Anguttara Nikaya, 4. Buch

4. Kapitel:  4. Cakka Vagga - (Pali)

A.IV.31 Vier Segnungen - 1. Cakka Sutta

Vier Segnungen (*1) gibt es, ihr Mönche, in deren Besitz Göttern und Menschen vierfacher Segen beschieden ist und in deren Besitz Göttern und Menschen in nicht langer Zeit großer, gewaltiger Reichtum erwächst. Welches sind diese vier Segnungen?

In günstigem Lande leben, mit guten Menschen verkehren, eigene rechte Gesinnung und einst gewirkte Verdienste (*2).

»Wer in günstigem Lande wohnet,
Edle sich zu Freunden macht,
recht gesinnt in seinem Herzen,
Gutes tat in früherem Leben,
der wird volle Scheunen haben,
Reichtum, Ehre, Ruhm und Glück.«

(*1) cakkāni; K: = sampattiyo. Dies ist eine der figurativen Bedeutungen von cakka, 'Rad'.

(*2) Vgl. Snp. 259-260 (Mahā-mangala-Sutta).


A.IV.32 Die vier Gunsterweisungen  - 2. Saṅgaha Sutta

Vier Gunsterweisungen (*1) gibt es, ihr Mönche. Welche vier? Geben, liebevolle Worte, hilfreicher Wandel und Gleichheitsbezeigung (*2).

»Gaben, sowie sanfte Worte,
hilfreich Tun in dieser Welt,
Brudersinn in allen Dingen,
da und dort, wo es sich ziemet,
halten diese Welt zusammen,
wie die Achsen einen Wagen.
 
Gäb's nicht diese Gunsterweisung,
würden wahrlich nicht die Kinder
ihrem Vater, ihrer Mutter
Achtung sowie Ehre zeigen.
 
Weil nun diese Gunsterweisung
der Verständige betätigt,
drum erwirbt er wahre Größe,
und auch Lob wird ihm zuteil.«

(*1) sangaha-vatthūni; sangaha bedeutet wtl 'Zusammenhalt', worauf das Gleichnis in den Versen anspielt.

(*2) dānam peyyavajjam atthacariyā samānattatā. - 'Hilfreicher Wandel': durch guten Rat und praktische Hilfeleistung. »Gleichheitsbezeigung«: gleichmäßiges Verhalten, Unparteilichkeit; durch Gleichstellung und Gemeinschaftsgeist im täglichen Leben; Teilnahme an Freud und Leid. Vgl. A.VIII.24: A.IX.5: Verse auch in D.31 (Schluß).


A.IV.33 Der Löwe  - 3. Sīha Sutta

Der Löwe, ihr Mönche, der König der Tiere, tritt des Abends aus seiner Höhle heraus. Aus der Höhle herausgetreten, springt er empor. Empor gesprungen, späht er nach allen vier Seiten. Nachdem er nach allen vier Seiten gespäht hat, stößt er dreimal sein Löwengebrüll aus. Hat er dreimal sein Löwengebrüll ausgestoßen, dann zieht er auf Beute aus. Die Tiere aber, die die Stimme des brüllenden Löwen, des Königs der Tiere, vernehmen, überkommt gewöhnlich Furcht, Zittern und Beben. Die Höhlentiere verkriechen sich in ihre Höhlen, die Wassertiere schlüpfen in das Wasser, die Waldtiere fliehen in den Wald, die Vögel suchen die Lüfte. Selbst die Elefanten des Königs, die in Dorf oder Stadt in den königlichen Stallungen mit starken Riemen und Stricken angebunden sind, durchbrechen ihre Stricke und fliehen hierhin und dorthin, dabei vor Angst Kot und Urin verlierend. Solch große Macht unter den Tieren besitzt der Löwe, der König der Tiere, solche Gewalt, solchen Einfluß!

