Jātakam, Wiedergeburtsgeschichten

522. Die Erzählung von Sarabhaṅga (Sarabhaṅga-Jātaka) - [Pali]

„Geschmückt mit Ohrringen und schönen Kleidern“

 

§A. Dies erzählte der Meister, da er im Veluvana verweilte, mit Beziehung auf den Eingang des großen Thera Mogallāna zum völligen Nirvana. — Nachdem der Thera Sāriputta den Vollendeten, da dieser sich im Jetavana aufhielt, um die Erlaubnis, in das völlige Nirvana einzugehen, gebeten hatte, entfernte er sich und ging im Dorfe Nala in dem Zimmer, wo er geboren war, zum völligen Nirvana ein. Als der Meister hörte, dass dieser zum völligen Nirvana eingegangen war, ging der Meister nach Rājagaha und nahm im Veluvana Wohnung.

Damals hielt sich der Thera (Mogallāna) [1] am Abhange des Isigili (= Berg der Weisen) auf dem Schwarzen Felsen auf. Weil aber seine Wunderkraft auf ihren Höhepunkt gekommen war, ging er in der Götterwelt und auch in der Hölle umher. In der Götterwelt sah er, wie die Buddha-Anhänger große Herrlichkeit genossen, und in den Höllen bemerkte er, wie die Anhänger der Irrgläubigen großes Leid erduldeten. Als er deshalb zur Menschenwelt zurückgekehrt war, erzählte er den Leuten: „Der Laienbruder so und so und die Laienschwester so und so haben in der und der Götterwelt ihre Wiedergeburt genommen und genießen großes Glück; von den Anhängern der Irrgläubigen aber sind der und der und die und die in der Hölle und anderen Straforten wiedergeboren worden.“

Daraufhin hingen die Leute der wahren Lehre an und hielten die Andersgläubigen von sich fern. Den Buddhaverehrern wurde große Ehrung zu teil, die der Andersgläubigen aber hörte auf. Deshalb fassten diese einen Hass gegen den Thera und dachten: „Solange dieser lebt, spalten sich unsere Anhänger, unsere Ehrung hört auf; wir wollen ihn töten!“ Und um den Thera zu töten, gaben sie einem Räuber, der die Asketen behütete [2], tausend Geldstücke. Dieser begab sich mit großem Gefolge nach dem Schwarzen Felsen, um den Thera zu töten. Als ihn der Thera kommen sah, flog er durch seine Wunderkraft in die Höhe und entfernte sich. Da der Räuber an diesem Tage den Thera nicht sah, kehrte er um und kam auch am nächsten Tage, abermals am nächsten und so im ganzen an sechs Tagen wieder. Der Thera aber entfernte sich immer durch seine Wunderkraft.

Am siebenten Tage aber machte sich eine früher begangene Tat, die in der Folgezeit zu büßen war, bei dem Thera geltend. In einer früheren Zeit nämlich wünschte er einmal auf die Worte seiner Gattin hin, seine Eltern zu töten. Er brachte sie auf einem Wagen in den Wald, erweckte den Anschein, als hätten sich Räuber gegen sie erhoben, und stieß und schlug seine Eltern. Weil diese infolge ihrer schwachen Augen die Gegenstände nicht sehen konnten und ihren Sohn nicht erkannten, dachten sie, es seien Räuber, und riefen: „Mein Sohn, die und die Räuber töten uns, mache dich fort!“ So jammerten sie nur über ihn. Da dachte er: „Obwohl diese von mir geschlagen werden, jammern sie nur um meinetwillen; etwas Ungebührliches tue ich.“ Er tröstete sie, erweckte den Anschein, als seien die Räuber davongelaufen, rieb ihre Hände und Füße und sagte zu ihnen: „Mutter, Vater, fürchtet euch nicht; die Räuber sind entflohen.“ Dann führte er sie wieder in sein Haus zurück.

Diese Tat hatte diese ganze Zeit keine Gelegenheit gefunden und war verborgen geblieben wie ein Feuerrest unter der Asche; jetzt aber überkam sie seinen letzten Körper und ergriff Besitz davon. Durch ihre Schuld vermochte der Thera sich nicht mehr in die Luft zu erheben; seine Wunderkraft, mit der er Nanda und Upananda [3] gebändigt und den Vejayanta-Palast erschüttert hatte [4], war durch die Macht jener Tat zur Schwäche geworden. Der Räuber zerschmetterte die Knochen des Thera und machte ihn zu Stroh und Grütze [5]; dann dachte er, er sei tot, und entfernte sich mit seinem Gefolge.

Dem Thera aber kehrte die Besinnung zurück; er umhüllte seinen Körper mit dem Gewande der Ekstase, flog in die Luft empor und begab sich zum Meister. Er bezeigte ihm seine Ehrerbietung und sprach; „Herr, der Rest meines Lebens ist abgelaufen; ich will zum völligen Nirvana eingehen.“ Nachdem er ihn so um Erlaubnis dazu gebeten, ging er dortselbst zum völligen Nirvana ein.

In demselben Augenblick wurden alle sechs Götterwelten von Wehklagen erfüllt. „Unser Lehrer ist zum völligen Nirvana eingegangen“, so riefen die Götter und kamen herbei mit göttlichen Wohlgerüchen, Girlanden, duftendem Weihrauch und mit verschiedenartigen Hölzern; es wurde ein Scheiterhaufen aus den neunundneunzig Arten der Kostbarkeiten und aus Sandelholz errichtet. Der Meister trat zu dem Thera hin und ließ dessen Leichnam auf den Scheiterhaufen niederlegen. Auf allen Seiten des Begräbnisplatzes ergoss sich auf die Entfernung von einem Yojana ein Blumenregen; unter den Göttern standen die Menschen und unter den Menschen standen die Götter; sieben Tage lang feierten sie das Fest der Zustimmung. Der Meister ließ die Überreste des Thera mitnehmen und am Torerker des Veluvana darüber ein Monument errichten.

Damals begannen die Mönche in der Lehrhalle folgendes Gespräch: „Freund, weil der Thera Sāriputta nicht in Gegenwart des Vollendeten zum völligen Nirvana einging, empfing er von den Buddhas keine große Ehrung; weil aber der große Thera Mogallāna in seiner Nähe zum völligen Nirvana einging, wurde er hoch geehrt.“ Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Unterhaltung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen?“ Als sie antworteten: „Zu der und der“, sprach er: „Nicht nur jetzt empfing Mogallāna große Ehrung von mir, ihr Mönche, sondern auch früher schon wurde ihm diese zuteil.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

 

§B. Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva im Schoße der Gattin des Hauspriesters seine Wiedergeburt; nach Ablauf von zehn Monaten ging er zur Zeit der Morgendämmerung aus dem Schoße seiner Mutter hervor. In demselben Augenblick erglänzten in der zwölf Yojanas umfassenden Stadt Benares alle Waffen. — In dem Augenblick, da der Sohn geboren war, ging der Hauspriester hinaus, sah zum Himmel empor und betrachtete die Konstellation; da merkte er: „Weil der Knabe unter dieser Konstellation geboren ist, wird er auf dem ganzen Jambu-Erdteil der beste von allen Bogenschützen werden.“

