Selbstmord, Sterbehilfe (ärztlich assistierter Suizid) aus buddhistischer Sicht

Frage:

Wenn man das Leben so schnell wie möglich wieder loswerden will und das Ziel die Vernichtung im Nirvana ist, degradiert man dann das Leben nicht zu etwas sinnlosem, das man am besten gar nicht erhalten hätte? Man gleicht dann doch einem Menschen, der sich aus Angst vor dem Tod suizidiert?


Selbstmord:

Das Leben ist nicht sinnlos, es gibt ihnen die Möglichkeit aus dem Samsara Kreislauf, des geboren werden – Altern – Erkranken und Sterben auszubrechen. Man kann das Leben gar nicht vermeiden und es ist ihnen nicht gegeben worden, sie haben es sich selbst gegeben, durch die Willenstätigkeiten (Karma) in ihren früheren Leben sind sie zu dem geworden, was sie jetzt sind, selbstverständlich durch die Mithilfe und Aufopferung Ihrer Eltern, denen sie größten Respekt zeigen sollten (siehe A.ii.34; A.iii.31; A.iii.45; A.iv.4; A.iv.63; usw.).

 

Ob sie es wollen oder nicht, sie müssen wieder kommen, auch wenn sie sich mit Händen und Füßen dagegen sträuben oder sich sogar das Leben nehmen. Im Grunde genommen kommen sie wieder, weil sie es eigentlich selbst wollen, ohne das sie sich dessen bewusst sind.

 

Man macht einen Suizid, einen Selbstmord, nur aus Unwissenheit über die Tatsache, dass man nur diesen Körper zerstört und die übrig bleibende geistige Energie zu einer neuen Wiedergeburt führt.

 

So einfach kann man dem Samsara - Kreislauf nicht entrinnen. Wir sitzen darin fest, wie ein Zug auf dem Gleis. Ohne Buddhas Wissen und seiner Meditation sind wir nicht in der Lage den Geburten-Kreislauf zu verlassen.

 

Wir haben es nicht in der Hand, wo und wann wir wieder geboren werden, wie die Umstände sein werden, ob wir nicht in schlechte Gesellschaft kommen und dadurch wieder auf Abwege geraten. Dieses Leben ist etwas sehr wertvolles, es ist sehr schwer zu erlangen, vergleichen Sie dazu das Gleichnis von der Schildkröte in Samy. 56.47 und Majjh 129

 

Wenn man jetzt denkt, durch eine gute und edle Lebensweise zu vorteilhafter Wiedergeburt zu kommen, in eine reiche Familie hineingeboren zu werden und dadurch ein gutes Leben führen zu können, muss wieder enttäuscht werden. Dadurch, dass man reich ist, wird Gier aufsteigen und man wird wieder einen schlechten Lebenswandel führen und wieder auf Abwege geraten. Und so wandern wir seit unendlichen Zeiten durch die verschiedenen (31) Existenzebenen. Im 15ten Samyutta Nikaya sind einige beeindruckende Beispiele angeführt, wie lange wir schon diese Daseinsrunde durcheilen. Hier erzählt Buddha, dass wir schon mehr Blut und Tränen vergossen haben, als das Wasser der vier Weltmeere. Oder das es sehr schwierig ist, irgendein Wesen zu finden, das nicht früher schon einmal Mutter - Vater - Bruder - Schwester - Sohn - Tochter gewesen wäre, während dieser langen Zeit. (Im Therigatha 495 in Gedichtform), (über Buddhas frühere Leben siehe im Milinda Pañha 4.4.6)

 

Wie sie sehen, ist der Selbstmord sinnlos, er ist eine große Verschwendung. Buddha hat aus diesem Grunde seinen Mönchen verboten sich das Leben zu nehmen, weil ein sittlicher Mönch den Laienanhängern die Möglichkeit bietet, durch Gabenspenden großes Verdienst zu erwerben (Mil.P. 4.4.6; Mil.P.2.2.4), allerdings führte eine Übertretung nur zu einem leichten Vergehen (dukkata).

 


Siehe die Fußnote Nr. 40 aus dem Buch 'Die Heilslehre von Buddha' von G Krauskopf:

Der Selbstmord gilt als verwerflich, solange eine Lebensverkettung vorliegt, und sie besteht gerade bei den Selbstmördern am stärksten. Das Leben gilt als zu kostbar, um leichtsinnig oder gewaltsam unterbrochen zu werden. Nach der Karmalehre knüpft jeder Selbstmörder wieder dort sein Leben an unter ähnlichen Umständen, wo er es verlassen hat. Der Kampf mit dem Leben soll aufgenommen werden, weil nur dadurch eine Verbesserung des gegenwärtigen und zukünftigen Lebens erreicht werden kann.

"Wie hat er sich betrogen!
Hier stand er hinterm Busch versteckt,
Dort steht er bloß und aufgedeckt,
Und alles, was ihn hier erschreckt,
Ist mit ihm gezogen.
Wie hat er sich betrogen!

(Matthias Claudins)

Anders liegt der Fall bei einem Entsüchteten, dem von Gier, Hass und Wahn befreiten. Bei diesem entsüchteten und zu Ende gekommenen Leben ist es gleich, wann und wie der körperliche Tod erfolgt, da nichts mehr da ist, was neu Fuß fassen kann (M 144, B.u.s.J.).


