sie auf die Probe zu stellen: „Liebe, wenn du nicht kochen kannst, warum verdirbst du dann meine Reiskörner?“ Er spie den Schleim mit Speichel vermischt aus, dass er auf den Boden fiel. Sie versetzte, ohne zornig zu sein: „Wenn der Reisschleim nicht gut geraten ist, so verzehre den Kuchen, Herr!“, und gab ihm den Kuchen. Er aber machte es wieder so. Nachdem es auch mit dem Reisbrei ebenso gegangen war, sagte er: „Wenn du nicht kochen kannst, warum hast du mein Eigentum verdorben?“ Und als wenn er zornig wäre, knetete er die drei Speisen zusammen, bestrich ihr damit vom Kopf angefangen den ganzen Körper und sagte zu ihr: „Setzt dich an die Türe!“ Sie erwiderte ohne zu zürnen „Gut, Herr“, und tat so. Als er so merkte, dass ihr Stolz vernichtet war, sagte er wieder: „Komm, Liebe!“ Sie aber kam auf sein erstes Wort hin herbei.
Bei seiner Ankunft aber hatte das große Wesen außer tausend Kahapanas auch ein feines Gewand in seinem Betelkorb mitgebracht und aufgehoben. Jetzt zog er das Gewand heraus, gab es ihr in die Hand und sagte: „Liebe, bade mit deinen Freundinnen; dann ziehe das Gewand an und komme wieder!“ Sie tat so. Der Weise aber gab das erworbene und das mitgebrachte Geld alles ihren Eltern, tröstete diese und zog mit ihrer Tochter in die Stadt. Um sie aber auf die Probe zu stellen, ließ er sie im Hause des Torwächters sich niedersetzen und sagte dies der Frau des Torwächters. Dann ging er in seinen Palast und sagte zu seinen Leuten: „In dem und dem Hause habe ich bei meiner Ankunft eine Frau zurückgelassen; geht mit tausend Kahapanas zu ihr hin und stellt sie auf die Probe!“ Mit diesen Worten gab er ihnen tausend Kahapanas und schickte sie fort. Sie taten so. Jene aber erwiderte: „Dies ist nicht den Schmutz von den Füßen meines Gatten wert“, und wollte das Geld nicht. Die Leute gingen hin und berichteten dies dem Weisen. Darauf schickte er sie abermals und zum dritten Male fort. Beim vierten Male sagte er ihnen: „So nehmt sie also an der Hand und zieht sie zu mir her!“ Und sie taten so.
Sie aber erkannte das große Wesen nicht, wie es in seiner großen Pracht dastand; sondern als sie es anschaute, lachte sie und weinte wieder. Er fragte nach dem Grund von beidem; da sprach sie folgendermaßen zu ihm: „Herr, als ich lachte, da betrachtete ich deine Glücksfülle und dachte: ‘Dies Glück ist nicht ohne Grund erlangt; weil du in einer früheren Existenz Gutes tatest, wirst du es erlangt haben. Ach, wie groß ist die Frucht der guten Werke!’ Deshalb lachte ich. Als ich aber weinte, dachte ich: ‘Weil er sich aber jetzt an dem wohlbehüteten und bewachten Eigentum eines andern verging, wird er in die Hölle kommen.’ Und ich musste aus Mitleid mit dir weinen.“
Als er sie so auf die Probe gestellt und ihre Reinheit erkannt hatte, schickte er die Leute wieder fort mit den Worten: „Geht, führt sie ebendorthin zurück!“ Er selbst zog wieder seine Schneiderkleidung an, ging dorthin und verbrachte mit ihr diese Nacht. Am nächsten Tage ging er in der Frühe in den Königspalast hinein und meldete es der Fürstin Udumbarā. Diese erzählte es dem König; dann zierte sie Amarādevī mit allem Schmuck, ließ sie auf einem großen Wagen sich niedersetzen, brachte sie unter großer Ehrung in das Haus des großen Wesens und feierte dort ein Fest. Der König schickte dem Bodhisattva ein Geschenk im Werte von tausend Kahapanas; auch alle Stadtbewohner von den Torwächtern angefangen sandten Geschenke. Amarādevī aber teilte das vom König geschickte Geschenk in zwei Teile und schickte den einen Teil dem König zurück; auf dieselbe Weise sandte sie auch allen Stadtbewohnern ein Geschenk und gewann so die Stadt für sich. Von da an wohnte das große Wesen einträchtig mit ihr zusammen und belehrte den König in geistlichen und weltlichen Dingen. —
Eines Tages aber sprach Senaka zu den drei an deren Weisen, als sie zu ihm gekommen waren: „Ach, wir sind dem Hausbesitzersohn [46] Mahosadha allein nicht gewachsen; jetzt aber hat er sich noch eine Frau geholt, die noch geschickter ist. Könnten wir ihn vielleicht beim König verleumden?“ Die anderen erwiderten : „Meister, was verstehen wir? Du nur verstehst es.“ „Gut“, versetzte Senaka, „seid unbekümmert. Es gibt ein Mittel. Ich werde dem Könige sein Juwel aus dem Diadem stehlen und herbeibringen; Pukkusa, du bringe seinen goldenen Kranz; Kavinda, du bringe sein kostbares Gewand; Devinda, du hole seine goldenen Sandalen!“ Durch List brachten die vier diese Dinge herbei. Darauf sagte Senaka: „Wir wollen sie unkenntlich machen und sie so in das Haus des Hausbesitzersohnes schicken.“
Senaka selbst warf sogleich das Juwel in einen Topf voll Buttermilch und schickte ihn durch eine Sklavin fort, der er folgenden Auftrag gab: „Gib diesen Topf mit Buttermilch keinem anderen, der ihn nehmen will; wenn man ihn aber im Hause des Mahosadha nimmt, so gib ihn her samt dem Topf selbst!“ Sie ging nun nach der Haustür des Weisen hin und wandelte unablässig auf und ab, indem sie rief: „Nehmt Buttermilch!“ Amarādevī sah an der Türe stehend ihr Gebaren; sie dachte: „Diese geht nicht anderswohin; da muss ein Grund vorhanden sein.“ Durch eine Handbewegung ließ sie ihre Dienerinnen zurücktreten und rief selbst jene Sklavin herbei mit den Worten: „Komm, Liebe, wir wollen die Buttermilch nehmen.“ Als sie herangekommen war, rief sie ihren Mägden; und als diese nicht kamen, schickte sie die Sklavin fort, indem sie sagte: „Gehe und rufe meine Mägde!“ Dann streckte sie ihre Hand in den Topf und sah das Kleinod. Als jene zurückkam, fragte sie sie: „Liebe, wem gehörst du?“ Sie antwortete: „Ich bin eine Sklavin des weisen Senaka.“ Nachdem jene noch nach ihrem und ihrer Mutter Namen gefragt, sagte sie: „So gib also die Buttermilch her!“ Die Sklavin erwiderte: „Edle, wenn Ihr sie nehmt, was bedarf es da des Preises? Nehmt sie mitsamt dem Topf!“
Darauf schickte sie die Sklavin fort mit den Worten: „So gehe also!“; sie selbst aber schrieb auf ein Blatt: „Im Monat so und so, an dem und dem Tage hat der Meister Senaka durch die Hand der Sklavin so und so, der Tochter der Sklavin so und so, das Diademkleinod des Königs als Geschenk geschickt“, und hob dies auf.
Pukkusa schickte den goldenen Kranz, den er in einen Korb voll Jasmin gelegt hatte; Kavinda legte das kostbare Gewand in einen Korb mit Blättern und schickte es so. Devinda endlich band die goldenen Sandalen in ein Gerstenbündel und schickte es so. Jene aber nahm alle diese Geschenke an, schrieb auf ein Blatt Namen und Art, meldete es dem großen Wesen und hob sie auf.
Die vier Leute gingen darauf in den Königspalast und fragten: „Warum, o Fürst, schmückt Ihr Euch nicht mit dem Diademjuwel?“ Der König antwortete: „Ich will mich damit schmücken; bringt es her!“ Man fand aber das Juwel nicht; auch die anderen fanden es nicht. Da sagten die vier: „O Fürst, Eure Schmucksachen sind im Hause des Mahosadha; er benützt sie selbst. Dein Feind, o Großkönig, ist der Hausbesitzersohn.“ So verleumdeten sie ihn. Dessen Gönner aber gingen zu ihm hin und meldeten dies dem Weisen. Dieser dachte: „Ich will den König besuchen und es von ihm erfahren.“ Und er ging, um dem Könige seine Aufwartung zu machen. Der König aber dachte in seinem Zorn: „Ich weiß nicht, was er tun wird, wenn er hierher kommt“, und gestattete ihm nicht, ihn zu sehen. Als so der Weise merkte, dass der König zornig sei, kehrte er in sein Haus zurück. Der König erließ nun den Befehl, man solle jenen ergreifen. Als dies der Weise von seinen Gönnern hörte, dachte er: „Ich muss mich entfernen“; er gab der Amarādevī ein Zeichen und verließ in unkenntlich machender Kleidung die Stadt. Er begab sich nach der Südvorstadt und übte im Hause eines Töpfers das Töpferhandwerk aus.
In der Stadt aber entstand ein großer Lärm: „Der Weise ist entflohen.“ Als die vier, Senaka und die anderen, von seiner Flucht hörten, schickten sie, ohne dass sie voneinander etwas wussten, ein Geschenk an Amarādevī mit der Botschaft: „Sie soll sich nicht bekümmern; sind denn wir unweise?“ Diese nahm das von den vieren Gesandte an und erwiderte: „Zu der und der Zeit sollen sie kommen.“ Als sie dann kamen, ließ sie sie mit dem Rasiermesser scheren, in Unratgruben werfen und sie so großes Leid erdulden. Dann ließ sie sie in Mattenbündel legen, meldete dies dem König, nahm die vier mit, ließ auch die vier Kostbarkeiten nehmen und begab sich nach dem königlichen Palast. Nachdem sie hier dem König ihre Ehrfurcht bezeugt, sprach sie: „O Fürst, nicht der weise Mahosadha ist ein Dieb, sondern diese sind die Diebe. Von ihnen ist Senaka der Juwelendieb, Pukkusa hat den goldenen Kranz gestohlen, Devinda hat die goldenen Sandalen gestohlen. In dem und dem Monat, an dem und dem Tage haben sie dies durch die Sklavin so und so, die Tochter der Sklavin so und so, als Geschenk geschickt. Lest dieses Blatt! Empfangt Euer Eigentum und nehmt auch die Diebe an, o Fürst!“ Nachdem sie so die vier Leute in großes Ungemach gebracht, grüßte sie den König und kehrte in ihr Haus zurück. Weil aber der König wegen der Flucht des Bodhisattva an ihm zweifelte und auch keine anderen weisen Ratgeber hatte, sagte er ihnen nichts anderes, sondern er befahl nur: „Wascht euch und kehrt in eure Häuser zurück“, und schickte sie fort.
Als aber die in seinem Sonnenschirm wohnende Göttin den Ton der Wahrheitsverkündigung des Bodhisattva nicht mehr hörte, überlegte sie, was das sei. Als sie die Ursache erkannte, dachte sie: „Ich werde bewirken, dass der Weise zurückgeführt wird.“ Zur Nachtzeit trat sie in die Öffnung an der Hinterseite des Sonnenschirms und legte dem Könige die vier Fragen im vierten Buche in der „Frage der Gottheit“ vor, welche angehen mit den Worten: „Er schlägt mit Händen und mit Füßen.“ [Das zitierte Jātaka 350 enthält nur den Anfang der nächsten Strophe]. Da der König sie nicht verstand, sagte er: „Ich verstehe sie nicht, ich will andere Weise fragen.“ Nachdem er um einen Tag Aufschub gebeten, schickte er am nächsten Tage den Weisen den Auftrag: „Sie sollen doch kommen.“ Als sie antworteten: „Wir sind mit dem Rasiermesser geschoren; wenn wir die Straße hinabgehen, schämen wir uns“, schickte er ihnen vier Kopfbedeckungen und ließ ihnen sagen: „Diese sollen sie auf den Kopf tun und kommen.“ — Damals nämlich kamen diese Kopfbedeckungen auf. — Sie kamen also zum Könige und ließen sich auf dem hergerichteten Sitze nieder.
Darauf sprach der König zu ihnen: „Senaka, heute Nacht hat die in meinem Sonnenschirm wohnende Gottheit mir vier Fragen vorgelegt. Da ich sie nicht verstand, sagte ich: ‘Ich will die Weisen fragen.’ Verkünde mir die Beantwortung der Fragen!“ Und er sprach folgende erste Strophe:
Senaka stammelte nur: „Was schlägt er, wen schlägt er?“, und verstand weder das Ende noch den Anfang. Auch die anderen fanden keine Entgegnung. Der König machte sich Vorwürfe. Als ihn wiederum zur Nachtzeit die Gottheit fragte: „Hast du die Frage verstanden?“, antwortete er: „Ich habe die vier Weisen gefragt; auch diese verstanden sie nicht.“ Da sagte die Gottheit: „Was werden sie verstehen? Außer dem weisen Mahosadha ist nämlich keiner im Stande, dies zu erklären. Wenn du ihn nicht rufen und diese Frage erklären lässt, werde ich dir mit dieser glühenden Eisenspitze das Haupt zerschmettern.“ Nachdem sie so dem König Furcht eingeflößt, fuhr sie fort: „O Großkönig, wenn man Feuer braucht, darf man keinen Leuchtkäfer anblasen; oder wenn man Milch braucht, darf man kein Horn melken.“ Und sie begann die im fünften Buch stehende Frage nach dem Leuchtkäfer [Jātaka 364. Auch hier ist nur die erste Zeile zitiert]:
Dann sprach die Gottheit weiter: „Leute deinesgleichen blasen nicht, weil sie glauben, es sei Feuer, einen Leuchtkäfer an. Du aber hast, obwohl du Feuer hattest, gewissermaßen einen Leuchtkäfer angeblasen, du hast gewissermaßen die Waage weggeworfen und wiegst mit der Hand, du hast getan wie einer, der Milch will und die Kuh am Horn melkt, indem du Senaka diese tiefe Frage vorlegtest. Was verstehen diese? Sie gleichen Leuchtkäfern; einem großen Feuerhaufen aber gleicht Mahosadha und leuchtet durch seine Weisheit. Lasse ihn rufen und frage ihn; denn wenn du diese Frage nicht verstehst, so ist es um dein Leben geschehen.“ Nachdem sie so dem Könige Furcht eingejagt, verschwand sie.
Ende der Frage von den Leuchtkäfern
Darauf ließ der König, von Todesfurcht erfüllt, am folgenden Tage seine Minister zu sich rufen und sagte zu ihnen: „Ihr Lieben, ihr vier stellt euch auf vier Wagen und fahrt zu den vier Stadttoren hinaus. Wo immer ihr meinen Sohn, den weisen Mahosadha, seht, dort erweist ihm Ehrung und bringt ihn hierher!“ Mit diesen Worten schickte er sie fort. Von ihnen fanden drei den Weisen nicht; derjenige aber, der zum Südtor hinausgefahren war, sah in der Südvorstadt das große Wesen, wie es Ton herbeiholte und seinem Meister das Rad drehte, wie es sich dann mit seinem von Ton beschmierten Körper auf eine Strohbank setzte und Gerstenbrei mit wenig Sauce eine Handvoll nach der andern verzehrte. — Warum aber übte der Weise dieses Handwerk aus? Er dachte: „Der König ist geängstigt, weil er meint, der weise Mahosadha wolle unzweifelhaft das Reich an sich reißen; wenn er aber hört, er lebe vom Töpferhandwerk, wird er seine Angst aufgeben.“ Darum tat er so. — Als er nun den Minister sah, merkte er, dass dieser zu ihm gekommen sei, und dachte: „Meine Ehrung wird wieder werden wie vorher; ich werde nur noch das von Amarādevī zubereitete Mahl von höchstem Wohlgeschmack verzehren.“ Er warf den Breiklumpen, den er gefasst hatte, fort, stand auf und reinigte sich den Mund.
In diesem Augenblick kam der Minister zu ihm hin; dieser war aber ein Anhänger des Senaka. Darum sagte er, um ihn zu verhöhnen: „Du weiser Meister, nur des Senaka Wort führt zum Heile; denn nachdem deine Ehrung aufgehört hatte, konnte dir dein so großes Wissen doch keine Zuflucht bieten. Jetzt sitzt du mit Ton beschmiert auf einer Strohbank und verzehrst solche Speise!“ Und er sprach folgende Strophe aus der Frage nach der Weisheit im zehnten Buche [Jātaka 452]:
Doch das große Wesen erwiderte ihm: „Du blinder Tor, ich tue so, weil ich durch die Kraft meiner Weisheit wieder meine Ehrung so groß machen will wie zuvor.“ Und es sprach folgendes Strophenpaar:
Darauf sprach zu ihm der Minister: „Du Weiser, die im königlichen Sonnenschirm wohnende Gottheit legte dem König eine Frage vor. Der König fragte danach die vier Weisen, aber nicht ein einziger konnte die Frage erklären. Darum hat mich der König zu dir hingeschickt.“ Das große Wesen versetzte: „Trotzdem merkst du nicht die Macht der Weisheit? Unter solchen Umständen ist nicht die Machtfülle eine Stütze, sondern nur ein mit Weisheit Ausgerüsteter ist eine Stütze.“ So pries er die Macht der Weisheit.
Der Minister hatte aber vom Könige den Auftrag erhalten: „Sobald du den Weisen gesehen, lasse ihn baden, bekleide ihn und führe ihn hierher!“ Darum gab er die ihm mitgegebenen tausend Kahapanas und ein paar Gewänder dem großen Wesen in die Hand. Der Töpfer aber dachte: „Der weise Mahosadha ist von mir veranlasst worden, Knechtesdienste zu verrichten“, und bekam deshalb Furcht. Ihn tröstete das große Wesen, indem es sagte: „Habe keine Furcht, Meister, du bist uns eine große Hilfe gewesen“; und er gab ihm die tausend Kahapanas. Er selbst aber setzte sich mit seinem mit Ton beschmierten Körper auf den Wagen und fuhr in die Stadt.
Als der Minister dies dem Könige gemeldet hatte und von ihm gefragt wurde, wo er den Weisen gesehen habe, antwortete er: „O Fürst, in der Südvorstadt lebt er und betreibt das Töpferhandwerk. Als Ihr sagen ließet: ‘Ruft ihn herbei!’, kam er ohne zu zögern, den Körper noch mit Ton beschmiert.“ Da dachte der König: „Wenn er mein Feind wäre, würde er nach Art eines Herrschers einhergehen; dieser ist nicht mein Feind.“ Und er sprach: „Wenn mein Sohn in sein Haus gekommen ist, so badet und schmückt ihn und sagt ihm, er solle nur mit der von mir ihm bewilligten Pracht kommen!“ — Als dies der Weise hörte, tat er so und ging hin. Als ihm gesagt wurde, er solle eintreten, bezeigte er dem Könige seine Ehrfurcht und trat ihm zur Seite. Der König begann mit ihm ein liebenswürdiges Gespräch und sprach, um den Weisen zu prüfen, folgende Strophe:
Der Bodhisattva erwiderte:
Abermals wollte ihn der König versuchen; indem er einen Spruch der Kriegerkaste anführte, sprach er:
Darauf führte ihm das große Wesen das Gleichnis vom Baume an und sprach folgende Strophe:
Nach diesen Worten aber fügte er hinzu: „O Großkönig, wenn schon der, welcher an einem Baume, von dem er eine Wohltat genossen, einen Zweig abbricht, ein Freundesverräter ist, wie viel mehr erst ein Menschentöter? Wo Ihr meinem Vater so große Macht verliehet und mich mit großer Gunst hegtet, wie könnte ich mich an Euch versündigen und ein Freundesverräter werden?“ Nachdem der Weise ihm so auseinandergesetzt, dass er durchaus kein Freundesverräter sei, sagte er, um den Fehltritt des Königs zu rügen:
Jetzt sprach er weiter, um ihn zu ermahnen, folgendes Strophenpaar [52]:
Ende der Frage nach der Weisheit
Nach diesen Worten ließ der König das große Wesen unter dem ausgebreiteten weißen Sonnenschirm auf dem königlichen Throne sich niedersetzen; er selbst nahm auf einem niedrigen Sitze Platz und sprach dann: „Du Weiser, die in dem weißen Sonnenschirm wohnende Gottheit hat mir eine Frage vorgelegt. Darum fragte ich nur die Weisen; aber die vier Weisen verstanden sie nicht. Erkläre mir, o Weiser, die Frage!“ Jener versetzte: „O Großkönig, mag es die in dem weißen Sonnenschirm wohnende Gottheit sein oder die vier Erzengel oder dergleichen; ich werde, wie immer es sei, die gestellte Frage beantworten. Sage, o Großkönig, die von der Gottheit gestellten Fragen!“ Der König verkündete sie genau in der Art, wie sie die Gottheit gestellt hatte, und sprach dabei folgende erste Strophe:
Als das große Wesen diese Strophe vernommen, war ihm die Sache so klar wie der Mond an der Fläche des Himmels. Er sprach [53]: „Höre, o Großkönig! Wenn ein kleiner Knabe, der im Schoße seiner Mutter liegt, voll Freude spielt und dabei seine Mutter mit Händen und Füßen stößt, ihr die Haare rauft und mit der Faust ihr ins Gesicht schlägt, so sagt sie ihm voll Liebe: ‘Du kleiner Spitzbube, warum schlägst du uns?’ u. dgl. m. Weil sie ihre Liebe nicht ertragen kann, umarmt sie ihn, legt ihn zwischen ihren Busen und küsst ihn. So ist er ihr zu dieser Zeit lieber als der Vater.“
So beantwortete er die Frage, indem er sie klarlegte, als wenn er inmitten des Himmels die Sonne aufgehen ließe. Als dies die Gottheit hörte, kam sie aus der Öffnung an der Rückseite des Sonnenschirms hervor, und indem sie ihren hellen Körper zeigte, lobte sie die Antwort, indem sie mit süßer Stimme sagte: „Gut erklärt ist die Frage.“ Sie füllte einen Edelsteinkorb und verehrte das große Wesen mit göttlichen Blumen und wohlriechenden Substanzen; hierauf verschwand sie. Auch der König verehrte den Bodhisattva mit Blumen u. dgl. und bat dann um die Erlaubnis, die nächste Frage zu stellen. Als jener antwortete: „Sprich, o Großkönig“, sprach er folgende zweite Strophe:
Darauf erwiderte das große Wesen: „O Großkönig, eine Mutter sagt zu ihrem siebenjährigen Sohn, der schon Aufträge zu besorgen fähig ist: ‘Geh auf das Feld, gehe in den Laden’; er aber entgegnet: ‘Wenn du mir dies und das zu essen und zu trinken gibst, dann werde ich gehen.’ Sie gibt es ihm mit den Worten: ‘Da, Knabe’; wenn er gegessen hat, sagt er zu ihr: ‘Du setzt dich in den kühlen Schatten des Hauses und ich soll dir deine Aufträge besorgen!’ und schüttelt die Hand und verzieht das Gesicht. Wenn er dann nicht geht, nimmt sie einen Stock und jagt ihm Furcht ein mit den Worten: ‘Gehe, die Räuber sollen dich in kleine Stücke zerschlagen!’ Mit solchen und ähnlichen Worten schickt sie ihn nach Wunsch und nach Lust. Was sie aber mit dem Munde spricht, davon wünscht sie nicht das Geringste, sondern sie verlangt nach seiner Rückkehr. Wenn nun der Knabe den Rest des Tages gespielt hat, getraut er sich nicht, am Abend das Haus zu betreten, sondern er geht zu Verwandten. Seine Mutter aber wartet auf sein Kommen, und wenn sie ihn nicht zurückkehren sieht, denkt sie: ‘Er getraut sich nicht heimzukommen, glaub ich’; das Herz mit Kummer erfüllt und die Augen voll Tränen sucht sie ihn im Hause ihrer Verwandten. Wenn sie ihn dann findet, umschlingt und küsst sie ihn, fasst ihn fest mit beiden Händen; sie ruft: ‘Hast du, mein Sohn, mein Wort dir zu Herzen genommen?’ und liebt ihn noch weit mehr. So, o Großkönig, ist der Sohn seiner Mutter, wenn sie zürnt, noch viel lieber.“ Mit diesen Worten löste er auch die zweite Frage. Die Gottheit erwies ihm dieselbe Ehrung; auch der König ehrte ihn. Hierauf bat er ihn um die Erlaubnis, die dritte Frage zu stellen; und als jener antwortete: „Rede, o Großkönig!“, sprach er folgende weitere Strophe:
Darauf erwiderte ihm das große Wesen: „O Großkönig, wenn Ehegatten sich zurückgezogen haben und sich dem Genuss des Weltglücks ergeben, dann sagen sie: ‘Du liebst mich nicht; dein Herz ist draußen’, und klagen einander so mit einer Unwahrheit an; sie machen sich Lügen vor und schelten einander. Dabei aber lieben sie einander noch weit mehr. So erkenne den Sinn dieser Frage.“ Damit erklärte er diese Frage; die Gottheit erwies ihm abermals Ehrung und auch der König ehrte ihn. Hierauf bat er um die Erlaubnis, noch eine weitere Frage zu stellen; als der Bodhisattva erwiderte: „Rede, o Großkönig“, sprach dieser folgende vierte Strophe:
Darauf antwortete ihm der Weise: „O Großkönig, diese Frage ist mit Beziehung auf die tugendhaften Asketen und Brahmanen ausgesprochen. Die gläubigen Familien u. dgl., die an diese Welt und die andre Welt glauben, geben und haben auch Lust zum Geben. Wenn sie solche Asketen und Brahmanen sehen, wie sie bitten und das Erlangte mitnehmen und verzehren, so denken sie: ‘Nur uns bitten sie, nur die uns gehörigen Speisen usw. verzehren sie’, und lieben sie darum nur noch mehr. So sind die, welche sicherlich Nehmer sind, die auf einer Schulter das Erbetene, das sie bekamen, mitnehmen und bei ihnen bleiben, ihnen doch lieb.“ Nachdem aber diese Frage gelöst war, erwies ihm die Gottheit ebenso wieder Ehrung, gab ihm ihren Beifall zu erkennen und warf mit den Worten: „Nimm es, du Weiser“, einen mit den sieben Arten der Kostbarkeiten gefüllten Edelsteinkorb vor die Füße des Weisen. Auch der König war hochbefriedigt und gab ihm die Stelle des Heerführers. Von da an war der Ruhm des großen Wesens groß.
Ende der von der Gottheit gestellten Frage
Abermals überlegten die vier Leute: „Der Hausbesitzersohn ist jetzt noch größer geworden; was sollen wir tun?“ Da sprach Senaka zu ihnen: „Gut, ich habe ein Mittel gefunden. Wir wollen zu dem Hausbesitzersohn hingehen und ihn fragen: ‘Wem darf man denn ein Geheimnis sagen?’ Er wird antworten: ‘Niemandem.’ Dann wollen wir ihn beim Könige verleumden mit den Worten: ‘Der Hausbesitzersohn ist dein Feind geworden.’“ Darauf gingen die vier in das Haus des Weisen, begannen ein liebenswürdiges Gespräch mit ihm und sagten zu ihm: „Du Weiser, wir möchten eine Frage an dich richten!“ Als er erwiderte: „Fraget nur!“, fragte Senaka: „Du Weiser, worin muss denn ein Mann feststehen?“ „In der Wahrheit“, antwortete jener. „Wenn einer in der Wahrheit feststeht, was muss er dann tun?“ „Er muss Geld erwerben.“ „Wenn er Geld erworben hat, was muss er dann tun?“ „Er muss die heiligen Sprüche lernen.“ „Wenn er sie gelernt hat, was muss er dann tun?“ „Er darf sein Geheimnis einem andern nicht verraten.“
Darauf antworteten sie: „Gut, du Weiser.“ Voll Freude dachten sie: „Jetzt werden wir den Rücken des Hausbesitzersohnes sehen“, gingen zum König hin und sagten: „O Großkönig, der Hausbesitzersohn ist dein Feind geworden.“ Der König aber wies sie zurück mit den Worten: „Ich glaube euch nicht; er wird nicht mein Feind werden.“ Doch sie versetzten: „Es ist wahr, o Großkönig, glaubt es! Wenn Ihr es aber nicht glaubt, so fragt ihn selbst: ‘Du Weiser, wem darf man sein Geheimnis mitteilen?’ Wenn er nun kein Feind ist, so wird er antworten: ‘Dem und dem soll man es sagen’; wenn er aber ein Feind ist, so wird er sagen: ‘Niemand darf man es mitteilen; wenn aber der Wunsch in Erfüllung gegangen ist, dann darf man es sagen!’ Dann schenkt uns Glauben und legt Euren Zweifel ab!“
Der König gab seine Zustimmung. Als sie eines Tages alle zusammen bei ihm saßen, sprach er folgende erste Strophe der Frage an die Weisen im zwanzigsten Buche [Jātaka 508; auch nur aus dem Zitat ]:
Nach diesen Worten dachte Senaka: „Wir wollen den König zu uns herüber bringen“, und er sprach folgende Strophe:
Darauf sprach der König, weil er in der Gewalt der Sinneslust war, folgende Strophe:
Da dachte Senaka: „Jetzt habe ich den König zu uns herübergeholt“, und hochbefriedigt sprach er folgende Strophe, indem er eine von ihm selbst begangene Tat damit offenbarte:
Darauf fragte der König den Pukkusa: „Wie meinst du, Pukkusa, wem soll man sein Geheimnis mitteilen?“ Dieser sprach folgende Strophe:
Darauf fragte der König den Kavinda; dieser sprach folgende Strophe:
Darauf fragte der König den Devinda; dieser sprach folgende Strophe:
Nachdem der König diese gefragt, fragte er den Weisen: „Wie meinst du, Weiser?“ Auf diese Worte sprach dieser folgende Strophe:
Als so der Weise gesprochen, war der König missvergnügt; darauf sah Senaka dem König ins Gesicht und auch der König dem Senaka. Als der Bodhisattva ihr Tun gewahrte, erkannte er sofort: „Diese vier haben mich zuerst beim König verleumdet; um mich zu prüfen, wird die Frage gestellt worden sein.“ Während sie aber miteinander sprachen, war die Sonne untergegangen und die Lampen wurden angezündet. Da dachte der Weise: „Mit einem König ist schwer zu tun; man weiß nicht, was noch sein wird. Ich muss rasch fortgehen.“ Er erhob sich von seinem Sitze und bezeigte dem König seine Verehrung.
