PETA-VATTHU

Buch IV

IV,2: Serissaka

Identisch mit Vimāna-vatthu 84. Hier Verse 603 - 656. Ohne Grund hier wiederholt, obwohl gar kein Peta vorkommt.


IV,3: Nandaka

(657)
Sprecher:
Einst war der König Pingala
der Herrscher über Surat da.
Nachdem am Mauriya-Hof er
geweilt, nach Surat kehrt er heim.
 
(658)
Zur Mittagszeit, die glühend heiß,
gelangte er zu einem Sumpf.
Da sah er einen schönen Weg,
doch führt der schön zu Petas nur.
 
(659)
Zu seinem Lenker sprach der Herr:
König: Der Weg da, der ist wirklich schön,
ist friedlich, sicher, glücklich auch.
So folge, Lenker diesem Weg,
er führt uns schnell nach Surat hin.
 
(660)
Sprecher:
Es nahm der König diesen Weg,
der vierfach Heerbann folgt ihm nach.
Erschreckt im Herzen dann ein Mann
sprach zu dem Herrscher von Surat:
 
(661)
Wagenlenker:
Dem falschen Wege folgen wir,
haarsträubend ist und furchtbar er.
Vor uns da ist der Weg zu sehn,
doch hinter uns ist keiner mehr.
 
(662)
Dem falschen Wege folgen wir,
die Männer Yamas sind nicht fern,
es riecht schon außermenschlich hier,
und man hört Laute, schreckliche.
 
(663)
Sprecher:
Erschüttert Surats König sprach
zu seinem Wagenlenker da:
König: Dem falschen Wege folgen wir,
haarsträubend ist und furchtbar er.
Vor uns da ist der Weg zu sehn,
doch hinter uns ist keiner mehr.
 
(664)
Dem falschen Wege folgen wir,
die Männer Yamas sind nicht fern,
es riecht schon außermenschlich hier,
und man hört laute, schreckliche.
 
(665)
Sprecher:
Er stieg auf einen Elefant
und blickt nach allen Seiten hin,
da sah er schönen Feigenbaum,
der guten Schatten reichlich bot.
war einer Donnerwolke gleich,
war dunkelblau, die Spitzeschön.
 
(666)
Zum Wagenlenker sprach der Fürst:
König: Was ist das, was wir sehen da:
Es einer Donnerwolke gleicht,
ist dunkelblau, die Spitzeschön.
 
(667)
Wagenlenker:
Ein Feigenbaum ist's, großer Fürst,
der guten Schatten reichlich gibt,
ist einer Donnerwolke gleich,
ist dunkelblau, die Spitzeschön.
 
(668)
Sprecher:
Der König von Surat fuhr hin
zu dem, was er da hatt' gesehn,
was einer Donnerwolke glich,
was dunkelblau, die Spitzeschön.
 
(669)
Er stieg vom Elefanten ab,
begab sich zu dem Baume da,
setzt sich an seinem Fuße hin
mit den Ministern, Dienern auch.
Da sah er vollen Wasserkrug
und dazu Kekse mannigfach.
 
(670)
Ein Mann, der einem Gotte glich,
geziert mit jeder Art von Schmuck,
dem Herrn von Surat nähert sich
und redete ihn also an:
 
(671)
Peta:
Willkommen, großer König, hier,
du hattest keinen weiten Weg.
Trink, Majestät, das Wasser hier,
iß von den Keksen, Siegesherr.
 
(672)
Sprecher:
Es trank der König Wasser gleich,
und die Minister, Diener auch,
nachdem die Kekse sie verzehrt,
der Herrscher fragte also dann:
 
(673) = Vv  971
König:
Bist Gottheit du, bist Gandhabba,
bist Sakko du, der Mauern stürzt?
Da wir's nicht wissen, fragen wir,
als was wir kennen sollen dich.
(674)
Peta:
Bin Gottheit nicht, nicht Gandhabba,
bin Sakko nicht, der Mauern stürzt.
Ich bin ein Peta, großer Fürst,
von Surat nach hierher gelangt.
 
(675)
König:
Wie tugendhaft hast du gelebt
in Surat, wie gewandelt einst?
Durch welchen Brahmawandel hast
erlangt du hier nun solche Macht?
 
(676)
Peta:
So höre, großer König, zu,
du Sieger, Reichsvermehrer du,
und ihr Minister, Dienerschar,
Hofpriester, du, Brahmane auch.
 
(677)
Von Surat stamme ich, o Herr,
und war ein Mann, schlecht im Gemüt,
von falscher Ansicht, tugendlos,
war knickerig und schimpfte viel.
 
(678)
Die da zum Geben war'n geneigt,
die hielt von solchem Werk ich ab.
Wenn anderen sie gaben, dann
verhinderte ich es und sprach:
 
(679)
"Für Geben gibt es keinen Lohn,
für Selbstbezwingung keine Frucht.
Es gibt auch keinen Lehrer hier.
Wer würd sich zähmen, wenn's nichts nützt?
 
(680)
Die Wesen gelten alle gleich,
warum da Ältere verehrn?
Es gibt nicht Stärke, Willenskraft,
warum sollt höher streben man?
 