Bei guter Zeit ging er in den Palast des Königs und fragte den König, ob er wohl geschlafen habe. Dieser aber antwortete: „Woher soll ich gut geruht haben, Lehrer? Heute haben im ganzen Hause die Waffen erglänzt.“ Da versetzte der Hauspriester: „Fürchte dich nicht, o Fürst; weil heute in meinem Hause ein Knabe geboren wurde, geschah dies.“ Der König fragte nun: „Lehrer, was wird aber diesem unter solchen Umständen geborenen Knaben geschehen?“ Jener erwiderte: „Gar nichts, o Großkönig; er wird aber auf dem ganzen Jambu-Erdteil der beste Bogenschütze werden.“ „Gut, Lehrer“, versetzte der König; „ziehe ihn also auf und zeige ihn uns, wenn er herangewachsen ist.“ Mit diesen Worten ließ er ihm tausend Geldstücke zur Erziehung [6] geben. Der Hauspriester nahm es und ging damit in sein Haus; am Namengebungstage gab er ihm, weil im Augenblick seiner Geburt die Waffen geglänzt hatten, den Namen Jotipāla (= Glanzbewahrer) [6a].

Der Knabe wuchs unter großer Ehrung heran und war, als er sechzehn Jahre alt geworden, von höchster Schönheit. Als nun sein Vater seine körperliche Vollendung wahrnahm, sagte er zu ihm: „Mein Sohn, gehe nach Takkasilā und erlerne dort bei einem weltberühmten Meister die Künste.“ Der Jüngling antwortete: „Gut“, nahm das Lehrgeld, bezeigte seinen Eltern seine Ehrfurcht und begab sich dorthin.

Er gab dem Lehrer tausend Geldstücke, erlernte die Kunst und gelangte schon nach sieben Tagen zur Vollendung darin. Hoch befriedigt gab ihm sein Lehrer darauf ein ihm gehöriges kostbares Schwert, einen fest verbundenen Bogen aus Widderhorn, einen fest verbundenen Köcher, seine eigene Rüstung, einen Koller [6b] und ein Diadem und sprach zu ihm: „Lieber Jotipāla, ich bin hoch betagt; unterweise du jetzt diese jungen Brahmanen.“ Damit übergab er ihm allein fünfhundert junge Brahmanen.

Der Bodhisattva nahm das Ganze an sich, grüßte ehrfurchtsvoll seinen Lehrer und kehrte nach Benares zurück, wo er seine Eltern aufsuchte. Als er seinen Vater ehrfurchtsvoll begrüßt hatte und vor ihm stand, sprach dieser zu ihm: „Hast du die Künste erlernt?“ „Ja, Vater“, antwortete er. Als jener diese Worte vernahm, ging er an den Hof des Königs und sagte: „O Fürst, mein Sohn ist zurückgekehrt, nachdem er die Künste erlernt hat; was soll er tun?“ Der König antwortete: „Lehrer, er soll uns dienen.“ „Erkennet ihm einen Lohn zu, o Fürst“, fuhr der Hauspriester fort, worauf der König sprach: „Er soll täglich tausend Geldstücke erhalten.“

Der Hauspriester gab seine Zustimmung, ging nach Hause, rief den Jüngling zu sich und sagte: „Mein Sohn, diene dem Könige!“ Von da an erhielt er jeden Tag tausend Geldstücke und diente dem König. — Darüber murrten die Diener des Königs: „Wir sehen nicht, was Jotipāla schon getan hat, und jeden Tag erhält er tausend Geldstücke; wir wollen seine Kunst sehen.“ Als der König ihre Worte hörte, teilte er dies dem Hauspriester mit. Dieser erwiderte: „Es ist gut, o Fürst“, und meldete es seinem Sohne. Dieser antwortete: „Gut, Vater, am siebenten Tage von heute an werde ich meine Kunst zeigen. Der König soll in seinem Reiche die Bogenschützen sich dazu versammeln lassen.“ Der Hauspriester ging hin und meldete dies dem Könige.

Darauf ließ der König in der Stadt die Trommel herumgehen und befahl den Bogenschützen, sich zu versammeln. Sechzigtausend Bogenschützen kamen zusammen. Als der König merkte, dass sie sich versammelt hatten, ließ er durch Trommelschlag bekannt machen: „Die Stadtbewohner sollen des Jotipāla Kunstfertigkeit anschauen.“ Dann ließ er den Hof des Königspalastes in Ordnung bringen und setzte sich von einer großen Menschenmenge umgeben auf sein königliches Polster nieder. Nachdem er hierauf noch die Bogenschützen hatte herbeirufen lassen, sandte er Leute aus mit dem Auftrage: „Jotipāla soll kommen.“

Dieser tat die von seinem Lehrer erhaltenen Gaben, den Bogen, den Köcher, die Rüstung, den Koller und das Diadem unter seine Kleidung, nahm sein Schwert und ging so wie in seiner gewöhnlichen Kleidung zum Könige hin und stellte sich ihm zur Seite. Da sagten die Bogenschützen: „Jotipāla ist doch gekommen, um seine Bogenkunst zu zeigen! Weil er aber, ohne einen Bogen mitzunehmen, gekommen ist, wird er wohl von uns einen Bogen nehmen wollen; wir wollen ihm keinen geben!“ So verabredeten sie sich.

Darauf wandte sich der König an Jotipāla und sagte: „Zeige deine Kunst!“ Dieser ließ um sich herum ein Zelt aufschlagen, entfernte im Zelte stehend sein Gewand, zog die Rüstung an, schlüpfte in den Koller und befestigte das Diadem auf seinem Haupte. Auf seinen Bogen aus Widderhorn zog er eine korallenfarbige Sehne auf, band den Köcher auf den Rücken und tat das Schwert an die linke Seite. Indem er dann einen Speer mit einer diamantenen Spitze auf der Spitze seines Nagels herumdrehte, öffnete er das Zelt und kam hervor wie ein reichgeschmückter Naga-Prinz, der die Erde durchbrochen. Er bezeigte dem Könige die schuldige Ehrung und blieb stehen. Als dies die Volksmenge sah, hüpften sie in die Höhe, schrieen und klappten mit den Fingern.