Während er aber hinausging, dachte er: „Einer von diesen sagte, man müsse es seinem Freunde mitteilen, einer, man müsse es dem Bruder, einer dem Sohne und einer der Mutter mitteilen. Sie werden etwas getan haben; etwas wirklich Erlebtes wird dies sein, etwas wirklich Erlebtes erzählten sie, glaube ich. Gut, heute noch werde ich es erfahren.“ Diesen Entschluss fasste er. — Wenn aber diese vier Leute an anderen Tagen den Königshof verließen, setzten sie sich am Tore des königlichen Palastes auf einen Reistrog [ammana ist eigentlich ein Getreidemaß von ziemlicher Größe], überlegten da, was jedes Mal zu tun war, und gingen dann nach Hause. Deshalb dachte der Weise: „Wenn ich mich unter den Trog lege, könnte ich wohl ihr Geheimnis erfahren.“ Er ließ den Trog aufheben und eine Decke darunter legen; dann ging er unter den Trog hinein und gab seinen Leuten folgenden Wink: „Wenn die vier Weisen, nachdem sie beratschlagt haben, wieder fort gegangen sind, dann kommt und holt mich!“ Die Leute sagten: „Gut“, und entfernten sich wieder.
Senaka aber sprach zum König: „O Großkönig, Ihr glaubt uns nicht; wie aber steht es jetzt?“ Er nahm das Wort der Verleumder an und, ohne die Sache zu untersuchen, fragte er furchterfüllt: „Was sollen wir jetzt tun, du weiser Senaka?“ Dieser antwortete: „O Großkönig, man muss ohne Zögern und, ohne irgend jemand etwas davon wissen zu lassen, den Hausbesitzersohn töten.“ Der König versetzte: „Senaka, außer Euch habe ich keinen anderen, der mir wohl will. Nehmt Eure Freunde, stellt Euch unter das Tor, und wenn der Hausbesitzersohn in der Frühe zur Aufwartung kommt, so spaltet ihm mit dem Schwerte das Haupt!“ Mit diesen Worten gab er jenem ein kostbares Schwert. Sie erwiderten: „Gut, o Fürst; seid ohne Furcht. Wir werden ihn töten.“ Dann gingen sie hinaus, indem sie dachten: „Wir haben jetzt den Rücken unsers Feindes gesehen“, und begaben sich nach dem Troge hin, auf dessen Rücken sie sich setzten. Darauf fragte Senaka: „Holla, wer wird den Hausbesitzersohn treffen?“ Die andern erwiderten: „Nur Ihr, Meister“, und übertrugen ihm dieses Geschäft.
Jetzt fragte sie Senaka: „Ihr habt gesagt, man solle ein Geheimnis dem oder dem mitteilen; habt ihr da etwas getan oder gesehen oder gehört?“ Sie antworteten: „Lassen wir dies, Meister; dass aber Ihr sagtet, man müsse ein Geheimnis einem Freunde sagen, habt Ihr dies getan?“ „Was wollt ihr damit?“ „Erzählet, Meister!“ „Wenn der König dies Geheimnis erfährt, so ist es um mein Leben geschehen.“ Doch sie versetzten: „Fürchtet Euch nicht, Meister, hier ist niemand, der Euer Geheimnis verrät; erzählt es, Meister!“ Darauf klopfte er mit dem Nagel an den Trog und sagte: „Ist nicht darunter der Hausbesitzersohn?“ Doch sie erwiderten: „Meister, der Hausbesitzersohn geht bei seiner Macht nicht an einen solchen Ort. Jetzt wird er durch seinen Ruhm berauscht sein; erzählt nur!“
Darauf erzählte er ihnen sein Geheimnis und sprach: „Kennt ihr in dieser Stadt die Dirne so und so?“ „Ja, Meister.“ „Sieht man sie jetzt noch?“ „Man sieht sie nicht mehr, Meister.“ Er fuhr fort: „Ich hatte im Sala-Park mit ihr Verkehr; aus Begierde nach ihren Schmucksachen tötete ich sie darauf, machte aus ihrem Gewand ein Bündel, brachte es heim und hing es in unserm Hause in dem und dem Stockwerk in dem und dem Gemach an einen Elefantenzahn. Doch getraue ich mich nicht, es zu benützen, sondern betrachte es nur in seinem alten Zustand. Nachdem ich eine solche schwere Sünde begangen, erzählte ich es einem Freunde; dieser aber hat es bisher noch niemand mitgeteilt. Aus diesem Grunde sagte ich: ‘Man muss es einem Freunde mitteilen.’“ Der Weise aber gab gut auf dies Geheimnis acht und merkte es sich.
Auch Pukkusa erzählte sein Geheimnis und sprach: „An meinem Schenkel ist der Aussatz; mein jüngerer Bruder wäscht ihn in der Frühe, ohne jemand etwas davon wissen zu lassen, bestreicht ihn mit einem Heilmittel, legt ein Tuch darauf und verbindet ihn. Wenn der König gegen mich mild gesinnt ist, ruft er mir zu: ‘Komm, Pukkusa’, und ruht meist auf meinem Schenkel. Wenn er dies aber wüsste, würde er mich töten lassen. Diese Tatsache weiß niemand außer meinem jüngeren Bruder; darum sagte ich, einem jüngeren Bruder müsse man sein Geheimnis anvertrauen.“
Auch Kavinda erzählte sein Geheimnis und sprach: „Mich erfasst in der dunklen Monatshälfte am Uposatha-Tage ein Dämon namens Naradeva; davon schreie ich wie ein rasender Hund. Dies erzählte ich meinem Sohne. Wenn dieser nun merkt, dass mich der Dämon erfasst hat, bindet er mich in liegender Stellung im Hause fest, verschließt die Tür, geht hinaus und, um meine Stimme zuzudecken, veranstaltet er eine Volksversammlung. Aus diesem Grunde habe ich gesagt, das Geheimnis solle man seinem Sohne anvertrauen.“
Darauf fragten die drei den Devinda; dieser erzählte ebenfalls sein Geheimnis und sprach: „Als ich das Geschäft, die Juwelen strahlend zu machen, ausübte, stahl ich ein dem Könige gehörendes herrliches Edelsteinkleinod, das Gott Sakka dem Könige Kusa gegeben hatte und das zu Ehre verhilft, und gab es meiner Mutter. Diese lässt niemand davon wissen und gibt es mir, wenn ich an den Hof des Königs gehe. Ich gelange durch dies Kleinod zu Ehre und gehe in den Palast des Königs hinein. Dann redet der König nichts mit euch, sondern er spricht zuerst mit mir. Jeden Tag gibt er acht, sechzehn, zweiunddreißig, vierundsechzig Kahapanas mir zum Lohne. Wenn der König wüsste, dass ich dies Edelsteinkleinod verborgen halte, wäre es um mein Leben geschehen. Darum habe ich gesagt, man müsse der Mutter sein Geheimnis anvertrauen.“
Das große Wesen machte sich so das Geheimnis von allen klar. — Nachdem die anderen aber, als hätten sie ihren Leib geöffnet und die Eingeweide herausgeholt, ihr Geheimnis einander verkündet hatten, sagten sie voll Eifer: „Kommt in der Frühe, wir wollen den Hausbesitzersohn töten“; dann erhoben sie sich von ihrem Sitze und entfernten sich. Als sie fort gegangen waren, kamen die Leute des Weisen herbei, hoben den Trog in die Höhe und gingen mit dem großen Wesen wieder fort.
Nachdem dieses sich gebadet und geschmückt hatte, verzehrte es ein köstliches Mahl. Dabei erkannte es: „Heute wird meine Schwester, die Fürstin Udumbarā, mir vom Königspalaste aus Botschaft schicken“, und stellte daher an seiner Tür einen vertrauenswürdigen Mann auf mit dem Auftrag: „Wenn einer vom Palaste des Königs kommt, so lasse ihn rasch eintreten und führe ihn zu mir.“ Nach diesen Worten aber legte es sich auf sein Lager.
In demselben Augenblicke aber erinnerte sich der König, als er auf seinem Lager lag, an den Vorzug des Weisen und er dachte: „Der weise Mahosadha hat mir von seinem siebenten Jahre an gedient und dabei niemals etwas zu meinem Schaden getan. Wenn bei der Frage der Gottheit der Weise nicht gewesen wäre, würde ich jetzt nicht mehr leben. Dadurch, dass ich das Wort seiner hasserfüllten Feinde annahm und ihnen ein Schwert gab mit dem Auftrag, den unvergleichlichen Weisen zu töten, habe ich etwas Unrechtes getan. Morgen werde ich ihn nicht wieder sehen!“ Er wurde von Schmerz erfüllt, sein Körper tropfte von Schweiß, in seinem Kummer fand er keinen Trost. Als die Fürstin Udumbarā, die mit ihm das Lager teilte, diese Veränderung an ihm bemerkte, dachte sie: „Ist denn an mir irgend ein Fehler oder hat etwas anderes dem König irgend einen Kummer bereitet?“ Und um ihn zu fragen sprach sie folgende Strophe:
Darauf sprach der König folgende Strophe:
Als sie dies hörte, ergriff sie ein Schmerz so groß wie ein Berg über das große Wesen und sie dachte bei sich: „Durch eine List werde ich den König beruhigen, und wenn er dann in Schlaf gesunken ist, werde ich meinem jüngsten Bruder Botschaft schicken.“ Darauf sprach sie zu ihm: „O Großkönig, du hast es getan, dass du den Hausbesitzersohn zu großer Macht gebracht hast, du hast ihm die Heerführerstelle verliehen. Jetzt ist er ja Euer Feind geworden. Ein Feind aber ist nämlich nichts Kleines; man muss ihn beseitigen. Seid unbekümmert!“ So tröstete sie den König; bei diesem wurde der Kummer kleiner und er schlief ein.
Da stand die Fürstin auf, ging in ihr Gemach hinein und schrieb einen Brief folgenden Inhalts: „Mahosadha, die vier Weisen haben dich verleumdet. Der König hat im Zorn befohlen, dich unter dem Tore zu töten. Komme morgen nicht an den Hof des Königs; wenn du aber wieder kommst, so komme erst, nachdem du die Stadt in deine Gewalt gebracht hast und ihrer mächtig bist.“ Diesen Brief legte sie in einen Kuchen, umschnürte den Kuchen mit einer Schnur und legte ihn in ein neues Gefäß; dieses parfümierte und versiegelte sie und gab es einer ihr ergebenen Dienerin mit folgenden Worten: „Trage diesen Kuchen fort und gib ihn meinem jüngsten Bruder.“ Diese tat so. — Man darf aber nicht denken: „Wie ist sie bei Nacht herausgekommen?“ Vom König war schon zuerst der Königin dieser Wunsch gewährt worden; darum hielt sie niemand auf. — Der Bodhisattva nahm das Geschenk in Empfang und schickte dann die Dienerin wieder fort; diese kehrte zurück und meldete, dass sie es abgegeben habe. In demselben Augenblick ging die Königin wieder hin und legte sich zum König. Der Bodhisattva aber zerbrach den Kuchen, las den Brief und erfuhr so die Sache. Nachdem er überlegt hatte, was da zu tun sei, legte er sich auf sein Lager.
Die anderen vier Leute stellten sich schon in der Frühe mit Schwertern in den Händen unter das Tor; als sie aber den Weisen nicht sahen, wurden sie unwillig und gingen zum König hin. Als dieser sie fragte: „Nun, ihr Weisen, habt ihr den Hausbesitzersohn getötet?“, antworteten sie: „Wir haben ihn nicht gesehen.“
Zur Zeit der Morgendämmerung, als das große Wesen merkte, dass die Stadt in seine Gewalt gekommen sei, stellte er allenthalben Wachen auf, bestieg von viel Volks umgeben seinen Wagen und kam mit großem Gefolge an das Tor des Königspalastes. Der König öffnete ein Fenster und blieb daran stehen, indem er hinunterschaute. Darauf stieg das große Wesen vom Wagen herunter und bezeigte ihm seine Verehrung. Da dachte der König: „Wenn dies mein Feind wäre, würde er mich nicht ehrfurchtsvoll begrüßen.“ Er ließ es zu sich rufen und setzte sich auf sein Polster; das große Wesen aber kam herbei und stellte sich ihm zur Seite. Auch die vier Weisen setzten sich dortselbst nieder.
Darauf sprach der König zu ihm, als wisse er von nichts: „Mein Lieber, nachdem du gestern weggingst, kommst du erst jetzt zurück. Warum lässt du mich so im Stich?“ Und er sprach folgende Strophe:
Das große Wesen erwiderte ihm: „O Großkönig, du hast das Wort der vier Weisen angenommen und meine Ermordung befohlen; darum bin ich nicht gekommen.“ Und um ihn zu tadeln, sprach er folgende Strophe:
Sobald der König dies hörte, dachte er: „Sie wird in demselben Augenblick ihm eine Botschaft geschickt haben“, und voll Zorn blickte er die Königin an. Als dies das große Wesen merkte, sagte es: „Warum, o Fürst, zürnt Ihr der Königin? Ich kenne alles, die Vergangenheit, die Zukunft und die Gegenwart. Mag auch, o Fürst, Euer Geheimnis sogleich von der Königin mir mitgeteilt worden sein [56]; wer aber hat mir das Geheimnis von Meister Senaka, von Pukkusa und den anderen verraten? Ich kenne auch von diesen ein Geheimnis!“ Und um sogleich das Geheimnis von Senaka zu verkünden, sprach er folgende Strophe:
Der König blickte Senaka an und fragte: „Ist dies wahr?“ Als dieser erwiderte: „Ja, es ist wahr, o Fürst“, befahl er, ihn ins Gefängnis zu werfen.
Auch des Pukkusa Geheimnis verkündete der Weise und sprach folgende Strophe:
Der König schaute auch ihn an und fragte: „Ist es wahr?“ Als dieser antwortete: „Ja, o Fürst“, ließ er auch diesen in das Gefängnis werfen.
Um auch des Kavinda Geheimnis mitzuteilen, sprach der Weise weiter:
Der König fragte auch diesen: „Ist dies wahr, Kavinda?“ Als er antwortete: „Es ist wahr“, ließ er auch ihn in das Gefängnis werfen.
Darauf sprach der Weise, um des Devinda Geheimnis zu verkünden, folgende Strophe:
Der König fragte auch diesen: „Ist denn dies wahr?“ Als er antwortete: „Ja, es ist wahr“, ließ er auch diesen ins Gefängnis werfen. So kamen sie alle, die gedacht hatten, sie wollten den Bodhisattva töten, ins Gefängnis. — Der Bodhisattva aber fuhr fort: „Aus diesem Grunde sage ich, man dürfe sein Geheimnis keinem anderen mitteilen; diejenigen aber, die meinten, man solle es mitteilen, sind in schweres Verderben gestürzt!“ Hierauf sprach er, um die höhere Wahrheit zu verkünden, folgende Strophen [57]:
Als der König diese Worte des großen Wesens vernommen, dachte er: „Diese Leute, die selbst Feinde des Königs sind, wollen den Weisen zu meinem Feinde machen!“ Voll Zorn gab er den Befehl: „Gehet hin, führet sie aus der Stadt hinaus und steckt sie sogleich an spitze Pfähle oder haut ihnen den Kopf ab!“ Darauf band man ihnen die Hände auf den Rücken und gab ihnen an jeder Straßenkreuzung, wo man stehen blieb, hundert Hiebe. — Als sie so dahingeführt wurden, sagte der Weise zum König: „O Fürst, es sind Eure früheren Minister; verzeiht ihnen ihre Schuld!“ Der König versetzte: „Gut“, ließ sie rufen, machte sie zu Sklaven von jenem und übergab sie ihm. Dieser aber machte sie sogleich zu Freigelassenen. Darauf sagte der König: „Darum sollen sie in meinem Reiche nicht mehr wohnen“, und befahl, sie aus dem Lande zu treiben. Der Weise aber bat ihn um Verzeihung mit den Worten: „Verzeiht, o Fürst, diesen blinden Toren“, und ließ für sie wieder ihre früheren Stellen schaffen. Da dachte der König: „Gegen seine Feinde betätigt er jetzt eine solche Liebe; wie wird sie da erst gegen andere sein?“, und er war sehr befriedigt darüber. Von da an aber hatten die vier Weisen wie Schlangen, denen die Zähne herausgebrochen sind, ihr Gift verloren und getrauten sich nichts mehr zu sagen.
Ende der Frage an die fünf Weisen
Ende auch der Erzählung von der Verleumdung [Bis hierher gilt das Jātaka nur als Vorerzählung; auch die Zählung der Strophen beginnt erst mit der nächsten; vgl. oben Anm.1]
Von da an unterwies er den König in geistlichen und weltlichen Dingen. Da dachte er: „Dem Könige gehört nur noch der weiße Sonnenschirm; die Herrschaft aber verwalte ich. Ich muss voll Eifer sein!“ Er ließ um die Stadt eine große Mauer errichten; dort machte er längs der Mauer Wachttürme und zwischen den Wachttürmen drei Gräben, einen Wassergraben, einen Schlammgraben und einen trocknen Graben. In der Stadt ließ er die alten Häuser wiederherstellen; er ließ große Lotosteiche graben und legte in ihnen ein Wasserreservoir an. In der Stadt ließ er alle Vorratshäuser mit Getreide füllen. Aus der Himalaya-Gegend ließ er durch Asketen, die dem Hofe verpflichtet waren, Schlamm und Lotossamen herbeibringen. Die Wasserleitungen ließ er reinigen und auch außerhalb der Stadt die alten Gebäude wiederherstellen. Aus welchem Grunde tat er dies? Um eine zukünftige Gefahr abzuwehren. Die Kaufleute, die von da und dort kamen, fragte er, woher sie kämen; und wenn sie dann sagten, von da und da her, fragte er sie weiter: „Was ist eurem Könige lieb?“ Wenn er dann hörte: „Das und das“, erwies er ihnen Ehrung und entließ sie. Dann rief er hunderteins Soldaten herbei und sagte zu ihnen: „Ihr Freunde, geht mit den Geschenken, die ich euch gebe, nach den hunderteins königlichen Residenzen und gebt diese Geschenke nach ihrer Vorliebe diesen Königen. Dient ihnen, und wenn ihr erkannt habt, was sie tun oder vorhaben, so schickt mir Nachricht und bleibet selbst dort. Ich werde eure Frauen und Kinder ernähren.“ Mit diesen Worten schickte er einigen Ohrringe, anderen goldene Sandalen, wieder anderen goldene Kränze, in die er Buchstaben hinein geritzt hatte, indem er dabei beschloss: „Wenn es für mich notwendig ist, dann soll dies erkannt werden.“ Diese Dinge gab er ihnen in die Hand und schickte sie damit fort. Wenn diese dann an ihr Ziel kamen, gaben sie den Königen die Geschenke und sagten: „Wir sind gekommen, Euch zu dienen.“ Auf die Frage, woher sie kämen, aber nannten sie andere Orte als den, woher sie kamen. Dann erhielten sie die Erlaubnis, dienten den Königen und wurden ihre Vertrauten. —
Damals lebte im Königreiche Ekabala ein König Samkhapala; dieser ließ Waffen herrichten und zog ein Heer zusammen. Der Mann, der diesem beigegeben war, schickte dem Weisen folgende Botschaft: „So geht es hier zu; ich weiß nicht, was er tun wird. Schickt hierher und erkennt es, wie es sich in Wirklichkeit verhält.“ Darauf sprach das große Wesen zu einem jungen Papagei: „Mein Lieber, gehe hin und erkenne, was im Reiche Ekabala der König Samkhapala tut; dann durchwandere ganz Indien und bringe mir die Nachricht!“ Nach diesen Worten ließ ihn der Weise Honigkörner verzehren und Honigwasser trinken; mit hundertfach und tausendfach geläutertem Öl bestrich er ihm innen die Flügel, trat dann an das Fenster, das nach Osten ging, und ließ ihn fliegen. Der Papagei flog dorthin zu dem Manne und erkannte das Vorhaben dieses Königs der Wahrheit gemäß; während er dann den Jambu-Erdteil durchsuchte, kam er im Reiche Kampilla nach der Stadt Uttara-Pañcāla.
Damals herrschte dort ein König namens Cūlani-Brahmadatta; diesen unterwies ein Brahmane namens Kevatta in geistlichen und weltlichen Dingen, ein weiser und geschickter Mann. Als dieser einmal zur Zeit der Morgendämmerung erwachte und beim Schein der Lampe sein reich geschmücktes Gemach betrachtete und die Ehrung bemerkte, die er genoss, dachte er: „Von wem geht diese Ehrung meiner Person aus?“ Da dachte er weiter: „Von niemand andrem geht sie aus als von Cūlani-Brahmadatta. Einen König aber, der solche Ehrung verleiht, ziemt es, zum ersten König von ganz Indien zu machen; ich werde dann sein erster Hauspriester werden.“ In der Frühe ging er zum Könige hin und sagte, nachdem er ihn gefragt, ob er glücklich geruht: „O Fürst, man muss etwas überlegen.“ „Sprich, Lehrer“, versetzte der König. Doch jener fuhr fort: „O Fürst, innerhalb der Stadt kann man keinen abgeschiedenen Ort erhalten; lass uns in den Park gehen!“ Der König erwiderte: „Gut“; er begab sich mit ihm nach dem Park, stellte draußen das Heer auf, richtete eine Wache ein und ging mit dem Brahmanen in den Park hinaus, wo er sich auf dem königlichen Steinsitz niederließ.
Als der junge Papagei dies Gebaren bemerkte, dachte er: „Da muss ein Grund vorhanden sein; heute werde ich etwas hören, das wert ist, dem Weisen gemeldet zu werden.“ Er flog in den Park hinein und setzte sich zwischen die Blätter des königlichen Sala-Baumes hinein. Darauf sprach der König: „Rede, Lehrer!“ Dieser begann: „O Großkönig, tue deine Ohren hierher; nur für vier Ohren wird mein Spruch bestimmt sein. Wenn du, o Großkönig, nach meinen Worten tust, werde ich dich zum Oberkönig von ganz Indien machen.“ Jener hörte mit großer Begierde seine Worte und sagte voll Freude: „Redet, Lehrer, ich werde so tun.“
Darauf sprach der Brahmane: „O Fürst, wir wollen ein Heer zusammenziehen und dann zuerst eine kleine Stadt angreifen und einnehmen. Ich werde nämlich durch ein Nebentor in die Stadt hineingehen und zum König sagen: ‘O Großkönig, du brauchst nicht zu kämpfen. Werde nur unser Eigentum; dein Reich wird dir bleiben. Wenn du aber kämpfst, wirst du durch die Größe unseres Heeres völlig besiegt werden.’ Wenn er dann nach meinen Worten tut [59], werden wir ihn gewinnen; im anderen Falle werden wir mit ihm kämpfen, ihn töten und dann mit den zwei Heeren eine andere Stadt einnehmen, dann wieder eine andere usw. Auf diese Weise werden wir die Herrschaft über ganz Indien erhalten und den Siegestrank trinken.“ Nach diesen Worten fügte er hinzu: „Wir wollen die hunderteins Könige in unsere Stadt führen, im Parke einen Wirtschaftspavillon errichten und ihnen, wenn sie dort sitzen, mit Gift vermischten Branntwein zu trinken geben. Nachdem wir so alle ums Leben gebracht, werden wir sie in den Ganges werfen und dann die Herrschaft in ihren hunderteins Residenzen in unsere Hand bekommen. Auf diese Weise wirst du der Oberkönig über ganz Indien werden.“ Der König versetzte: „Gut, Lehrer, so werde ich tun.“ Darauf sagte noch der Brahmane: „O Großkönig, dieser Spruch ist nämlich nur für vier Ohren bestimmt; denn er darf von niemand anderem erfahren werden. Darum gehet jetzt rasch fort, ohne zu zögern!“ Der König stimmte hocherfreut zu.
Als der junge Papagei dies hörte, ließ er am Ende ihres Gesprächs, wie wenn er an dem herunterhängenden Zweig etwas herabgleiten ließe, auf den Kopf des Kevatta ein Stück Kot fallen. Als dieser mit den Worten: „Was ist dies?“, den Mund öffnete und aufwärts schaute, ließ er ihm ein zweites in den Mund fallen. Dann flog er, indem er: „kiri“, schrie, von dem Zweige empor und rief dabei: „Kevatta, du meinst, dein Spruch sei nur für vier Ohren, jetzt ist er aber für sechs Ohren bestimmt geworden; dann wird er für acht Ohren bestimmt sein und nachher von vielen hundert Ohren gehört werden.“ Als die beiden riefen: „Fangt ihn, fangt ihn!“, flog er mit Windeseile nach Mithilā in das Haus des Weisen hinein. Er hatte aber folgende Sitte: Wenn er eine irgendwoher gekommene Nachricht dem Weisen allein mitteilen musste, dann flog er auf dessen Schulterende herab; wenn es Amarādevī hören sollte, flog er auf den Schoß, wenn es die ganze Menge hören sollte, flog er auf den Boden nieder. Jetzt flog er auf das Schulterende des Weisen; bei diesem Zeichen dachte die versammelte Menge: „Es muss ein Geheimnis sein“, und zog sich zurück.
Der Weise stieg nun mit dem Papagei auf den obersten Söller hinauf und fragte: „Mein Sohn, was hast du gesehen, was hast du gehört?“ Darauf erzählte ihm der Papagei: „Ich, o Fürst, habe in ganz Indien von keinem andern König eine Gefahr bemerkt. In der Stadt Uttara-Pañcāla aber führte Kevatta, der Hauspriester des Cūlani-Brahmadatta, diesen in den Park und ließ ihn einen nur für vier Ohren bestimmten Spruch lernen. Ich aber saß dabei in dem Gezweige, ließ in seinen Mund einen Klumpen Kot fallen und kam dann wieder hierher.“ Und er berichtete ihm alles, was er gesehen und gehört hatte. Als der Weise fragte: „Hat aber der König seine Zustimmung gegeben?“, erwiderte er: „Ja, der König hat zugestimmt, o Fürst.“ Darauf erwies ihm der Weise die Ehrung, die ihm zu erweisen gebührte, und legte ihn auf ein Liegekissen in einen goldenen Käfig. Er dachte aber: „Kevatta weiß nicht, glaub ich, dass ich Mahosadha bin; jetzt werde ich nicht zulassen, dass er das Ziel seines zauberhaften Spruches erreicht.“ Aus der Stadt ließ er die armen Familien entfernen und siedelte sie draußen an; die wohlhabenden Führerfamilien aber im Reiche, im Lande und in den Vorstädten brachte er herein und wies ihnen ihre Wohnung in der Stadt an. Auch viel Geld und Getreide ließ er aufhäufen. —
Cūlani-Brahmadatta hatte das Wort des Kevatta angenommen. Er zog mit seinem Heere aus und umlagerte eine Stadt. Kevatta ging auf die angegebene Art hinein, überredete den König und machte ihn zu seinem Eigentum. Die beiden Heere tat er zusammen und zog mit ihnen gegen einen anderen König. So machte Cūlani-Brahmadatta, indem er bei der Ermahnung des Kevatta beharrte, außer dem Videha-König alle Könige in Indien sich untertan. Die vom Bodhisattva überall verteilten Männer schickten ihm beständig Botschaft: „Brahmadatta hat so viele Städte eingenommen; sei auf der Hut!“ Er aber sandte ihnen den Bescheid: „Ich bin hier auf meiner Hut; bleibet auch ihr, ohne unzufrieden zu werden, dort und seid auf eurer Hut!“
Nachdem so Brahmadatta in sieben Jahren, sieben Monaten und sieben Tagen außer dem Videha-Reiche alle übrigen Reiche in Indien erobert hatte, sprach er zu Kevatta: „Lehrer, wir wollen das Videha-Reich zu Mithilā einnehmen.“ Dieser aber antwortete: „O Großkönig, in der Stadt, wo der weise Mahosadha wohnt, können wir das Königreich nicht erobern; denn er ist mit solcher Weisheit ausgestattet und der richtigen Mittel kundig.“ So verkündete er ausführlich, als wollte er sie auf der Mondscheibe anbringen, die Vorzüge des großen Wesens. Er selbst aber war auch der Listen kundig; darum überredete er den König zu seiner Ansicht, indem er sagte: „Das Reich von Mithilā, o Fürst, ist ja ganz klein. In ganz Indien gehört die Herrschaft uns; was liegt uns an ihm?“ Auch die übrigen Könige sagten: „Wir wollen das Reich zu Mithilā erobern und den Siegestrank trinken“; aber auch sie hielt Kevatta zurück mit den Worten: „Wenn wir das Videha-Reich eingenommen haben, was sollen wir dann tun? Dieser König ist wie unser Untertan, kehret um!“ So belehrte er sie durch eine List. Als sie aber seine Worte vernahmen, kehrten sie um.