Sterbehilfe:

Noch ein paar Worte zur Sterbehilfe, die in der heutigen Zeit üblich geworden ist. Sie ist in Deutschland verboten (2010) aber in einigen umliegenden Ländern erlaubt. Z.B haben sich, laut dem Spiegel Magazin, in Belgien im Jahre 2010 über 3000 Menschen umbringen lassen.

Nach Buddhas Lehre ist die Sterbehilfe nicht akzeptabel, sie ist nicht erlaubt.

Sie erzeugt bei dem ausführenden Arzt ein negatives Karma und dem Opfer wird die Möglichkeit genommen, weitere Erkenntnisse auf dem Weg zur Leidbefreiung zu erreichen, bzw. sein noch vorhandenes negatives Karma abzuarbeiten oder abzudienen.

Dem Opfer wird damit in keiner Weise geholfen, er wird im nächsten Leben, wie es G Krauskopf oben schon gesagt hat, unter ähnlichen Bedingungen wieder anknüpfen.

Man kann seinem Schicksal nicht entfliehen, davon laufen funktioniert nicht, es ist besser sich bewusst Atemzug, um Atemzuge voranzukämpfen, mit ungeteilter Achtsamkeit einatmen - ausatmen - einen Augenblick bei dem Schmerz verweilen, usw., solange bis der natürliche Tod eintritt.

Und wenn man meint, es nicht mehr auszuhalten, dann sollte man nicht jemand bitten den Tod herbeizuführen, damit lädt man unnötig Schuld auf sich, es ist eine Anstiftung zum Töten, ob es sich dabei um jemand anders oder sich selbst handelt, macht hier keinen Unterschied.

Aus Mitleid oder Liebe töten - ist ein Paradox und gibt es gar nicht, die Wortwahl ist falsch, man kann nicht aus Mitleid oder Liebe töten, in dem Moment in dem man den Abzug oder die Spritze durchdrückt, kann keine Liebe vorhanden sein, sonst wäre es unmöglich die Tötung durchzuführen, es muss für einen Augenblick Hass oder Abneigung aufsteigen, nur dann ist der Akt durchführbar. Dieser kurze Augenblick erzeugt ein sehr starkes negatives Karma, dessen Auswirkung sich über viele zukünftige Leben erstrecken, und großes Leiden verursachen kann.

Dasselbe gilt übrigens auch bei Tieren.

Jemanden zum Selbstmord bzw. zum Töten zu überreden, ist eines der vier schweren Vergehen (siehe Pārājika 3̄; MV.i.78), das zum Ausstoß aus dem Mönchsorden führt.

Es ist ein Ereignis überliefert. bei dem ein Mönch am Henkersplatz vorüberging und dem Henker vorschlug, er möge den Täter nicht leiden lassen und ihn schnell töten. So etwas vorzuschlagen ist ein schweres Vergehen, das zum Ausschluss aus dem Orden führt (siehe Bemerkungen zum Pārājika). Auch hier würde dem Täter die Möglichkeit verwehrt noch vorhandenes schlechtes Karma abzudienen oder noch Erkenntnisse zu erlangen, man sollte sich in so einem Fall nicht einmischen, hier helfen zu wollen, führt genau zum Gegenteil.


Unzeitiger Tod:

Es gibt auch die Möglichkeit eines unzeitigen Todes, d.h., obwohl die Zeit noch nicht gekommen ist, kann der Tod eintreten, siehe Milinda Pañha 4.8.8.

Wie z.B. die vielen Tausend Menschen, die in Japan am Ende des Zweiten Weltkrieges durch die Atombombe zu Tode gekommen sind, nicht alle karmabedingt das Lebensende erreicht hatten, sondern viele zur Unzeit gestorben sind. Aber hier gilt das schon oben Gesagte, sie werden alle wieder da anknüpfen, unter ähnlichen Bedingungen, wo sie aufgehört haben.


Karmaauswirkung:

Damit jetzt nicht der falsche Eindruck entsteht, dass zu jeder karmischen Willenstätigkeit, das genau entsprechende Resultat auftritt, sei hierzu gesagt, das dem nicht so ist, sonst wäre eine Erlösung nicht möglich, wie Buddha in A.iii.101 erklärt.

Dieselbe schlechte Tat kann sehr unterschiedliche Auswirkungen bei verschiedenen Personen hervorrufen. Es hängt von dem jeweiligen geistigen Entwicklungsstand ab, ein sanftmütiger Geist wird für dieselbe Tat sicherlich ganz anders getroffen als ein böswilliger Geist.

Vielleicht vergleichbar mit einem Boot (den guten Taten), mit dem man das rettende Ufer erreichen möchte und die Ladung (die schlechten Taten). Je nach Größe des Bootes kann man viel Zuladen, bis es untergeht.

Ein geplanter Mord, wo die gierigen und hassvollen Gedanken unzählige Male über Tage und Wochen immer wieder im Geiste aufsteigt, hat eine viel stärkere Auswirkung als eine Tat, die im Effekt ausgeführt wird, wo Gier und Hass nur kurz auftreten.

Man sollte nicht über die Karmaauswirkungen nachdenken, Buddha hat es als eine der vier Undenkbarkeiten bezeichnet, die nur zum Wahnsinn führen, siehe acinteyya.


Wolfgang Greger
Chiangmai 2011


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