Hierauf sprach der König: „Zeige uns, Jotipāla, deine Kunst!“ Er erwiderte: „O Fürst, unter Euren Bogenschützen sind solche, die wie der Blitz treffen, solche, die ein Haar treffen, solche, die auf einen Laut hin treffen, und solche, die einen Pfeil im Fluge treffen; lasse vier solche Bogenschützen herbeirufen.“ Der König ließ sie rufen. Darauf machte das große Wesen im Innern eines viereckigen Raumes einen Pavillon [7], stellte an den vier Ecken die vier Bogenschützen auf, ließ einem jeden je dreißigtausend Pfeile geben und zu jedem Leute hinzustellen, die ihm die Pfeile reichen sollten; er selbst nahm den Speer mit diamantener Spitze, trat in die Mitte des Kreises und sprach: „O Großkönig, diese vier Bogenschützen sollen auf einmal ihre Pfeile abschießen und mich treffen; ich werde die von ihnen abgeschossenen Pfeile abwehren.“

Der König gab ihnen die Weisung, indem er sprach: „Tut so!“ Sie aber versetzten: „O Großkönig, wir sind Schützen, die wie der Blitz treffen, die ein Haar treffen, die auf einen Laut hin treffen, die einen Pfeil im Fluge treffen. Wir wollen ihn nicht treffen.“ Doch das große Wesen erwiderte: „Wenn ihr könnt, so trefft mich.“ Darauf sagten sie: „Gut“, und schossen auf einen Schlag ihre Pfeile ab. Das große Wesen fing sie mit seinem Speer auf und schleuderte sie beim Auffangen hierhin und dorthin. Als wollte es einen Wall herumlegen, schleuderte es sie weg, indem es den Griff nicht über den Griff, den Stiel nicht über den Stiel, die Feder nicht über die Feder hinausragen ließ, und machte so einen Haufen von Pfeilen. Nun waren die Pfeile der Bogenschützen zu Ende; als jener merkte, dass sie zu Ende waren, sprang er in die Höhe, ohne den Pfeilhaufen zu zerstören, und trat zum Könige hin. — Die ganze Volksmenge schrie auf vor Freude, hüpfte umher, schnippte mit den Fingern und warf unter großem Lärm ihre Gewänder und Schmucksachen weg; es wurden Schätze zusammengehäuft, die die Summe von hundertachtzig Millionen wert waren.

Darauf fragte ihn der König: „Was ist dies für eine Kunst, Jotipāla?“ Er antwortete: „Die Pfeilabhaltung, o Fürst.“ „Gibt es auch noch andere, die sie kennen?“ „Auf dem ganzen Jambu-Erdteil gibt es niemand außer mir, o Fürst.“ Der König fuhr fort: „Zeige noch eine andere Kunst, Lieber!“ Darauf sprach der Jüngling: „O Fürst, diese vier Leute konnten mich, obwohl sie an den vier Ecken standen, jetzt nicht treffen; ich aber will sie, während sie an den vier Ecken stehen, mit einem einzigen Speere treffen.“ Doch die Bogenschützen getrauten sich nicht, stehen zu bleiben. Da stellte das große Wesen an den vier Ecken vier Pisangs [eine Bananenart] auf, befestigte an dem Gefieder des Wurfspeeres einen roten Faden und schleuderte dann den Speer nach einem der Pisangs hin. Der Speer durchbohrte ihn und dann den zweiten und den dritten und den vierten; dann traf er den zuerst Getroffenen noch einmal und kehrte darauf in die Hand des Schleuderers zurück. Die Pisangs aber standen da von der Schnur rings zusammengehalten. Die Volksmenge ließ tausende von Beifallsrufen erschallen.

Darauf fragte der König: „Was ist dies für eine Kunst?“ Er antwortete: „Die Kreisdurchbohrung, o Fürst.“ „Zeige uns noch eine andere“, fuhr der König fort. Jetzt zeigte das große Wesen den Pfeilstab, die Pfeilschnur, die Pfeilflechte; es machte einen Pfeilpalast, einen Pfeilpavillon [8], eine Pfeiltreppe und einen Pfeilteich; es ließ eine Pfeillotosblume erblühen und ließ einen Pfeilregen regnen. Nachdem es so diese für andere unnachahmlichen zwölf Künste gezeigt, durchschoss es, was wiederum von anderen nicht ausführbar war, sieben starke Körper; es durchbohrte ein acht Zoll dickes Brett aus Udumbara-Holz [9], ein vier Zoll dickes Brett aus Asana-Holz [10], eine zwei Zoll dicke Kupferplatte und eine einen Zoll dicke Eisenplatte. Nachdem er sodann hundert zusammengebundene Bohlen durchbohrt hatte, schleuderte er seinen Pfeil auf einen Wagen mit Stroh, einen Wagen mit Sand und einen Wagen mit Brettern nach der vorderen Seite und ließ ihn auf der hinteren Seite wieder herauskommen; er schleuderte ihn nach der Hinterseite und ließ ihn auf der Vorderseite wieder hervorkommen. Im Wasser schoss er seinen Pfeil vier Usabhas [11] weit, auf dem Lande acht Usabhas weit; auf die Strecke von einem Usabha traf er ein Haar, als er merkte, dass es der Wind bewegte.

Während er so seine Künste zeigte, ging die Sonne unter. Der König erkannte ihm hierauf die Stelle des Heerführers zu und sagte zu ihm: „Jotipāla, heute ist es zu spät; morgen sollst du die dem Heerführer gebührende Ehrung empfangen. Lasse dir deinen Bart ordnen, bade und komme dann!“ Für diesen Tag aber gab er ihm zum Lohne hunderttausend Geldstücke.

Das große Wesen versetzte: „Danach verlangt mich nicht“, und gab den Schatz von hundertachtzig Millionen seinen Eigentümern zurück. Er selbst ordnete seinen Bart, badete und ging, mit allem Schmuck geziert, in unvergleichlicher Herrlichkeit in sein Haus; nachdem er hier sein Mahl von verschiedenartigem, höchstem Wohlgeschmack verzehrt hatte, bestieg er sein fürstliches Lager und legte sich nieder.

Nachdem er zwei Nachtwachen lang geschlafen, wachte er in der dritten Nachtwache auf und setzte sich mit gekreuzten Beinen auf sein Lager. Er betrachtete den Anfang, die Mitte und das Ende seiner Kunst und dachte dabei: „Meine Kunst besteht in ihrem Anfang in der Tötung anderer [12], in der Mitte in dem Genuss der Lüste [13] und ihr Ende ist die Wiedergeburt in der Hölle. Denn die Tötung von lebenden Wesen und die übermäßige Hingebung an den Genuss der Lüste bringt die Wiedergeburt in der Hölle mit sich. Der König hat mir die Stellung des Heerführers gegeben. Groß wird meine Macht sein und viele Frauen, Söhne und Töchter werde ich erhalten. Wenn aber das Leben in Befleckung sich weiter entwickelt hat, ist es schwer aufzugeben. Für mich geziemt es, sogleich mich zu entfernen, allein in den Wald zu ziehen und die Weltflucht der Weisen zu betätigen.“ Damit stand das große Wesen auf, stieg, ohne irgend jemand davon in Kenntnis zu setzen, von seinem Palaste herab, verließ durch das Haupttor die Stadt und zog allein in den Wald hinaus. Am Ufer des Godhāvarī-Flusses zog es an dem sich drei Yojanas weit erstreckenden Kavittha-Walde hin [14].

Als Gott Sakka seine Weltflucht bemerkte, rief er Vissakamma zu sich und sprach zu ihm: „Mein Lieber, Jotipāla hat die Weltflucht betätigt; es wird eine große Versammlung werden. Erbaue am Ufer der Godhāvarī in dem Kavittha-Walde eine Einsiedelei und richte die Ausrüstungsgegenstände für die Weltflüchtlinge her!“ Jener tat so.