Da schickten die Männer des Bodhisattva diesem folgende Botschaft: „Brahmadatta ist, als er mit hunderteins Königen gegen Mithilā zog, wieder umgekehrt und in seine Stadt zurückgezogen“; er aber schickte ihnen die Gegenbotschaft: „Von jetzt an sollen sie auf deren Tun merken!“ —
Brahmadatta aber überlegte mit Kevatta, was sie jetzt tun wollten, und sie beschlossen: „Wir wollen den Siegestrank trinken.“ Der König ließ den Park schmücken und gab seinen Dienern folgende Anweisung: „Stellt in tausend Krügen Branntwein auf; richtet auch verschiedenartige Fische, Fleisch u. dgl. her!“ — Auch diese Begebenheit meldeten die von ihm ausgeschickten Leute dem Bodhisattva. Sie wussten jedoch nicht, dass jener Gift mische und die Könige damit töten wolle; das große Wesen aber wusste es, weil es dies von dem Papagei gehört hatte. Darum schickte es ihnen die Gegenbotschaft: „Wenn ihr den Tag, da sie den Branntwein trinken wollen, der Wahrheit gemäß erfahren habt, so meldet mir dies!“ Jene taten so.
Als dies der Weise hörte, dachte er: „Es ziemt sich nicht, dass so viele Könige sterben, solange ein Weiser, wie ich es bin, am Leben ist. Ich will ihnen zur Rettung werden.“ Er rief die tausend Soldaten, die mit ihm zu gleicher Zeit geboren waren [gemeint sind seine tausend ehemaligen Spielgefährten], zu sich und sagte ihnen: „Freunde, Cūlani-Brahmadatta hat seinen Park schmücken lassen und möchte nun umgeben von den hunderteins Königen Branntwein trinken. Geht ihr dorthin; und wenn für die Könige die Sitze hergerichtet sind und noch niemand darauf sitzt, so sagt: ‘Der hochgewertete Sitz unmittelbar beim König Cūlani-Brahmadatta gehört unserm König!’ und nehmt ihn in Besitz. Wenn dann die andern Männer fragen: ‘Wessen Leute seid ihr denn?', so antwortet: ‘Die Leute des Königs Videha.’ Dann werden jene sagen: ‘Wir haben, während wir sieben Jahre, sieben Monate und sieben Tage lang Reiche eroberten, keinen einzigen Tag den König Videha gesehen; was ist denn das für ein König? Geht und nehmt für ihn einen Sitz am Ende!’ und werden mit euch Streit anfangen [61]. Ihr aber erwidert: ‘Außer Brahmadatta ist kein König mächtiger als unser König’; verstärkt den Streit und sagt: ‘Wenn wir für unsern König nicht einmal einen Sitz erhalten, so werden wir jetzt auch nicht Branntwein trinken noch Fisch und Fleisch essen lassen.’ So ruft und schreit, macht ihnen durch den Lärm Angst, zerschlagt dann mit großen Keulen alle Töpfe und verstreut das Fischfleisch, so dass es ungenießbar wird. Hierauf schließt euch in eine Schar zusammen und erhebt wie die Dämonen, als sie in die Götterstadt eindrangen, ein Geschrei: ‘Wir sind die Leute des weisen Mahosadha in der Stadt Mithilā; wenn ihr könnt, so fangt uns!’ Lasst sie so merken, woher ihr gekommen seid, und kommt dann wieder zurück!“ Mit diesen Worten entließ er sie.
Sie stimmten seinen Worten zu und grüßten ihn ehrfurchtsvoll. Dann zogen sie, umgürtet mit den fünf Arten der Waffen, fort und kamen dorthin. Sie gingen in den Park hinein, der so schön geschmückt war wie der Nandana-Park, und sahen die ganze Pracht, die dort entfaltet war, angefangen von den Polstern für die hunderteins Könige, über denen der weiße Sonnenschirm ausgespannt war. Hierauf taten sie alles, was ihnen das große Wesen gesagt hatte, erzürnten die ganze Volksmenge und liefen dann nach Mithilā zu gewendet wieder fort.
Die Leute des Königs meldeten ihrem Herrn diese Begebenheit. Da dachte Brahmadatta zornig: „Eine solche Giftmischung ist nun verhindert worden!“ Auch die anderen Könige waren zornig, indem sie dachten: „Er hat uns den Siegestrank nicht trinken lassen.“ Die Soldaten aber zürnten, weil sie den unentgeltlichen Branntwein nicht hatten trinken dürfen. — Darauf sprach Brahmadatta zu den Königen: „Holla, jetzt wollen wir nach Mithilā ziehen, dem König Videha das Haupt mit dem Schwert abschlagen und es mit Füßen treten. Dann wollen wir uns hinsetzen und den Siegestrank trinken.“ Er fügte den Befehl hinzu: „Macht das Heer marschbereit“; dann ging er beiseite, erzählte die Sache auch dem Kevatta und sprach: „Holla, wir wollen unsern Feind, der einem solchen Geschäft ein Hindernis bereitete, gefangen nehmen! Umgeben von dem Heer der hunderteins Könige, das die Zahl von achtzehn vollständigen Heeren [62] erreicht, wollen wir nach jener Stadt ziehen. Kommt, Lehrer!“
Da dachte der Brahmane infolge seiner Weisheit: „Den weisen Mahosadha kann man nicht besiegen; für uns wird es nur eine Ursache der Schande werden. Ich werde den König zur Umkehr bewegen.“ Deshalb sprach er zu ihm: „O Großkönig, dies ist nicht die Stärke des Königs von Videha, sondern dies ist die Anordnung des weisen Mahosadha. Von großer Macht ist aber dieser. Von ihm behütet kann Mithilā von niemand eingenommen werden wie eine von einem Löwen bewachte Höhle. Es wird für uns nur eine Ursache sein, dass wir uns schämen müssen; genug mit dem Zuge dorthin!“ Der König aber, von seinem Fürstenstolz und von dem Rausche seiner Macht trunken, erwiderte: „Was wird er machen können?“, und zog fort, umgeben von den hunderteins Königen, mit einem aus achtzehn vollständigen Armeen bestehenden Heere. Da aber Kevatta ihn nicht veranlassen konnte, seine Worte anzunehmen, dachte er: „Feindschaft mit dem Könige ist unziemlich“, und zog mit ihm fort.
Jene Kämpfer aber waren in einer Nacht nach Mithilā gelangt und hatten dem Weisen erzählt, was sie getan hatten. Auch die zuvor von ihm abgesandten und im Lande verteilten Männer schickten ihm die Botschaft: „Cūlani-Brahmadatta kommt herbei, umgeben von hunderteins Königen, um den König von Videha gefangen zu nehmen. Der Weise soll auf seiner Hut sein!“ Auch schickten sie ihm beständig Nachricht: „Heute ist er an den und den Ort gekommen, heute an den und den Ort, heute wird er die Stadt erreichen.“ Als dies das große Wesen hörte, war es noch mehr auf seiner Hut; der König von Videha aber hörte auch durch das gegenseitige Gespräch, dass Brahmadatta herbeikomme, um die Stadt einzunehmen.
Zur Zeit der ersten Dämmerung nun kam Brahmadatta mit hunderttausend Fackeln, die getragen wurden, herbei und umlagerte die ganze Stadt. Darauf ließ er sie mit einem Walle von Elefanten, einem Walle von Wagen und einem Walle von Pferden umgeben und stellte allenthalben Abteilungen des Heeres auf. Die Leuten standen dort, indem sie schrien, mit den Fingern klappten, riefen, tanzten und sangen. Durch den Glanz der Lampen und durch den Glanz des Schmuckes war das ganze sieben Meilen messende Mithilā hell erleuchtet; durch den Lärm der Elefanten, Rosse, Wagen, Fußsoldaten und Musikinstrumente war es, als ob die Erde bersten wollte.
Als die vier Weisen diese Lärmeswogen hörten, wussten sie nicht, was das war, gingen zum Könige hin und sprachen: „O Großkönig, es besteht eine große Lärmwoge; wir wissen aber nicht, was das bedeutet. Man muss es untersuchen, o Großkönig.“ Als dies der König hörte, dachte er: „Brahmadatta wird gekommen sein“; er öffnete das Fenster und schaute hin. Da er dessen Ankunft wahrnahm, sagte er: „Um unser Leben ist es geschehen; jetzt werden wir morgen alle sterben müssen.“ Indem er so zu ihnen sprach, setzte er sich nieder. Als aber der Bodhisattva die Ankunft des Königs erfuhr, da war er furchtlos wie ein Löwe; in der ganzen Stadt verteilte er Wachen, und indem er dachte: „Ich will den König trösten“, stieg er zu dem Palast des Königs hinauf. Diesen begrüßte er ehrfurchtsvoll und stellte sich ihm zur Seite. Als der König ihn sah, bekam er wieder Mut und dachte: „Außer meinem Sohne, dem weisen Mahosadha, ist ja doch niemand im Stande, mich von diesem Unglück zu befreien.“ Er sprach zu ihm folgendes:
Als das große Wesen diese Worte des Königs vernommen, dachte es bei sich: „Dieser König ist gar sehr von Todesfurcht erfüllt. Für einen Kranken aber ist ein Arzt die Zuflucht, für einen Hungernden eine Speise, für einen Dürstenden ein Trank. Für ihn gibt es außer mir keine Zuflucht; ich werde ihn trösten.“ Darauf sprach das große Wesen wie ein in der Manosila-Ebene brüllender Löwe: „Fürchte dich nicht, o Großkönig, genieße das Glück der Herrschaft! Ich werde, wie man eine Krähe mit einem Erdklumpen und einen Affen mit dem Bogen verscheucht, dieses aus achtzehn vollständigen Armeen bestehende Heer selbst der um ihren Leib gebundenen Gewänder berauben und es herrenlos machen und fortjagen.“ Und es sprach folgende Strophe:
Nachdem der Weise so den König getröstet, ging es hinaus, ließ in der Stadt die Festtrommel herumgehen und verkündete den Stadtbewohnern: „Holla, seid nur unbesorgt! Richtet sieben Tage lang Kränze, wohlriechende Substanzen und Salben sowie Getränke, Speisen u. dgl. her und feiert ein Fest. Allenthalben sollen die Leute, wie es sich gehört, viel trinken, Musik machen, singen, tanzen, rufen, schreien und mit den Händen klappen. Eure Ausgaben sollen mir gehören. Ich bin doch der weise Mahosadha; seht meine Macht!“ So tröstete es die Stadtbewohner; diese aber taten so.
Den Lärm des Gesanges und der Musik hörten die außerhalb der Stadt Befindlichen; auch kamen zum Nebentor die Leute herein. Außer einem Feinde nämlich nahmen sie nicht jeden gefangen, den sie sahen; darum hörte der Verkehr nicht auf. Die in die Stadt hinein Gekommenen sahen die Volksmenge, wie sie der Festesfreude sich hingab. Auch Cūlani-Brahmadatta hörte den Lärm in der Stadt und sprach darum zu seinen Ministern: „Holla, während wir mit unserm achtzehn vollständige Armeen umfassenden Heere die Stadt umlagern, haben die Stadtbewohner keine Furcht oder Bestürzung; voll Freude und Vergnügen klappen sie mit den Händen, schreien, rufen und singen. Was ist dies?“ Da sagten zu ihm die ihm zugesandten Männer, indem sie die Unwahrheit sprachen, folgendes: „O Fürst, als wir wegen eines Geschäftes durch das Seitentor die Stadt betraten und die Volksmenge sahen, da fragten wir: ‘Holla, von ganz Indien sind die Könige da und stehen rings um eure Stadt herum; ihr aber seid allzu vergnügt. Was ist dies?’ Sie aber antworteten: ‘Als unser König noch jung war, da hatte er den einzigen Wunsch: Wenn von den Königen aus ganz Indien die Stadt belagert wird, da will ich ein Fest feiern. Dieser Wunsch ist heute zur Erfüllung gelangt; darum hat er die Festtrommel herumgehen lassen und hält in seinem Thronsaale ein großes Gelage.’“
Als der König ihre Worte vernommen, wurde er zornig und gab einem Teile des Heeres folgenden Befehl : „Ergießt euch von allen Seiten auf die Stadt, zerstört den Graben, zertrümmert die Mauer, vernichtet die Tortürme, dringt in die Stadt ein und nehmt die Häupter der Menge, als wären es Kumbhanda-Pflanzen [die Pflanze Benincasa cerifera]. Bringt mir aber das Haupt des Königs von Videha!“ Als dies die starken Kämpfer hörten, gingen sie mit mancherlei Waffen in den Händen auf das Tor zu; doch wurden sie von den Leuten des Weisen mit glühenden Kränzen [69], durch Ausgießen von Schlamm, Herabwerfen von Steinen u. dgl. bedrängt und zogen sich zurück. Auch denjenigen, die an dem Graben hinabgestiegen waren, um die Mauer zu durchbrechen, fügten die auf den Warttürmen Stehenden mit Pfeilen, Speeren, Hämmern u. dgl. großen Schaden zu. Die Soldaten des Weisen machten den Soldaten des Brahmadatta Spottzeichen mit den Händen u. dgl., sie schalten und erschreckten sie. Auch riefen sie: „Wenn ihr auch nichts erhaltet, so trinkt und esst doch ein wenig“, breiteten Gefäße mit Branntwein und Spieße voll Fisch und Fleisch aus, aßen und tranken selbst und wandelten längs der Mauer umher. Als die anderen nichts ausrichten konnten, gingen sie zu Cūlani-Brahmadatta hin und sagten: „O Fürst, außer solchen, die mit Wunderkraft begabt sind, können andere nichts erreichen.“
Nachdem der König vier oder fünf Tage geblieben war und kein Mittel fand, das er ergreifen konnte, fragte er den Kevatta: „Lehrer, man kann die Stadt nicht einnehmen; kein einziger ist im Stande heranzukommen. Was ist zu tun?“ Jener erwiderte: „Mag sein, o Großkönig. Die Stadt hat nämlich ihr Wasser außerhalb, darum werden wir sie durch das Absperren des Wassers einnehmen. Wenn die Leute an Wassernot leiden, werden sie uns die Tore öffnen.“ Der König stimmte ein mit den Worten: „Dies ist ein Mittel.“
Von da an ließen sie kein Wasser mehr in die Stadt. — Die vom Weisen ausgesandten Männer schrieben nun einen Brief, banden ihn an einen Pfeil und sandten so die Sache fort. Der Weise aber hatte zuvor den Auftrag gegeben [70]: „Wer immer an einem Pfeile einen Brief sieht, der soll ihn herbeibringen.“ Ein Mann nun sah ihn und zeigte den Brief dem Weisen.
Als dieser die Sache erfuhr, dachte er: „Sie wissen nicht, dass ich der weise Mahosadha bin.“ Er ließ sechzig Ellen hohe Bambusrohre auseinander spalten, ganz sauber reinigen, dann wieder zusammenfügen, mit Riemen zusammenbinden und außen mit Schlamm bestreichen. Hierauf ließ er Schlammlotos-Samen, der ihm von wundermächtigen Asketen aus dem Himalaya gebracht worden war, am Ufer des Lotosteiches in Schlamm eingraben; darüber ließ er den Bambus aufstellen und mit Wasser füllen. In einer einzigen Nacht wuchs die Pflanze; ihre Blüte ging über die Spitze des Bambusrohres hinaus und stand dort wie ein Kleinod. Darauf riss er das Ganze aus und gab es seinen Leuten mit dem Auftrage: „Gebt dies dem Brahmadatta!“ Sie machten aus seinem Stamm einen Ring und warfen ihn den Leuten des Brahmadatta zu mit den Worten: „Holla, ihr Diener des Brahmadatta, sterbt nicht vor Hunger! Nehmt diesen Lotos; schmückt euch damit und esst davon, bis euer Bauch voll ist!“
Diesen fing ein Diener, der zu den vom Weisen ausgesandten Leuten gehörte, auf, brachte ihn zum Könige hin und sagte: „Seht, o Fürst, den Stamm dieser Blume! Wir haben bis jetzt noch nie einen ebenso langen Stängel gesehen.“ Als er erwiderte: „Messt ihn!“, maßen ihn die Leute des Weisen so, dass er, der sechzig Ellen lang war, auf achtzig Ellen gemessen wurde. Als sie wiederum vom Könige gefragt wurden, wo er gewachsen sei, da log einer und sagte: „Ich, o Fürst, drang eines Tages, weil ich Durst hatte, durch das Seitentor in die Stadt ein, um dort Branntwein zu trinken. Da sah ich große Lotosteiche, die für die Stadtbewohner zu Lustbarkeiten angelegt waren. Eine große Menge saß in einem Schiffe und pflückte Blumen. Dort ist diese Pflanze am Ufer gewachsen; von einer aber, die an einer tiefen Stelle gewachsen ist, wird der Stängel hundert Ellen hoch sein.“
Als dies der König hörte, sprach er zu Kevatta: „Lehrer, es ist nicht möglich, die Stadt durch das Abschneiden des Wassers zu erobern; bringt ein anderes Mittel!“ Kevatta erwiderte: „So wollen wir sie also, Fürst, durch das Abschneiden der Getreidezufuhr einnehmen; denn die Stadt hat ihr Getreide draußen.“ „So soll es sein, Lehrer“, versetzte der König. — Als dies der Weise auf die oben angegebene Art bemerkte, dachte er: „Der Brahmane Kevatta kennt nicht meine Weisheit!“ Er tat oben längs der Mauer Schlamm hin und ließ dort Reis pflanzen. Die Wünsche der Bodhisattvas aber gehen in Erfüllung. In einer einzigen Nacht nämlich ging der Reis auf und wurde schon oben auf der Mauer sichtbar.
Als dies Brahmadatta bemerkte, sagte er: „Holla, was sieht man da dunkelgrün oben auf der Mauer?“ Die von dem Weisen ausgesandten Männer erwiderten, als wollten sie ihm das Wort vom Munde reißen: „O Fürst, der Hausbesitzersohn Mahosadha hat, weil er die zukünftige Gefahr voraussah, aus dem Reiche Getreide herbeischaffen lassen und damit die Vorratshäuser usw. angefüllt. Den Rest des Getreides ließ er an der Seite der Mauer hinwerfen. Die Samenkörner nun, die durch die Hitze ausgetrocknet und durch den Regen nass wurden, brachten dortselbst Getreide hervor. Als ich eines Tages wegen eines Geschäftes durch das Seitentor in die Stadt hineinging, nahm ich an der Seite der Mauer mit der Hand von dem Reis und warf ihn auf der Straße weg. Da schalten sie mich und sagten: ‘Du bist hungrig, glaub ich; binde den Reis an deine Gewandfransen, nimm ihn mit in dein Haus, koche ihn dort und verzehre ihn.’“
Als dies der König hörte, sprach er zu Kevatta: „Lehrer, durch Abschneiden der Getreidezufuhr kann man die Stadt nicht einnehmen; auch dies ist kein passendes Mittel.“ Kevatta erwiderte: „Darum, o Fürst, werden wir sie durch Wegnahme des Holzes einnehmen; denn die Stadt hat ihr Holz draußen.“ „So soll es sein, Lehrer“, versetzte der König. — Der Weise erfuhr auf die oben angegebene Art von, dieser Sache. Er ließ darum oben auf der Mauer einen Holzhaufen errichten, der noch über den Reis emporragte und überall sichtbar war. Seine Leute trieben ihren Spott mit den Männern des Brahmadatta; sie sagten: „Ihr seid hungrig; kocht euch Reisbrei und verzehrt ihn!“ und warfen ihnen lauter große Hölzer herunter. Der König seinerseits fragte: „Auf der Mauer sieht man Hölzer; was ist dies?“ Da hörte er von den Leuten, die der Weise ausgesandt hatte: „Der Hausbesitzersohn sah die zukünftige Gefahr voraus, ließ deshalb Holz herbeiholen und dies in den Hinterhäusern der Familien aufstellen; das überflüssige Holz ließ er auf die Mauer legen.“
Da sprach der König zu Kevatta: „Lehrer, auch durch Wegnahme des Holzes kann man die Stadt nicht einnehmen. Bringt ein Mittel!“ Kevatta antwortete: „O Großkönig, seid unbekümmert; es gibt noch ein anderes Mittel.“ Doch der König versetzte: „Lehrer, was ist dies für ein Mittel? Ich sehe keinen Zweck in deinen Mitteln. Es ist uns nicht möglich, Videha einzunehmen; wollen wir in unsere Stadt zurückkehren.“ Da sagte Kevatta: „O Fürst, wenn man sagt, Cūlani-Brahmadatta habe mit hunderteins Königen Videha nicht erobern können, so wird uns dies eine Ursache der Schande sein. Nicht Mahosadha allein ist weise, auch ich bin weise. Wir wollen eine List anwenden.“ „Welche List denn, Lehrer?“, versetzte der König. Kevatta fuhr fort: „Wir wollen einen Tugendkampf veranstalten.“ „Was ist ein Tugendkampf?“, fragte der König. Kevatta antwortete: „O Großkönig, nicht das Heer wird kämpfen, sondern von den zwei Königen werden zwei Weise an einem Orte zusammenkommen. Wer von diesen dem andern seine Ehrfurcht bezeigt, der wird der Besiegte sein. Mahosadha aber kennt diese List nicht. Ich bin alt, er ist jung; wenn er mich sieht, wird er mich ehrfurchtsvoll begrüßen. Dann wird aber Videha besiegt sein; wenn wir aber den Videha besiegt haben, werden wir in seine Stadt einziehen. So wird für uns keine Schande entstehen; dies ist nämlich der Tugendkampf.“
Auch dies Geheimnis erfuhr der Weise auf die angegebene Art. Er dachte: „Wenn ich von Kevatta besiegt werde, so bin ich kein Weiser.“ Brahmadatta aber erwiderte jenem: „Lehrer, das ist ein sauberes Mittel.“ Er ließ einen Brief schreiben mit folgendem Inhalt: „Morgen wird ein Tugendkampf stattfinden zwischen den zwei Weisen; nach Gerechtigkeit und Billigkeit wird Sieg oder Niederlage zuteil werden. Wer den Tugendkampf nicht ausführen wird, der wird der Besiegte sein.“ Diesen Brief sandte er durch das Seitentor an den König Videha. Als dies Videha hörte, ließ er den Weisen zu sich rufen und erzählte ihm die Begebenheit. Der Weise versetzte: „Gut, o Fürst, schickt Botschaft, morgen solle man schon am Morgen an dem hinteren Tore den Platz für den Tugendkampf in Ordnung bringen und zum Tugendkampfplatz kommen.“ Als jener dies hörte, ließ er dem angekommenen Boten diesen Brief geben.
Am nächsten Tage ließ der Weise, indem er dachte: „Es wird für Kevatta nur eine Niederlage werden“, am Westtore den Tugendkampfplatz herrichten. Die einhunderteins Männer [nämlich die Männer, die der Bodhisattva als seine Werkzeuge an die verschiedenen Fürstenhöfe Indiens geschickt hatte] aber dachten: „Wer weiß, was kommen wird?“, und stellten sich, um den Weisen zu schützen, um Kevatta herum. Auch die hunderteins Könige begaben sich nach dem Tugendkampfplatz und stellten sich auf, indem sie nach Osten schauten; ebenso machte es der Brahmane Kevatta.
Der Bodhisattva aber hatte sich schon am frühen Morgen mit wohlriechendem Wasser gewaschen, ein hunderttausend Geldstücke wertes feines Kasi-Gewand angelegt und mit allem Schmuck geziert ein Mahl von verschiedenartigem höchstem Wohlgeschmack eingenommen. Dann begab er sich mit großem Gefolge nach dem Tore des königlichen Palastes und ging, als ihm gesagt wurde: „Mein Sohn soll eintreten“, hinein. Hier begrüßte er ehrfurchtsvoll den König und stellte sich ihm zur Seite. Als dieser fragte: „Was gibt es, mein Sohn Mahosadha?“, antwortete er: „Ich will mich nach dem Tugendkampfplatze begeben.“ Der König fragte weiter: „Was muss ich tun?“ Der Weise erwiderte: „O Fürst, ich möchte den Brahmanen Kevatta mit einem Kleinod betören. Ich muss ein achteckiges, kostbares Kleinod erhalten.“ Der König versetzte: „Nimm es, mein Sohn.“
Der Bodhisattva nahm es, begrüßte ehrfurchtsvoll den König und stieg hinab. Umgeben von den gleichzeitig mit ihm geborenen tausend Kämpfern bestieg er den mit weißen Sindhu-Rossen bespannten kostbaren Königswagen, der neunzigtausend Kahapanas wert war, und gelangte zur Zeit des Frühmahles in die Nähe des Tores. — Kevatta stand da, indem er immer dachte: „Jetzt wird er kommen, jetzt wird er kommen“, und nach dem Weg schaute, den er kommen sollte. Bei seinem Anblick aber bekam er einen langen Hals; Schweißtropfen liefen an ihm herab wie bei der Sonnenhitze.
Das große Wesen nun kam mit großem Gefolge wie der alles überflutende Ozean oder wie ein furchtloser Mähnenlöwe, nachdem es sich das Tor hatte öffnen lassen, ohne ein Zeichen der Angst aus der Stadt heraus, stieg vom Wagen herab und kam daher wie ein aufspringender Löwe. Als die hunderteins Könige die Herrlichkeit seiner Gestalt bemerkten, dachten sie: „Dieser weise Mahosadha, der Sohn des Großkaufmanns Sirivaddhi, findet an Weisheit in ganz Indien nicht seinesgleichen“, und ließen tausend Beifallsrufe erschallen. Er aber kam wie Gott Sakka, wenn er von der Schar der Gottheiten umgeben ist, mit unvergleichlicher Glanzfülle auf Kevatta zu, indem er jenes Edelsteinkleinod in der Hand hielt. Als Kevatta ihn sah, vermochte er aus eigner Kraft nicht ruhig stehen zu bleiben, sondern er ging ihm achtungsvoll entgegen und sprach folgendermaßen zu ihm: „Du weiser Mahosadha, wir sind beide weise. Während wir aber so lange in Eurer Nähe weilten, habt Ihr bis jetzt uns nicht einmal ein Geschenk zugeschickt. Warum habt Ihr so getan?“ Ihm antwortete das große Wesen: „O Weiser, als ich nach einem für Euch passenden Geschenk mich umsah, fand ich heute dies Edelsteinkleinod. Auf, nehmt es! Denn es gibt kein anderes derartiges Edelsteinkleinod mehr.“
Als jener das Edelsteinkleinod in dessen Hand leuchten sah, dachte er bei sich: „Er wird es mir geben wollen“, und streckte die Hand aus mit den Worten: „So gib es mir also.“ Das große Wesen versetzte: „Fange es auf!“, und warf es so, dass es ihm auf die Fingerspitzen der ausgestreckten Hand fiel. Der Brahmane konnte aber das schwere Juwel nicht mit den Fingern halten; es entglitt ihm und fiel zu den Füßen des großen Wesens nieder. In seiner Habsucht dachte der Brahmane: „Ich will es nehmen“, und bückte sich zu den Füßen von jenem nieder. Da ließ ihn das große Wesen sich nicht erheben, sondern indem es ihn mit der einen Hand am Schulterknochen, mit der anderen am Rückengurt packte, sagte es: „So steht doch auf, Lehrer, steht doch auf! Ich bin jung, nur so alt wie Euer Enkel. Erweiset mir keine Verehrung!“ So drückte es ihm ein über das andere Mal seine Stirne mitsamt seinem Antlitz auf den Boden, so dass sie blutbefleckt wurde. Dann sagte es: „Du blinder Tor, du wünschest von uns Verehrung!“, nahm ihn am Halse und schleuderte ihn von sich; er fiel ein Usabha [72] weit. Darauf stand er auf und lief davon. Das Edelsteinkleinod aber nahmen die Leute des großen Wesens wieder an sich.