Ebenso nun ist es, ihr Mönche, wenn da der Vollendete in der Welt erscheint, der Heilige, vollkommen Erleuchtete, der in Wissen und Wandel Bewährte, der Kenner der Welt, der unvergleichliche Lenker führungsbedürftiger Menschen, der Meister der Götter und Menschen, der Erleuchtete, der Erhabene. Und er weist die Lehre: 'Das ist das Ichgebilde (*1), das ist die Entstehung des Ichgebildes, das ist die Aufhebung des Ichgebildes, das ist der zur Aufhebung des Ichgebildes führende Weg.' Selbst jene Götter, ihr Mönche, die langlebigen, herrlich schönen, die in ihrer Glückesfülle seit undenklichen Zeiten in hehren, himmlischen Palästen wohnen, selbst diese überkommt gewöhnlich Furcht, Erschütterung und Beben, wenn sie die Lehrverkündung des Vollendeten hören. 'Ach', klagen sie, 'die wir vergänglich sind, wir dünkten uns unvergänglich! Die wir dauerlos sind, wir dünken uns beständig! Die wir wandelbar sind, wir dünkten uns ewig! Vergänglich sind wir also, dauerlos, wandelbar, in den Ichbildungen einbegriffen (*2)!' Solch große Macht, ihr Mönche, eignet dem Vollendeten innerhalb der Welt mit ihren Göttern, solche Gewalt, solcher Einfluß!

»Das Reich der Wahrheitslehre,
wie er's selbst erkannt,
hat, als ein Lehrer ohnegleichen,
der Buddha dieser Welt gekündet:
 
Das Ichgebilde, seinen Ursprung,
sein Ende und den Weg dazu,
der alles Leid zur Stillung bringt.
 
Und die Götter langen Lebens,
die in Glanz und Würde strahlen,
zitterten vor Furcht und Schrecken,
wie die Tiere vor dem Löwen:
 
'Ach, dem Dasein unterworfen,
sind wir dauerlos, vergänglich!',
klagten sie, als sie vernahmen
des Heil'gen, des Erlösten Wort.«

(*1) sakkāya, wtl: 'die seiende Gruppe' (sat-kāya); meist mit 'Persönlichkeit' wiedergegeben, eine Bezeichnung der fünf Daseinsgruppen.

(*2) sakkāya-pariyāpannā; d.h. dem Kreislauf der Wiedergeburten unterworfen.


A.IV.34 Das höchste Vertrauen  - 4. Aggappasāda Sutta

Vier Arten des höchsten Vertrauens gibt es, ihr Mönche. Welche vier?

Was es auch an Wesen gibt, ihr Mönche, an Fußlosen, an Zweifüßern, Vierfüßern oder Vielfüßern, an körperlichen oder körperlosen Wesen, an bewußten, unbewußten oder halb bewußten (*1) Wesen: als höchster unter ihnen gilt der Vollendete, der Heilige, der vollkommen Erleuchtete. Jene nun, ihr Mönche, die auf den Erleuchteten vertrauen, die vertrauen auf das Höchste. Denen aber, die auf das Höchste vertrauen, ist höchster Segen (aggo vipāko, 'höchstes Karma-Ergebnis') beschieden.

Was es auch an Gestaltetem (dhammā sankhatā)(*2) gibt, als höchstes darunter gilt der edle achtfache Pfad. Jene nun, die dem edlen achtfachen Pfade vertrauen, die vertrauen auf das Höchste. Denen aber, die auf das Höchste vertrauen, ist höchster Segen beschieden.

Was es auch an Gestaltetem und Ungestaltetem (asankhatā)(*2) gibt, als höchstes darunter gilt die Entsüchtung, nämlich die Dünkelzerstörung, die Stillung des Durstes, die Vernichtung des Haftens, das Durchbrechen der Daseinsrunde, das Versiegen des Begehrens, die Entsüchtung, das Erlöschen, das Nibbana. Diejenigen nun, die der Lehre der Entsüchtung vertrauen, die vertrauen auf das Höchste. Denen aber, die auf das Höchste vertrauen, ist höchster Segen beschieden.

Was es auch an Jüngerschaften oder Mönchsgemeinden gibt, als höchste unter ihnen gilt die Jüngerschaft des Vollendeten, als da sind die vier Paare der Heiligen, die acht Arten der Heiligen. Diese Jüngerschaft des Erhabenen ist würdig des Opfers, würdig der Gastspende, würdig der Gaben, würdig des ehrfurchtsvollen Grußes, der beste Boden in der Welt für gute Werke. Diejenigen nun, die der Jüngerschaft vertrauen, die vertrauen auf das Höchste. Denen aber, die auf das Höchste vertrauen, ist höchster Segen beschieden.