Als nun das große Wesen an diesen Platz gelangte, sah es einen Pfad von Fußbreite, und indem es dachte: „Dies muss ein Wohnort für Weltflüchtlinge sein“, ging es auf diesem Wege dorthin. Als es niemanden dort fand, ging es in die Laubhütte hinein und sah hier die Ausrüstungsgegenstände für Weltflüchtlinge. Da dachte es: „Der Götterkönig Sakka hat meine Weltflucht wahrgenommen, glaube ich“; es zog sein Gewand aus, nahm ein gefärbtes Bastgewand als Ober- und Unterkleid und legte ein Antilopenfell auf die eine Schulter. Hierauf band es sich einen Flechtenkranz, nahm eine Grastragstange auf die Achsel und ergriff einen Stützstab. So ging es aus der Laubhütte hinaus, stieg den Wandelgang hinan und wandelte ein paar Mal hin und her. Indem es durch den Glanz seiner Weltflucht den Wald erglänzen ließ, betätigte es die Vorbereitungen zur Erreichung der Ekstase und erlangte am siebenten Tage nach seiner Weltflucht die acht Vollkommenheiten und die fünf Erkenntnisse. So lebte es dort einsam, indem es die dort liegen gebliebenen Ähren sammelte und sich von den Wurzeln und Früchten des Waldes nährte.

Als aber die Schar seiner Eltern, Freunde, Vertrauten und Verwandten ihn nicht mehr fand, weinten sie beständig. Ein Waldläufer aber sah in der Einsiedelei im Kavittha-Walde das große Wesen, erkannte es und teilte dies seinen Eltern mit. Diese berichteten es dem Könige. Der König versetzte: „Kommt, wir wollen ihn aufsuchen“, nahm die Eltern von jenem mit und gelangte so auf dem von dem Waldläufer gezeigten Wege mit einem großen Gefolge zum Ufer der Godhāvarī. Der Bodhisattva kam an das Ufer des Flusses, verkündigte ihnen in der Luft sitzend die Wahrheit und ließ sie hierauf seine Einsiedelei betreten. Auch dort verkündigte er ihnen in der Luft sitzend die Wahrheit, indem er ihnen den Nachteil darlegte, der in den Lüsten liege. Vom Könige angefangen betätigten sie alle die Weltflucht. So weilte der Bodhisattva daselbst, von der ganzen Schar der Asketen umgeben.

Dass er aber dort weilte, wurde auf dem ganzen Jambu-Erdteil bekannt. Könige kamen mit den Bewohnern ihrer Reiche und betätigten bei ihm die Weltflucht. Es war eine große Versammlung; allmählich wurden es viele tausende. Wenn einer einen Lustgedanken oder einen Gedanken des Hasses oder der Verletzung bei sich erwog, kam das große Wesen herbei, setzte sich vor ihm in die Luft und verkündigte ihm die Wahrheit; es erklärte ihm die Mittel zur Herbeiführung der Ekstase. Von denen aber, die bei seiner Ermahnung beharrten, zur Vollkommenheit gelangten und darin die Vollendung erreichten, waren Sālissara, Meṇḍissara, Pabbata, Kāḷadevala, Kisavaccha, Anusissa und Nārada [15] seine sieben ältesten [16] Schüler.

In der Folgezeit wurde die Kaviṭṭha-Einsiedelei ganz voll und für die Schar der Asketen war kein Platz mehr zum Wohnen. Da wandte sich das große Wesen an Sālissara und sprach zu ihm: „Sālissara, diese Einsiedelei ist für die Asketenschar nicht mehr ausreichend; nimm du diese Asketenschar mit dir und wohne im Reiche des Königs Candapajjota in der Nähe des Dorfes Lambacūlaka!“ Jener stimmte diesen Worten zu, zog mit der viele tausend Mann zählenden Asketenschar dorthin und nahm daselbst Wohnung.

Als aber wieder Leute kamen und dort die Weltflucht betätigten, wurde abermals die Einsiedelei angefüllt. Da sprach der Bodhisattva zu Meṇḍissara: „Nimm diese Asketenschar mit dir und — am Rande des Landes Suraṭṭha ist ein Fluss, Sātodikā mit Namen, — an dessen Ufer wohne!“ Mit diesen Worten entließ er ihn. Auf dieselbe Art schickte er beim dritten Male den Pabbata fort mit den Worten: „Im großen Urwalde ist der sogenannte Añjana-Berg; nimm in dessen Nähe Wohnung.“ Beim vierten Male sandte er den Kāḷadevala fort, indem er sagte: „Im Südlande, im Königreich Avanti ist der sogenannte Ghanasela-Berg; richte dir in dessen Nähe deine Wohnung ein.“

Abermals wurde die Kaviṭṭha-Einsiedelei von Bewohnern angefüllt; an den fünf verschiedenen Orten [17] befand sich eine aus vielen tausenden bestehende Asketenschar. Kisavaccha aber verabschiedete sich von dem großen Wesen und nahm im Reiche des Königs Daṇḍaki in der Stadt Kumbhavatī bei dem Heerführer im Parke seine Wohnung. Nārada nahm im Mittellande in einem Gebirge namens Arañjaragiri seinen Aufenthalt; Anusissa aber blieb bei dem großen Wesen. —

Zu dieser Zeit verstieß der König Daṇḍakī eine Geliebte, die großer Ehrung teilhaftig geworden war, aus ihrer Stellung. Als diese nach ihrer Gewohnheit umherwandelte und in den Park kam, sah sie dort den Asketen Kisavaccha und dachte: „Dies wird ein Unglücksvogel sein. Ich werde auf seinen Körper die Sünde übertragen, dann mich waschen und nach Hause gehen.“ Sie kaute einen Zahnstocher, spie zuerst von allem viel Speichel auf ihn und spie dann zwischen die Flechten des Asketen Kisavaccha hinein; dann warf sie auch noch den Zahnstocher auf sein Haupt, wusch danach selbst ihr Haupt und entfernte sich. Der König aber gedachte wieder ihrer und erwies ihr die frühere Ehrung. Dadurch kam sie in ihrer Verblendung auf den Gedanken: „Weil ich den Fehler auf den Leib des Unglücksvogels übertragen habe, habe ich großen Ruhm erlangt.“

Nicht lange danach verstieß der König den Hauspriester aus seiner Stellung. Dieser ging zu jenem Mädchen hin und fragte: „Aus welcher Veranlassung hast du wieder deine Stellung erhalten?“ Da berichtete ihm diese: „Weil ich im königlichen Parke auf den Körper eines Unglücksvogels den Fehler übertrug.“ Der Hauspriester ging hin und ließ auf dieselbe Weise auf den Körper von jenem den Fehler übergehen; und auch ihn setzte der König dann wieder in seine Stelle ein.