Der Laut der Worte des Bodhisattva: „Steht auf, steht auf, erweist mir keine Verehrung!“, blieb über der ganzen Versammlung haften. Sein Gefolge ließ mit einem Schlage tausend Rufe erschallen: „Der Brahmane Kevatta hat den Füßen des Weisen Verehrung bezeigt.“ Von Brahmadatta angefangen sahen auch alle hunderteins Könige, wie sich Kevatta zu den Füßen des großen Wesens hinabbeugte. Da riefen sie: „Unser Weiser hat Mahosadha seine Verehrung bezeigt; jetzt sind wir besiegt, er wird uns nicht das Leben schenken!“ Sie bestiegen alle ihre Rosse und schickten sich an, in der Richtung nach Uttara-Pañcāla [Residenz des Königs Brahmadatta] zu entfliehen. Als das Gefolge des Bodhisattva sie entfliehen sah, stieß es abermals laute Rufe aus: „Cūlani-Brahmadatta flüchtet mit den hunderteins Königen!“ Da dies die Könige hörten, flüchteten sie noch mehr von Todesfurcht erfüllt und zersprengten dabei ihre Heeresabteilungen. Da machte das Gefolge des Bodhisattva noch besser Lärm mit Rufen und Schreien; das große Wesen aber kehrte von seiner Heeresabteilung umgeben nach der Stadt zurück.
Des Brahmadatta Heer floh volle drei Meilen weit. Kevatta bestieg ein Pferd, und indem er sich das Blut von seiner Stirn wischte, kam er zu dem Heere. Auf dem Pferde sitzend rief er ihm zu: „He, lauft nicht davon! Ich habe dem Hausbesitzersohn keine Verehrung bezeigt; bleibt stehen, bleibt stehen!“ Das Heer aber blieb nicht stehen, sondern ging weiter, indem es den Kevatta tadelte und schalt: „Du Bösewicht, du Spitzbubenbrahmane, du gingst hin, um den Tugendkampf auszufechten, und hast dabei dem Schwachen, der dein Enkel sein könnte, deine Verehrung bezeigt! Ist dies nicht etwas, was du nicht tun durftest?“ So gingen sie weiter, als ob sie seine Worte nicht hörten. Er aber holte, indem er rasch ritt, das Heer ein und rief: „He, glaubt meinem Worte! Ich habe ihm nicht meine Verehrung bezeigt, sondern er hat mich nur mit seinem Edelsteinkleinod betört.“
So belehrte er sämtliche Könige auf mancherlei Art und veranlasste sie, seine Worte anzunehmen; und so brachte er das zersprengte Heer zur Umkehr. Wenn aber dies gewaltige Heer sogleich jeder eine Faust voll Staub oder einen Erdklumpen genommen und geworfen hätte, wäre der Graben ausgefüllt worden und es hätte einen Haufen gegeben so hoch wie die Mauer. Die Absichten der Bodhisattvas jedoch gehen in Erfüllung; darum warf kein einziger eine Handvoll Staub oder einen Erdklumpen gegen die Stadt hin, sondern sie alle kehrten um und begaben sich wieder an ihren alten Lagerplatz zurück.
Darauf fragte der König den Kevatta: „Was sollen wir tun, Lehrer?“ Er antwortete: „O Fürst, wir wollen niemand mehr durch das Seitentor herauskommen lassen und so den freien Verkehr abschneiden. Wenn die Leute nicht mehr hinaus können, werden sie unzufrieden werden und das Tor öffnen. Dann werden wir unsere Feinde gefangen nehmen.“ Als der Weise diese Begebenheit auf die angegebene Art erführ, dachte er bei sich: „Wenn diese lange hier bleiben, so ist dies nicht bequem; man muss sie mit irgend einem Mittel zur Flucht veranlassen.“ Er dachte weiter: „Durch eine List werde ich sie veranlassen, dass sie entfliehen“, und sah sich nach einem in Listen erfahrenen Minister um. Da bemerkte er einen mit Namen Anukevatta [„der Neben-Kevatta“; „Kevatta“ bedeutet „Fischer“], ließ ihn zu sich rufen und sagte zu ihm: „Lehrer, wir müssen eine Tat ausführen.“ Der Minister erwiderte: „Was soll ich tun, Weiser? Sprich!“
Darauf sprach der Bodhisattva: „Stellt Euch längs der Mauer auf, und wenn Ihr bemerkt, dass unsere Leute nicht Acht geben, dann werft von Zeit zu Zeit den Leuten des Brahmadatta Kuchen, Fischfleisch u. dgl. herunter. Dazu sagt: ‘Holla, esst dies und das und werdet nicht ungeduldig! Bemühet euch noch ein paar Tage länger zu warten. Die Stadtbewohner sind unzufrieden wie Hähne, die in einen Käfig gesperrt sind, und werden euch bald das Tor öffnen. Dann nehmt den Videha und seinen schlechten Hausbesitzersohn gefangen.’ Wenn unsere Leute diese Worte hören, werden sie Euch schelten, Euch Furcht einflößen und vor den Augen der Leute des Brahmadatta Euch an Händen und Füßen nehmen und sich stellen, als schlügen sie Euch mit Bambusstöcken u. dgl. Sie werden Euch herabsteigen lassen, Eure Haare bis auf fünf Locken [75] wegnehmen, sie mit Ziegelstaub besprengen, eine Girlande aus Kanavera-Blumen [76] nehmen und Euch einige Schläge geben, dass man auf dem Rücken die Striemen sieht; dann werden sie Euch auf die Mauer hinaufsteigen lassen, Schnüre auswerfen, Euch an einem Riemen hinablassen und Euch den Leuten des Brahmadatta übergeben mit den Worten: ‘Geh fort, du Planzerstörer, du Räuber!’ Jene werden dich zum Könige führen und der König wird dich fragen: ‘Was hast du begangen?’ Dann sollst du folgendermaßen zu ihm sagen: ‘O Großkönig, mein Ruhm war früher groß. Der Hausbesitzersohn aber zürnte mir, weil ich seinen Plan zerstörte, sagte es dem König und nahm mir alles. Ich dachte nun: ‘Ich werde diesem Hausbesitzersohn, der mir meine Ehre raubte, das Haupt nehmen lassen’, und gab darum in der Besorgnis, Eure Leute möchten unzufrieden werden, ihnen feste und flüssige Speise. Jetzt hat er mich, indem er seinen alten Hass im Herzen behielt, in solches Unglück gestürzt. Das wissen alle Eure Leute, o Großkönig.’ —
Wenn du ihn durch verschiedene Ursachen veranlasst hast dir zu glauben und sein Vertrauen gewonnen hast, dann sage weiter zu ihm: ‘O Großkönig, seitdem Ihr mich bekommen habt, seid unbekümmert! Jetzt ist es um das Leben des Videha und des Hausbesitzersohnes geschehen. Ich weiß in dieser Stadt die Stellen, wo die Mauer stark und wo sie schwach ist, ich weiß, wo in dem Graben sich Krokodile aufhalten und wo sie sich nicht aufhalten. In kurzer Zeit werde ich die Stadt einnehmen und sie Euch übergeben.’ Auf dieses hin wird der König dir glauben, dir Ehrung zuteil werden lassen und sein Heer dir übergehen. Dann lässt du sein Heer nur da in den Graben hinabsteigen, wo Schlangen und Krokodile sind. Sein Heer wird aus Furcht vor den Krokodilen nicht hinabsteigen. Hierauf sagst du ihm: ‘O Fürst, Euer Heer ist von dem Hausbesitzersohn gespalten worden. Von allen Königen, angefangen von dem Lehrer Kevatta, hat ein jeder ein Geschenk angenommen. Sie bleiben nur noch in Eurer Umgebung, sie alle aber gehören nur dem Hausbesitzersohn. Ich allein bin Euer Mann. Wenn Ihr mir nicht glaubt, so schickt allen Königen die Botschaft, sie sollen geschmückt herbeikommen, um Euch zu besuchen. Wenn Ihr dann an den Gewändern, Schmucksachen, Schwertern u. dgl., die ihnen der Hausbesitzersohn schenkte, nachdem er seinen Namenszug [77] hineingeschrieben, diese Buchstaben seht, dann kommt zur Gewissheit!’ Wenn er dann so tut und dies sieht, wird er zur Gewissheit kommen, die Könige fortschicken und Euch fragen: ‘Was sollen wir jetzt tun, du Weiser?’ Dann sprecht so zu ihm: ‘O Großkönig, der Hausbesitzersohn ist reich an Listen. Wenn Ihr noch wenige Tage hier verweilt, wird er Euer ganzes Heer in seine Gewalt bringen und Euch gefangen nehmen. Ohne zu zögern, wollen wir uns heute noch zur Zeit der mittleren Nachtwache auf das Pferd setzen und entfliehen; von der Hand der anderen soll uns nicht der Tod beschieden sein!’ Er wird Eurem Worte glauben und so tun. Wenn er aber entflieht, zu der Zeit kehrt um und benachrichtigt unsere Leute davon!“
Als dies Anukevatta vernommen hatte, antwortete er: „Gut, du Weiser, ich werde nach deinem Worte tun.“ Der Weise versetzte: „Du musst aber darum einige Streiche aushalten.“ Darauf erwiderte jener:“ Du Weiser, außer meinem Leben und meinen Händen und Füßen tue im übrigen mit mir nach deinem Wohlgefallen.“ Der Weise ließ nun den Leuten in dessen Hause Ehrung zuteil werden; den Anukevatta aber ließ er in der angegebenen Art misshandeln, an einem Riemen hinablassen und den Leuten des Brahmadatta übergeben. Nachdem ihn der König geprüft, schenkte er ihm Glauben, erwies ihm Ehrung und übergab ihm sein Heer; er aber ließ es gerade an den Stellen, wo Schlangen und Krokodile waren, in den Graben hinabsteigen. Indem aber die Leute von den Krokodilen gefressen und von den auf den Warttürmen Stehenden mit Pfeilen, Speeren und Lanzen verwundet wurden, fielen sie dem Tode zum Opfer. Von da an getrauten sie sich aus Furcht nicht mehr heranzukommen.
Da ging Anukevatta zum Könige hin und sprach zu ihm: „O Großkönig, es gibt keine Kämpfer mehr, die für Euch streiten; alle haben sie ein Geschenk angenommen. Wenn Ihr mir nicht glaubt, so lasset die Könige zu Euch rufen und seht die Zeichen an den Gewändern, die sie tragen!“ Der König tat so. Als er bei allen an den Gewändern u. dgl. Zeichen sah, kam er zur Gewissheit: „Sicherlich haben diese ein Geschenk angenommen“, und er fragte: „Lehrer, was ist jetzt zu tun?“ Dieser antwortete: „O Fürst, es gibt nichts anderes zu tun. Wenn Ihr zögert, wird Euch der Hausbesitzersohn gefangen nehmen. O Großkönig, auch der Lehrer Kevatta wandelt nur umher, nachdem er selbst an seiner Stirn sich eine Wunde beigebracht hat; ein Geschenk aber hat auch er angenommen. Nachdem er das Edelsteinkleinod erhalten und Euch veranlasst hatte, drei Meilen weit davonzulaufen, brachte er Euch wieder dazu, ihm zu glauben, und ließ Euch umkehren. Auch er ist ein Verräter. Auch nur eine Nacht noch zu verweilen, gefällt mir nicht; heute noch zur Zeit der mittleren Nachtwache müssen wir entfliehen. Außer mir hast du keinen guten Freund.“ Der König versetzte: „Darum, Lehrer, zäumet Ihr mir mein Pferd auf und macht meinen Wagen zurecht!“
Als der Brahmane an dessen Entschluss merkte, dass er entfliehen wolle, tröstete er ihn mit den Worten: „Fürchte dich nicht, o Großkönig!“ Dann ging er hinaus und ermahnte die den Königen beigegebenen Männer: „Heute wird der König entfliehen; schlaft nicht!“ Er zäumte das Ross des Königs durch Abzäumen so an, dass es, wenn es angehalten wurde, nur noch besser lief. Hierauf sagte er zur Zeit der mittleren Nachtwache zum König: „O Fürst, aufgezäumt ist dein Ross; erkenne, dass es Zeit ist.“ Der König bestieg sein Pferd und entfloh. Auch Anukevatta bestieg sein Ross und ritt eine Weile, als wolle er mit jenem gehen; dann kehrte er um. Das durch Abzäumen aufgezäumte Ross aber lief mit dem König weiter, obwohl es angehalten wurde.
Darauf ging Anukevatta unter das Heer hinein und stieß ein lautes Geschrei aus: „Cūlani-Brahmadatta ist entflohen.“ Auch die an die einzelnen Könige verteilten Männer riefen mit ihren Leuten zusammen. Als die übrigen Könige diesen Lärm hörten, dachten sie: „Der weise Mahosadha wird das Tor geöffnet haben und herausgekommen sein; jetzt wird er uns nicht am Leben lassen.“ Von Furcht erfüllt entflohen sie von dort, ohne ihre Güter und Besitztümer nur anzuschauen. Da riefen die Leute noch lauter: „Die Könige fliehen!“ Als die übrigen diesen Lärm hörten, schrien auch die auf den Warttürmen Stehenden und klappten mit den Fingern. So war in diesem Augenblick die ganze Stadt innen und außen von Lärm erfüllt, wie wenn die Erde bersten würde oder wie wenn der Ozean sich erregte. Die Soldaten der achtzehn vollständigen Heere dachten: „Von dem weisen Mahosadha werden wohl Brahmadatta und die hunderteins Könige gefangen genommen worden sein.“ Von Todesfurcht erfüllt waren sie sich kein Schutz mehr, sondern sie warfen selbst die um ihren Leib geschlungenen Gewänder fort und flohen. Der Platz, wo das befestigte Lager stand, war leer; Cūlani-Brahmadatta aber kehrte mit den hunderteins Königen in seine Stadt zurück.
Am nächsten Tage öffnete man in der Frühe schon die Stadttore; das ganze Heer ging aus der Stadt heraus, und als sie die große Beute sahen, meldeten sie dies dem Mahosadha mit den Worten: „Was sollen wir tun, Weiser?“ Dieser antwortete: „Die von jenen weggeworfenen Schätze kommen an uns. Gebt das Eigentum der sämtlichen Könige dem König; was den Großkaufleuten und dem Brahmanen Kevatta gehörte, das bringt uns; das übrige sollen die Stadtbewohner an sich nehmen.“ Während sie aber nur die Bündel mit den wertvollen Kostbarkeiten holten, verstrich ein halber Monat; das übrige jedoch holten sie in vier Monaten. Das große Wesen ließ dem Anukevatta große Ehrung zuteil werden. Von da an waren die Bewohner von Mithilā reich an Gold. —
Während aber Brahmadatta mit den Königen zusammen in der Stadt Uttara-Pañcāla weilte, verging ein Jahr. Eines Tages nun betrachtete Kevatta sein Gesicht im Spiegel; da sah er die Narbe auf seiner Stirn und dachte: „Dies ist das Werk des Hausbesitzersohnes; von ihm wurde ich inmitten so vieler Könige beschämt.“ Er wurde wieder von Zorn erfüllt und dachte bei sich: „Wann werde ich wohl im Stande sein, seinen Rücken zu sehen?“ [der oft vorkommende Ausdruck bedeutet „ihn besiegt oder tot vor mir zu sehen“]. Da fiel ihm ein: „Dies ist ein Mittel“, und er sagte: „Die Tochter unsers Königs, Pañcālacandī mit Namen, ist von höchster Schönheit und gleicht einem Göttermädchen; sie wollen wir dem König Videha geben.“ Er fasste folgenden Entschluss: „Wir wollen den Videha durch Sinnenlust betören und ihn wie einen Fisch, der den Angelhaken verschluckt hat, mit Mahosadha zusammen hierher führen; dann wollen wir beide töten und den Siegestrank trinken.“
Er ging zum Könige hin und sagte: „O Fürst, es gibt einen Plan.“ Doch der König erwiderte: „O Lehrer, durch deinen Plan sind wir nicht einmal mehr über unser Obergewand die Herren geblieben. Was willst du jetzt tun? Sei still!“ Kevatta aber versetzte: „O Großkönig, mit diesem Mittel ist nämlich kein andres zu vergleichen.“ „So rede also“, antwortete der König. „Wir müssen aber nur zu zweien sein.“ „So sei es“, versetzte der König. Darauf ließ ihn Kevatta auf den obersten Söller hinaufsteigen und sagte hier zu ihm: „O Großkönig, wir wollen den König Videha durch sinnliche Lust verlocken, ihn dadurch hierher bringen und ihn dann mitsamt dem Hausbesitzersohn töten.“ „Dies ist ein geschicktes Mittel“, versetzte der König; „aber wie wollen wir ihn verführen und hierher bringen?“ Darauf sprach Kevatta: „O Großkönig, Eure Tochter Pañcāladevi ist von höchster Schönheit; ihre Schönheitsfülle und ihre Geschicklichkeit in der Koketterie wollen wir von Dichtern in ein Lied zusammenfassen und diese Gedichte in Mithilā singen lassen: ‘Wenn der Fürst von Videha ein solches Frauenkleinod nicht erhält, was soll ihm da die Herrschaft?’ Wenn man dann merkt, dass er durch das Anhören in Liebe entbrannt ist, werde ich dorthin gehen und den Hochzeitstag festsetzen. Wenn ich den Tag festgesetzt habe und zurückgekehrt bin, wird er wie ein Fisch, der den Angelhaken verschluckt hat, mit dem Hausbesitzersohn kommen. Dann wollen wir sie töten.“ Als der König seine Worte vernommen, versetzte er: „Das ist ein gutes Mittel, Lehrer, so wollen wir tun“, und gab seine Zustimmung. — Diesen Plan aber hörte ein Starenweibchen [79], das das Lager des Königs bewachte [80], und prägte ihn seinem Gedächtnis ein.
Darauf ließ der König geschickte Dichter zu sich rufen, gab ihnen viel Geld, zeigte ihnen seine Tochter und sagte ihnen: „Machet in verschiedener Weise von ihrer Schönheitsfülle ein Gedicht!“ Diese dichteten gar bezaubernde Lieder und trugen sie dem Könige vor; der König gab ihnen viel Geld dafür. Von den Dichtern lernten sie Schauspieler und sangen sie im Kreise der Versammlungen; so wurden sie verbreitet. Als sie nun unter den Menschen zur Verbreitung gelangt waren, ließ der König Sänger zu sich rufen und sagte zu ihnen: „Ihr Lieben, nehmt große Vögel mit euch und steigt bei Nacht auf einen Baum; dort setzt euch nieder und singt. Zur Zeit der Morgendämmerung befestigt goldene Zimbeln an ihren Hälsen, lasst sie auffliegen und steigt selbst wieder herab!“ Er tat aber so, damit bekannt gemacht würde: „Die Körperschönheit der Tochter des Königs Pañcāla besingen selbst die Gottheiten.“
Abermals ließ der König die Dichter zu sich rufen und sprach zu ihnen: „Ihr Lieben, dichtet Lieder, in denen ihr sagt: ‘Ein solches Mädchen passt für keinen anderen König in ganz Indien, sondern sie passt nur für den König Videha zu Mithilā’; dazu preist des Königs Macht und des Mädchens Schönheit.“ Als sie so getan hatten, teilten sie es dem Könige mit. Dieser gab ihnen Geld und schickte sie fort mit den Worten: „Ihr Lieben, geht nach Mithilā und singt dort auf diese Weise!“
Indem sie diese Lieder sangen, kamen sie allmählich nach Mithilā und sangen im Kreise der Versammlung. Als sie die Volksmenge hörte, ließ sie tausend Beifallsrufe erschallen und gab ihnen viel Geld. Zur Nachtzeit sangen sie auch auf Bäumen, banden dann zur Zeit der Morgendämmerung den Vögeln goldene Zimbeln um den Hals und stiegen wieder herab. Als man in der Luft den Ton der goldenen Zimbeln vernahm, war die ganze Stadt erfüllt von dem Rufe: „Die Körperschönheit der Tochter des Pañcāla-Königs besingen selbst die Gottheiten.“ Als dies der König hörte, ließ er die Dichter zu sich rufen und veranstaltete in seinem Palaste eine Versammlung; hocherfreut dachte er: „Seine Tochter, die so der höchsten Schönheit voll ist, will König Cūlani mir geben“, und gab ihnen viel Geld.
Sie aber kehrten zurück und meldeten es dem Brahmadatta. Darauf sprach Kevatta zu ihm: „Jetzt werde ich gehen, o Großkönig, um den Tag festzusetzen.“ Der König erwiderte: „Gut, Lehrer; was musst du dazu erhalten?“ „Ein kleines Geschenk.“ „Nehmt es“, versetzte der König und ließ ihm eines geben. Mit diesem und mit großem Gefolge zog er nun nach dem Reiche Videha. Als man von seiner Ankunft hörte, wurde die ganze Stadt erfüllt mit dem Rufe: „König Cūlani und Vedeha werden miteinander Freundschaft schließen. Cūlani wird seine Tochter dem König geben; Kevatta kommt ja, um den Hochzeitstag festzusetzen.“ Auch der König Vedeha hörte dies.
Als aber das große Wesen dies hörte, kam ihm folgender Gedanke: „Seine Ankunft gefällt mir nicht; ich will es kennen lernen, wie es sich verhält.“ Und er sandte Botschaft an die Männer, die er dem Cūlani beigegeben hatte. Diese aber schickten ihm folgende Nachricht: „Diesen Plan kennen wir nicht, wie er sich wirklich verhält; denn der König und Kevatta hatten sich in das Schlafgemach gesetzt, als sie darüber berieten. Doch könnte ein Starenweibchen, das das Lager des Königs bewacht, diesen Plan kennen.“
Als dies das große Wesen hörte, dachte es: „Damit die Feinde keine günstige Gelegenheit erhalten, werde ich diese wohl hergerichtete Stadt, die ich so gut eingeteilt habe, den Kevatta nicht sehen lassen.“ Es ließ vom Stadttor aus bis an den Königspalast und vom Königspalast aus bis an sein eigenes Haus auf beiden Seiten alles mit Matten belegen und sie auch oben mit Matten zudecken; darauf brachte es Malereien an, ließ auf den Boden Blumen streuen, Flaggen befestigen und Fahnen aushängen.
Als nun Kevatta die Stadt betrat, sah er nicht die wohl eingeteilte Stadt, sondern er dachte: „Der König hat meinen Weg schmücken lassen“, und merkte nicht, dass dies so gemacht war, damit er die Stadt nicht sehen solle. Er ging nun hin und übergab, als er den König sah, diesem sein Geschenk. Darauf begann er ein liebenswürdiges Gespräch mit ihm, setzte sich ihm zur Seite und, nachdem ihm vom Könige Ehrung erwiesen war, sprach er, um den Grund seines Kommens zu verkünden, folgende zwei Strophen:
Nach diesen Worten aber fuhr er fort: „O Großkönig, obwohl unser König einen anderen Oberminister schicken wollte, dachte er doch: ‘Ein anderer wird nicht im Stande sein, die Botschaft schön auszurichten’, und entsandte deshalb mich. Er fügte hinzu: ‘Lehrer, belehret Ihr den König gut und kommt mit ihm zurück.’ Geht, o Großkönig, Ihr werdet die vornehmste und die schönste Prinzessin erhalten und zwischen unserem Könige und Euch wird Freundschaft entstehen.“
Als der König dessen Worte hörte, dachte er hocherfreut: „Ich werde ein Mädchen von höchster Schönheit erhalten“, und infolge des Hörens gefesselt sagte er: „Lehrer, zwischen Euch und dem weisen Mahosadhi war ein Streit bei dem Tugendkampf. Ihr beiden Weisen bittet einander um Verzeihung, sprecht miteinander und kommt dann!“ Als dies Kevatta hörte, antwortete er: „Ich will den Weisen besuchen“, und ging fort, um ihn aufzusuchen.
Das große Wesen aber dachte an diesem Tage: „Mit diesem Bösewicht will ich keine Unterhaltung haben“, und trank deshalb schon in der Frühe etwas zerlassene Butter. Sein Haus bestrich man mit viel feuchtem Kuhmist, die Pforten benetzten sie mit Sesamöl. Außer einem Kissenbett, das ihm zum Lager dienen sollte, trugen sie alle übrigen Betten und Stühle hinaus. Der Weise gab aber seinen Leuten noch folgenden Wink: „Wenn der Brahmane zu reden anfängt, dann sagt zu ihm: ‘Brahmane, sprich nicht mit dem Weisen; heute hat er zerlassene Butter getrunken.’ Und wenn ich mich stelle, als wolle ich mit jenem reden, so haltet mich zurück mit den Worten: ‘O Fürst, Ihr habt zerlassene Butter getrunken; sprecht nicht!’“ Nachdem das große Wesen diese Anordnungen getroffen, zog es ein rotes Gewand an, stellte an den sieben Torerkern [81] Leute auf und legte sich auf das Kissenbett.
Als nun Kevatta an dessen ersten Torerker kam, fragte er: „Wo ist der Weise?“ Da antworteten ihm die Männer: „Brahmane, sprich nicht laut; wenn du zu ihm kommen willst, so gehe still hin. Heute hat der Weise zerlassene Butter getrunken; man darf keinen Lärm machen.“ Auch an den übrigen Torerkern sagten die Leute ebenso zu ihm. — Als er den siebenten Torerker überschritten hatte, ging er zu dem Weisen hin. Der Weise stellte sich, als wolle er reden; da sagten ihm seine Leute: „Fürst, sprecht nicht! Ihr habt scharfe zerlassene Butter getrunken; was wollt Ihr mit diesem schurkischen Brahmanen?“, und hielten ihn zurück. Während jener so zu dem Weisen hinging, durfte er sich nicht niedersetzen noch auch sich neben den Sitz von jenem stellen, sondern er stand da, indem er über den feuchten Kuhmist trat. Darauf schaute ihn einer an und riss dabei die Augen auf, einer hob die Augenbrauen, einer kratzte seinen Ellenbogen. Als Kevatta das Gebaren der Leute sah, wurde er unmutig und sagte: „Ich will gehen, du Weiser.“ Da erwiderte ihm ein anderer: „Holla, du schurkischer Brahmane, gib keinen Laut von dir.“ Als ein anderer noch sagte: „Du machst immer Lärm; ich werde dir die Knochen zerbrechen“, da wurde er angsterfüllt, drehte sich um und blickte um. Da schlug ihm einer mit einem Bambusstück auf den Rücken, ein anderer packte ihn am Halse und warf ihn nieder, ein dritter schlug ihn mit der Handfläche auf den Rücken. Wie eine Gazelle, die aus dem Rachen eines Panthers befreit ist, ging er furchterfüllt hinaus und begab sich in den Palast des Königs.
Der König aber dachte: „Heute wird mein Sohn, wenn er die Begebenheit hört, befriedigt sein. Zwischen zwei Weisen muss eine großartige religiöse Unterhaltung sein! Heute werden die beiden einander um Verzeihung bitten; fürwahr ein Gewinn für mich!“ Als er nun Kevatta sah, fragte er ihn, ob er mit dem Weisen Eintracht geschlossen, und sprach folgende Strophe:
Auf diese Worte antwortete Kevatta: „O Großkönig, Ihr nehmt ihn beständig für einen Weisen; es gibt aber keinen unweiseren Menschen als ihn.“ Und er sprach folgende Strophe:
Der König lobte weder sein Wort noch tadelte er es, sondern er ließ ihm und den mit ihm Gekommenen Lohn und ein Haus zum Wohnen anweisen und schickte ihn fort mit den Worten: „Gehet, Lehrer, beruhigt Euch!“ Er aber dachte: „Mein Sohn, der Weise, der der Unterhaltung kundig ist, hat mit diesem weder eine Unterhaltung gepflogen noch seine Freude gezeigt. Wird er vielleicht eine zukünftige Gefahr vorausgesehen haben?“ Und er verfasste selbst folgende Strophe:
Er dachte weiter: „Mein Sohn wird in der Ankunft des Brahmanen einen Fehler gesehen haben. Denn wenn dieser kommt, wird er nicht aus vertrauter Freundschaft gekommen sein, sondern er wird gekommen sein, um mich durch Sinnenlust zu verführen, in seine Stadt mitzuführen und mich gefangen zu nehmen. Diese zukünftige Gefahr wird der Weise vorausgesehen haben.“
Während er aber dies überlegte und furchterfüllt dasaß, kamen die vier Weisen. Der König fragte Senaka: „Senaka, gefällt es dir, dass ich in die Stadt Uttara-Pañcāla gehe und die Tochter des Königs Cūlani heimführe?“ Senaka antwortete: „Was sagt Ihr, o Großkönig? Man darf doch nicht das Glück, wenn es herankommt, durch Schläge verscheuchen! Wenn Ihr dorthin geht und sie in Empfang nehmt, wird außer Cūlani-Brahmadatta in ganz Indien kein anderer Euch gleich sein. Warum? Weil Ihr die Tochter des mächtigsten Königs heimführt. Denn dieser denkt: ‘Die übrigen Könige sind mir untertan, Vedeha allein ist mir in ganz Indien gleich,’ und möchte daher Euch seine wunderschöne Tochter geben. Tut nach seinen Worten; auch wir werden durch Euch Gewänder und Schmuck erhalten.“ Der König fragte auch die übrigen; auch diese sagten dasselbe. Während er noch mit ihnen redete, verließ Kevatta sein Wohnhaus, um sich vom Könige zu verabschieden und fortzugehen. Als er herankam, sagte er: „O Großkönig, wir dürfen nicht zögern; wir wollen gehen, Völkerfürst.“ Der König erwies ihm Ehrung und entließ ihn.
