Als "Betrachtung über den Frieden" gilt die betreffs des Friedens aufgestiegene Betrachtung; damit bezeichnet man die die Aufhebung alles Leidens zum Vorstellungsobjekte habende Achtsamkeit.
Wer die Betrachtung über den Frieden zu entfalten wünscht, gedenke, während er einsam und abgeschieden verweilt, der Eigenschaften des als das Zuruhekommen alles Leidens geltenden Nirwahns, etwa: "Wie weit auch immer, ihr Mönche, es erschaffene (sankhata) wie unerschaffene (asankhata) Dinge gibt, als höchstes darunter gilt die Loslösung, d.i. die Wahnzerstörung, die Überwindung des Durstes, die Entwurzelung der Anhaftungen, die Durchbrechung der Daseinsrunde, die Versiegung des Begehrens (tanhakkhaya), die Loslösung, Erlöschung, das Nirwahn." (A.IV.34.)
Hierbei nun ist 'Wie weit auch immer' dasselbe wie 'Wieviel auch immer'. Als 'Dinge' (dhamma) gelten hier die 'ihre eigene Natur in sich tragenden (wirklichen) Zustände' (d.i. die körperlichen und geistigen Zustände). Als 'erschaffen oder unerschaffen' gilt das durch das Zusammentreten und Zusammentreffen von Bedingungen Erzeugte, sowie das Nichterzeugte. 'Als höchstes darunter gilt die Loslösung' bedeutet soviel wie: unter diesen erschaffenen und unerschaffenen Dingen wird die Loslösung als das Höchste, Beste und Edelste bezeichnet.
Hier nun bedeutet 'Loslösung' (virāga) nicht etwa bloß die Abwesenheit der Gier (rāga); sondern als Loslösung hat man zu verstehen jenes Unerschaffene, das die Bezeichnungen 'Wahnzerstörung' usw. erhält in den Worten: "d.i. die Wahnzerstörung . . . das Nirwahn."
Weil nämlich aufgrund jenes Unerschaffenen (asankhata) der Dünkelwahn (māna) der Männlichkeitswahn und alle übrigen Arten des Wahns (In A.III.39b werden 3 Arten des Wahns oder der Eitelkeit (mada, eig. Berauschung) aufgezählt: Gesundheitswahn, Jugendwahn, Lebenswahn; Vibh. p.345 sogar 27 Arten, nämlich: Abstammungswahn, Familienwahn, Gesundheitswahn, usw.), wahnlos und zunichte werden, darum nennt man es die Wahnzerstörung. Und weil dadurch aller sinnliche Durst zur Überwindung und Aufhebung gelangt, darum nennt man es die Überwindung des Durstes. Weil aber dadurch die Anhaftungen an den fünf Sinnenobjekten zur Ausrottung gelangen, darum nennt man es die Entwurzelung der Anhaftungen. Weil dadurch die auf den drei Daseinsebenen (d.i. der sinnlichen (kāma), feinkörperlichen (rūpa) und unkörperlichen (arūpa) Daseinsebene) sich abspielende Daseinsrunde (Kom.: d.i. die Runde des Wirkens, kamma-vatta, die Runde der befleckenden Leidenschaften, kilesa-vatta, die Runde der Karmawirkungen, vipāka-vatta) durchbrochen wird, darum nennt man es die Durchbrechung der Daseinsrunde. Weil aber dadurch das Begehren gründlich zur Versiegung gelangt, sich abwendet und aufgehoben wird, darum nennt man es die Versiegung des Begehrens, die Gierabwendung und Aufhebung. Weil aber jenes Unerschaffene entronnen, befreit und losgelöst ist von dem Begehren, das hier als 'vāna' bezeichnet wird - insofern dieses nämlich die 4 Daseinsschoße, 5 Daseinsfährten, 7 Bewußtseinsstätten und 9 Wesenswelten in immer weiteres Dasein verwebt, verstrickt, verflicht - : darum nennt man es das Nirwahn (*). Auf diese Weise möge man im Sinne der Wahnzerstörung und der übrigen Eigenschaften des als Frieden geltenden Nirwahns gedenken. Auch sollte man des Unerschaffenen gedenken im Sinne jener anderen Eigenschaften, wie sie vom Erhabenen in solchen Sutten erklärt werden, wie (S. 43.12): "Das Unerschaffene, ihr Mönche, will ich euch weisen - die Wahrheit - das jenseitige Ufer - das Schwererkennbare - das Alterlose - das Beständige - das Jenseits aller Mannigfaltigkeit (**) - das Todlose - das Heil - die Sicherheit - das Wundersame - das vom Siechtum Freie - das Leidlose - das Lautere - das Eiland - den Schutz - die Zuflucht usw.