In der Folgezeit empörte sich gegen den König das Grenzland; von den Teilen seines Heeres umgeben zog er in den Kampf. Da fragte ihn jener verblendete Hauspriester: „O Großkönig, wünscht Ihr Sieg oder wünscht Ihr Niederlage?“ Als er antwortete: „Den Sieg“, fuhr jener fort: „Es wohnt ja im königlichen Parke ein Unglücksvogel; übertrage den Fehler auf dessen Körper und ziehe dann fort.“ Der König nahm seine Worte an und befahl: „Die mit mir Gehenden sollen im Parke auf den Körper des Unglücksvogels ihren Fehler übergehen lassen.“ Er ging in den Park hinein, kaute einen Zahnstocher und warf zu allererst selbst in die Flechten des Asketen seinen Speichel und den Zahnstocher hinein, worauf er sein Haupt badete. Auch sein Heer tat desgleichen.

Als er fort war, kam der Heerführer herbei; da er den Asketen sah, entfernte er von ihm die Zahnstocher, ließ ihn sich tüchtig waschen und fragte dann: „Was wird dem Könige geschehen?“ Der Asket antwortete: „Mein Lieber, ich empfinde keinen Hass; die Gottheiten aber sind erzürnt. Am siebenten Tage von heute an wird das Reich kein Reich mehr sein; entfliehe du rasch und gehe anderswohin!“ — Zitternd vor Furcht ging jener hin und erzählte dies dem Könige. Der König aber nahm seine Worte nicht an. Darauf kehrte jener um, ging in sein Haus, nahm Weib und Kinder mit auf die Flucht und begab sich in ein anderes Königreich. — Als aber der Meister Sarabhaṅga [17a] diese Begebenheit wahrnahm, schickte er zwei junge Asketen aus und ließ den Kisavaccha auf einem Tragbett durch die Luft zu sich holen.

Nachdem aber der König gekämpft und die Aufrührer gefangen genommen hatte, kehrte er in seine Stadt zurück. Als er angekommen war, ließen die Gottheiten zuerst Regen herabströmen. Nachdem durch die Regenflut alle Leichname fortgeschwemmt waren, kam oben auf den reinen Sand ein Regen göttlicher Blumen herab; auf die Blumen hinauf strömte sodann ein Regen von Masakas [18], auf die Masakas ein Regen von Kahapanas und auf die Kahapanas ein Regen von göttlichen Schmucksachen. Voll Freude begannen die Menschen das Gold und die Juwelen an sich zu nehmen. Da regnete auf ihre Körper ein Regen von mannigfachen funkelnden Waffen herab; dadurch wurden die Menschen in kleine Stücke zerhackt. Auf sie hinauf fielen große glühende Kohlen, auf dieses große, funkelnde Bergspitzen und auf diese herab senkte sich ein Regen von feinem Sande, der einen Raum von sechzig Ellen erfüllte.

So war eine Gegend, die sechzig Yojanas umfasste, zerstört worden; dass sie aber so zugrunde gegangen war, wurde auf dem ganzen Jambu-Erdteil bekannt. — Da dachten die drei Könige Kaliṅga, Aṭṭhaka und Bhīmaratha, die Herren über die an jenes Land angrenzenden Reiche: „In der Vorzeit wurde Kalābu, der König des Landes Kāsi, weil er sich gegen den Asketen Khantivādī verfehlt hatte, von der Erde verschlungen [19], so hört man. Dann ist Nālikīra, der die Asketen von Hunden hatte auffressen lassen, und der tausendarmige Ajjuna, der sich an Aṅgīrasa vergriffen, und endlich jetzt der König Daṇḍaki, weil er sich gegen Kisavaccha verfehlt hat, mitsamt seinem Reiche ins Verderben gestürzt; so hört man. Wo diese vier Könige ihrer Wiedergeburt erhalten haben, wissen wir nicht. Dies kann uns niemand anderes außer dem Meister Sarabhaṅga erklären; wir wollen ihn aufsuchen und ihn danach fragen.“ So zogen die drei mit großem Gefolge aus, um ihm ihre Frage vorzulegen. Sie wussten aber nicht, dass der und der oder der und der auch zu diesem Zwecke fortgezogen seien, sondern jeder einzelne meinte: „Ich allein ziehe dorthin.“ Unweit vom Godhāvarī-Fluss kamen sie zusammen. Sie stiegen von ihrem Wagen herab, bestiegen zu dritt einen einzigen Wagen und gelangten so an das Ufer der Godhāvarī.

In demselben Augenblick hatte Gott Sakka, während er auf seinem mit gelben Tüchern belegten Steinsitze saß, sieben Fragen sich ausgesonnen. Da dachte er: „Diese sieben Fragen zu beantworten, ist außer dem Meister Sarabhaṅga niemand in der Welt der Götter und Menschen im Stande; ihm will ich die Fragen vorlegen. Auch diese drei Könige sind an das Ufer der Godhāvarī gekommen, um dem Meister Sarabhaṅga eine Frage vorzulegen; nach ihrer Frage werde auch ich fragen.“ Von den Gottheiten aus zwei Götterwelten umgeben stieg er aus seinem Götterhimmel herab.

An demselben Tage war Kisavaccha gestorben. Um ihm die letzte Ehre zu erweisen, hatte aus den vier Orten eine Schar von vielen tausend Asketen für Kisavaccha einen Scheiterhaufen aus Sandelholz gemacht und seinen Leichnam darauf verbrannt. Auf allen Seiten des Verbrennungsplatzes fiel auf eine Strecke von einem halben Yojana ein Regen von göttlichen Lotosblumen nieder. Nachdem das große Wesen den Leichnam von jenem beigesetzt hatte [20], kehrte es in die Einsiedelei zurück und setzte sich nieder, umgeben von den Asketenscharen.

Als aber die Könige an das Flussufer kamen, gab es ein großes Getöse von ihrem Heere, den Wagen und den Musikinstrumenten. Da das große Wesen dies hörte, wandte es sich an den Asketen Anusissa und sprach zu ihm: „Mein Lieber, gehe sogleich hin und siehe nach, was das für ein Lärm ist.“ Jener ging mit seinem Wasserkruge dorthin; und als er die Könige sah, sprach er, um sie zu fragen, folgende erste Strophe:

§1. „Geschmückt mit Ohrringen und schönen Kleidern,
mit Edelstein' und Perlen, schwertumgürtet
steht ihr da, Landesherrscher; wer seid ihr?
Wie kennt man in der Welt der Menschen euch?“

Als sie seine Stimme vernahmen, stiegen sie von ihrem Wagen herab, bezeigten ihm ihre Ehrfurcht und blieben vor ihm stehen. Von ihnen sprach der König Aṭṭthaka, indem er den Asketen anredete, folgende zweite Strophe:

§2. „Aṭṭthaka bin ich, dieser Bhīmaratha,
König Kaliṅga nennt sich dieser Hohe.
Um wohl bezähmte Weise zu besuchen,
sind wir gekommen und auch, um zu fragen.“