Als das große Wesen merkte, dass jener fort sei, badete und schmückte es sich und ging, um dem König seine Aufwartung zu machen. Nachdem es ihm seine Ehrfurcht bezeigt, setzte es sich ihm zur Seite. Da dachte der König: „Mein Sohn, der weise Mahosadha, ist ein großer Kenner der Weisheitssprüche; er ist tief eingeweiht in alle Pläne und kennt alle Dinge in der Vergangenheit, der Zukunft und der Gegenwart. Der Weise wird auch wissen, ob es passend oder unpassend für uns ist, dorthin zu gehen.“ Indem er bei dem zuvor Gedachten nicht blieb, sondern von Lust bezaubert und von Verblendung erfüllt wurde, sprach er, um ihn zu fragen, folgende Strophe:
Als dies der Weise hörte, dachte er bei sich: „Dieser König ist allzu gierig nach Sinnenlust; infolge seiner blinden Torheit nimmt er das Wort dieser vier an. Ich werde ihm den Fehler mitteilen, der im Fortgehen liegt, und ihn zur Umkehr veranlassen.“ Und er sprach folgende vier Strophen:
Jener aber zürnte über ihn [84], der ihn allzu sehr tadelte. Er dachte: „Dieser hält mich gewissermaßen für seinen Sklaven; dass ich der König bin, davon macht er nicht einmal eine Andeutung. Obwohl er erfahren hat, dass der mächtigste König die Nachricht zu mir gesandt hat, er wolle mir seine Tochter geben, spricht er kein einziges Glück verheißendes Wort, sondern er sagt nur: ‘Wie ein dummes Tier, wie ein Fisch, der den Angelhaken verschluckt hat, wie ein Stück Wild, das auf die Straße gekommen ist, wirst du den Tod finden.’“ Voll Zorn sprach er folgende weitere Strophe:
Nachdem er ihn so angefahren und gescholten hatte, sagte er: „Der Hausbesitzersohn bildet ein Hindernis zu meinem Glück; schafft ihn fort!“ Und um ihn entfernen zu lassen, sprach er folgende Strophe:
Als jener merkte, dass der König zornig war, dachte er: „Wenn einer des Königs Wort befolgte und mich an der Hand oder am Nacken anrühren würde, so wäre mir dies genug, um mich zeitlebens zu beschämen; darum werde ich selbst hinausgehen.“ Er bezeigte dem König seine Verehrung und ging in sein Haus. Der König jedoch sprach nur so in seinem Zorn, aus Ehrfurcht vor dem Bodhisattva aber befahl er nicht, so zu tun. Nun dachte das große Wesen: „Dieser König ist töricht; er weiß nicht, was für ihn günstig ist oder ungünstig. Von Liebeslust erfüllt denkt er nur: ‘Ich werde seine Tochter erhalten’ und geht, ohne eine Furcht vor der Zukunft zu kennen, dorthin, wird aber dabei ins Verderben stürzen. Ich darf mir seine Worte nicht zu Herzen nehmen. Ein großer Wohltäter ist er mir; er hat mir großen Ruhm verliehen. Ich muss ihm eine Zuflucht sein. Zuvor will ich aber meinen jungen Papagei fortschicken; wenn ich die Sache erkannt habe, wie sie sich wirklich verhält, werde ich selbst hinterdrein gehen.“ So dachte er und schickte den jungen Papagei fort.
Um dies zu verkünden, sprach der Meister:
Als er ihre Worte vernahm, dachte er: „Wenn ich sagen würde: ‘Ich bin von Mithilā gekommen’, so würde sie mir, auch wenn sie sterben müsste, kein Vertrauen schenken. Ich bin aber hierher gekommen, nachdem ich im Reiche Sivi die Stadt Aritthapura beobachtet hatte. Darum will ich die Unwahrheit sagen und erzählen, ich sei vom König Sivi gesandt hierher gekommen.“ Und er sprach:
Darauf gab das Weibchen ihm die für es selbst auf eine goldene Schüssel gelegten Honigkörner und das Honigwasser und fragte dann weiter: „Freund, du bist von weither gekommen; zu welchem Zweck bist du hierher gekommen?“ Als er diese ihre Worte vernahm, log er wieder, da er ihr Geheimnis hören wollte, und sprach:
Darauf fragte es ihn: „Wie aber hat der Habicht deine Gattin getötet?“ Er sprach, um es ihr zu verkünden: „Höre, Liebe: Als eines Tages unser König sich im Wasser belustigen wollte, rief er auch mich her. Ich ging mit meiner Gattin mit ihm fort und spielte; zur Abendzeit kehrte ich auch mit ihm zurück. Als ich mit dem König zusammen in den Palast hinaufstieg, flog ich mit meiner Gattin durch ein Fenster davon und setzte mich im Innern einer Pagode nieder. In diesem Augenblick kam [86] ein Habicht aus der Pagode heraus und flog auf, um uns zu ergreifen. Von Todesfurcht erfüllt flog ich rasch davon. Sie aber war damals hoch schwanger, darum konnte sie nicht rasch entkommen. Darauf tötete sie der Habicht vor meinen Augen und nahm sie mit sich fort. — Als unser König mich aus Schmerz um sie weinen sah, fragte er: ‘Warum weinst du, Lieber?’ Als er die Begebenheit erfuhr, sagte er dann: ‘Genug, mein Lieber, weine nicht, suche dir eine andere Frau!’ Doch ich versetzte: ‘O Fürst, was soll ich mir eine andere unkeusche, lasterhafte Frau herbeiholen?’ Darauf sagte er: ‘Mein Lieber, ich kenne ein Vogelweibchen voll Tugend und reinen Wandels, das deiner Gattin nur gleicht. Nämlich das Starenweibchen, das das Lager des Königs Cūlani-Brahmadatta bewacht, ist derartig. Gehe du dorthin, frage sie nach ihrem Willen, gib ihr Gelegenheit, und wenn sie dir gefällt, so komme zurück und melde es uns. Dann werde ich oder die Königin hingehen und mit großem Gefolge sie herbringen.’ Nach diesen Worten schickte er mich hierher; aus diesem Grunde bin ich gekommen.“ Und er sprach:
Als sie sein Wort vernommen, war sie von höchster Freude erfüllt; ohne aber ihren Sinn erkennen zu lassen, sprach sie, als ob sie nicht wollte:
Als der andere dies hörte, dachte er bei sich: „Diese stößt mich nicht zurück, sie macht nur einen Einwand. Sicherlich wird sie mich begehren; ich werde sie durch verschiedenartige Gleichnisse zum Vertrauen veranlassen.“ Und er sprach:
Nachdem er so gesagt, sprach er, um zu zeigen, dass unter den Menschen Abkunft, Maß und Dasein verschieden sei, folgende weitere Strophe:
Nachdem er dies als Beispiel beigebracht, fügte er hinzu: „Ein solcher Fürst hat nämlich mit einem Candala-Weib zusammen gelebt; was sollen da wir sagen, die wir uns unter den Tieren befinden? Nur ob das gegenseitige Zusammenleben uns gefällt, das ist der Maßstab.“ Darauf sprach er, um noch ein anderes Beispiel beizubringen, folgende weitere Strophe:
Als sie seine Worte vernommen, antwortete sie: „Gebieter, die Gesinnung ist jetzt für die ganze Zeit nicht völlig dieselbe; ich fürchte die Trennung vom Lieben.“ Der weise Vogel aber war der Weiberlisten kundig und sprach darum, um sie auf die Probe zu stellen, abermals folgende Strophe:
Als sie seine Rede hörte, war es ihr, als sollte ihr das Herz brechen, als würde sie von der bei seinem Anblick in ihr aufgestiegenen Liebeslust verbrannt; und sie sprach folgende anderthalb Strophen:
Darauf trieben die beiden zur Abendzeit Unzucht; in voller Eintracht blieben sie in Liebe beieinander. Da dachte der junge Papagei: „Wird sie mir ihr Geheimnis jetzt nicht eröffnen? Jetzt muss ich sie danach fragen und dann gehen.“ Und er sagte zu ihr: „Du Starenweibchen?“ „Was Gebieter?“, antwortete sie. „Ich möchte zu dir etwas reden; soll ich es sagen?“ „Sprich, Gebieter.“ „Gut, heute ist unser Hochzeitstag; an einem andern Tage werde ich weiter sehen.“ „Wenn es dem Hochzeitsfeste entspricht, so sage es; wenn nicht, so sage es nicht, Gebieter.“ „Eine festliche Rede ist es ja.“ „So erzähle sie also.“ „Wenn du Lust hast, es zu hören, werde ich es dir sagen“, versetzte er, und indem er sie nach ihrem Geheimnis fragte, sprach er folgende anderthalb Strophen:
Als sie seine Worte vernommen, sprach sie folgendermaßen: „Gebieter, warum sagst du an dem Festtage etwas so Unfestliches?“ Er erwiderte: „Ich sage, es ist festlich; du sagst, es sei unfestlich. Was ist dies?“ Sie antwortete: „Gebieter, auch bei unseren Feinden möge eine solche Festlichkeit nicht stattfinden.“ Er versetzte: „Sprich doch, Liebe!“ „Gebieter, man kann nicht sprechen“, antwortete sie. Doch er sagte weiter: „Liebe, sobald du das Geheimnis, das du weißt, mir nicht mitteilst, hört unser Zusammenwohnen auf.“ Als sie so von ihm bedrängt wurde, sagte sie: „So höre also, Gebieter“, und sprach:
Nachdem sie aber diese Strophe gesprochen, fragte er sie weiter: „Liebe, warum sagst du ein solches Wort?“ Sie versetzte: „So höre also, Gebieter; jetzt werde ich dir die böse Tat verkünden.“ Und sie sprach folgende weitere Strophe:
So erzählte sie restlos den geheimen Plan dem weisen Papagei. Als dieser es aber gehört, sagte er: „Der Lehrer ist der Listen kundig; wunderbar ist die Ermordung dieses Königs durch eine solche List.“ Nachdem er so Kevatta gepriesen, sprach er noch: „Was sollen wir mit etwas so Unfestlichem? Still zu sein ist besser.“ Nachdem er so die Erfüllung des Zweckes seines Kommens erkannt, blieb er die Nacht hindurch bei ihr und sagte dann: „Liebe, ich will in das Reich Sivi mich begeben und dem Könige Sivi melden, dass ich eine holde Gattin gefunden.“ Um die Erlaubnis zu seinem Fortgang zu erhalten, sprach er:
Als dies das Starenweibchen hörte, konnte es, obwohl es die Trennung von ihm nicht wünschte, doch sein Wort nicht zurückweisen und es sprach folgende weitere Strophe:
Der andere sagte auch: „Liebe, was redest du? Woher soll auch ich am achten Tage das Leben haben, wenn ich dich nicht sehe?“ So sprach er mit der Stimme; er dachte aber: „Mit dem Herzen wollen wir doch nicht leben [92]; was liegt mir an dir?“ Er erhob sich und flog ein wenig nach dem Reich Sivi gewendet, dann drehte er sich um, flog nach Mithilā und ließ sich auf des Weisen Schulter herunter. Mit dem großen Wesen stieg er auf den oberen Söller hinauf und erzählte ihm auf seine Frage die ganze Begebenheit. Der Weise aber erwies ihm wieder in der oben angedeuteten Art Ehrung.
Um dies zu verkünden, sprach der Meister:
Als dies das große Wesen hörte, dachte es: „Der König wird auch gegen meinen Wunsch hinziehen; wenn er aber hingeht, wird er in schweres Verderben stürzen. Wenn ich mir jedoch das Wort dieses Königs, der mir soviel Ehrung erwiesen, zu Herzen nehme und ihm keine Wohltat erweise, so wird mir Tadel zuteil werden. Solange ein Weiser wie ich vorhanden ist, warum soll da dieser zugrunde gehen? Ich will vor dem König hinreisen und den Cūlani besuchen; dann werde ich für den König Videha eine wohl eingeteilte Wohnstadt errichten und einen ein Gavuta langen Fußpfad sowie einen ein halbes Yojana messenden großen Kanal anfertigen. Die Tochter des Königs Cūlani werde ich durch Erteilung der Weihe zur Dienerin unseres Königs machen. Dass ich dann unsern König aus den Händen der von ihren achtzehn vollständigen Armeen umgebenen hunderteins Könige befreie, wie der Mond aus Rahus [93] Mund befreit wird, und mit ihm zurückkehre, das soll meine Aufgabe sein.“ Während es so dachte, stieg Liebe in seinem Körper auf; durch die Gewalt der Liebe stieß es einen begeisterten Ausruf aus und sprach folgende Halbstrophe:
Nachdem sich der Weise gebadet und geschmückt hatte, begab er sich unter großer Ehrung nach dem Hofe des Königs, bezeigte dem König seine Verehrung und sagte zu ihm, zu seiner Seite stehend: „Wie, Fürst, werdet Ihr nach der Stadt Uttara-Pañcāla gehen?“ Jener erwiderte: „Ja, mein Sohn. Wenn ich Pañcālacandī nicht erhalte, was soll mir da das Königtum? Verlasse mich nicht, sondern gehe mit mir. Dann werden mir zwei Dinge als Zweck meines Gehens zuteil werden: ich werde ein Frauenkleinod erhalten und mit dem Könige werde ich Freundschaft schließen.“ Darauf sprach zu ihm der Weise: „Darum also, Fürst, will ich zuvor gehen und für Euch Paläste erbauen; kommt Ihr auf die Botschaft hin, die ich Euch senden werde.“ Und er sprach folgende zwei Strophen:
Als dies der König hörte, dachte er: „Fürwahr, der Weise lässt mich nicht im Stich“, und hocherfreut sprach er: „Mein Sohn, wenn du zuvor fortgehst, was musst du da erhalten?“ „Ein starkes Heer, o Fürst.“ „So groß du es wünschest, so groß nimm es, mein Sohn.“ Darauf sprach der Weise weiter: „Lasse vier Gefängnisse öffnen, den Räubern die Fesseln und Bande zerbrechen und schicke auch sie mit mir, o Fürst!“ Der König antwortete: „Mein Sohn, tue, wie es dir gefällt!“ Der Weise ließ die Gefängnisse öffnen und die kühnen, starken Kämpfer herausholen, die fähig waren, wohin sie auch gingen, ihren Auftrag auszuführen; er sagte zu ihnen: „Dient mir!“, und ließ ihnen Ehrung zuteil werden. Auch nahm er Zimmerleute, Schmiede, Lederarbeiter, Maler und andere Handwerker, die sich auf ihre Kunst verstanden, achtzehn Abteilungen im Ganzen, mit sich, ließ außerdem Äxte, Beile, Spaten, Hacken und andere Werkzeuge in großer Menge mitnehmen und zog umgeben von dem großen Heere aus der Stadt.
Um dies zu verkünden, sprach der Meister:
Auf dem Wege aber erbaute das große Wesen immer am Ende eines Yojana ein Dorf und ließ je einen Minister dort mit folgender Anweisung: „Wenn der König mit Pañcālacandī zurückkommt, so rüstet Elefanten, Rosse und Wagen; haltet mit dem König seine Feinde zurück und lasst ihn rasch nach Mithilā kommen.“ Als es aber an das Gangesufer kam, rief es einen Mann, Prinz Ānanda mit Namen, herbei und sagte zu ihm: „Ānanda, gehe du mit dreihundert Zimmerleuten nach dem oberen Ganges, lasse sie dort feste Hölzer nehmen und erbaue damit dreihundert Schiffe; lasse sie dann für die Stadt dortselbst Holzhaufen abhauen, fülle mit den leichten Hölzern die Schiffe und komme dann rasch!“ Mit diesen Worten schickte es ihn fort. Der Weise selbst aber fuhr auf einem Schiff nach dem andern Ufer des Ganges und berechnete von der Stelle aus, wo er ausgestiegen war, nach der Länge des Fußes: „Dies ist ein halbes Yojana; hier wird ein großer Kanal sein. An dieser Stelle wird für unsern König die Wohnstadt erbaut werden. Von hier aus bis zum Hause des Königs wird auf einem ein Gavuta großen Raum ein Fußpfad angelegt werden.“ Nachdem er das so bestimmt hatte, ging er in die Stadt hinein.
Als Cūlani-Brahmadatta von der Ankunft des Bodhisattva hörte, dachte er: „Jetzt wird mein Wunsch erfüllt werden; ich werde den Rücken meiner Feinde sehen. Wenn aber dieser gekommen ist, wird auch Vedeha bald kommen. Dann werde ich die beiden töten und in Indien ein einziges Reich herstellen.“ Und er war von höchster Freude erfüllt.
Die ganze Stadt war in Aufregung. Man dachte: „Dies ist also Mahosadha der Weise; von ihm wurden ja die hunderteins Könige davongejagt wie eine Krähe mit einem Erdklumpen.“ — Während die Stadtbewohner seine Schönheitsfülle betrachteten, begab sich das große Wesen nach dem Tore des königlichen Palastes. Es stieg von seinem Wagen ab und ließ sich beim König melden. Als dieser sagte: „Er soll kommen“, ging der Weise hinein, bezeigte dem König seine Ehrfurcht und stellte sich ihm zur Seite. Nachdem sodann der König mit ihm eine liebenswürdige Unterhaltung begonnen hatte, fragte er ihn: „Mein Lieber, wann wird der König kommen?“ „Wenn ich ihm Nachricht sende, o Fürst.“ „Zu welchem Zwecke aber bist du gekommen?“ „Um unserm König eine Wohnung zu bereiten, o Fürst.“ „Gut, mein Lieber“, versetzte der König.
Nachdem er sodann dessen Heer Lohn hatte geben und dem großen Wesen große Ehrung hatte erweisen lassen, ließ er ihm noch ein Haus zum Wohnen anweisen und sagte dann: „Mein Lieber, bis dein König kommt, so lange bleibe unverdrossen hier und tue uns, was sich zu tun gehört!“ — Während nun der Weise zu dem Palaste des Königs hinaufstieg, blieb er unten am Fuße der Treppe stehen und merkte sich: „Hier wird der Eingang zu einem zu Fuß gangbaren Kanal sein.“ Dann kam ihm folgender Gedanke: „Der König sagt: ‘Tue, was für uns zu tun gebührt.’ Wenn ein Kanal gegraben wird, muss man so tun, dass diese Treppe nicht einstürzt.“ Er sprach daher folgendermaßen zum König: „O Fürst, als ich beim Eintritt unten am Fuße der Treppe stand und die neue Arbeit betrachtete, sah ich an der Haupttreppe einen Fehler. Wenn es Euch gefällt, möchte ich Holz nehmen und damit die Treppe schön herstellen.“ Der König erwiderte: „Gut, mein Lieber, stelle sie her!“
Jener merkte sich nun gut: „Hier soll der Eingang zu dem Kanal [94] sein.“ Er nahm die Treppe fort und ließ dort, wo der Eingang zum Kanal sein sollte, damit kein Staub hinunterfalle, eine Bedeckung mit Brettern machen; dann richtete er die Treppe so auf, dass sie unbeweglich feststand, damit sie nicht einstürzen konnte. Der König verstand nicht den Grund davon, sondern meinte: „Er tut es aus Liebe zu mir.“
Nachdem der Weise so den Tag mit der neuen Arbeit verbracht, sagte er am nächsten Tage zum König: „O Fürst, wenn wir den Wohnort für unsern König kennen würden, so könnten wir ihn schön machen und bewachen.“ „Gut, du Weiser“, versetzte der König; „außer meinem Palast nimm in der ganzen Stadt jeden Palast, den du willst.“ Doch der Weise antwortete: „O Großkönig, wir sind Fremde, Ihr aber habt viele Günstlinge, die Eure Kämpfer sind. Wenn wir deren Häuser nehmen, werden sie mit uns Streit anfangen; was sollen wir da tun?“ Der König erwiderte: „Du Weiser, nimm deren Worte nicht an; nimm die Häuser nur nach deinem Wohlgefallen.“ Jener aber fuhr fort: „O Fürst, sie werden immer wieder kommen und es Euch sagen; darum wird Euer Herz keine Ruhe finden. Wenn Ihr aber wünscht, so sollen, solange wir Wohnungen suchen, nur unsere Leute Eure Türhüter sein. Wenn jene dann keinen Zutritt erlangen, werden sie wieder gehen. In diesem Falle werden wir wie auch Ihr unsere Befriedigung finden.“
Der König gab seine Zustimmung. Darauf stellte das große Wesen unten am Fuße der Treppe, am oberen Ende der Treppe, am Haupttore, überall nur seine eigenen Leute auf und befahl ihnen: „Lasst niemand hinein!“ Sodann gab er seinen Leuten den Auftrag: „Gehet in den Palast der Königinmutter und gebt ihm das Aussehen, als werde er zerstört!“ Diese begannen von der Terrasse am Torerker Ziegelsteine und Ton zu entfernen. — Als die Königinmutter von dieser Begebenheit hörte, kam sie herbei und sagte: „Warum, mein Sohn, zerstört ihr mein Haus?“ Sie antworteten: „Der weise Mahosadha will es zerstören lassen, um einen Palast für seinen eigenen König daraus zu machen.“ „Wenn es so ist, so nehmt hier Wohnung“, versetzte sie. Doch dir Leute erwiderten: „Unser König hat ein großes Heer. Dies Haus reicht nicht aus, wir wollen ein anderes großes Haus bauen.“ Sie antwortete: „Ihr kennt mich nicht; ich bin die Mutter des Königs! Jetzt werde ich zu meinem Sohne hingehen und es erfahren.“ Die Leute aber erwiderten: „Wir reißen es ja auf den Befehl des Königs ab; wenn du kannst, so hindere uns!“
Da wurde sie zornig und mit den Worten: „Jetzt werde ich sehen, was ihr tun müsst“, ging sie nach dem Tore des königlichen Palastes. Hier hielt man sie zurück mit den Worten: „Gehe nicht hinein!“ Sie versetzte: „Ich bin die Mutter des Königs, ihr Lieben.“ Doch jene erwiderten: „Wir kennen dich; wir haben aber vom König den Auftrag erhalten: ‘Lasst niemand eintreten.’ Gehe nur!“ Da sie kein Mittel fand, das sie ergreifen konnte, kehrte sie um und blieb stehen, indem sie ihr eigenes Haus betrachtete. Da sagte einer zu ihr: „Was tust du da? Geh fort!“, stand auf, nahm sie am Halse und warf sie zu Boden.
Jetzt dachte sie: „Sicherlich wird dies vom König so befohlen sein; im andern Falle könnten sie nicht so tun. Ich werde jetzt zum Weisen hingehen.“ Sie ging zu ihm hin und sagte: „Lieber Mahosadha, warum lässt du meinen Palast zerstören?“ Er aber redete nicht mit ihr. Ein in der Nähe stehender Mann jedoch fragte sie: „Fürstin, was sagst du?“ Als sie ihn fragte: „Mein Sohn, warum lässt der Weise mein Haus zerstören?“, antwortete er ihr: „Um für den Videha-König eine Wohnstätte, zu machen.“ Sie versetzte: „Wie, mein Sohn, glaubt er, in dieser so großen Stadt könne er nicht anderswo eine Wohnstätte bekommen? Er soll diese hunderttausend als Geschenk nehmen und es anderswo machen.“ Er erwiderte: „Gut, o Fürstin, wir wollen Euer Haus befreien lassen. Erzählt aber niemand von der Annahme des Geschenkes, damit nicht auch noch andere uns ein Geschenk geben und ihre Häuser frei machen wollen.“ Die Königinmutter versetzte: „Mein Sohn, das Gerücht: ‘Die Mutter des Königs hat ein Geschenk gegeben’, wäre auch für mich nur beschämend; ich werde dies niemandem erzählen.“
Jener war damit einverstanden, nahm von ihr hunderttausend Geldstücke und ging dann in das Haus des Kevatta. Dieser begab sich auch nach dem Tore des Königspalastes und erhielt dort mit Bambusstöcken Prügel auf den Rücken, dass ihm die Haut herabfiel. Als er kein Mittel fand, das er ergreifen konnte, gab er auch hunderttausend Geldstücke. Während der Weise auf diese Weise in der ganzen Stadt einen Ort für ein Haus suchte und Geschenke dafür annahm, beliefen sich die Kahapanas, die er dafür erhielt, auf neunzig Millionen.
Als das große Wesen so die ganze Stadt durchsucht hatte, ging es an den Hof des Königs. Da fragte es der König: „Wie, du Weiser, hast du eine Wohnstätte gefunden?“ Der Weise antwortete: „O Großkönig, es gibt niemand, der sie uns nicht gäbe. Wenn wir sie aber nehmen, werden jene belästigt; es ist auch unpassend für uns, sie von dem ihnen Lieben zu trennen. Außerhalb der Stadt nur ein Gavuta entfernt wollen wir zwischen dem Ganges und der Stadt an der und der Stelle für unseren König eine Wohnstadt erbauen.“ Als der König dies hörte, dachte er: „Im Inneren der Städte ist auch das Kämpfen unangenehm; man kann nicht erkennen, was das eigene Heer und was das fremde Heer ist. Außerhalb der Stadt aber kann man bequem kämpfen; darum wollen wir sie nur außerhalb der Stadt zerschmettern und töten.“ Und hochbefriedigt sagte er: „Gut, mein Sohn, mache es nur an dem Orte, den du dir gemerkt hast.“
Der Weise antwortete: „O Großkönig, ich werde so tun. Eure Leute aber sollen nicht wegen Holz, Blättern oder dergleichen zum Orte unseres Neubaues kommen; denn wenn sie kommen, wird Streit entstehen. Darum wird so weder für Euch noch für uns Befriedigung entstehen.“ „Gut, du Weiser“, versetzte der König, „mache auf dieser Seite eine Absperrung.“ Der Weise fuhr fort: „O Fürst, unsere Elefanten haben ihre Freude am Wasser und spielen gern im Wasser. Wenn nun das Wasser trübe wird und wenn dann die Stadtbewohner zornig denken: ‘Seitdem Mahosadha gekommen ist, bekommen wir kein klares Wasser mehr zu trinken’, muss man auch dies ertragen.“ Da erwiderte ihm der König: „Eure Elefanten sollen spielen“, und ließ in der Stadt mit Trommelschlag verkünden: „Wer von hier hinausgeht und sich an den Ort begibt, wo der weise Mahosadha seine Stadt erbaut, der soll tausend Geldstücke Strafe zahlen.“
Darauf bezeigte das große Wesen dem König seine Verehrung, verließ mit seinem Gefolge die Stadt und begann an dem Orte, wie es ihn abgesteckt hatte, die Stadt zu erbauen. Zunächst errichtete es am andern Ufern des Ganges ein Dorf namens Gaggali und stellte dort die Menge der Elefanten und Pferde, der Kühe und Ochsen auf. Während es dann den Bau der Stadt erwog, verteilte es mit den Worten: „So viele sollen dies und so viele das tun“, alle Beschäftigungen und begann die Arbeit an dem Kanal. Die Öffnung des großen Kanals war am Ufer des Ganges; sechstausend Krieger gruben den großen Kanal. Mit großen Ledersäcken u. dgl. nahmen sie den Sand auf und warfen ihn in den Ganges; sobald der Sand hineinfiel, zertraten ihn die Elefanten. Der Ganges floss schmutzig dahin.
Da sagten die Stadtbewohner: „Seitdem Mahosadha gekommen ist, erhalten wir kein klares Wasser mehr zum Trinken. Der Ganges fließt schmutzig; was ist dies?“ Es antworteten ihnen die von dem Weisen beauftragten Leute: „Des Mahosadha Elefanten bringen, während sie sich im Wasser ergehen, im Ganges den Schlamm nach oben; davon fließt er trüb dahin.“ Die Absichten der Bodhisattvas aber gehen in Erfüllung; darum fielen in dem Kanal die Wurzeln oder die Steine alle auf den Grund.
Der Eingang zu dem kleinen Kanal war in dieser Stadt; siebenhundert Mann gruben an dem kleinen Kanal. Mit Ledersäcken u. dgl. hoben sie den Staub auf und warfen ihn in die Stadt. Sobald er aber dort niederfiel, vermischten sie ihn mit Wasser und häuften einen Wall an; auch andere Arbeiten verrichteten sie.