(681)
Das Geben bringet keine Frucht,
die Feindschaft läutern kann man nicht.
Nur das erlangt der Sterbliche,
was zusteht ihm, was kommen soll.
 
(682)
Es gibt nicht Eltern, Brüder nicht,
es gibt auch keine andre Welt,
es gibt nicht Opfer, Spenden nicht,
gibt überhaupt nichts Sicheres.
 
(683)
Wer einen Menschen niederschlägt,
wer einen anderen gar köpft,
der schlägt ja gar nichts Wirkliches,
den leeren Abstand trifft er nur.
 
(684)
Das Leben ist zerstörbar nicht,
achteckig oder kreisrund ist's,
fünfhundert Meilen ist es groß,
wer könnt zerstörn das Leben wohl?
 
(685)
Wie Fadenknäul sich wickelt ab
und immer weiter abgerollt,
genauso rollt das Leben hin,
und immer weiter rollt es ab.
 
(686)
Gleichwie wer da sein Dorf verläßt
und in ein andres Dorf dann geht,
genauso geht das Leben wohl
in einen andren Körper ein.
 
(687)
Gleichwie wer da sein Haus verläßt
und dann ein andres Haus betritt,
genauso geht das Leben wohl
in einen andren Körper ein.
 
(688)
Der Weltzeitalter vierundachtzigtausend
sowohl der Tor als auch der Weise müssen
durcheilen hier im Wandelkreise immer,
bevor für sie das Leiden könnte enden.
 
(689)
Genau bestimmt sind Wohl und Weh,
in Körben zugemessen fest.
Der Sieger alles klar erkennt,
verwirrt ist's übrige Geschlecht."
 
(690)
So war die Ansicht, die ich hatt',
verwirrt und von Verblendung voll,
hatt' falsche Ansicht, tugendlos,
war knickerig, beleidigte.
 
(691)
In einem halben Jahre nun
wird meine Zeit erfüllt hier sein.
Die Hölle wird mein Los dann sein,
die einzig bitter, schrecklich ist.
 
(692)
Vier Ecken hat, vier Tore sie,
ist regelmäßig eingeteilt,
von Eisenwall umgeben sie,
mit Eisen oben auch bedeckt.
 
(693)
Ihr Boden auch von Eisen ist,
gar feurig glüht und brennet er,
wohl hundert Meilen im Quadrat
erstrahlt sie und bleibt immerdar.
 
(694)
Nach hunderttausend Jahren erst
ein erster Ton zu hören ist.
Dann, großer Fürst, ein Hundertstel
vom Unzählbaren ist vorbei.
Millionen Hunderttausende,
die Wesen leiden Höllenqual,
 
(695)
wenn falscher Ansicht, tugendlos,
sie da beschimpften Edle gar.
Da muß ich lange Zeiten dann
an Wehgefühlen fühlen viel.
Das ist die Frucht von böser Tat,
da muß ich Kummer leidenlang.
 
(696)
So höre, großer König, dann,
du Sieger, Reichsvermehrer du:
Die Tochter mein, die Uttarā,
- o großer König, Heil sei dir -
 
(697)
sie wirkte gute Werke froh,
hielt Feiertag, war tugendhaft,
gezügelt, gebefreudig sehr,
ansprechbar, frei von bösem Geiz.
 
(698)
Die Übungsschritte brach sie nicht
als Schwiegertochter anderswo,
blieb Jüngerin des Sakyersohns,
des Voll-Erwachten, der bezähmt.
 
(699)
Als einst ein Mönch, der tugendhaft
im Dorfe auf Almosen ging,
bezähmt die Augen, achtsam sehr;
gezügelt bei den Sinnestorn,
 
(700)
als er von Haus zu Hause schritt,
kam auch zu ihrem Hause er.
Da, großer Fürst, - oh Heil sei dir
hat Uttarā den Mönch erblickt.
 
(701)
Sie gab ihm einen Wasserkrug
und vielerlei an Keksen mit:
"Gestorben ist mein Vater, Herr,
o mög ihm dieses Hilfe sein."
 
(702)
Kaum hatte dieses sie gesagt,
da stellt sich schon die Reife ein:
Ich kann nun essen, wie ich will,
bin wie König Vessavana.
 
(703)
So höre dieses, großer Fürst,
du Sieger, Reichsvermehrer du:
"Die Welt mit ihrer Götterschar,
nicht Höh'ren als Erwachten hat.
Darum nimm Zuflucht du bei ihm
mit Fraun und Kindern, Siegesheld.
 
(704)
Auf achtgeteiltem Pfad zum Heil,
das Todlose mögst du erfahrn,
wenn Zuflucht du zur Lehre nimmst
mit Fraun und Kindern, Siegesheld.
 
(705)
Auf vier der Weg-Etappenfest,
erlangen sie die Früchte dann.
Das ist der Orden, aufrecht er
in Weisheit, Tugend, Einigung.
Da nimm zum Orden Zuflucht du,
mit Fraun und Kindern, Siegesheld.
 