Ihnen antwortete darauf der Asket: „Gut, o Großkönig; an einen Ort seid ihr gekommen, an den man kommen muss. Darum badet hier, ruht euch aus und kommt dann in die Einsiedelei; dort bezeigt der Asketenschar eure Verehrung und legt dem Meister eure Frage vor!“ Nachdem er so liebevoll mit ihnen gesprochen, hob er seinen Wasserkrug wieder auf [21]. Während er die Wassertropfen ausgoss, schaute er in die Luft empor. Da sah er, wie der Götterkönig Sakka, umgeben von Götterscharen, von der Schulter des Erāvaṇa [Indras Elefant] herabstieg, und er sprach, indem er ihn anredete, folgende dritte Strophe:

§3. „Im Äther droben steht er in der Luft
so wie der Vollmond [23] in des Himmels Mitte.
Ich frage dich, o Dämon groß von Macht:
Wie kennt man in der Welt der Menschen dich?“

Als dies Sakka hörte, sprach er folgende vierte Strophe:

§4. „Der bei den Göttern heißt Sujampati,
Maghavā heißt er in der Welt der Menschen;
und dieser Götterfürst ist heut gekommen,
um wohl bezähmte Weise zu besuchen.“

Darauf sagte ihm Anusissa: „Gut, o Großkönig, geht Ihr hinterdrein!“ Er nahm seinen Wasserkrug, ging in die Einsiedelei hinein und brachte den Wasserkrug an seine Stelle. Dann meldete er dem großen Wesen, drei Könige und der Götterkönig seien gekommen, um ihm Fragen vorzulegen. Der Bodhisattva setzte sich, von der Schar der Asketen umgeben, in der großen, ausgedehnten Rundung [24] nieder. Darauf kamen die drei Könige, bezeigten der Asketenschar ihre Verehrung und setzten sich zur Seite nieder. Auch Sakka stieg (aus der Luft) herab, ging zu der Asketenschar hin, faltete nach ihr hin die Hände, und indem er ihr mit Lobpreis seine Verehrung bezeigte, sprach er folgende fünfte Strophe:

§5. „Fernher wir hörten von der Weisen Schar,
der starken, die mit Wunderkraft versehen.
Gläubigen Sinns verehre ich die Edlen,
die in der Welt die Besten von den Menschen.“

Nachdem Sakka so der Asketenschar seine Verehrung bezeigt hatte, setzte er sich zur Seite nieder, indem er dabei die sechs Fehler beim Niedersetzen vermied. Als ihn aber Anusissa so unter dem Winde der Asketen sitzen sah, sprach er folgende sechste Strophe:

§6. „Der Duft der Weisen, die schon lang Asketen,
wird durch den Wind vom Körper weggetragen.
Geh weg von hier, du Tausendäugiger;
unrein ist, Götterfürst, der Weisen Duft.“

Als dies Gott Sakka hörte, sprach er folgende weitere Strophe:

§7. „Der Duft der Weisen, die schon lang Asketen,
werd' durch den Wind vom Körper weggetragen.
Wie nach dem duft'gen Kranz von bunten Blumen
verlangen wir nach diesem Dufte, Herr;
nicht zeigen Götter davor Widerwillen.“

Nach diesen Worten aber fügte er hinzu: „Herr Anusissa, ich bin mit großem Mute gekommen, um eine Frage vorzulegen; gib mir Erlaubnis dazu!“ Als jener seine Worte vernommen, erhob er sich von seinem Sitze, und indem er die Asketenschar um Erlaubnis bat, sprach er folgendes Strophenpaar:

 

§8. „Der Gabenspender, aller Wesen Herr,
der Götterfürst Maghavā Sujampati,
der König, der die Asuras besiegte,
begehrt Erlaubnis, eine Frag' zu stellen.
 
§9. Wer wird nun unter diesen Weisen,
wenn man ihn fragt [25], geschickte Fragen lösen,
die von drei Königen, den Herrn der Menschen,
dazu von Vasava, dem Götterfürsten?“

Als dies die Asketenschar vernahm, erwiderte sie: „Ehrwürdiger Anusissa, du redest wie einer, der auf der Erde steht und die Erde nicht sieht; wer anders außer dem Meister Sarabhaṅga ist im Stande, diese Frage zu beantworten?“ Und sie sprachen folgende Strophe:

§10. „Hier dieser weise Büßer Sarabhaṅga,
bezähmt und edel, unerfreut durch Unzucht,
der Sohn des Lehrers [26], der sich wohl im Zaum hält,
dieser wird ihnen ihre Fragen lösen.“

Nach diesen Worten aber sagte die Asketenschar zu Anusissa: „Ehrwürdiger, bezeige du allein dem Meister deine Verehrung und lasse dir im Namen der Asketenschar Erlaubnis geben, die von Sakka gestellte Frage zu verkündigen!“ Jener stimmte zu, verehrte den Meister und sprach, indem er um Erlaubnis bat, folgende weitere Strophe:

 

§11. „Beantworte, Kondañña [27], diese Fragen;
es bitten dich die Weisen wohlgesinnt.
Kondañña, dies ist bei den Menschen Brauch,
dass dem Erfahrnen zufällt diese Pflicht.“

Indem darauf das große Wesen sein Einverständnis äußerte, sprach es folgende weitere Strophe:

§12. „Es sei erlaubt; die Herren sollen fragen,
wonach nur immer sie im Sinn begehren.
Denn ich will alles euch beantworten,
da diese Welt ich kenne und die andre.“

Nachdem so von ihm die Erlaubnis gegeben war, legte Sakka die von ihm ausgedachte Frage vor.

Um diesen Sachverhalt zu erklären sprach der Meister:

§13. Und darauf Maghavā Sakka,
der Nutzenseher, Gabenspender,
legte die erste Frage vor,
die er sich hatte ausgedacht:
 
§14. „Was kann man schlagen, dass man 's nie bereut,
und wessen Aufgeben preisen die Weisen?
Von wem verzeiht man hier ein hartes Wort?
Verkünde mir, Kondañña, diese Sache!“

Indem jener darauf die Frage beantwortete, sprach er:

§15. „Wenn man den Zorn schlägt, fühlt man niemals Reue;
der Heuchelei Aufgeben preisen Weise.
Von allen man ein hartes Wort verzeihe;
den Gipfel der Geduld nennen dies Weise.“
 
§16. „Von zweien kann man wohl ein Wort ertragen,
von einem gleichen oder höh'ren Mann.
Doch wie kann man des Niedren Wort verzeihen?
Verkünde mir, Kondañña, diese Sache!“
 
§17. „Aus Furcht verzeiht man eines Höh'ren Wort
und um des Streites Willen das des Gleichen;
doch wenn des Niedren Wort einer verzeiht,
den Gipfel der Geduld nennen dies Weise.“

Von diesen und den folgenden Strophen ist als Rede und Gegenrede der Zusammenhang zu verstehen. —