Das Eingangstor zu dem großen Kanal war in der Stadt; es war mit einer achtzehn Ellen hohen Schutzvorrichtung versehen, die mit einer Maschinerie ausgestattet war. Wenn nämlich ein einziger Pflock berührt wurde, so schlossen sie sich [95]. Auf den beiden Seiten des großen Kanals brachte er durch Ziegelsteine verstärkt Stuckarbeit an. Den oberen Teil verkleidete er mit Brettern, bestrich diese mit durchsichtiger Tonerde und brachte weiße Verzierungen daran an. Sämtliche achtzig große Türen und vierundsechzig kleine Türen waren dort. Alle waren mit einer Maschinerie verbunden und schlossen sich, wenn ein einziger Pflock berührt wurde; sie öffneten sich auch, wenn ein einziger berührt wurde. Auf beiden Seiten waren viele hundert Lampenbehälter; auch diese waren durch eine Maschinerie verbunden und öffneten sich, wenn ein einziger geöffnet wurde, und schlossen sich, wenn ein einziger geschlossen wurde. Zu beiden Seiten waren hunderteins Schlafgemächer für die hunderteins Könige. In einem jeden war ein Liegepolster von mannigfachen Farben ausgebreitet. Jedes einzelne große Lager war von dem weißen Sonnenschirm überdeckt, je ein Thron stand neben dem großen Lager und dabei je eine weibliche Bildsäule von höchster Schönheit, von der man, ohne sie mit der Hand zu berühren, nicht erkennen konnte, ob es nicht eine Menschengestalt sei. Auch verfertigten im Innern des Kanals an den beiden Seiten kundige Maler mancherlei Arten von Malereien: den Liebreiz des Gottes Sakka, die Zonen um den Sineru-Berg [96], das Meer, den großen Ozean, die vier Erdteile, den Himalaya, den Anotatta-See, die Manosila-Ebene, den Mond, die Sonne, die vier Erzengel u. dgl., die sechs Freudenhimmel [97] u. dgl. in ihren Einteilungen, alles brachten sie im Bilde in dem Kanal an. Den Boden bestreuten sie mit Sand, der die Farbe einer Silberplatte besaß, und malten darauf durchsichtige Lotosblumen. Zu beiden Seiten malten sie auch mancherlei Läden. An verschiedenen Stellen ließen sie Ketten von wohlriechenden Stoffen und von Blumen herabhängen und schmückten so den Kanal, als sei es die Götterhalle Sudhammā.
Nachdem aber die dreihundert Zimmerleute die dreihundert Schiffe zusammengefügt hatten, füllten sie dieselben mit den zur Beendigung der Arbeiten notwendigen Werkzeugen, brachten sie auf den Ganges und meldeten dies dem Weisen. Dieser brachte sie zu seinem Gebrauche in die Stadt und ließ sie an einem verborgenen Schiffsplatz aufstellen mit der Weisung: „An dem Tage, wo ich es befehle, bringt sie herbei!“ — In der Stadt aber kamen die Wassermauer, der achtzehn Ellen hohe Wall, der Wartturm, die Königspaläste und die anderen Paläste, die Elefantenställe u. dgl. und die Lotosteiche alle zur Vollendung. So wurde der große Kanal, der kleine Kanal, die Stadt, alles dieses in vier Monaten vollendet. Darauf sandte das große Wesen dem König einen Boten, damit er komme.
Um dies zu verkünden, sprach der Meister:
Als der König des Boten Wort vernommen, zog er hocherfreut mit großem Gefolge fort.
Um dies zu verkünden, sprach der Meister folgende weitere Strophe:
Allmählich gelangte er an das Ufer des Ganges. Hier kam ihm das große Wesen ehrfurchtsvoll entgegen und ließ ihn in die erbaute Stadt eintreten. Nachdem er sich in den schönsten Palast begeben und Speise von verschiedenartigem, höchstem Wohlgeschmack genossen hatte, ruhte er sich ein wenig aus und schickte dann, um seine Ankunft wissen zu lassen, zu König Cūlani einen Boten.
Um dies aufzuklären, sprach der Meister:
Als Cūlani des Boten Wort vernommen, dachte er: „Wohin kann jetzt mein Feind gehen? Ihnen beiden will ich die Köpfe abschlagen und dann wollen wir den Siegestrank trinken.“ Er zeigte aber nur seine Freude, erwies dem Boten Ehrung und sprach folgende weitere Strophe:
Als dies der Bote gehört, ging er zu Vedeha hin und sagte: „O Fürst, erkenne, ob die Konstellation passend ist für die Festlichkeit; er hat gesagt, er wolle dir seine Tochter geben.“ Jener erwiderte: „Heute nur ist die Konstellation günstig“, und schickte abermals einen Boten.
Um dies zu verkünden, sprach der Meister:
Der König Cūlani aber sprach [100]:
Nachdem er aber diese Verse gesprochen, log er: „Jetzt schicke ich sie, jetzt schicke ich sie“; er aber sandte den hunderteins Königen folgendes geheime Zeichen: „Mit ihren achtzehn vollständigen Heeren sollen sie alle zum Kampfe bereit hinausziehen. Wir wollen beiden Feinden die Häupter abschlagen und dann morgen den Siegestrank trinken.“ Sie zogen alle hinaus. Als er aber selbst hinauszog, ließ er seine Mutter, die Fürstin Talatā, seine erste Gemahlin Nandādevi, seinen Sohn Pañcālacanda und seine Tochter Pañcālacandī, diese vier Leute mit den Haremsleuten zusammen in dem Palaste bleiben und zog dann fort. —
Der Bodhisattva aber erwies dem Könige Vedeha und dem mit ihm gekommenen Heere große Ehrung; einige Leute tranken Branntwein, einige aßen Fisch, Fleisch u. dgl., einige ruhten sich aus, weil sie von einem langen Marsche herkamen und ermüdet waren. Der König Vedeha nahm Senaka und die übrigen Weisen mit sich und setzte sich, umgeben von der Schar seiner Minister, in dem reich geschmückten Thronsaale nieder. Der König Cūlani aber legte mit seinem aus achtzehn vollständigen Armeen bestehenden Heere um die Stadt einen vierfachen Ring mit drei Abständen und stand mit vielen hunderttausend Fackeln, die getragen wurden, bereit, sie gefangen zu nehmen, sobald die Sonne aufging. Als dies das große Wesen merkte, schickte es dreihundert von seinen Soldaten fort mit folgendem Auftrage: „Geht ihr durch den kleinen Kanal, führt die Mutter des Königs, seine erste Gemahlin, seinen Sohn und seine Tochter durch den kleinen Kanal und bringt sie in den großen Kanal. Lasst sie nicht aus dem Kanalausgange heraus, sondern bewacht sie im Innern des Kanals und bleibt dort, bis wir kommen. Bei unserer Ankunft bringt sie dann aus dem Kanal heraus und führt sie auf die breite Hauptterrasse.“ Sie folgten seinen Worten und entfernten am Fuße der Treppe die Bretterverkleidung; am Fuße der Treppe, am oberen Ende der Treppe und im Thronsaal, an allen diesen Orten banden sie die Wächter, die Buckligen und die anderen Gefolgsleute an Händen und Füßen, knebelten ihnen den Mund und legten sie da und dort an versteckte Plätze. Nachdem sie dann von den für den König hergerichteten Speisen etwas verzehrt und das übrige zu Staub zermalmt hatten, stiegen sie in den Palast hinauf.
Damals hatte die Fürstin Talatā, da sie meinte: „Wer weiß, was geschehen wird?“, die Königin Nandādevi, den Königssohn und die Königstochter mit ihr zusammen sich auf ein Lager legen lassen. Die Soldaten traten an die Tür des Gemaches und riefen sie an. Sie ging hinaus und fragte: „Was wollt ihr, ihr Lieben?“ Sie antworteten: „Fürstin, unser König hat Vedeha und Mahosadha ums Leben gebracht und so ganz Indien zu einem Reiche vereinigt. Während er daher jetzt umgeben von den hunderteins Königen unter großer Ehrung den Siegestrank trinkt, hat er uns hergeschickt, um euch vier Leute mitzubringen.“ Darauf stiegen sie von dem Palaste herab und kamen an den Fuß der Treppe. Hier ergriffen sie die Soldaten und gingen mit ihnen in den kleinen Kanal hinein. Da sagten die vier: „Wir haben doch die ganze Zeit hier gewohnt und sind noch nie in diese Straße hinabgestiegen.“ Doch die anderen erwiderten: „In diese Straße steigt man nicht immerwährend hinab; dies ist eine Feststraße. Weil heute ein Festtag ist, hat der König befohlen, Euch auf diesem Wege herbeizuholen.“ Sie glaubten ihnen. Da nahmen einige von ihnen die vier mit sich und gingen mit ihnen fort; einige kehrten um, öffneten im Königspalaste die königliche Schatzkammer, nahmen dort Geld und Kostbarkeiten mit, soviel sie wollten, und kamen dann zurück. Die anderen vier aber gingen in dem großen Kanal voran, und als sie den Kanal wie eine Götterhalle geschmückt sahen, dachten sie sich: „Er ist für den König hergerichtet.“ Man führte sie an eine Stelle unweit des großen Gangesstromes und ließ sie innerhalb des Kanals in einem reich geschmückten Gemache sich niedersetzen; einige setzten sich zur Wache dazu, einige andere meldeten dem Bodhisattva, dass sie herbeigeführt seien.
Als dieser ihre Rede hörte, dachte er voll Freude: „Jetzt wird mein Wunsch zu seinem Ziele kommen!“ Er ging zum Könige hin und stellte sich ihm zur Seite. Weil der König aber krank vor sinnlicher Liebe war, dachte er immer: „Jetzt wird er mir seine Tochter senden, jetzt wird er mir die Tochter senden“; er stand von seinem Polster auf und schaute zum Fenster hinaus. Da sah er, wie die Stadt von vielen hunderttausend Fackeln ganz erleuchtet und wie sie von einem großen Heere umgeben war; voll Zweifel und Angst fragte er: „Was ist denn dies?“, und sprach, indem er sich an die Weisen wandte, folgende Strophe:
Als dies Senaka hörte, sagte er: „Sei unbekümmert, o Großkönig! Gar viele Fackeln sieht man; der König kommt mit seiner Tochter, um sie Euch zu geben, glaube ich.“ Auch Pukkusa erwiderte: „Er wird mit einer Wache hier stehen, um Euch die Fremdenehrung zu bezeigen.“ Alles, was ihnen gefiel, das sagten sie.
Als aber der König hörte, wie man sagte: „An dem und dem Orte sollen die Heere stehen bleiben, an dem und dem Orte sollen sie Wache halten; seid achtsam!“, und als er das gerüstete Heer sah, da wurde er von Todesfurcht erfüllt; und da er nach einem Wort des großen Wesens verlangte, sprach er folgende weitere Strophe:
Als dies das große Wesen hörte, dachte es: „Ich werde zuerst diesen blinden Toren ein wenig erschrecken und ihm dann meine Kraft zeigen und ihn trösten.“ Und es sprach:
Als sie dies hörten, wurden alle von Todesfurcht erfüllt. Dem König wurde der Hals steif, im Munde wurde der Speichel trocken, sein Körper wurde von Fieber befallen. Voll Todesangst sprach er jammernd folgende zwei Strophen:
Als das große Wesen dessen Klage hörte, dachte es: „Dieser blinde Tor könnte an anderen Tagen nicht nach meinen Worten tun; ich werde ihn noch mehr tadeln.“ Und es sprach:
Indem es dann weiter mit den Worten: „Einem Sohne sollst du solches nicht tun“, ihn noch besser tadelte, wies es die früher vom König geäußerte Rede zurück und sprach, um dies zu zeigen:
Nachdem es diese beiden Strophen gesprochen, fuhr es fort: „O Großkönig, ich bin ein Hausbesitzersohn. So wie deine anderen Weisen, Senaka und die anderen, die Dinge kennen, wie sollte ich sie so kennen? Dies ist nicht mein Beruf; ich kenne nur das Hausherrenwissen. Diese Sache ist Senaka und den anderen bekannt. Diese Herren Weisen sollen dir heute, wo du von achtzehn vollständigen Heeren umringt bist, eine Hilfe sein! Mich aber befiehl nur am Halse zu packen und hinaus zu werfen. Warum fragst du mich jetzt?“ So tadelte es ihn gehörig.
Als dies der König hörte, dachte er: „Der Weise spricht nur von dem von mir verübten Fehler. Früher nämlich merkte er schon die zukünftige Gefahr; darum tadelt er mich gar sehr. Er wird aber nicht diese ganze Zeit über untätig geruht haben; sicherlich wird er für mich die Rettung bewerkstelligt haben.“ Darauf sprach er, um ihn auszuforschen, folgende zwei Strophen:
Da dachte das große Wesen: „Dieser König ist allzu sehr ein blinder Tor; er kennt nicht den Unterschied eines Mannes. Ich will ihn noch ein wenig belästigen und ihm dann zur Hilfe werden.“ Und es sprach:
Als dies der König hörte, blieb er ohne Widerrede sitzen. Da dachte Senaka: „Jetzt gibt es für den König und für uns außer dem Weisen keine andere Zuflucht. Nachdem der König aber dessen Worte vernommen, kann er von Furcht erfüllt nichts sagen. Ich werde den Weisen bitten.“ Und um ihn zu bitten, sprach er folgende zwei Strophen:
Um ihn zu tadeln, redete ihn das große Wesen mit folgender Strophe an:
Da der König kein Mittel fand, das er ergreifen konnte, wurde er von Todesangst erfüllt; weil er sich aber mit dem großen Wesen nicht zu reden getraute, dachte er: „Vielleicht könnte auch Senaka irgendein Mittel wissen; ich will ihn sogleich fragen.“ Und um ihn zu fragen, sprach er folgende Strophe:
Als dies Senaka hörte, dachte er bei sich: „Der König fragt nach einem Mittel; mag es glücklich sein oder nicht, ich werde ihm dieses Mittel sagen.“ Und er sprach folgende Strophe:
Als dies der König hörte, wurde er missvergnügt; „mache einen solchen Scheiterhaufen für deine eigene Frau und Kinder“, dachte er und fragte Pukkusa und die anderen. Aber auch diese brachten eine ihnen entsprechende törichte Rede vor. Darum wurde folgendes gesagt:
Es dachte aber unter ihnen Devinda: „Was tut dieser König? Während doch Feuer da ist, bläst er einen Leuchtkäfer an! Außer Mahosadha ist doch kein anderer hier im Stande, Rettung zu schaffen? Ohne ihn zu fragen, fragt dieser uns; was wissen wir?“ Da er also kein anderes Mittel fand, sagte er nur dasselbe, was Senaka gesagt hatte, und sprach dann, um das große Wesen zu preisen, folgende zwei Verse:
Als dies der König hörte, gedachte er an den vom Bodhisattva erzählten Fehler; und da er sich nicht mit ihm zu reden getraute, sprach er klagend, während dieser zuhörte:
Als dies der Weise hörte, dachte er: „Dieser König ist gar zu sehr betrübt; wenn ich ihn nicht tröste, wird er an gebrochenem Herzen sterben“, und er tröstete ihn.
Um dies zu verkünden, sprach der Meister:
Da jener dessen Worte vernahm, dachte er: „Jetzt ist mein Leben gerettet“, und war getröstet. Als aber der Bodhisattva seinen Löwenruf ausgestoßen hatte, waren alle erfreut. Darauf fragte Senaka: „Du Weiser, wenn du mit uns allen fortgehen wirst, durch welches Mittel wirst du da fortkommen?“ Jener antwortete: „Durch einen geschmückten Kanal; seid ihr bereit!“ Darauf sprach er, um den Soldaten zu befehlen, die Tür zu dem Kanal zu öffnen, folgende Strophe:
Sie standen auf und öffneten die Türe des Kanals; da strahlte der ganze Kanal in hellstem Glanz wie die reich geschmückte Götterhalle.
Um dies zu verkünden, sprach der Meister:
Als sie das Tor des Kanales geöffnet hatten, meldeten sie dies dem großen Wesen; dieses gab dem Könige den Wink: „Es ist Zeit, o Fürst; steigt von dem Palast herab!“ Der König stieg herab; Senaka aber tat seine Kopfbedeckung herunter und zog sein Obergewand aus. Als ihn das große Wesen sah, fragte es: „Was tust du?“ „Du Weiser, wenn man durch einen Kanal geht, muss man seinen Turban abnehmen und sein Gewand fest zusammenbinden.“ Doch der Weise versetzte: „Senaka, denke dir nicht, du müsstest, wenn du in den Kanal eintrittst, dich immer bücken und auf den Knien kriechen. Wenn du auf einem Elefanten reiten willst, so besteige nur einen Elefanten! Hoch ist der Kanal, achtzehn Ellen hoch, und er hat geräumige Türen. Gehe du nur, wie es dir gefällt, mit allem Schmuck geziert vor dem Könige her!“ — Der Bodhisattva hatte aber angeordnet, dass Senaka zuvorderst gehe, der König kam in die Mitte und er selbst ging hinten nach; warum? Weil er dachte: „Wenn er den reich geschmückten Kanal betrachtet, dass er da nicht langsam gehe!“ In dem Kanal waren nämlich für viel Volks Reisschleim, Reisbrei, Kuchen u. dgl. in unendlicher Menge. Während nun davon die Leute aßen und tranken und den Kanal betrachteten, gingen sie voran. Das große Wesen aber ging hinterdrein, indem es immer den König mit den Worten: „Gehet, o Großkönig!“, antrieb. So ging der König voran, indem er den wie eine Götterhalle geschmückten Kanal betrachtete.
Um dies zu verkünden, sprach der Meister:
Als nun die Jünglinge die Ankunft des Königs bemerkten, brachten sie des Königs Mutter, seine Gattin, seinen Sohn und seine Tochter aus dem Kanal heraus und führten sie auf die große Terrasse; und der König kam mit dem Bodhisattva aus dem Kanal heraus. Da jene den König und den Weisen sahen, dachten sie: „Ohne Zweifel sind wir in der Feinde Hand geraten; die Leute des Weisen müssen es sein, die mit uns hierher gekommen sind.“ Von Todesfurcht erfüllt stießen sie einen Angstschrei aus. — Der König Cūlani war aus Furcht, der König Vedeha könnte entfliehen, an einem Orte nur ein Gavuta vom Ganges entfernt. In der ruhigen Nacht hörte er ihren Schrei und wollte sagen: „Es klingt wie ein Schrei der Königin Nandā.“ Weil er aber fürchtete, verspottet [105] zu werden: „Wo siehst du denn die Königin Nandā?“, sagte er nichts. —
An demselben Orte stellte das große Wesen die Prinzessin Pañcālacandī auf einen Edelsteinhaufen, gab ihr die Weihe und sagte dann: „O Großkönig, du bist um dieser willen gekommen; diese soll deine erste Gemahlin sein!“ Man brachte die dreihundert Schiffe herbei. Der König stieg von der großen Terrasse herunter und bestieg ein reich geschmücktes Schiff; auch die vier Edlen bestiegen ein Schiff.
Um dies zu verkünden, sprach der Meister:
Der König gab mit dem Worte: „Gut!“, seine Zustimmung. Von der Mutter des Königs aber sagte das große Wesen nichts; warum? Wegen ihres hohen Alters. Dies alles aber sprach der Bodhisattva, während er am Ufer stand. Da sagte zu ihm der König, der von großem Leide befreit war und nun auf dem Schiff fortfahren wollte: „Mein Lieber, warum sagst du dies, während du am Ufer stehen bleibst?“ Und er sprach folgende Strophe:
Das große Wesen aber antwortete: „O Fürst, mit Euch zusammen zu gehen, ist unziemlich für mich“, und sprach:
Weil nämlich die Leute einen sehr langen Weg zurückgelegt haben, sind einige von ihnen ermüdet in Schlaf gesunken, einige essen und trinken und wissen nicht, dass wir fortgezogen sind. Einige sind krank; auch sind noch viele Leute hier, die für mich vier Monate lang die Arbeit verrichteten, meine Helfer. Ich kann nicht fortgehen und einen einzigen von ihnen zurücklassen, sondern ich werde umkehren, dies dein ganzes Heer mir von Brahmadatta schenken lassen und es unverletzt heimführen. Ihr, o Großkönig, geht schnell, ohne Euch irgendwo aufzuhalten. Ich habe unterwegs Elefanten, Wagen u. dgl. aufgestellt; lasst die ermüdeten jedes Mal zurück und fahrt mit den jeweilig bereitstehenden rasch nach Mithilā!“
Darauf sprach der König folgende Strophe:
Darauf sprach der Bodhisattva folgende Strophe:
Nach diesen Worten bezeigte das große Wesen dem Könige seine Verehrung und schickte ihn fort, indem es sagte: „Geht jetzt!“ Der König aber dachte: „Befreit bin ich fürwahr von der Hand der Feinde und dadurch, dass ich diese Frau erhielt, ist mein Wunsch zu seiner Erfüllung gekommen.“ Indem er so den Vorzug des Bodhisattva erwog, verkündigte er, von der in ihm aufsteigenden Liebe beglückt, Senaka die Vorzüge des Weisen und sprach darum folgende Strophe:
Als dies Senaka hörte, sprach auch er, um des Weisen Vorzug zu verkünden:
Darauf fuhr der König Videha über den Strom hinüber; nach einem Yojana gelangte er an das von dem großen Wesen erbaute Dorf. Dort gaben ihm die vom Bodhisattva aufgestellten Leute Elefanten, Wagen u. dgl. sowie auch Speise und Trank. Jener ließ die ermüdeten Elefanten, Rosse und Wagen umkehren, nahm dafür andere mit und gelangte mit ihnen nach einem anderen Dorfe. Auf diese Weise überstand er den Weg von hundert Yojanas und gelangte am folgenden Tage in der Frühe nach Mithilā. —
Der Bodhisattva aber ging an den Eingang des Kanals, zog das Schwert aus, mit dem er umgürtet war, und legte es an der Türe des Kanals nieder, indem er den Sand aufgrub. Nachdem er es dort niedergelegt, betrat er den Kanal und ging durch den Kanal in die Stadt hinein. Hier wusch er sich mit duftendem Wasser, verzehrte Speisen von verschiedenartigem, höchstem Wohlgeschmack und ging dann in sein herrliches Schlafgemach; hier legte er sich nieder, indem er bei sich überlegte: „Mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen.“
Als aber diese Nacht zu Ende war, wählte König Cūlani eine Abteilung seines Heeres aus und betrat diese Stadt.
Um dies zu verkünden, sprach der Meister:
Um diese nach ihrem Aussehen zu schildern, heißt es:
Jetzt sprach der König, um ihnen zu befehlen, den König Vedeha lebendig zu fangen:
Indem er so dem Vedeha Furcht einflößen wollte, dachte er: „Jetzt werde ich ihn gefangen nehmen“; und indem er mit dem Diamantenstachel den Elefanten antrieb, befahl er seinem Heere: „Fangt ihn, bindet ihn, trefft ihn!“ So kam der König Cūlani auf die Stadt Upakari zu, indem er sie gewissermaßen überdeckte. Die vom großen Wesen ausgesandten Männer aber dachten: „Wer weiß, was geschehen wird?“; sie nahmen ihre Helfer zu sich und umstellten ihn.
In diesem Augenblick war der Bodhisattva von seinem herrlichen Lager aufgestanden und hatte, nachdem er seinen Körper besorgt, sein Frühmahl verzehrt. Dann zog er, mit allem Schmuck geziert, ein hunderttausend Geldstücke kostendes Königsgewand an, legte ein rotes Kleid auf die eine Schulter, nahm seinen von den sieben Arten der Kostbarkeiten strahlenden Geschenkstab und stieg in seine goldenen Sandalen. Indem er sich von reich geschmückten Frauen [112], die Göttermädchen an Schönheit glichen, mit dem Yakschweifwedel fächeln ließ, öffnete er in dem reich geschmückten Palaste das Fenster, und während er sich dem König Cūlani zeigte, ging er mit der Anmut des Götterkönigs Sakka immer wieder auf und ab.
Als aber der König Cūlani seinen Schönheitsglanz wahrnahm, konnte er doch keine Befriedigung finden, sondern indem er dachte: „Jetzt werde ich ihn gefangen nehmen“, trieb er in voller Eile seinen Elefanten an. Da dachte der Weise: „Dieser denkt, er habe Vedeha in seine Gewalt bekommen, und kommt deshalb so eilig daher. Er weiß nicht, dass unser König mit seinen Kindern fortgezogen ist. Ich werde ihm mein einem goldenen Spiegel gleichendes Antlitz zeigen und mit ihm reden.“ Und während er so am Fenster stand, ließ er seine süße Stimme erschallen und sprach mit ihm redend folgendermaßen:
Als jener dessen Stimme vernahm, dachte er: „Der Hausbesitzersohn treibt mit mir seinen Spott; heute werde ich dich erkennen lassen, was zu tun ist!“ Und um ihm Furcht einzuflößen, sprach er folgende Strophe:
Als dieser aber so mit jenem redete, dachte das ganze große Heer, als es die Schönheitsfülle des großen Wesens sah: „Unser König spricht mit dem weisen Mahosadha; was sagen sie wohl? Wir wollen ihre Rede hören.“ Und es ging in die Nähe des Königs.