Diese vier Arten des höchsten Vertrauens gibt es, ihr Mönche.

»Wer Vertrauen hat zum Höchsten
und die höchste Lehre kennt;
wer dem Buddha, als dem Höchsten,
der der größten Ehrung würdig;
 
wer der Lehre, als dem höchsten
Friedensglücke der Entsüchtung;
wer dem Orden, als dem höchsten,
besten Boden guter Werke -
diesen dreien wer vertraut,
auch dem Höchsten Gaben spendet,
dem erwächst der höchste Segen,
hohes Alter, Schönheit, Ruhm,
Glück und Kraft und hohes Ansehen.
 
Ein Weiser, der dem Höchsten gibt,
ergeben ist der höchsten Lehre,
als Götterwesen oder auch als Mensch
wird höchste Freude ihm zuteil.«

(*1) neva-saññā-nāsaññino, Wesen des Bereichs von Weder-Wahrnehmung-noch-Nicht-Wahrnehmung, eine Daseinsform, die der vierten der unkörperlichen Vertiefungen (arūpa-jjhāna) entspricht.

(*2) Als 'gestaltet' (sankhata) gelten sämtliche materiellen und geistigen Daseinsgebilde (sankhāra); 'ungestaltet' (asankhata) ist lediglich das Nibbāna.


A.IV.35 Vassakāra  - 5. Vassakāra Sutta

Einst weilte der Erhabene im Bambushain bei Rājagaha, am Fütterungsplatz der Eichhörnchen. Damals nun begab sich der Brahmane Vassakāra, ein Minister des Landes Magadhā, zum Erhabenen. Dort angelangt, wechselte er mit dem Erhabenen freundlichen Gruß, und nach Austausch höflicher, zuvorkommender Worte setzte er sich zur Seite nieder. Zur Seite sitzend, sprach der Brahmane Vassakāra zum Erhabenen also:

»Wer, Herr Gotama, vier Eigenschaften besitzt, den nennen wir einen Weisen, einen großen Mann. Welches sind die vier Eigenschaften?

Wer, Herr Gotama, diese vier Eigenschaften besitzt, den nennen wir einen Weisen, einen großen Mann.

Kann man mir darin zustimmen, so möge mir der Herr Gotama zustimmen. Muß man mich aber darin tadeln, so möge mich der Herr Gotama tadeln.« -

»Weder stimme ich dir zu, Brahmane, noch tadle ich dich. Ich aber nenne den einen Weisen, einen großen Mann, der folgende vier Eigenschaften besitzt:

Da wandelt einer vielem Volke zum Heil, vielem Volke zum Wohl, und viele Wesen führt er zur heiligen Pfadlehre, nämlich zum Guten und Heilsamen.

Welchen Gedanken er hegen will, den Gedanken hegt er; welchen Gedanken er nicht hegen will, den Gedanken hegt er nicht. Welche Gesinnung er hegen will, die Gesinnung hegt er; welche Gesinnung er nicht hegen will, die Gesinnung hegt er nicht. So hat er bei den Gedankengängen den Geist in der Gewalt.

Die vier Vertiefungen, die erhaben-geistigen, gegenwärtiges Wohl gewährenden, die gewinnt er nach Wunsch, ohne Mühe, ohne Schwierigkeit.

Durch Versiegung der Triebe erreicht er noch bei Lebzeiten die triebfreie Gemütserlösung und Weisheitserlösung, sie selber erkennend und verwirklichend.

Weder stimme ich dir zu, Brahmane, noch tadle ich dich. Ich aber nenne einen, der diese vier Eigenschaften besitzt, einen Weisen, einen großen Mann.«

»Wunderbar ist es, Herr Gotama, erstaunlich ist es, Herr Gotama, wie der Herr Gotama dies so gut gesagt hat. Als mit eben diesen vier Eigenschaften ausgestattet wollen wir des Herrn Gotama gedenken. Denn der Herr Gotama wandelt vielem Volke zum Heil . . . (fortzusetzen wie oben bis:) . . . sie selber erkennend und verwirklichend.« -