(*) Hier wird das Wort 'vāna' im Sinne von 'Weben' oder 'Verweben' (vā, lat. vieo) gebraucht, sonst meist als 'Wunsch' (verw. mit lat. venus, ahd. wunsc = Wunsch; vergl. auch ahd. wān, d.i. der Wahn). Zur wirklichen Ableitung des Wortes 'nibbāna', skr. Nirvāna siehe Wtb.
(**) nippapañca. papañca gehört nach PTS.Dic. nicht zu skr. prapañca (Ausbreitung, Mannigfaltigkeit usw.), sondern soll möglicherweise die Bedeutung 'Hindernis' haben und zurückgehen auf pad (als pa-pad-ya, das was vor den Füßen liegt' und den Fortschritt hemmt). - Als die 3 'papañcas' gelten: Begehren (tanhā), Ansicht (ditthi), Dünkel (māna).
Wer auf diese Weise, im Sinne der Wahnzerstörung sowie der übrigen Eigenschaften, des Friedens gedenkt und die Hemmungen beseitigt hat in der bei den Betrachtungen über den Erleuchteten usw. besprochenen Weise, nämlich: " . . . zu einer solchen Zeit wird sein Geist nicht gefesselt von Gier, nicht gefesselt vom Hasse, nicht gefesselt von der Verblendung. Ganz aufgerichtet ist zu einer solchen Zeit sein Geist auf Grund des Friedens": in einem Solchen steigen für einen Augenblick die Vertiefungsglieder auf. Da aber die Eigenschaften des Friedens gar unergründlich sind, so erreicht die Vertiefung nicht die Volle, sondern bloß die Angrenzende (upacāra) Stufe.
Insofern man nun hierbei der Eigenschaften des Friedens gedenkt, so gilt eben
diese Vertiefung als die Betrachtung über den Frieden. Und Gerade wie die sechs
Betrachtungen (über den Erleuchteten, das Gesetz usw.), so gelingt auch diese
Betrachtung bloß dem 'edlen Jünger' (ariya-puggala). Trotzdem aber sollte
auch der 'Weltling' (puthujjana), der den Frieden hochhält, jene
Betrachtung im Geiste erwägen. Denn selbst schon beim Hören davon empfindet der
Geist Freude am Frieden. Der Mönch aber, der der Betrachtung über den Frieden
hingegeben ist, schläft friedlich, erwacht friedlich, ist gestillt in seinen
Sinnen, gestillt im Geiste, von Schamgefühl und Gewissen erfüllt, von gefälligem
Wesen, dem Edlen geneigt, bei seinen Ordensbrüdern geachtet und geehrt; und
sollte er zu nichts Höherem durchdringen, so ist ihm doch eine glückliche
Daseinsfährte gewiß.
So möge denn der Einsichtige
Voll Eifer jenes edlen Friedens
Betrachtung hingegeben sein,
Die solchen reichen Segen bringt.
Hier endet das zur Beglückung guter Menschen abgefaßten "Weges zur Reinheit" 8. Teil: die auf die Entfaltung der Sammlung sich beziehende Darstellung der vier übrigen Betrachtungen.