Als aber der Weise dessen Worte vernahm, verkündigte er: „Du kennst mich nicht, dass ich der weise Mahosadha bin. Ich werde dir nicht zu töten erlauben. Dein Plan ist zerstört. Was Kevatta und du im Herzen erdachten, das ist nicht erfüllt worden, sondern nur, was ihr mit dem Munde sagtet, das wurde erfüllt.“ Und um dies zu verkünden, sagte er:
Indem er sodann ein Beispiel anführte, sprach er wie ein unerschrockener Mähnenlöwe:
Als der König dessen unerschrockenes Wort vernommen, dachte er: „Dieser Hausbesitzersohn redet allzu fest; zweifellos wird Vedeha entkommen sein.“ Er geriet in übermäßigen Zorn und dachte: „Früher haben wir durch den Hausbesitzersohn selbst unsere Obergewänder verloren; jetzt hat er unserm Feinde, der in den Bereich unserer Macht gekommen, zur Flucht verholfen. Fürwahr, er hat uns viel Schaden gebracht! Was an beiden getan werden sollte, das werde ich an ihm allein tun.“ Und indem er befahl, was an ihm getan werden sollte, sprach er:
Als dies das große Wesen hörte, lächelte es und dachte bei sich: „Dieser König weiß nicht, dass seine Gattin und seine nächsten Verwandten von mir nach Mithilā geschickt worden sind. Deshalb plant er gegen mich diese Strafvollstreckung. Infolge seines Zornes aber könnte er mich mit seinem Bogen treffen oder mir etwas anderes antun, was ihm gerade gefällt. Ich will ihn krank vor Kummer, betäubt vor Schmerzen machen, dass er sich besinnungslos auf den Rücken seines Elefanten legt, und ihm dazu diese Sache verkünden.“ Und er sprach:
Als dies der König hörte, dachte er bei sich: „Was redet da der Hausbesitzersohn? Ebenso wie ich an ihm, so wird der König von Vedeha an meinem Weib und meinen Kindern verfahren? Er weiß nicht, wie gut ich die Bewachung meiner Frau und meiner Kinder angeordnet habe. Weil er denkt: ‘Jetzt wird er mich töten’, plappert er so aus Todesfurcht. Ich glaube seinem Worte nicht.“ Das große Wesen aber dachte: „Dieser meint, ich rede so aus Furcht vor ihm; ich werde es ihn erkennen lassen.“ Und es sprach:
Als dies der König hörte, dachte er bei sich: „Der Weise spricht sehr fest. Ich habe ja auch bei Nachtzeit in der Gegend des Ganges den Schrei der Fürstin Nandā gehört. Von großer Klugheit ist der Weise; vielleicht könnte es wahr sein.“ Tiefer Schmerz befiel ihn; doch raffte er sich wieder auf, rief, als ob er nicht traurig sei, einen Minister herbei und sprach, indem er ihn fortschickte, um es zu erkunden, folgende weitere Strophe:
Dieser begab sich mit seinem Gefolge in den Königspalast, öffnete die Tür und ging hinein. Hier fand er mit gebundenen Händen und Füßen, mit verschlossenem Munde an den Elefantenhauern hängend die Haremswächter, die Buckligen und die Zwerge. Auch sah er, wie man die Gefäße zerbrochen und die festen und flüssigen Speisen überall ausgeschüttet hatte; er sah, wie man die Türen zu den Räumen für die Kostbarkeiten geöffnet und die Schätze geplündert hatte, wie bei dem königlichen Schlafgemach die Türe geöffnet war, wie ferner durch die Fenster, weil sie geöffnet waren, eine Krähenschar hereingekommen war und darin umherwandelte: kurz, er sah, wie der Königspalast einem verlassenen Dorfe glich und glanzlos geworden war wie ein Leichenfeld. Darauf meldete er dies dem Könige und sprach:
Der König dachte jetzt zitternd vor Schmerz wegen der Trennung von den vier Leuten: „Dies Leid ist mir durch den Hausbesitzersohn zuteil geworden“, und wurde überaus zornig auf den Bodhisattva wie eine Giftschlange, wenn sie mit dem Stocke geschlagen wird. Als das große Wesen dessen Aussehen bemerkte, dachte es: „Dieser ruhmreiche König könnte vielleicht in seinem Zorne denken: ‘Was gehen mich jene an?’ und mich aus Fürstenhochmut verletzen. Wie, wenn ich nun die Fürstin Nandā darstellen würde, als hätte er sie noch nie zuvor gesehen, und ihre Körperschönheit schilderte? Dann wird er sich an sie erinnern; er wird denken: ‘Wenn ich Mahosadha töte, werde ich ein solches Frauenkleinod nicht mehr finden’ und aus Liebe zu seiner Gattin wird er mir nichts tun.“ Um sich selbst zu beschützen, blieb er auf der Terrasse stehen, zog aus seinem roten Gewande seinen goldfarbenen Arm heraus und sprach, indem er den von ihr gegangenen Weg anzeigte, um ihre Schönheit zu schildern, folgendermaßen:
Als so das große Wesen ihren Schönheitsglanz pries, war es jenem, als habe er sie noch nie vorher gesehen; er empfand starke Liebe zu ihr. Da aber das große Wesen merkte, wie in jenem die Liebe erwachte, sprach er folgende weitere Strophe:
So pries das große Wesen mit soviel Worten nur Nandā und nicht die anderen; warum? Die Wesen haben nach den übrigen nicht solches Verlangen wie zu ihren lieben Gattinnen. Weil er dachte: „Wenn er der Mutter gedenkt, wird er ihrer Söhne und Töchter mit gedenken“, deshalb pries er nur sie. Der König aber pries seine Mutter nur wegen ihres Alters. Als nun das verständige große Wesen jene mit süßer Stimme pries, war es, als ob die Königin Nandā selbst herbeikäme und vor dem Könige stände. Darauf dachte der König bei sich: „Außer dem großen Wesen ist niemand im Stande, meine Gattin herbeizubringen und mir zurückzugeben.“ Und während er ihrer gedachte, wurde er mit tiefem Schmerz erfüllt. Da tröstete ihn das große Wesen mit folgenden Worten: „Sei unbekümmert, o Großkönig! Die Königin wie auch dein Sohn und deine Mutter werden zurückkehren. Mein Fortgehen nur ist der Maßstab dafür. Fasse wieder Mut, o Männerfürst!“
Da dachte der König bei sich: „Ich habe doch zuerst meine eigene Stadt wohl beschützen und bewachen lassen, habe dann die Stadt Upakari mit einem so großen Heere umlagert und stehe jetzt da. Dieser Weise aber hat sogar aus meiner so wohl bewachten Stadt die Königin und meinen Sohn und meine Mutter herbeigeführt und dem Vedeha übergeben. Und während wir die Stadt umstanden, hat er, ohne dass es einer merkte, den Vedeha mit seinem ganzen Heere fortziehen lassen. Kennt er denn einen göttlichen Zauber oder eine Augenblendung?“ Und um ihn danach zu fragen, sprach er:
Als dies das große Wesen hörte, antwortete es: „O Großkönig, ich kenne einen göttlichen Zauber; denn weil die Weisen sich auf göttlichen Zauber verstehen, retten sie, wenn Gefahr kommt, sich selbst und die anderen aus dem Unglück.“ Und er sprach:
Als dies aber der König hörte: „Durch einen reich geschmückten Kanal ist er ja gegangen“, dachte er: „Welcher Art ist denn der Kanal?“, und bekam Lust, den Kanal zu sehen. Das große Wesen verstand seine Bewegung und es dachte: „Der König möchte den Kanal ansehen; ich werde ihm den Kanal zeigen.“ Um ihm denselben zu zeigen, sprach es:
Nach diesen Worten aber fuhr es fort: „O Großkönig, in dem durch meine Klugheit hergestellten und wie der Ort, wo der Mond und die Sonne aufgeht, deutlich gemachten reich geschmückten Kanal sind achtzig große Eingänge, vierundsechzig kleine Eingänge, hunderteins Schlafgemächer und viele hundert Lampenräume. Werde einig und einträchtig mit mir und gehe mit deinem Heere zusammen in die Stadt Upakari hinein, o Fürst.“ Mit diesen Worten ließ es das Stadttor öffnen. Der König zog umgeben von den hunderteins Königen in die Stadt ein; das große Wesen aber stieg von der Terrasse herunter, bezeigte dem König seine Ehrfurcht und ging mit ihm samt seinem Gefolge in den Kanal hinein. Als aber der König den gleich einer Götterstadt geschmückten Kanal sah, sprach er, um den Vorzug des Bodhisattva zu preisen:
Darauf zeigte ihm das große Wesen die hunderteins Schlafgemächer. Wenn eine Tür geöffnet wurde, so wurde sie bei allen geöffnet; wenn eine geschlossen wurde, so schloss sie sich bei allen. Während aber der König den Kanal betrachtete, ging er voran, der Weise hinterdrein. Auch das übrige Heer ging in den Kanal hinein. Darauf verließ der König wieder den Kanal. Als der Weise merkte, dass der König hinausgegangen war, ging er selbst auch hinaus, ließ aber die anderen nicht hinaus, sondern schloss die Türe des Kanals und berührte den Bolzen; da schlossen sich auf einen Schlag die achtzig großen Tore, die vierundsechzig kleinen Tore, die Tore zu den hunderteins Schlafgemächern und die Türen zu den vielen hundert Lampenräumen. Der ganze Kanal war finster wie in der Lokantarika-Hölle [116]; die Menge aber wurde mit Todesangst erfüllt. Darauf ergriff das große Wesen das Schwert, das er gestern [117], als er den Kanal betrat, dort niedergelegt hatte, sprang vom Boden achtzehn Ellen hoch in die Luft empor, fasste den König an der Hand, zückte sein Schwert, jagte ihm damit Furcht ein und fragte dann: „O Großkönig, wem gehört die Herrschaft über ganz Indien?“ Voll Angst antwortete dieser: „Dir, du Weiser“, und fügte hinzu: „Gib mir Schonung!“ Der Weise erwiderte: „Fürchte dich nicht, o Großkönig! Nicht, um dich zu töten, habe ich mein Schwert gezogen, sondern ich zog es, um dir die Macht meiner Weisheit zu zeigen.“ Mit diesen Worten gab er dem Könige das Schwert. Während aber dieser mit dem Schwerte in der Hand dastand, sagte er zu ihm: „Wenn du, o Großkönig, mich töten willst, so töte mich jetzt mit diesem Schwerte; wenn du mir aber Schonung gewähren willst, so gewähre mir Schonung!“ Der König antwortete: „Du Weiser, ich habe dir Schonung gewährt, sei unbesorgt!“ Darauf fasste er das Schwert und die beiden legten einander den Eid ab, sich nicht zu verraten.
Darauf sprach der König zu dem Bodhisattva: „Du Weiser, wo du mit solcher Weisheitsgewalt ausgestattet bist, warum nimmst du da nicht die Herrschaft an dich?“ Jener erwiderte: „O Großkönig, wenn ich dies wünschte, würde ich in ganz Indien die Könige töten und ihre Herrschaft an mich nehmen. Andere aber zu töten und dadurch zu Ehren zu kommen, wird von Weisen nicht gelobt.“ Jetzt sagte der König: „Du Weiser, die Menge klagt, weil sie keinen Ausgang findet; öffne das Tor des Kanals und schenke der großen Menge das Leben!“ Jener öffnete das Tor, da war der ganze Kanal wieder hell erleuchtet. Die Menge fasste wieder Mut; alle Könige kamen mit ihrem Heere heraus und gingen zu dem Weisen hin.
Da sprachen zu ihm die Könige: „Du Weiser, durch dich wurde uns das Leben gerettet. Wenn du noch einen Augenblick das Tor des Kanals nicht geöffnet hättest, wäre für uns alle der Tod gekommen.“ Jener erwiderte: „Ihr Großkönige, nicht nur jetzt, sondern auch früher schon wurde euch durch mich das Leben erhalten.“ Sie fragten: „Wann, du Weiser?“ Da sagte er: „Erinnert ihr euch noch, wie ihr außer unserer Stadt in ganz Indien die Herrschaft erlangt hattet und wie ihr dann nach der Stadt Uttara-Pañcāla zurückkehrtet und, um den Siegestrank zu trinken, Branntwein zurechtmachtet?“ „Ja, du Weiser“, antworteten sie. Dieser fuhr fort: „Damals traf dieser König zusammen mit dem übel beratenen Kevatta die Vorbereitungen, euch durch vergifteten Branntwein, durch vergiftete Fische und Fleisch zu töten. Ich aber dachte: ‘Diese sollen nicht, während ich zuschaue, eines hilflosen Todes sterben’, schickte meine Leute aus und ließ sie die Gefäße entzweischlagen. So zerstörte ich den Plan von diesem und rettete euch das Leben.“
Da wurden sie alle aufgeregt und fragten den Cūlani: „Ist dies denn wahr, o Großkönig?“ Dieser antwortete: „Ja, ich tat dies, weil ich die Worte des Kevatta angenommen hatte. Die Wahrheit nur redet der Weise.“ Da umarmten sie alle das große Wesen und sagten zu ihm: „Du Weiser, du bist für uns alle unsere Hilfe geworden; durch dich wurde unser Leben gerettet.“ Mit all ihren Schmucksachen bezeigten sie dem Bodhisattva ihre Verehrung. Darauf sprach der Weise zu dem König: „O Großkönig, seid unbekümmert! Dies ist nur die Schuld des Verkehrs mit einem bösen Freunde; bittet diese Könige um Verzeihung.“ Der König erwiderte: „Infolge eines bösen Menschen habe ich euch solches getan. Dies ist meine Schuld. Verzeiht mir; ich werde nicht mehr solches tun.“ So bat er sie um Verzeihung. Sie zeigten einander ihre Fehler an und waren einträchtig.
Darauf ließ der König viel feste und flüssige Speisen, wohlriechende Substanzen, Kränze u. dgl. herbeibringen und erging sich mit ihnen allen sieben Tage lang in dem Kanal. Dann zog er in die Stadt hinein, erwies dem großen Wesen große Ehre und ließ sich dann, umgeben von den hunderteins Königen, in dem Thronsaale nieder. Hier sprach er, weil er den Weisen veranlassen wollte, bei ihm zu bleiben, folgende Strophe:
Der Weise aber erwiderte, um ihn zurückzuweisen:
Darauf sprach zu ihm der König: „Darum, du Weiser, gib mir das Versprechen, dass du hierher kommst, sobald dein König in die Götterwelt eingegangen ist.“ Jener antwortete: „Wenn ich noch lebe, werde ich kommen, o Großkönig.“ Nachdem ihm sodann der König sieben Tage lang große Ehrung erwiesen hatte und er sich nach Ablauf von sieben Tagen von ihm verabschieden wollte, sprach zu ihm der König, um ihm mitzuteilen, das und das wolle er ihm geben, folgende Strophe:
Dieser aber sagte zu dem Könige: „O Großkönig, seid um eure Verwandten nicht bekümmert! Ich sagte zu meinem König, als er fortziehen wollte: ‘O Großkönig, behandle die Königin Nandā wie deine Mutter und den Pañcālacanda wie deinen jüngsten Bruder.’ Eurer Tochter aber gab ich die Weihe und schickte so den König fort. Eure Mutter sowohl wie die Königin und Euren Sohn werde ich rasch zurücksenden.“ Der König antwortete: „Gut, du Weiser“, und übergab dem großen Wesen, was er seiner Tochter mitgeben musste, nämlich Sklavinnen, Sklaven, Gewänder, Schmucksachen, Gold, reich geschmückte Elefanten, Rosse, Wagen u. dgl. mehr mit den Worten: „Dieses sollst du ihr geben.“ Indem er dann das anordnete, was sein Heer tun sollte, sprach er:
Nach diesen Worten aber sprach er, um den Weisen zu entlassen:
Nachdem er so dem Weisen große Ehrung erwiesen hatte, entließ er ihn. Auch die hunderteins Könige erwiesen dem großen Wesen Ehrung und gaben ihm viele Geschenke. Die ihnen zugeteilten Leute umringten nur den Weisen. Dieser machte sich mit großem Gefolge auf den Weg; unterwegs noch sandte er Leute aus, um aus den ihm vom König Cūlani geschenkten Dörfern die Einkünfte herbeiholen zu lassen. So gelangte er in das Reich Videha. —
Senaka hatte aber unterwegs einen Mann aufgestellt mit der Weisung: „Merke auf, ob der König Cūlani abermals oder ob er nicht kommt; wenn irgendwer kommt, so melde es mir!“ In einer Entfernung von drei Yojanas sah dieser das große Wesen; er kehrte zu Senaka zurück und meldete diesem: „Der Weise kommt mit großem Gefolge.“ Als jener dies hörte, begab er sich in den Königspalast. Der König stand gerade auf seinem Söller und schaute durch das Fenster. Als er das große Heer sah, dachte er: „Das Heer des Mahosadha ist klein, dies aber ist gar groß; sollte etwa Cūlani wiedergekommen sein?“ Voll Furcht sprach er, um danach zu fragen, folgende Strophe:
Darauf sprach zu ihm Senaka, um ihm den Sachverhalt zu verkündigen:
Als dies der König hörte, sagte er: „Senaka, das Heer des Weisen ist klein, dies Heer aber ist gar groß.“ Doch Senaka erwiderte: „O Großkönig, der König Cūlani wird an ihm Gefallen gefunden haben; weil er an ihm seine Freude hat, deshalb wird er es ihm gegeben haben.“ Darauf ließ der König in der Stadt durch Trommelschlag verkünden: „Man soll die Stadt schmücken und dem Weisen feierlich entgegen ziehen.“ Die Städter aber taten so.
So zog der Weise in die Stadt ein; er begab sich in den Königspalast und bezeigte dem Könige seine Verehrung. Da stand der König auf, umarmte ihn und auf sein Thronpolster zurückgekehrt sprach er, um eine liebenswürdige Unterhaltung mit ihm zu beginnen:
Darauf sprach das große Wesen:
Als dies der König vernahm, war er befriedigt. Darauf meldete ihm der Weise, was ihm der König für Geschenke gegeben habe, und sprach:
Darauf pries der König ganz über die Maßen erfreut und beglückt den Vorzug des großen Wesens und stieß dazu folgenden begeisterten Ausruf aus:
Senaka aber sprach seinen Worten beistimmend folgende Strophe:
Darauf ließ der König die Festtrommel herumgehen und verkünden: „Man soll sieben Tage lang ein Fest feiern. Wer Liebe zu uns empfindet, die sollen den Weisen achten und ehren!“
Um dies zu verkünden, sprach der Meister:
Die Städter und die Landbewohner, die schon von Natur dem Weisen Ehrung erweisen wollten, taten dies, als sie die Trommel hörten, im Übermaße.
Um dies zu verkünden, sprach der Meister [120]:
Darauf ging am Ende des Festes das große Wesen in den Königspalast und sprach: „O Großkönig, man muss des Königs Cūlani Mutter und Gattin und Sohn rasch fortschicken.“ „Gut, mein Sohn, schicke sie fort“, antwortete der König. Darauf ließ dieser den drei Leuten große Ehrung zuteil werden, erwies auch dem mit ihm gekommenen Heere große Ehrung und sandte dann die drei Leute mit großem Gefolge zusammen mit seinen Leuten fort. Die ihm vom Könige geschenkten hundert Gattinnen und die vierhundert Sklavinnen schickte er mit der Königin Nandā zusammen; auch das mit ihm gekommene Heer schickte er mit ihnen fort. Sie kamen mit großem Gefolge nach der Stadt Uttara-Pañcāla. Da fragte der König seine Mutter: „Mutter, hat euch der König Vedeha Freundschaft erwiesen?“ Sie antwortete: „Mein Sohn, was sagst du da? Mich hat er wie eine Gottheit behandelt und mir solche Ehrung erwiesen.“ Auch erzählte sie, dass er die Fürstin Nandā wie seine Mutter und den Pañcālacanda wie seinen jüngsten Bruder gehalten habe. Als dies der König hörte, war er hocherfreut und sandte viele Geschenke. Von da an waren die beiden einig und einträchtig miteinander.
Ende des großen Kapitels von dem Kanal
Pañcālacandī aber war dem König lieb und hold. Im zweiten Jahre gebar sie einen Sohn; in dessen zehntem Jahre starb der König Vedeha. Der Bodhisattva ließ über den jungen König den weißen Sonnenschirm ausspannen und verabschiedete sich dann von ihm mit den Worten: „O Fürst, ich werde jetzt zu deinem Großvater, dem König Cūlani, hingehen.“ Jener erwiderte: „Weiser, lasst nicht mich Jungen zurück und geht nicht fort. Ich werde dich an Stelle meines Vaters setzen und dir Ehrung erweisen.“ Pañcālacandī aber bat: „Weiser, wenn Ihr fortgegangen seid, gibt es keine andere Hilfe mehr. Geht nicht fort!“ Der Weise aber antwortete: „Ich habe dem König mein Versprechen gegeben; es ist unmöglich, dass ich nicht hingehe.“ Während die Volksmenge aus Mitleid klagte, zog er mit seinen Dienern fort und begab sich nach der Stadt Uttara-Pañcāla. Als der König von seiner Ankunft hörte, zog er ihm entgegen und führte ihn unter großer Ehrung in die Stadt hinein. Er schenkte ihm ein großes Haus und gab ihm außer den ihm zuvor geschenkten achtzig Dörfern noch andere Schätze. Er aber diente dem Könige.
Damals nahm eine Bettelnonne mit Namen Bherī immer im Hause des Königs ihr Mahl ein; die war klug und weise. Sie hatte das große Wesen noch nicht zuvor gesehen, sondern sie hörte nur immer: „Der weise Mahosadha dient dem König.“ Auch er hatte sie noch nicht gesehen, sondern er hörte nur immer: „Die Bettelnonne Bherī speist im Hause des Königs.“
Die Königin Nandā aber war, weil sie dachte: „Er hat eine Trennung von den Lieben herbeigeführt und uns dadurch Schmerz bereitet“, dem Bodhisattva nicht günstig gesinnt. Deshalb gab sie fünf Favoritinnen folgenden Auftrag: „Suchet bei Mahosadha eine Schuld und bemüht euch, ihn dadurch beim Könige zu verleumden.“ Diese beobachteten ihn daraufhin ständig nach einer günstigen Gelegenheit.
Als nun eines Tages jene Bettelnonne nach dem Mahle den Palast verließ, sah sie den Bodhisattva, wie er zur Aufwartung des Königs ging, im Königshofe. Er blieb stehen und bezeigte ihr seine Verehrung. Da dachte sie: „Dieser ist doch weise. Ich werde sogleich merken, ob er weise ist oder nicht.“ Indem sie durch ein Zeichen mit der Hand eine Frage stellte, blickte sie den Bodhisattva an und streckte die Hand aus. Im Geiste nämlich stellte sie die Frage: „Nachdem der König einen solchen Weisen aus fremdem Lande herbeigeholt hat, pflegt er ihn da oder pflegt er ihn nicht?“ Der Bodhisattva merkte, dass sie an ihn durch ein Zeichen mit der Hand eine Frage stelle, und um die Frage zu beantworten, machte er eine Faust. Er beantwortete nämlich im Geiste ihre Frage folgendermaßen: „Du Ehrwürdige [121], nachdem der König mein Versprechen erhalten und mich hierher hat kommen lassen, hat er jetzt die Faust fest geschlossen und gibt mir gar nichts.“ Sie verstand seine Rede; sie hob ihre Hand auf und berührte damit ihr Haupt. Dadurch zeigte sie ihm folgendes: „Du Weiser, wenn du in Bedrängnis bist, warum betätigst du dann nicht die Weltflucht wie wir?“ Das große Wesen verstand dies und berührte seinen Leib; damit zeigte es ihr: „Edle, ich habe viele, die ich ernähren muss; darum betätige ich nicht die Weltflucht.“ Nachdem sie so mit der Handbewegung ihre Frage gestellt, kehrte sie in ihre Wohnung zurück; das große Wesen aber bezeigte ihr seine Verehrung und begab sich dann zur Aufwartung des Königs.
Als aber die von der Königin Nandā beauftragten Favoritinnen am Fenster stehend dies Gebaren sahen, gingen sie zu König Cūlani hin und verleumdeten dort den Weisen, indem sie sagten: „O Fürst, Mahosadha hat sich mit der Bettelnonne Bherī zusammengetan; er möchte Euer Reich erhalten und ist Euer Feind!“ Der König antwortete: „Was habt ihr gesehen oder gehört?“ Sie antworteten: „O Großkönig, als die Bettelnonne nach der Mahlzeit herunterstieg, sah sie Mahosadha; da öffnete sie die Hand um zu fragen: ‘Kannst du nicht den König so eben machen wie eine Handfläche oder eine Dreschtenne und das Reich in deine Hand bekommen?’ Mahosadha aber gab sich den Anschein, als wolle er ein Schwert ergreifen, und machte eine Faust, um zu sagen: ‘Nach wenigen Tagen werde ich ihm das Haupt abschlagen und so das Reich in meine Hand bekommen.’ Darauf meinte sie: ‘Schlage ihm das Haupt ab!’, hob daher die Hand in die Höhe und berührte ihr Haupt; Mahosadha aber berührte seinen Leib um anzudeuten: ‘In der Mitte werde ich ihn auseinanderhauen.’ Seid auf Eurer Hut, o Großkönig; man muss Mahosadha töten.“
Als der König ihre Worte vernommen, dachte er bei sich: „Es ist nicht möglich, dass der Weise an mir Verrat übt; ich werde die Bettelnonne fragen.“ Als am nächsten Tage die Bettelnonne ihr Mahl beendigt hatte, ging er zu ihr hin und fragte sie: „Du Ehrwürdige, habt Ihr vielleicht Mahosadha gesehen?“ Sie antwortete: „Ja, o Großkönig, als ich gestern nach dem Mahle von hier fortging, sah ich ihn.“ „Habt ihr aber irgend etwas miteinander gesprochen?“, fragte der König weiter. Sie erwiderte: „Eine Unterredung fand nicht statt. Weil ich aber von ihm gehört hatte, er sei ein Weiser, dachte ich: ‘Wenn er weise ist, wird er dies verstehen,’ und fragte ihn mit einer Handbewegung: ‘Du Weiser, hält gegen dich der König die Hand geöffnet oder geschlossen, begünstigt er dich oder begünstigt er dich nicht?’ Dazu öffnete ich auch die Hand. Der Weise aber meinte: ‘Der König hat, nachdem er mein Versprechen erhalten, mich hergerufen und gibt mir jetzt nichts’, und machte deshalb eine Faust. Darauf dachte ich: ‘Wenn du in Bedrängnis bist, so betätige die Weltflucht wie wir’ und berührte mein Haupt; er aber dachte: ‘Ich habe viele zu ernähren, viele Bäuche muss ich füllen; darum betätige ich die Weltflucht nicht’, und er berührte seinen Bauch.“ Der König fragte weiter: „Ehrwürdige, ist Mahosadha weise?“ Und sie erwiderte, „Ja, o Großkönig, auf der ganzen Erde ist ihm niemand an Weisheit gleich.“ Als der König ihre Worte gehört, grüßte er sie ehrfurchtsvoll und entließ sie.
Als sie fort gegangen war, kam der Weise, um dem Könige seine Aufwartung zu machen. Da fragte er ihn: „Du Weiser, hast du vielleicht die Bettelnonne Bherī gesehen?“ Er antwortete: „Ja, o Großkönig, ich sah sie gestern, als sie von hier wegging. Durch eine Handbewegung stellte sie an mich eine Frage; ich aber beantwortete sie ihr ebenso.“ Und er erzählte es genau auf die Art, wie es jene erzählt hatte. Der König war an diesem Tage darüber befriedigt und gab dem Weisen die Stelle des Heerführers; alle Arbeiten übertrug er nur ihm. Seine Ehrung war groß, unmittelbar nach der Ehrung des Königs.
Da dachte er bei sich: „Der König hat mir mit einem Schlage allzu große Macht gegeben; die Könige aber tun auch so, wenn sie Lust haben zu töten. Wie, wenn ich jetzt den König auf die Probe stellen würde, ob er mein Freund ist oder nicht? Dies aber wird kein anderer erkennen können. Die Bettelnonne Bherī besitzt viel Einsicht; sie wird es durch eine List erkennen.“ Mit viel wohlriechenden Substanzen, Kränzen u. dgl. begab er sich nach der Wohnung der Bettelnonne, verehrte sie, begrüßte sie und sprach: „Ehrwürdige, von dem Tage an, da Ihr dem Könige von meinen Vorzügen erzähltet, erweist mir der König im Übermaß Ehrung. Ich weiß aber nicht, ob er dies aus eignem Wesen tut oder nicht. Gut wäre es, wenn Ihr durch ein Mittel des Königs Gesinnung gegen mich erkennen würdet.“ Sie gab ihre Zustimmung. Während sie am nächsten Tage nach dem Königspalast ging, dachte sie sich die Frage nach dem Wasserdämon aus. Dabei kam ihr folgender Gedanke: „Ich will nicht wie ein Spion sein, sondern ich will durch eine List dem König die Frage vorlegen, ob er ein Freund des Weisen ist oder nicht, und es so erkennen.“ Sie ging hin und setzte sich, nachdem sie ihr Mahl beendigt hatte, nieder. Der König begrüßte sie ehrfurchtsvoll und setzte sich ihr zur Seite. Da kam ihr folgender Gedanke: „Wenn der König gegen den Weisen feindlich gesinnt ist, so wird er, wenn ich ihm die Frage vorlege, seine Feindschaft inmitten der Volksmenge verkünden. Dies ist unziemlich; ich werde ihm beiseite die Frage vorlegen.“ Und sie sprach: „O Großkönig, ich wünsche die Einsamkeit.“ Der König ließ die Leute zurücktreten. Hierauf sagte sie zu ihm: „O Großkönig, ich will dir eine Frage vorlegen.“ Dieser erwiderte: „Frage nur, Ehrwürdige; wenn ich es verstehe, werde ich sie dir beantworten.“ Darauf sagte sie zu ihm folgende erste Strophe der Frage nach dem Wasserdämon [122]:
Als dies der König hörte, sprach er, um es zu sagen, wie er es vorhatte, folgende Strophe:
So erkannte die Bettelnonne die freundschaftliche Gesinnung des Königs gegen das große Wesen. Es war aber soweit der Vorzug des Weisen noch nicht bekannt; darum kam ihr folgender Gedanke: „Ich will inmitten einer großen Menge den Vorzug von diesem erwähnen; dann wird der König der andern Unwert schildern und des Weisen Wert preisen. So wird der Vorzug des Weisen wie der Mond in einer Wolke deutlich werden.“ Sie ließ die ganze Bewohnerschaft des Harems sich versammeln und legte vom Anfang an dem König dieselbe Frage vor. Als er wieder ebenso sprach wie zuvor, da sagte sie: „O Großkönig, du sagst: ‘Zuerst werde ich meine Mutter geben.’ Die Mutter aber hat doch große Vorzüge und deine Mutter gleicht nicht der Mutter von anderen; sie war dir eine große Helferin.“ Und um deren Vorzug zu schildern, sprach sie folgendes Strophenpaar:
Als dies der König hörte, sagte er: „Du Ehrwürdige, viel sind die Vorzüge meiner Mutter; ich weiß wohl, dass sie mir viel Wohltaten erwiesen hat; meine Vorzüge sind aber noch mehr als diese [124].“ Und um den Unwert seiner Mutter zu schildern, sprach er folgendes Strophenpaar:
Die Bettelnonne fuhr fort: „O Großkönig, gib deine Mutter wegen dieser Schuld hin; aber deine Gattin ist doch tugendhaft!“ Und um deren Vorzug zu schildern, sprach sie:
Um ihre Untugenden zu schildern, antwortete er:
Darauf fragte ihn die Bettelnonne: „Gib sie nur wegen dieser Schuld hin! Dein jüngster Bruder, der Prinz Tikhinamanti aber ist dein Helfer; infolge welches Fehlers willst du ihn hergeben?“ Und sie sprach:
Um dessen Fehler zu verkünden, sprach der König:
Die Bettelnonne versetzte: „Mag dies also die Schuld deines Bruders sein; der Prinz Dhanusekha aber ist dir in starker Liebe verbunden und ist dir ein großer Helfer.“ Und um dessen Vorzug zu schildern, sprach sie
Um dessen Schuld zu verkünden, sprach der König:
Die Bettelnonne versetzte: „Mag also dies seine Schuld sein; aber dein Hauspriester ist dir ein großer Helfer.“ Und um dessen Vorzug zu schildern, sprach sie:
Um dessen Fehler zu verkünden, sprach der König:
Darauf erwiderte die Bettelnonne: „O Großkönig, du sagst, von deiner Mutter angefangen würdest du diese fünf Leute dem Wasserdämon geben. Du sagst aber auch, ohne deine so große Glanzfülle zu bedenken, wollest du um Mahosadhas willen selbst dein eigenes Leben hingeben. Welchen Vorzug siehst du an ihm?“ Und indem sie derart fragte, sprach sie folgende Strophen:
Als der König diese ihre Worte hörte, sprach er, um die Vorzüge des Weisen zu schildern, folgende Strophen:
So ist dies Jātaka zum Abschluss gekommen, wie es vorgesehen war.— Da dachte die Bettelnonne: „Auch mit soviel sind des Weisen Vorzüge noch nicht öffentlich bekannt; ich werde inmitten aller Stadtbewohner sie bekannt machen, wie wenn ich auf der Oberfläche des Meeres duftendes Öl ausgösse.“ Mit dem König stieg sie von dem Palaste herab, ließ im Hofe des Königspalastes einen Sitz herrichten und den König sich darauf niederlassen. Hierauf ließ sie alle Stadtbewohner zusammenkommen und legte dem Könige von Anfang an die Frage nach dem Wasserdämon vor. Als er auf die oben angegebene Weise wieder geantwortet hatte, da wandte sie sich an die Stadtbewohner mit folgenden Worten:
So nahm sie, wie wenn sie für ein Haus voll Kostbarkeiten einen Edelsteinhaufen zum Giebel nähme, den Gipfel ihrer Unterweisung aus den Vorzügen des großen Wesens.