»Wahrlich, Brahmane, zutreffende und angemessene Worte hast du da gesprochen. So will denn auch ich dir erklären: 'Ich, wahrlich, wandle vielem Volke zum Heil, vielem Volke zum Wohl, und viele Wesen führe ich zur heiligen Pfadlehre, nämlich zum Guten und Heilsamen. - Welchen Gedanken ich hegen will, den Gedanken hege ich; welchen Gedanken ich nicht hegen will, den Gedanken hege ich nicht. Welche Gesinnung ich hegen will, die Gesinnung hege ich; welche Gesinnung ich nicht hegen will, die Gesinnung hege ich nicht. So habe ich bei den Gedankengängen meinen Geist in der Gewalt. - Die vier Vertiefungen, die erhaben-geistigen, gegenwärtiges Wohl gewährenden, die gewinne ich nach Wunsch, ohne Mühe, ohne Schwierigkeit. - Durch Versiegung der Triebe habe ich noch bei Lebzeiten die triebfreie Gemütserlösung und Weisheitserlösung erreicht, sie selber erkennend und verwirklichend.«

»Der für alle Wesen ausfand
Lösung von der Todesfessel,
der den Pfad der Lehre kundtat,
Segensbringer für die Welt, -
Ihn zu sehen und zu hören,
zeugt Vertrauen in vielen Herzen.
 
Er, des Wegs und Irrwegs kundig,
Triebbefreiter, der sein Werk vollbracht,
Träger letzten Leibes, ein Erwachter,
wird zu Recht ein großer Mann genannt.«

A.IV.36 Weltüberwindung  - 6. Doṇa Sutta

Einst wanderte der Erhabene auf der Landstraße zwischen Ukkattha und Setavya. Und auch Dona, ein Brahmane (*1), wanderte damals gerade auf dieser Landstraße. Da bemerkte der Brahmane Dona in den Fußspuren des Erhabenen die Radzeichen (*2), mit ihren tausend Speichen, mit Reifen und Naben, vollständig mit allen Kennzeichen. Als er das sah, dachte er: »Wunderbar ist dies, erstaunlich ist dies! Wahrlich, dies können nicht die Fußspuren eines menschlichen Wesens sein!«

Da nun wandte sich der Erhabene vom Wege ab und setzte sich mit gekreuzten Beinen am Fuße eines Baumes nieder, den Körper gerade aufgerichtet, die Achtsamkeit vor sich gegenwärtig haltend. Alsbald erblickte Dona, der Brahmane, wie er den Fußspuren folgte, den Erhabenen am Fuße eines Baumes sitzend, freundlich und vertrauenerweckend mit gestillten Sinnen, gestilltem Herzen, im Besitze höchster Selbstbeherrschung und Ruhe, bezähmt und behütet, den Helden mit bewachten Sinnen. Nachdem er den Erhabenen erblickt hatte, näherte er sich ihm und sprach zu ihm also:

»Sollte der Herr wohl ein Gott werden (*3)?« -
»Nicht werde ich, Brahmane, ein Gott sein.« -
»Oder sollte der Herr ein Geist (gandhabba) werden?« -
»Nicht werde ich, Brahmane, ein Geist sein.« -
»Sollte dann etwa der Herr ein Dämon werden?« -
»Nicht werde ich, Brahmane, ein Dämon sein.« -
»Dann wird wohl der Herr ein Mensch werden?« -
»Nicht werde ich, Brahmane, ein Mensch sein.« -

»Auf die Frage, ob der Herr wohl ein Gott sein würde, ein Geist, ein Dämon oder ein Mensch, erwidertest du: 'Nicht werde ich ein Gott sein, ein Geist, ein Dämon oder ein Mensch.' Was aber sollte da wohl der Herr werden?«-

»Jene Triebe, Brahmane, die, wenn unüberwunden, mich zum Gotte, zum Geist zum Dämon oder zum Menschen machen würden, diese Triebe sind in mir überwunden, an der Wurzel zerstört, gleich einer Fächerpalme dem Boden entrissen, vernichtet und keinem Neuentstehen mehr unterworfen.

Gleichwie, Brahmane, die blaue, rote oder weiße Lotusblume, im Wasser entstanden, im Wasser aufgewachsen über das Wasser emporragend dasteht, unbefleckt vom Wasser, ebenso auch, Brahmane, bin ich in der Welt geboren, in der Welt aufgewachsen, habe die Welt überwunden, und unbefleckt von der Welt verweile ich. Für einen Erleuchteten halte mich, Brahmane!«

»Das, wodurch zum Gott ich würde,
oder auch zum Geist der Lüfte;
was mich zum Dämonen machte,
hin zum Menschtum gehen läßt (*5),
jene Triebe sind erloschen,
sind zerstoben ganz und gar.
 
