SUTTA-NIPĀTA, Lehr-Dichtungen
II:2. Anrüchig (Āmagandha-Sutta) - [Pali]
(Anrüchig, āmagandha; wtl.: 'roher Geruch', besonders von rohem
Fleisch oder Fischen, auch von verwesenden Leichen, dann alles, was nach
brahmanischen Speisevorschriften als unrein gilt. Entstehungs-Geschichte lt. K:
Ein Brahmane fragt den Buddha, ob er āmagandha äße, womit er den
Fleischgenuss meint. Der Buddha verneint es in dem Sinne, daß das wahrhaft
'Anrüchige' die sittliche Unreinheit sei. Der Buddha fügt, lt. K, hinzu, daß die
gleiche Frage auch schon an einen Buddha der Vorzeit, Kassapa, gestellt wurde.
Dieser habe gleichfalls, jedoch zunächst ohne nähere Erklärung, verneinend
geantwortet. Als nun der ihn befragende Brahmane später sah, daß der Buddha
Kassapa vom König gespendete Fleischspeisen aß, bezichtigte er ihn der Lüge, wie
in v. 241. - Der Buddha Kassapa wird auch schon im Text
selber (vv. 240-241) eingeführt.)
239 (EIN BRAHMANE)
- Wenn Hirse, Körner- und auch Hülsenfrucht,
- Gemüseblätter, Wurzelknollen, Früchte,
- Rechtens erlangt, die Edlen verzehren,
- Nicht brauchen sie dann Lüge reden aus Genußgier.
240
- Doch wer verzehrt, was fein bereitet, fein gekocht,
- Von anderen dargereicht, ansprechend und erlesen,
- Solch Reisgericht wer zu sich nimmt,
- Anrüchiges genießt er, Kassapa!
241
- ,Anrüchiges gilt mir als unerlaubt!',
- So sprichst du, - nur dem Namen nach ein Priester!
[1]
- Und nimmst doch zu dir solch ein Reisgericht,
- Das lecker zubereitet mit dem Fleisch von Vögeln!
- Wie dieses sich verhält, das frag' ich dich, o Kassapa!
- Anrüchig gilt dir welche Art von Dingen?
242 (KASSAPA, ein Buddha der Vorzeit)
- Lebendiges töten, schlagen, es misshandeln, fesseln,
- Diebstahl und Lügenwort, Betrug und Hintergehung,
- Heuchelnde Hinterlist [2] und Ehebruch, -
- Anrüchig ist wohl dies, nicht aber Fleischgenuss!
243
- Wenn Menschen zügellos in Lüsten sind,
- Geschmackversessen und gemein sich machen [3],
- Auch Alles-Leugner, sittenlos und unbelehrbar,
- Anrüchiges ist dies, nicht aber Fleischgenuss!
244
- Die roh und grausam, hinterrücks verleumden,
- Untreu den Freunden, ohne Mitleid, überheblich,
- Dem Schenken abhold [4], keinem etwas geben, -
- Anrüchiges ist dies, nicht aber Fleischgenuss!
245
- Zorn und Betörung [5], Starrsinn,
Widersetzlichkeit,
- Das Trügen, Neiden und die Prahlsucht,
- Dünkel und Eitelkeit und der Verkehr mit Schlechten, -
- Anrüchiges ist dies, nicht aber Fleischgenuss!
246
- Die sittenlos sind, Schuldenpreller und Verleumder,
- Die Rechtsverdreher sind und Gleißner,
- Gemeine Menschen, die hier Freveltat begehen, -
- Anrüchiges ist dies, nicht aber Fleischgenuss!
247
- Solch Menschen, welche rücksichtslos sind zu den Wesen,
- Die andere berauben und auf Schaden sinnen,
- Die herzlos, rauh und grob und ohne Freundlichkeit, -
- Anrüchiges ist dies, nicht aber Fleischgenuss!
248
- Die nur mit Gier, mit Feindschaft und Gewalt den Wesen
[6] nahen,
- Die darauf nur bedacht, in Dunkle Welt gehen sie nach ihrem Tod.
- Kopfüber stürzen solche Menschen in die Hölle.
- Anrüchig ist wohl dies, nicht aber Fleischgenuss!