Nach diesen Worten sprach Sakka zu dem großen Wesen: „Herr, zuerst sagtet Ihr: ‘Man verzeihe allen ein hartes Wort, dies ist die höchste Geduld’; jetzt aber sagt Ihr: ‘Wer hier einem Niedrigen sein Wort verzeiht, das nennt man die höchste Geduld’. Das letzte Wort von Euch passt nicht zum ersten!“ Darauf erwiderte ihm das große Wesen: „Sakka, mein letztes Wort habe ich gesprochen für den, der ein hartes Wort erträgt, obwohl er merkt, der andere ist niedriger. Weil man aber nicht allein an Gestalt und Aussehen erkennen man, ob die Menschen nicht höher und dgl. sind, darum habe ich das erste Wort gesprochen.“ Und um zu verkünden, dass man ohne nähere Bekanntschaft allein nach Gestalt und Aussehen schwer unterscheiden könne, ob jemand nicht höher stehe u. dgl., sprach er folgende Strophe:

 

§18. „Wie unterscheidet man bei feinem Aussehen [28],
ob es ein Höh'rer sei, ein Gleicher oder Niedrer?
Gar hässlich anzusehn wandeln die Weisen;
darum verzeihe allen man die Worte.“

Als dies Sakka hörte, verlor er seinen Zweifel und er bat: „Herr, verkündigt uns den Vorteil einer solchen Geduld!“ Darauf sprach zu ihm das große Wesen folgende Strophe:

§19. „Nicht könnt' ein großes Heer mitsamt dem König
im Kampf denselben Nutzen sich erringen,
wie ein gedulderfüllter, weiser Mann;
durch der Geduld Gewalt hört auf der Hass.“ —

Nachdem so von dem großen Wesen der Vorzug der Geduld erklärt war, dachten jene Könige bei sich: „Sakka stellt nur seine eigene Frage; uns wird er keine Gelegenheit geben lassen, unsere Frage zu stellen.“ Dieser aber erkannte ihren Gedanken, und indem er die von ihm selbst ausgedachten vier Fragen bei Seite ließ, sprach er, indem er nach ihren Wünschen fragte, folgende Strophe:

§20. „Indem ich deine gute Antwort lobe,
frag ich dich noch etwas; auf, sag es mir.
Wie Daṇḍaki und Nāḷikīra waren
und Ajjuna, Kalābu auch, der König,
von diesen Übeltätern nenn das Schicksal;
wohin gekommen sind der Weisen Mörder?“

Um ihm dies zu beantworten sprach das große Wesen folgende fünf Strophen:

§21. „Da Daṇḍaki besudelt' Kisavaccha,
ward er mit Stumpf und Stiel vertilgt
und büßt mit Volk und Reich in der Kukkula-Hölle;
auf seinen Körper fallen heiße Kohlen [29].
 
§22. Der wohl bezähmte Weltflüchtlinge täuschte,
recht redende, unschädliche Asketen,
den Nāḷikīra in der andern Welt
den Zappelnden fressen die Hunde auf.
 
§23. Doch in der Höll an einem Speer aus Eisen
hängt Ajjuna, Kopf abwärts, Füße oben,
weil er den Angirasen Gotama verletzt,
den Dulder, den lang heil'gen Büßer.
 
§24. Der dem Asketen schlug die Glieder ab,
welcher vom Dulden sprach und nie geschadet,
dieser Kalābu brennt jetzt in der Hölle;
er leidet schrecklich Pein und Furcht erregend.
 
§25. Wenn nun von solchen Strafen hört der Weise
und noch von andern, die weit ärger sind,
so tu' er recht Asketen und Brahmanen;
wenn so er handelt, kommt er in den Himmel.“

Nachdem so das große Wesen auseinandergesetzt hatte, wo jene vier Könige ihre Wiedergeburt gefunden hätten, wurden die drei Könige von ihrem Zweifel befreit. Darauf sprach Sakka um seine vier übrigen Fragen zu stellen folgende Strophen:

 

§26. „Gut sprachest du und großes Lob verdient dies.
Nach andrem frag ich dich, das sage mir:
 
Wie ist der, der ein Tugendhafter heißt?
Wie ist beschaffen der, der weise heißt?
Wie ist der, der ein guter Mann genannt wird?
Wie ist der, den das Glück niemals verlässt?“

Um ihm diese Fragen zu lösen, sprach das große Wesen folgende vier Strophen:

§27. „Wer wohl bezähmt im Handeln und im Reden
in seinem Sinne auch kein Unrecht tut
und nicht um Vorteils willen [30] Lügen sagt,
den so Beschaffnen nennt man tugendhaft.
 
§28. Wer tiefe Fragen sich ausdenkt im Geiste,
nicht eine Tat begeht, die schlecht und grausam,
die für die Zeit bestimmte Vorschrift nicht verletzt,
den so Beschaffnen nennt man einen Weisen [31].
 
§29. Wer aber dankbar und erkenntlich, weise,
ein guter Freund und treu ergeben ist,
dem, der in Not ist, eifrig Dienste leistet,
der so Beschaffne heißt ein guter Mann.
 
§30. Mit allen diesen Tugenden versehen,
gläubig und sanft, Recht liebend und leutselig —
den Güt'gen, Freundlichen, sanft Redenden,
den so Beschaffnen lässt niemals das Glück.“

So beantwortete das große Wesen diese Fragen, wie wenn es den Mond an der Fläche des Himmels heraufsteigen ließe. Im Folgenden kommt die Stellung und Lösung der übrigen Fragen:

§31. „Gut sprachest du und großes Lob verdient es;
nach andrem frag ich dich, das sage mir:
Tugend und Glück, dazu der Weisen Güte und Weisheit —
was nennt man davon das Höchste?“
 
§32. „Die Weisheit nennen Kundige das Höchste,
gleichwie der Mond [32] der König ist der Sterne;
Tugend und Glück, dazu der Weisen Güte,
die werden all dem Wissenden zu teil.“
 
§33. „Gut sprachest du und großes Lob verdient es;
nach andrem frag ich dich, das sage mir:
Wie muss man tun, was tun, wie muss man wandeln,
wem muss man nachgehn, dass man weise wird?
Den Weg zur Weisheit sollst du jetzt mir nennen;
was muss der Mensch tun, dass er weise wird?“
 
§34. „Er geh' den Alten, Klugen, Hochgelehrten nach;
ein Lerner sei er oder auch ein Frager.
Wenn er voll Eifer hört die guten Worte,
wenn also tut der Mensch, so wird er weise.
 
§35. Der Lüste Macht betrachtet wohl der Weise
nach der Vergänglichkeit, dem Leid, der Krankheit;
wenn er so nachdenkt, gibt den Wunsch er auf
zu diesen Lüsten leidvoll, Furcht erregend.
 