Wie die schöne Lotusblume
unbenetzt vom Wasser bleibt,
kann die Welt mich nicht beflecken.
Buddha bin ich drum, Brahmane.«

(*1) K zufolge war es dieser Brahmane, der nach dem Hinscheiden des Buddha die Reliquien verteilte; s. D.16.

(*2) Radähnliche Ringe auf den Fußsohlen gehören zu den 32 'Merkmalen eines Großen Mannes', die alte, vorbuddhistische Überlieferung sind; s. D.30.

(*3) 'Devo no bhavam bhavissatī'ti.' K: Der Brahmane hätte auch fragen können: 'Ist nicht der Herr ein Gott?'; doch glaubend, daß jener wohl in der Zukunft ein gar mächtiger Götterfürst werden könnte, gab er seiner Frage die Zukunftsform.

(*5) abbaje; wohl zu Skr. vraj; ChS gibt keine andere Lesart.


A.IV.37 Keines Rückfalls fähig - 7. Aparihāniya Sutta

Ein Mönch, ihr Mönche, dem vier Dinge eignen, ist keines Rückfalls fähig: er ist dem Nibbāna nahe. Welches sind diese vier? Da ist, ihr Mönche, der Mönch vollkommen in der Sittlichkeit, hält die Sinnestore bewacht, kennt das Maß beim Mahle und befleißigt sich der Wachsamkeit.

Wie aber ist der Mönch vollkommen in Sittlichkeit? Da ist ein Mönch sittenrein, er befolgt die Ordenssatzung, ist vollkommen in Wandel und Umgang, und, vor dem kleinsten Vergehen zurückschreckend, schult er sich in den Übungsregeln, die er auf sich genommen. So ist der Mönch vollkommen in Sittlichkeit.

Wie aber hält der Mönch die Sinnentore bewacht? Erblickt da der Mönch mit dem Auge eine Form, so haftet er weder am Ganzen, noch an den Einzelheiten. Und weil bei unbewachtem Auge Begehren und Mißstimmung, üble, unheilsame Einflüsse in ihn einströmen möchten, daher bemüht er sich, dem zu wehren; er bewacht das Auge und zügelt es. Vernimmt er mit dem Ohre einen Ton - riecht er mit der Nase einen Duft - schmeckt er mit der Zunge einen Saft - fühlt er mit dem Körper etwas Tastbares - ist er sich im Geiste eines Gedankens bewußt, so haftet er weder am Ganzen, noch an Einzelheiten. Und weil bei unbewachtem Geiste Begehren und Mißstimmung, üble, unheilsame Einflüsse in ihn einströmen möchten, daher bemüht er sich, dem zu wehren; er bewacht den Geist und zügelt ihn. So hält der Mönch die Sinnentore bewacht.

Wie aber kennt der Mönch das Maß beim Mahle? Da nimmt der Mönch gründlich besonnen seine Nahrung zu sich: nicht etwa zum Vergnügen oder Genusse, nicht um üppig und schön zu werden, sondern eben nur zur Erhaltung und Fristung dieses Körpers, um Schaden zu verhüten und das heilige Leben zu ermöglichen. Er weiß: 'Auf diese Weise werde ich das frühere Gefühl stillen und kein neues Gefühl aufkommen lassen, und langes Leben, Untadeligkeit und Wohlsein wird mir beschieden sein.' So kennt der Mönch das Maß beim Mahle.

Wie aber befleißigt sich der Mönch der Wachsamkeit? Da läutert der Mönch während des Tages, gehend oder sitzend, seinen Geist von hemmenden Dingen, läutert während der ersten Nachtwache seinen Geist von hemmenden Dingen. In der mittleren Nachtwache pflegt er der Ruhe; sich wie ein Löwe auf die rechte Seite legend, ein Fuß auf den anderen gelegt, richtet er achtsam und besonnen seine Gedanken auf die Zeit des Aufstehens. In der letzten Nachtwache erhebt er sich und läutert, gehend oder sitzend, seinen Geist von hemmenden Dingen. So befleißigt sich der Mönch der Wachsamkeit.