Ende der Frage nach dem Wasserdämon
§C. Damit ist die ganze Erzählung von dem großen Kanal zu Ende. Folgendes ist die Verbindung des Jātaka:
[1] Auch hier ist dies nicht der Anfang der ersten Strophe, sondern es gehen 83 andere Strophen voraus. Doch wird bei der 84. die Zählung wieder neu begonnen
[5] Auch ich nehme wie Cowell diese den Vers erläuternden Erzählungen als Teile des Jātaka, nicht des Kommentars.
[8] Besser würde es zum folgenden passen, wenn das „iti“ bei „karissami“ fehlen würde; dann hieße es: „Darf ich es um den Hals hängen und sein Maß untersuchen?“
[11] Fausböll ist erstaunt, dass alle drei Manuskripte die Lesart „tava“ statt „mama“ haben; doch fällt dies bei der orientalischen Höflichkeit nicht weiter auf.
[12] Ich fasse „sovatthiko“ als Adjektiv auf = skr. „suvartita“; „paribhhando“ wäre dann Subjekt. Rouse scheint „sovatthiko“ als gleichbedeutend mit „sisam“ zu nehmen.
[14] Es ist wohl „nivattetum“ statt des überlieferten „nivattitum“ zu lesen.
[15] „assatara“ heißt auch „Maultier“. Mit „setthatara“ ist natürlich wieder der Vorrang gemeint.
[16] Hier wohl auch mit dem Doppelsinn: „ein Maultier“. Vgl. oben Anm. 15.
[18] Das „na“, das Fausböll ergänzen möchte, würde auch passen, ist aber für den Sinn nicht notwendig.
[21] Das Paliwort „kakanika“ bezeichnet eine Münze von ganz geringem Wert; auch das weiter unten mit „Groschen“ übersetzte „masaka“ ist nur eine kleine Münze.
[24] Das hier stehende Wort „pithika“, „Bank“ ist später durch das viel besser passende „pitthika“, „Rückseite, Oberfläche“ ersetzt.
[25] Das heißt wohl nur „eine verwickelte Frage“. Oder sollte der Sinn sein „eine mit etwas anderem zusammenhängende Frage“?
[26] „Pali“ bedeutet außer dem Namen für die Palisprache auch „die Richtschnur, die Stelle in einem heiligen Text.“ Letzteres scheint hier am besten zu passen.
[27] „Ugga“ ist der Name für Söhne eines Vaters aus der Kriegerkaste und einer niedrigen Mutter.
[28] Gemeint ist eigentlich die oberste der unkörperlichen Welten, die Sphäre des Weder-Sich-Bewusstseins-noch-des-sich-nicht-Bewusstseins. Vgl. „Leben des Buddha“, S. 304.
[29] Wie schon Rouse gemerkt hat, sind die beiden letzten Zeilen im Text umzustellen.
[30a] Dutoit übersetzt „im zwanzigsten Buche“. Gemeint ist aber das XV. Buch, das „Zwanziger-Buch“.
[31] Es sind zwei verschiedene Bohnenarten gemeint, Phaseolus mungo und Phaseolus radiatus.
[33] Nämlich weil er zunächst in die Hölle kommt, und dann, weil er nachher in einer niederen Existenz auf Erden wiedergeboren wird.
[34] Rouse hat bemerkt, dass hier „sirihinam“ in die beiden Wörter „siri“ und „hinam“ zu trennen ist. — Von diesem Gorimanda bringt der Kommentator folgende Geschichte: Dieser war in dieser Stadt ein achthundert Millionen besitzender Großkaufmann. Er war hässlich, besaß weder Sohn noch Tochter und verstand keine Kunst. Wenn er sprach, lief ihm an seinen Kinnbacken zu beiden Seiten der Speichel herunter; dann fingen zwei Göttermädchen gleichende und mit allem Schmuck gezierte Frauen, die mit blauen Lotosblumen in der Hand ihm zu beiden Seiten standen, diesen Speichel mit den blauen Lotosblumen auf und warfen dann den Lotos fort. Wenn Trunkenbolde in das Wirtshaus gehen wollten und blauen Lotos brauchten, gingen sie an die Tür seines Hauses und sagten: „Herr Großkaufmann Gorimanda!“ Wenn er ihren Ruf hörte, trat er ans Fenster und sprach: „Was, ihr Lieben?“ Dabei floss ihm der Speichel herab; die Frauen fingen ihn mit den blauen Lotosblumen auf und warfen dann die Blumen auf die Straße. Dann nahmen sie die Branntweinspitzbuben, wuschen sie im Wasser ab, schmückten sich damit und gingen so ins Wirtshaus. So berühmt war jener! Weil Senaka an seinem Beispiel dies zeigen wollte, sprach er so.
[35] Der Kommentator erklärt dies „sie“ als die Höllenwächter.
[36] Natürlich zum Nutzen dessen, der nicht im Recht ist. (Kommentator)
[37] Ich fasse „alayo“ in „analayo“ in der wörtlichen Bedeutung auf. Rouses Beziehung auf „nali“ ist sehr wenig beweiskräftig.
[38] Sollte es statt „dhana“ heißen „dhanna“?
[39] Die von Rouse vorgeschlagene Ergänzung eines „na“ ist unnötig.
[40] Es kann auch heißen, wie der Kommentator erklärt: einen Elefanten als Führer der Herde, („usabho“ kann heißen „Stier“ und „Führer“, „nago“ „Elefant“ wie auch „erster“, „stark“.)
[41] Das Wortspiel ist im Pali deutlicher, weil „er wird kommen“ und „es wird kommen“ dieselbe Form ist.
[43] Das Wortspiel mit Gleichlaut der Endsilben ist im Deutschen nicht wiederzugeben („yenadami tena vadami, yena nadami na tena vadami“). Gemeint ist die rechte und die linke Hand.
[44] Der Kommentator erklärt dies folgendermaßen: Wenn du in das Dorf kommst, wirst du einen Kuchenladen sehen und einen Laden mit Reisschleim; darüber hinaus steht ein Kovilara-Baum mit doppelten Blättern in Blüte (Bauhinia variegata). Von dort gehe nach rechts, nicht nach links; das ist der Weg nach der Vorstadt. Von unserm Hause aber, das in der Vorstadt steht, ist der Ort verborgen; darum sagte ich: „Erkenne den verborgenen Pfad, erkenne, dass er verborgen ist.“ Nachdem sie ihm so den Weg verkündet, nahm sie den Reisschleim für ihren Vater und ging fort.
[46] Dem Sohn eines Mannes aus der dritten Kaste im Gegensatz zu den Brahmanen und Kriegern.
[50] Diese Strophe ist auch im Kommentar zum Jātaka 522 angeführt (Jātaka 522 Anm. 31).
[51] Diese Strophe findet sich auch im Jātaka 528 Strophe 30 und 545 Strophe 227.
[52] Diese beiden Strophen kommen öfters vor; so im Jātaka 332 Strophen 3-4, Jātaka 351 Strophen 4-5 und Jātaka 505 Strophen 19-20.
[53] Diese Worte sind bei Fausböll irrtümlicherweise in den Kommentar zu der Strophe hineingekommen.
[56] Nach der Lesart einer Handschrift „tava mama“ statt „tava“ .
[57] Die erste der folgenden Strophen steht schon oben Strophe 0.68; die folgenden finden sich auch im Jātaka 518 Strophen 15-19.
[59] Wie schon Rouse bemerkte, ist „karissati“ statt „karissasi“ zu lesen.
[61] Die Worte „tumhehi saddhim“ gehören nicht in die Rede hinein.
[62] „akkhohini“, skr. „aksauhini“, kann auch die Zahlen 10.000.000 hoch 6 (10 Millionen zur 6. Potenz = 10 hoch 42) bedeuten.
[65] Dazu erzählt der Kommentator folgende Geschichte: Eines Tages nahm ein Mann ein Maß Reis, einen Topf voll Reisbrei und tausend Kahapanas mit und stieg damit, um einen Fluss zu überschreiten, in den Fluss hinab. Als er aber in des Flusses Mitte gekommen war, konnte er nicht weiter und sagte darum zu den am Ufer stehenden Leuten: „Hallo, in meinem Besitz sind ein Maß Reis, ein Topf voll Reisbrei und eintausend Kahapanas; davon werde ich, was mir gefällt, verschenken. Wer kann, soll mich herausziehen.“ Da schürzte sich ein starker Mann hoch auf, ging in den Fluss hinein, nahm jenen bei der Hand und zog ihn heraus; dann sagte er: „Gib mir, was du mir geben musst.“ Der andere erwiderte: „Nimm entweder das Maß Reis oder den Topf mit Reisbrei.“ Er aber antwortete: „Ich habe dich, ohne an mein Leben zu denken, herausgezogen. Mich verlangt nicht nach diesen Dingen. Gib mir die Kahapanas!“ Der andere versetzte: „Ich sagte, was mir davon gefiele, das würde ich dir geben. Jetzt gebe ich dir, was mir gefällt; wünsche dir etwas und nimm es!“ Darauf erzählte es jener einem in der Nähe Stehenden; auch dieser sagte: „Dieser gibt dir das, was ihm gefällt; nimm es also!“ Jener aber erwiderte: „Ich werde es nicht nehmen“, ging mit ihm vor Gericht und trug die Sache den Richtern vor. Als diese das Ganze gehört hatten, sprachen sie ebenso. Unbefriedigt von ihrer Entscheidung meldete es der Mann dem Könige. Der König ließ die Richter zu sich rufen, und nachdem er von ihnen die Worte der beiden gehört, sprach er ebenso und wies den Mann, der sein Leben aufs Spiel gesetzt und den anderen herausgezogen hatte, zurück. In diesem Augenblick merkte des Königs Mutter, Fürstin Talatā mit Namen, die in der Nähe saß, dass der König schlecht entschieden hatte, und sagte: „Mein Sohn, hast du die Rechtssache erkannt und entschieden?“ Er erwiderte: „Mutter, ich verstehe nur so viel; wenn Ihr mehr versteht, so fällt Ihr das Urteil.“ Sie versetzte: „Ich werde es tun“, ließ den Mann rufen und sprach zu ihm: „Komm, mein Lieber, und lege die drei Dinge, die du in deinem Besitze hast, auf den Boden.“ Als er sie der Reihe nach hingelegt hatte, fragte sie weiter: „Als du im Wasser fortgetrieben wurdest, was sagtest du da diesem?“ Er erwiderte: „Das und das.“ Darauf sagte sie: „So nimm du dir, was dir gefällt, und gehe.“ Er nahm den Beutel mit den tausend Geldstücken. Als er aber ein wenig fortgegangen war, rief sie ihn zurück und fragte: „Gefallen dir die tausend Geldstücke?“ Er erwiderte: „Ja, sie gefallen mir.“ Jetzt sagte die Königin: „Mein Sohn, hast du gesagt oder nicht, dass du jenem das geben würdest, was dir gefällt?“ Auf seine bejahende Antwort fuhr sie fort: „So gib ihm also die tausend Geldmünzen!“ Er gab sie weinend und klagend her. In demselben Augenblick ließen der König und seine Minister hocherfreut Beifallsrufe ertönen. Von da an wurde ihre Weisheit allenthalben bekannt. Mit Bezug darauf sagte der König von Videha: „Des Königs Mutter ist die elfte.“
[67] Statt „pamayati“ ist die Lesart einer Handschrift „palayati“ vorzuziehen.
[69] Rouse erklärt, dass er „mala“ hier nicht verstehe; doch ist jedenfalls an eine Art von Pechkränzen oder dgl. zu denken.
[70] Diese Worte gehören noch vor das Anführungszeichen.
[72] Dies Maß zerfällt in dreißig Yattis zu je sieben Ratanas (Ellen).
[75] Vgl. die ähnliche Stelle am Ende des 528. Jātaka.
[76] Die Kanavera-Blume, Terminalia arjuna, wird auch sonst als Schmuck der dem Tode Geweihten erwähnt; so Jātaka 472 vor Strophe 1 [, vgl. dort Anm. 8].
[77] Vgl. oben am Anfang der Erzählung über die Belagerung der Stadt Mithilā, vor Strophe 1.
[79] Der Maynah-Vogel, Gracula religiosa.
[80] Wohl um es vom Ungeziefer frei zu halten, wie es die zu dieser Familie gehörigen Madenhacker tun.
[81] Sein Haus ist also wie ein Königspalast mit sieben Toren versehen.
[82] Der Kommentator sagt, der König meine sich selbst, Kevatta und die vier Weisen. Doch könnte statt des Königs auch Mahosadha gemeint sein, dessen Zustimmung der König voraussetzt.
[83] Trotz der weit hergeholten Erklärung des überlieferten „amagiddho“ durch den Kommentator ist doch wohl der nächsten Strophe entsprechend „kamagiddho“ zu lesen.
[84] Auch ich lese mit Fausböll „atinigganhante“.
[85] Nach dem Kommentator gehört der Star zu der den Vessas (der dritten Kaste) entsprechenden Klasse von Vögeln.
[86] Ich nehme die Lesart einer Handschrift „nikkhamanto“.
[87] Der Kommentator gibt hier eine ziemlich ausführliche Erzählung, wie König Vasudeva aus dem Stamme des Königs Kanha einst ein hübsches Candala-Mädchen sah, das er fragte, ob es noch keinen Mann habe, und dann auf dessen verneinende Antwort unbedenklich zu seiner ersten Gemahlin erhob.
[88] Die Feenmännchen und Feenweibchen, pali „kinnara“ oder „kimpurisa“, gelten als Tiere.
[89] Der Kommentator fügt hier folgende Geschichte bei: In früherer Zeit hatte ein Brahmane den Nachteil eingesehen, der in den Lüsten liege; unter Preisgabe großer Ehrung hatte er die Weltflucht der Weisen betätigt und sich im Himalaya eine Laubhütte erbaut, wo er wohnte. Unweit von seiner Laubhütte wohnten in einer Höhle viele Feenmännchen. Dort hauste auch ein Affe; dieser entfernte immer das Netz, zerbrach ihnen das Haupt und trank ihr Blut. Die Feenmännchen nämlich sind gar schwach und furchtsam von Natur; der Affe aber war groß und stark. Als jene ihm nichts tun konnten, gingen sie zu dem Asketen hin. Nachdem sie eine liebenswürdige Unterhaltung begonnen hatten und von ihm nach dem Grunde ihres Kommens gefragt wurden, sagten sie: „O Fürst, uns raubt ein Affe das Leben. Eine andre Zuflucht kennen wir nicht; töte ihn und verschaffe uns dadurch Rettung!“ Der Asket aber erwiderte: „Geht, Leute wie ich verüben keine Tötung eines Lebenden“, und erfüllte ihren Wunsch nicht. — Unter ihnen aber war ein unverheiratetes Feenweibchen, Rathavati mit Namen; dies schmückten sie, brachten es zu dem Asketen hin und sagten: „Dies soll deine Dienerin sein; töte unsern Feind!“ Als der Asket sie sah, verliebte er sich in sie und wohnte ihr bei; dann trat er an die Tür der Höhle, und als der Affe heraustrat um sich Nahrung zu holen, schlug er ihn mit einem Hammer und brachte ihn so ums Leben. Er aber wohnte mit ihr zusammen, wuchs durch Söhne und Töchter und starb endlich; so liebte sie ihn.
[90] Bei „osadhi“ ist „taraka“ zu ergänzen; dies ist der Heil bringende Stern, der Morgenstern.
[91] Wie die burmesische Übersetzung dieses Jātaka (herausgegeben von T. B. Yatawara, Luzac 1898) hat, muss es heißen „agamissasi“.
[92] Die Stelle ist zweifelhaft. Einige Texte ergänzen „oder sterben“; doch passt dies eigentlich nicht recht zum Sinn.
[93] Ein Dämon, der zur Zeit der Mondfinsternis den Mond in seinen Mund nimmt und durch Lärm verhindert werden muss, ihn zu verschlucken.
[94] Auch ich folge hier einer Handschrift, die „ma“ weglässt.
[95] Wie Rouse bemerkt, scheint hier etwas ausgefallen zu sein.
[96] Um den Sineru- (Meru-) Berg in der Mitte der Welt laufen vier Gürtel, die von niedrigen Gottheiten zum Schutze des Himmels der dreiunddreißig Götter bewohnt sind.
[97] Soviel wie die sechs Götterhimmel; vgl. Jātaka 1 Anm. 23. [Götterwelten gibt es außer der obersten, der Brahmawelt, noch sechs, nämlich die Welt der vier Erzengel, die Welt der 33 Götter, die Yama-Götterwelt, die Tusita-Götterwelt, die Nimmanarati- und die Paranimittavasavatti-Götterwelt. (Vgl. „Leben des Buddha“, S. 357 u. ö.)]
[98] Dieser Vers ist bei Fausböll eingeklammert; er passt wegen des Metrums nicht zu der Strophe. Doch nimmt es das Jātakabuch gerade in seinen letzten Büchern damit nicht sehr genau.
[99] Das Pali-Wort für Konstellation (skr. „naksatra“).
[100] Diese Worte und die nächste Strophe können nicht mehr zu den „Strophen des Meisters“ gehören.
[101] Diese beiden Verse stehen auch in Jātaka 543 Strophe 79.
[102] Diese drei Strophen finden sich fast genau auch oben Strophen 17-19.
[103] Vgl. oben Strophen 20 und 21.
[105] Ich lese statt des überlieferten „paribhasa“ das besser passende „parihasa“.
[106] Wörtlich: dein Schwiegervater. Der Sohn nimmt, wie der Kommentator bemerkt, hier die Stelle des Vaters ein.
[107] Nach dem Kommentator der Name der vom Bodhisattva für den König Vedeha erbauten Stadt; das Wort bedeutet „Hilfsstadt“.
[108] Rouse verbessert nach der burmesischen Übersetzung passend das überlieferte „gharam“, das keinen Sinn gibt, in „saram“. „Paninam“ ist dann der Lokativ.
[109] Dies ist nach dem Kommentator und der burmesischen Übersetzung die Bedeutung des sonderbaren Ausdruckes „timsa navutyo“.
[110] Wörtlich: „gefärbt wie der Pathina-Fisch“ (Silurus boalis), eine Wels-Art.
[111] Der Kommentator erklärt dies: aus Staubmehl gemacht, der siebenmal von Reihern gefressen und wieder aufgenommen wurde. Es handelt sich um eine in der burmesischen Übersetzung genauer wiedergegebene eigentümliche Läuterungsart des Stahls.
[112] Die Konstruktion ist zwar recht frei, kann aber doch wohl nichts anderes bedeuten.
[113] Der Baum Butea frondosa. Vgl. dazu das Jātaka 258.
[114] Es kann auch heißen: mit Lippen, die der Bimba-Frucht (Momordica monadelpha) gleichen.
[115] Der Baum Diospyros embryopteris.
[116] Die Höllen sind in dem Raum zwischen den einzelnen Weltsystemen, dem Lokantarika-Raum, gedacht.
[117] Nach der Konjektur „hiyyo“ statt „bhiyyo“, die auch die burmesische Übersetzung hat.
[118] Ein bestimmtes Goldgewicht von ziemlich hohem Werte.
[119] Oder sollte „yavam“ wegen des Metrums für „yavam“ Gerste stehen?
[120] Die drei nächsten Strophen entsprechen in ihrer ersten Hälfte den Strophen 65-67 im Jātaka 538.
[121] Ich ziehe die Lesart einer Handschrift „ayye“ der doch recht fraglichen Deutung von „ayyo“ bei Rouse vor, der die männliche Form als stereotyp für beide Geschlechter erklärt.
[122] Diese Strophe ist mit ihrem Anfang zitiert in dem nur aus diesem Zitat bestehenden Jātaka 517.
[123] Der Kommentator fügt hier folgende Geschichte bei: Des Cūlani Vater hieß Maha-Cūlani. Seine Mutter hatte, als er noch jung war, mit dem Hauspriester Unzucht getrieben, den König durch Gift getötet, über dem Brahmanen den weißen Sonnenschirm ausspannen lassen und war dessen erste Gemahlin geworden. Als eines Tages ihr Sohn zu ihr sagte: „Mutter, ich habe Hunger“, gab sie ihm Kuchen mit Butter. Es umschwirrten ihn aber die Fliegen. Er wollte nun den Kuchen von den Fliegen frei machen, um ihn zu verzehren. Deshalb ging er ein wenig zurück und ließ auf die Erde Buttertropfen fallen; dann schlug er nach den Fliegen in seiner Nähe und vertrieb sie. Diese flogen zu der anderen Butter und umschwirrten sie. Nachdem er so seinen Kuchen von den Fliegen frei gemacht hatte, verzehrte er seinen Kuchen, wusch sich die Hände, spülte sich den Mund aus und ging wieder fort. Als der Brahmane dessen Gebaren sah, dachte er bei sich: „Dieser verzehrt jetzt die Butter, nachdem er sie durch diese List von den Fliegen frei gemacht hat. Wenn er herangewachsen ist, wird er mir nicht die Herrschaft lassen. Sogleich werde ich ihn töten.“ Er erzählte dies der Fürstin Talatā. Diese erwiderte: „Gut, o Fürst. Ich habe aus Liebe zu dir meinen eigenen Gatten getötet; was brauche ich diesen? Wir wollen es aber nicht öffentlich machen, sondern insgeheim wollen wir ihn töten.“ So betrog sie den Brahmanen. Da sie weise und der richtigen Mittel kundig war, ließ sie den Koch herbeirufen und sprach zu ihm: „Lieber, mein Sohn, der junge Cūlani, und dein Sohn, der junge Dhanusekha, sind an einem Tage geboren, zusammen mit Prinzenehrung aufgewachsen und sind liebe Freunde. Der Brahmane Chambhi möchte meinen Sohn töten; rette du ihm das Leben!“ „Gut, Fürstin, was soll ich tun?“, versetzte der Koch. Sie erwiderte: „Mein Sohn soll beständig in deinem Hause sein. Du koche nur noch ein paar Tage in der Küche, damit kein Verdacht entsteht. Wenn du dann merkst, dass man keinen Verdacht hegt, dann lege an den Ort, wo dein Lager steht, Hirschknochen, stecke zur Zeit, da alle Menschen schlafen, die Küche in Brand, nimm, ohne jemand davon wissen zu lassen, meinen und deinen Sohn mit dir und gehe in ein anderes Land. Offenbare dort nicht, dass mein Sohn ein Königssohn ist, und hüte sein Leben.“ Jener gab seine Zustimmung; darauf gab sie ihm kostbare Juwelen. Der Koch tat so, begab sich mit dem Prinzen nach der Stadt Sagala im Reiche Madda und diente dort dem Könige. Dieser entfernte den früheren Koch und gab ihm dessen Stelle. — Auch die zwei Knaben gingen mit ihm zusammen immer in den Königspalast. Der König fragte: „Wem sind diese Knaben?“ Der Koch antwortete: „Es sind meine Söhne.“ „Sind sie nicht einander unähnlich?“ „Sie sind die Söhne zweier Frauen, o Fürst“, antwortete der Koch. Im Laufe der Zeit wurden sie vertraut und spielten immer mit der Tochter des Königs von Madda im Königspalaste. Da verliebten sich der Prinz Cūlani und die Königstochter infolge des wiederholten Sehens ineinander. Um zu spielen, ließ der Prinz die Königstochter auch einen Ball oder einen Würfel herbeiholen; als sie die Sachen nicht herbeibrachte, schlug er sie auf den Kopf. Da weinte sie. Ihre Stimme hörte der König und sagte: „Wer hat meine Tochter geschlagen?“ Da kamen die Ammen herbei und fragten. Die Prinzessin aber dachte: „Wenn ich sagen werde, dass er mich geschlagen hat, wird mein Vater an ihm die Königsstrafe vollziehen lassen“; darum sagte sie es aus Liebe zu ihm nicht, sondern sie sagte: „Ich bin von niemand geschlagen worden.“ Eines Tages aber sah der König, wie er sie schlug. Da dachte er bei sich: „Dieser Knabe ist dem Koch nicht ähnlich; er ist schön, anmutig und überaus furchtlos. Er kann nicht dessen Sohn sein.“ Und von da an begünstigte er ihn. Wenn die Ammen an den Spielplatz Kuchen brachten, gaben sie ihn der Königstochter. Diese gab ihn auch den anderen Knaben; diese knieten sich nieder, verneigten sich und nahmen ihn so in Empfang. Der Prinz Cūlani aber nahm ihn stehend aus ihrer Hand, ohne sich stören zu lassen. Der König sah auch dies Gebaren. — Eines Tages aber flog der Ball des Prinzen Cūlani unter das kleine Lager des Königs. Als der Knabe ihn holte, dachte er in seinem Herrscherstolz: „Ich darf nicht unter das Lager eines Nachbarkönigs kriechen“; er holte ihn mit einem Stocke hervor und nahm ihn an sich. — Als der König auch dieses Tun bemerkte, dachte er: „Ohne Zweifel ist er nicht der Sohn des Kochs.“ Er ließ diesen rufen und fragte ihn: „Wessen Söhne sind dies?“ „Die meinigen, o Fürst“, antwortete dieser. Da versetzte der König: „Ich weiß, wer dein Sohn ist und wer nicht. Sage mir die Wahrheit! Wenn du sie mir nicht sagst, so musst du sterben.“ Und er zog sein Schwert. Von Todesfurcht ergriffen antwortete jener: „Ich will es sagen, o Fürst; ich verrate damit aber ein Geheimnis.“ Nachdem er vom König Gelegenheit erhalten, bat er ihn um Straflosigkeit und erzählte ihm alles, wie es gewesen war. Als der König dies so der Wahrheit gemäß erfahren, schmückte er seine Tochter und machte sie zur Dienerin des Prinzen. — Von dem Tage aber, da sie entflohen waren, war die ganze Stadt erfüllt mit dem Geschrei: „Der Koch und der Prinz Cūlani und der Sohn des Kochs sind bei dem Brand der Küche mitverbrannt.“ Als die Fürstin Talatā diese Begebenheit erfuhr, meldete sie dem Brahmanen: „O Fürst, unser Wunsch ist erfüllt worden; die drei Leute sind in der Küche verbrannt.“ Er war hocherfreut darüber. Die Fürstin Talatā ließ die Hirschgebeine, als wären es die Gebeine des Prinzen Cūlani, herbeibringen, zeigte sie dem Brahmanen und ließ sie verbrennen. Mit Beziehung auf diese Geschichte sagte die Bettelnonne: „Sie gebrauchte eine andere Vorspiegelung und hat dich dadurch vom Tode befreit“; denn sie zeigte ihm die Hirschgebeine als Menschengebeine und befreite ihn so vom Tode.
[124] Der Text scheint verderbt. Rouse schlägt die passende Emendation vor: „pan'ev' aguna“ = „ihre Untugenden aber“.
[125] Der Kommentator fügt folgende Geschichte bei: Tikhinamanti heißt der mit scharfer Einsicht Begabte. Dieser wurde nämlich geboren, als seine Mutter mit dem Brahmanen zusammenwohnte. Als er aber herangewachsen war, gab ihm der Brahmane ein Schwert in die Hand und sagte: „Nimm dies und diene mir!“ Dieser diente ihm, weil er meinte, der Brahmane sei sein Vater. Da sagte ihm ein Minister: „Prinz, du bist nicht der Sohn von diesem; sondern als sie dich empfangen hatte, tötete die Fürstin Talatā den König und ließ über jenen den weißen Sonnenschirm ausspannen. Du bist der Sohn des Königs Maha-Cūlani.“ Voll Zorn dachte der Prinz: „Ich werde ihn mit einer List töten.“ Er ging in den Königspalast hin, gab sein Schwert einem Diener und sagte dann zu einem anderen: „Sage du am Tore des Königspalastes, dies sei dein Schwert, und fange mit diesem Streit an!“ Dann ging er hinein. Jene begannen zu streiten. Da schickte er einen Mann ab, um zu fragen, was dies für ein Streit sei. Der kam zurück und meldete: „Sie streiten wegen eines Schwertes.“ — Als dies der Brahmane hörte, fragte er: „Was ist dies?“ Darauf fragte der Prinz: „Gehört denn das von Euch mir geschenkte Schwert einem anderen?“ „Was sagst du da, mein Sohn?“, versetzte der andere. „So will ich es also bringen lassen; erkennet es!“, erwiderte der Prinz und ließ das Schwert herbeibringen. Er zog es aus der Scheide und mit den Worten: „Erkennt Ihr es?“, ging er auf jenen zu, als wolle er es ihn erkennen lassen; dabei hieb er ihm aber mit einem Schlage das Haupt ab, dass es ihm zu Füßen fiel. Nachdem er dann den Königspalast gereinigt und die Stadt geschmückt hatte, wurde ihm die Königsweihe angeboten; aber seine Mutter verkündete ihm, dass der Prinz Cūlani im Reiche Madda wohne. Als dies der Prinz hörte, zog er, umgeben von seinem Heere, dorthin, führte seinen Bruder zurück und übergab ihm die Herrschaft. Von da an nannte man ihn Tikhinamanti.
[126] Dies Wort wie das abgekürzte „Dhanusekha“ bedeutet „der Bogenkundige.“
[127] Vgl. Jātaka 285. Pañcālacandī hat mit Sundari nur das gemein, dass sie zur Verführung eines andern bestimmt war. Auffallend ist auch die Gleichsetzung des Cūlani mit dem großen Schüler Buddhas; offenbar geschah dies nur wegen des letzten Teiles der Erzählung.