249
- Nicht Fisch und Fleisch vermeiden [7], nicht
das Fasten,
- Nicht Nacktheit, Kahlheit, Haar in Flechten tragen,
- Nicht Schmutz und raues Fell, nicht Dienst am Feueropfer
- Und vielerlei Kasteiung um Unsterblichkeit;
- Nicht Sprüche, Weihegabe, große Opferspenden,
- Auch nicht die Jahreszeiten für Askese nutzen [8],
-
- Dies alles macht den Sterblichen nicht rein,
- Der sich vom Zweifel noch nicht losgelöst.
250
- Bewachend, was da einströmt [9]; gut
beherrscht die Sinne;
- Fest in der Lehre sein und Geradheit lieben wie auch Milde
[10];
- Fessel-entledigt dann und allem Leid entgangen.
- Bleibt unbefleckt der Weise durch Gesehenes, Gehörtes.
-
251
- So hat hierüber häufig der Erhabene gelehrt,
- Und diesen Sinn verstand der Vedenkenner wohl.
- In mannigfachen Versen hat der Muni es erklärt,
- Der unanrüchig, ohne Hangen und unlenkbar.
252
- Als er das wohlgesprochene Buddha-Wort gehört,
- Das unanrüchig, alles Leiden bannt,
- Voll Demut den Vollendeten verehrte er,
- Ihn unverzüglich um die Weihe bittend.
[1] Nur dem Namen nach ein Priester (brahma-bandbu);
wtl.: ein Verwandter Brahmas. K: "einer, der nicht die Tugenden eines Brahmanen
besitzt, sondern nur der Abstammung nach ein solcher ist."
[2] Heuchelnde Hinterlist (ajjhena-kujjam),
wtl.: der mit seinem Studium betrügt(?). Die Übersetzung folgte der Auffassung
im PTS-Dict. K erklärt den Begriff als Studium nutzloser und schädlicher Bücher,
was jedoch kaum in den Zusammenhang passt.
[3] Gemein sich machen (asucīka-missitā),
wtl.: mit Unreinlichem gemischt. K = unrechter Lebensunterhalt (micchājīva).
[4] Dem Schenken abhold (adānasīlā). K
gibt als andere Lesart ādānasīlā, wonach zu übersetzen wäre: "Die gerne
nehmen, anderen nichts geben."
[5] Betörung (mada);
wtl.: Rausch, d.i. Jugend-, Gesundheits- und Kraft-Rausch, Betörtheit durch
vornehme Geburt, Familie etc.
[6] Zu den Wesen = etesu (zu diesen);
bezieht sich auf
pānesu (zu den Wesen) in v. 247a.
[7] Das Wort vermeiden ist durch den Sinn
geforderte Ergänzung, die sich auch im K findet.
[8] Die Begriffe der Verszeilen e bis f, lauten
und bedeuten der Reihe nach:
- mantā: die vedischen Sprüche und Hymnen, die bei der Opferhandlung
rezitiert werden;
- āhuti: lt. K, die Darbringung der (Trank-) Spende (homa oder
soma) am Feuer-Altar;
- yañña: K: die großen Opfer, wie Pferde-Opfer usw.;
- ut'ūpasevanā: K: eine Kasteiung, bei der im Sommer heiße Plätze, in
der Regenzeit der Fuß eines Baumes, im Winter feuchte Plätze als Wohnstätten
benutzt werden.
[9] Bewachend, was da einströmt (sotesu
gutto); wtl.: bei den Strömen bewacht. K: bei den sechs Sinnen-Fähigkeiten;
sota wäre dann als 'Öffnung' zu verstehen, synonym mit dvāra,
'(Sinnen-) Tor', wie in
indriyesu gutta-dvāratā, 'Bewachtsein bei den Sinnentoren'. Sota
könnte jedoch auch als Begehrens-Strömung' erklärt werden, wie es K zu
v.1035 tut (s. Anm.).
[10] Geradheit liebend, wie auch Milde (ajjava-maddave
rato). Vgl im Mettā-Sutta v. 143:
"aufrecht . . . sanft". In beiden Stellen wird das Ideal charakterlicher
Harmonisierung aufgestellt, das die beiden nur scheinbaren Gegensätze, Kraft und
Milde, vereint. Dieser Doppelbegriff findet sich auch in
v. 292 und im Zweier-Buch des
Anguttara-Nikāya.