Ein Mönch, ihr Mönche, dem diese vier Dinge eignen, ist keines Rückfalls fähig: er ist dem Nibbāna nahe.

»Gefestigt in der Sittlichkeit,
die Sinnentore wohl bewacht,
hält da beim Mahle Maß der Mönch
und übt sich in der Wachsamkeit.
 
Wer derart voller Eifer weilt
und tags und nachts nicht lässig ist,
das Gute zur Entfaltung bringt
und nach dem höchsten Frieden ringt,
 
Solch ein Jünger, freudig strebend,
die Gefahr des Leichtsinns kennend,
ist des Rückfalls nicht mehr fähig,
nahe ist er dem Nibbāna.«

A.IV.38 Der Entgangene  - 8. Patilīna Sutta

Aller Dogmen ledig (*1), ihr Mönche, heißt man da einen Mönch, von jedem Wunsche restlos befreit (*2) gestillt in den Körperfunktionen, ein Entgangener.

Wie aber ist ein Mönch aller Dogmen ledig? Was es da bei den zahlreichen Asketen und Priestern an vielerlei Dogmen gibt, wie: 'Ewig ist die Welt' oder 'Zeitlich ist die Welt', 'Endlich ist die Welt' oder 'Unendlich ist die Welt', 'Die Seele ist identisch mit dem Körper' oder 'Die Seele ist verschieden vom Körper', 'Der Vollendete besteht nach dem Tode' oder 'Der Vollendete besteht nicht nach dem Tode' oder 'Der Vollendete besteht und besteht nicht nach dem Tode' oder 'Der Vollendete besteht weder nach dem Tode, noch besteht er nicht nach dem Tode' - von allen jenen Dogmen hat er sich frei gemacht, sich ihrer entledigt, hat ihnen entsagt, hat sie verworfen, abgetan, aufgegeben, sich ihrer entäußert. So ist ein Mönch aller Dogmen ledig.

Wie aber ist ein Mönch von jedem Wunsche restlos befreit? Da ist in einem Mönche der sinnliche Wunsch erloschen, der Wunsch nach Dasein erloschen, der Wunsch nach Heiligkeit (*3) gestillt. So ist ein Mönch von jedem Wunsche restlos befreit.

Wie aber ist ein Mönch gestillt in den Körperfunktionen? Da gewinnt der Mönch nach dem Schwinden von Wohlgefühl und Schmerz und dem schon früheren Erlöschen von Frohsinn und Trübsinn die leidlos-freudlose, in der völligen Reinheit von Gleichmut und Achtsamkeit bestehende vierte Vertiefung. So ist ein Mönch gestillt in den Körperfunktionen (*4).

Wie aber ist der Mönch ein Entgangener? Da ist in einem Mönch der Ichwahn erloschen, an der Wurzel zerstört, gleich einer Fächerpalme dem Boden entrissen, vernichtet und keinem Neuentstehen mehr unterworfen. So ist der Mönch ein Entgangener.

So, ihr Mönche, heißt man einen Mönch aller Dogmen ledig, restlos von jedem Wunsch befreit, gestillt in den Körperfunktionen, einen Entgangenen.

»Vom Sinnenwunsch, vom Daseinswunsch,
ja selbst vom Wunsch nach Heiligkeit,
vom Glaubenshang, von Ansichten,
die vieles Übel wachsen lassen -
 
Von allen Wünschen losgelöst,
von allen Ansichten befreit,
verweilt der gierentgangene Mönch,
der vom Begehren sich gelöst.
 
Den ruhigen, besonnenen,
den stillen, unbesiegten Mönch,
der allen Dünkel klar durchschaut,
den heißt man den Entgangenen.«

(*1) panunna-paccekasacco, 'der Sonderwahrheiten abgetan hat'; d.h. einseitige, subjektive Ansichten.

(*2) samavayasathesano, 'der gänzlich das Suchen (oder Trachten) aufgegeben hat.

(*3) brahmacariyesanā, wtl: 'die Suche nach dem Heiligen Wandel'. Der sinnliche Wunsch ist bereits im Nichtwiederkehrer erloschen; der Wunsch nach jedwedem Dasein und nach Heiligkeit erlischt nach Eintritt in die Arahatschaft.