§36. So frei von Lust bezähme er den Hass
und Liebe ohne Maß betät'ge er;
wer auf Bestrafung aller hat verzichtet,
geht ungetadelt ein zum Brahmahimmel [33].“

Während aber so das große Wesen die Übel der Lüste erklärte, hörte bei diesen drei Königen und ihren ganzen Heeren durch das Aufgeben der entsprechenden Gesinnung [34] die Begierde nach der Sinnenlust auf. Als dies das große Wesen erkannte, sprach es, um sie zu erfreuen, folgende Strophe:

§37. „Ein großes Wunder hat gewirkt das Kommen
von dir, o Aṭṭthaka und Bhīmaratha,
und vom erhabenen König Kaliṅga;
euch alle hat die Sinnenlust verlassen.“

Als dies die Großkönige hörten, sprachen sie, um das große Wesen zu preisen, folgende Strophe:

§38. „So ist es, der du kennst der andren Denken:
Uns alle hat die Sinnenlust verlassen.
Gib uns Gelegenheit mit deiner Hilfe,
damit zu deinem Glücke wir gelangen.“

Um ihnen diese Erlaubnis zu geben, sprach das große Wesen folgende weitere Strophe:

§39. „Ich gebe [35] euch Gelegenheit zur Hilfe;
denn so ist eure Sinnenlust vergangen.
Durchdringt den Körper mit gewalt'ger Liebe,
damit zu meinem Glücke ihr gelanget.“

Als jene dies hörten, sprachen sie zustimmend folgende Strophe:

§40. „All deine Lehren wollen wir erfüllen,
was du nur immer sagst, du Weisheitsvoller.
Lasst uns durchdringen mit gewalt'ger Liebe,
damit zu deinem Glücke wir gelangen.“ —

Nachdem aber das große Wesen auch ihren Heeren die Aufnahme in das Asketentum gewährt hatte, sprach es, um die Schar der Asketen zu entlassen, folgende Strophe:

§41. „Geschehn ist jetzt die Ehrung Kisavacchas;
es mögen gehn die guten Herrn Asketen.
Bleibt der Ekstas' ergeben, immer standhaft;
dies ist die höchste Freude eines Frommen.“

Die Asketen nahmen seine Worte mit gesenktem Haupte an, bezeigten ihm ihre Verehrung, flogen in die Luft empor und begaben sich an ihren Aufenthaltsort zurück. Auch Gott Sakka erhob sich von seinem Sitze, dankte dem großen Wesen, faltete die Hände nach ihm und brachte ihm seine Verehrung war, als wollte er die Sonne verehren. Dann entfernte er sich mit seinem Gefolge.

Als der Meister diesen Sachverhalt wahrnahm, sprach er folgende Strophen:

§42. „Da sie gehört die Strophen voll von Wahrheit,
die von dem weisen Büßer gut gesprochen,
kehrten erfüllt mit Freude und Entzücken
ruhmreich die Götter in die Götterstadt.
 
§43. Nützlich sind diese Strophen, gut von Worten
und wohl gesprochen von dem weisen Büßer.
Wer immer sie anhört voll Achtsamkeit,
wird teilhaftig der Gnade der Erleuchtung.
Wenn er teilhaftig der Erleuchtung Gnade,
wird er des Todes König niemals sehen.“

 

§C. Nachdem so der Meister mit der Heiligkeit die Unterweisung gekrönt, fügte er hinzu: „Nicht nur jetzt, sondern auch früher, ihr Mönche, ergoss sich über Mogallānas Verbrennungsplatz ein Blumenregen herab“, und sprach dann, um das Jātaka zu verbinden:

§44. „Sālissara war Sāriputta,
Meṇḍissara war Kassapa,
Pabbata war Anuruddha
und Devala Kaccayana.
Anusissa war Ānanda,
Kisavaccha war Kolita,
Sarabhaṅga der Bodhisattva;
so kennt ihr dieses Jātaka [35a].“

Ende der Erzählung von Sarabhaṅga


[1] Im Gegensatz dazu übersetzt Francis merkwürdigerweise „an Elder“.

[2] Es kann auch heißen: mit Namen Samanagottaka.

[3] Zwei mächtige Naga-Fürsten, die Mogallāna bekehrte.

[4] Vgl. die Vorerzählung zum 299. Jātaka.

[5] Vielleicht eine bestimmte Quälerei, oder es bedeutet einfach „er hieb ihn kurz und klein“.

[6] Wörtlich: „zum Geld für die Milch“.

[6a] Im weiteren Verlauf des Jātaka wird Jotipāla als Asket mit dem Namen Sarabhaṅga bezeichnet. Von diesem hat das Jātaka seinen Namen.

[6b] veralteter Ausdruck für breiten Kragen, Wams.

[7] Besser ist wohl die Lesart einer Handschrift „mandalam“, „einen Kreis“.

[8] Eine Handschrift hat hier beigefügt „sarapakaram“, „einen Pfeilwall“, damit die Zwölfzahl herauskommt.

[9] Ficus glomerata.

[10] Terminalia alata tomentosa.

[11] Vgl. Jātaka 442 Anm. 6 [Ein Usabha sind 140 Ellen oder 20 Klafter].

[12] Den Vorzug verdient schon wegen der Entsprechung mit dem folgenden „panatipato“ die Lesart „paramaranam“. Francis übersetzt falsch „evidently death“.

[13] Durch seine Kunst kann er sich die Mittel hierzu verschaffen.

[14] Kavittha ist der Baum Feronia elephantum.

[15] Diese sieben Asketen spielen auch im Jātaka 423 eine Rolle.

[16] Wie so oft nur vom Range gebraucht.

[17] Nämlich in der genannten Einsiedelei und in den vier anderen, die inzwischen gegründet waren.

[17a] Siehe Anm. 6a.

[18] Eine kleine Münze.

[19] Diese Geschichte ist erzählt im Jātaka 313. Auch die folgenden Zitate sind öfters erwähnt.

[20] Nach buddhistischer Sitte, die hier vorausgenommen ist, wurden die Überreste in einem Monument (thupa) beigesetzt.

[21] Francis führt eine Parallele aus einem altbengalischen Gedicht an, wo auch der Wasserkrug als gutes Omen gilt.

[23] Wörtlich: „der Mond am fünfzehnten des Monats“.

[24] Ein runder Platz in der Einsiedelei entspricht der späteren Lehrhalle im buddhistischen Kloster.

[25] „putho“ steht nur aus metrischen Gründen für „puttho“.

[26] Sarabhaṅga war, wie oben angeführt, der Sohn des Hauspriesters des Königs.

[27] Dies ist nach dem Kommentator der Familienname des Sarabhaṅga.

[28] Wörtlich: „vierfach geglättet aussehend“. Der Kommentator bezieht dies natürlich nur auf die vier Arten edlen Wandels.

[29] Nach der Erklärung des Kommentators. Wörtlich heißt es „männliche Glieder“.

[30] Trotz der den Handschriften gemeinsamen Lesart „atta“ liegt doch wohl „attho“ zugrunde.

[31] Der Kommentator gibt folgende Strophe dazu, die auch im Jātaka 546 Strophe 0.51 vorkommt:

„Die Weisen, um des eignen Glückes willen
sie führen keine bösen Taten aus;
auch wenn sie sind von Leid berührt und fallen,   
lassen sie nicht das Recht aus Hass und Liebe.

[32] Wörtlich „der König der Konstellationen“.

[33] Diese beiden Verse stehen auch im Jātaka 505 Strophe 26.

[34] Dies dürfte trotz der Ausführungen bei Childers die eigentliche Bedeutung von „tadangapahanam“ sein.

[35] Es muss, wie auch Francis bemerkt, „karomi“ statt „karohi“ heißen.

[35a] Strophe 44 hat die ungewöhnliche Länge von 8 Zeilen.


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