(*4) Als das für die Körperfunktionen (kāya-sankhāra) Grundlegende und Charakteristische gilt die Atmung, welche in der 4. Vertiefung vorübergehend aufgehoben ist (s. M. 44).


A.IV.39 Das Opfer I  - 9. Ujjaya Sutta

Einst begab sich Ujjāya, der Brahmane, dorthin, wo der Erhabene weilte. Dort angelangt, wechselte er mit dem Erhabenen freundlichen Gruß, und nach Austausch höflicher und zuvorkommender Worte setzte er sich zur Seite nieder. Seitwärts sitzend sprach nun Ujjāya, der Brahmane, zum Erhabenen also:

»Der Herr Gotama billigt doch wohl das Opfer?«

»Nicht jedes Opfer, Brahmane, billige ich«, erwiderte der Erhabene, »aber ich mißbillige auch nicht jedes Opfer. Ein Opfer, Brahmane, wobei Rinder, Schafe und Ziegen geschlachtet werden, Hühner und Schweine umkommen, wobei zahlreiche Geschöpfe den Tod erleiden, ein solches gewalttätiges Opfer mißbillige ich. Und warum? Von solchem gewalttätigen Opfer wenden sich eben die Heiligen ab, und solche, die den Pfad zur Heiligkeit beschritten haben. Ein Opfer aber, Brahmane, wobei weder Rinder, Schafe und Ziegen, Hühner und Schweine geschlachtet werden, noch zahlreiche Geschöpfe den Tod erleiden, ein solches gewaltloses Opfer, wahrlich, billige ich, Brahmane: nämlich ständige Wohltätigkeit, als ein Opfer des Familienbrauchs. Und warum? Zu solch gewaltlosem Opfer, Brahmane, kommen ja die Heiligen, und solche, die den Weg zur Heiligkeit beschritten haben.«

»Pferdeopfer, Menschenopfer,
Stabwurf, Opfertrunk und Riegellos,
alle diese großen Opfer
bringen Leid und keinen Lohn.
 
Wo da Schafe, Ziegen, Rinder,
viele gar den Tod erleiden:
solch ein Opfer meiden Reine,
meiden alle großen Weisen.
 
Wer ein leidlos Opfer darbringt,
Opfer des Familienbrauches,
wo nicht Rind, noch Schaf, noch Ziege,
kein Geschöpf den Tod erleidet;
solch ein würdig' Opfer suchen
Heilige und Weise auf.
 
Solch ein Opfer ziemt dem Weisen,
hohen Lohn bringt solches Opfer.
Segen, niemals Unheil bringt es;
und wenn dieses Opfer reichlich,
freuen sich die Götter auch (*1).«

(*1) Verse auch in Samy. 3.10. Zur Ablehnung des Opfers s. Snp.284; D.5.


A.IV. 40 Das Opfer II  -  10. Udāyī Sutta

(Der Fragende ist hier ein Brahmane namens Udāyi. Der Prosateil ist gleichlautend mit Text 39. Die Verse lauten hier wie folgt:)

»Würdig ist ein leidlos Opfer,
dargebracht zur rechten Zeit.
Solches suchen Selbstbezähmte,
die den heiligen Wandel führen,
 
Die vom Flor der Welt Befreiten,
wirrem Daseinslauf Entgangenen (*1).
Solchem Opfer spenden Lob auch
 
Buddhas, Kenner alles Guten (wtl: Kenner sittlichen Verdienstes);
Opfer oder Totenspeise,
richtig dargebrachte Gabe,
die man guten Herzens spendet
Heiligen, des Verdienstes Boden,
 
Rechte Opfer, rechte Gaben,
die den Würdigen man darreicht;
und wenn dieses Opfer reichlich,
freuen sich die Götter auch.
 
Wenn ein Weiser derart opfert,
freien Herzens, voll Vertrauen,
dann ist ihm gewiß beschieden
eine Welt, die leidlos, glücklich.«

(*1) Lesart unsicher; gefolgt wurde ChS: vītivattākulam gatim; K liest: vītivatta kalam (metri causa für kālam?) gatim; und erklärt: vattakāle ca gatī ca atikkantā 'die hinausgelangt sind über die Zeitlichkeit und die Fährten der Daseinsrunde'.


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