(706)
Lebend'ges umzubringen hüteschnell dich,
und Nichtgegeb'nes in der Welt zu nehmen, meide,
trink keinen Rauschetrankmehr, sprich keine Lüge
und bleib zufrieden mit der eignen Frau."
 
(707)
König:
Den Nutzen mein, willst, Yakkha, du,
bedacht bist auf mein Heil du, Gott.
Ich tue gern, was du gesagt,
du bist der Lehrer ja für mich.
 
(708)
Zum Buddha nehme Zuflucht ich,
zur Lehre, die die beste ist,
zum Orden nehme Zuflucht ich,
der Menschen und auch Göttern gleich.
 
(709)
Lebend'ges umzubringen hüt ich schnell mich,
und Nichtgegeb'nes in der Welt zu nehmen, meid ich,
trink keinen Rauschtrankmehr, sprech keine Lüge
und bleib zufrieden mit der eignen Frau.
 
(710)
Ich schüttle ab die Großmannssucht,
spül fort sie wie ein reißend Fluß.
Ich speie falsche Ansicht aus,
der Weisung des Erwachtenfroh.
 
(711)
Sprecher:
So sprach der König von Surat,
legt ab die üble Anschauung.
Nachdem Erhabnen er geehrt,
der Herrscher fuhr im Wagenfort.

Bemerkungen:

Dieser Text spielt nicht, wie die meisten anderen, zu Lebzeiten des Erwachten, sondern etwa 200 Jahre nach seinem Tode, wie aus dem ersten Vers (657) hervorgeht. Die Herrscher von Magadha aus der Dynastie der Mauriya, deren dritter Asoka war (der Kommentar nennt ihn hier), regierten damals. Der König Pingala herrschte als Mahārāja über das Reich Suratthā (wörtlich: "Gutes Königreich") im Westen Indiens. Mittelpunkt war die Hafenstadt Surat, die noch heute nördlich Bombay zu finden ist. Das einzige, was die Rahmenerzählung über den Text der Verse hinaus beizusteuern weiß, ist, daß Nandaka der Oberbefehlshaber König Pingalas war. Daß der König einen solchen Mann mit schlechtem Benehmen und völlig chaotischen Ansichten zu solcher hohen Stellung erhob, wirft ein Schlaglicht auch auf die Geistesverfassung des Königs, der ebenfalls ganz materialistisch gesonnen war.

Daß Nandaka bei seinem üblen Wandel und der Tatsache, daß er viele andere Menschen von seinen verdrehten Meinungen überzeugen wollte, noch zu den Petas kam, ist nur möglich bei einem Rest guten Wandels von früher. Nachdem er aber kraft eines guten Werkes seiner gläubigen Tochter, die seinen Irrlehren nicht gefolgt war, ein erfülltes Gespensterdasein erlangt und vor allem das Gesetz von Saat und Ernte erkannt hatte, war er von seinen Irrlehren völlig geheilt. Er gab sich Mühe, seinem König nun ebenfalls die rechte Anschauung über Saat und Ernte zu vermitteln, was ihm auch gelang. Der König nahm die dreifache Zuflucht und übernahm die fünf Tugendregeln des Buddha-Anhängers.

Offen bleibt, ob Nandaka durch dieses gute Werk, durch dieses beste Wirken für andere, die ihm bevorstehende Hölle abgewendet hat. Wenn es ihm gelang, den König so schnell vom Guten und Wahren zu überzeugen, dann dürfte das nur möglich gewesen sein, wenn er selber ganz dahinter stand. Er sagt ja auch, die Welt habe nichts Höheres als den Erwachten, der den Pfad zum Todlosen weise (703/4). Das könnte ein Hinweis sein, daß Nandaka selber den Stromeintritt erlangte, der die Hölle unmöglich macht. Wenn nicht, dann könnte seine Zuwendung zum Buddha aber ebenfalls die in einem halben Jahr drohende Hölle abgewendet haben.

Vers 689 c + d: Diese Zeilen sind wohl nicht mehr die Schilderung der früheren Irrlehren Nandakas, sondern geben seine jetzige geläuterte Auffassung wieder. Der "Sieger" dürfte hier der Buddha sein, während er sonst den König u.a. als Sieger anredet.

692/3 = M 129, Pv 70/1 = Pv 240/1

694: Hier versteigt sich der indische Zahlenrausch in astronomische Zahlenangaben. Lakkha: 100.000; koti: 10 Millionen. Hier sollen 100.000 kotis ablaufen.

Verse 706 und 709: Die fünf Sīlas wie in Vers 592 und 597

707: Nachdem der Peta durch seine Tochter gute Erfüllung erntete und sich wie einer der Vier Großkönige fühlte (702), erscheint er dem König Pingala wie ein Yakkha, d.h. ein Gott der untersten Klasse.

710: PTS hat opunāmi (sieben, sichten) in Z. 1; ich lese mit der v.l. und PED p. 167 odhunāmi (abschütteln).
mahā-vāte = großer Wind = Großmannssucht (Gegenteil: nivāta = keinen Wind machen, demütig). Gehmann übersetzt Z. 1: "I cast away (mouthed) blustering", ich folge dem.

711 d: pāmokho übersetzt Gehmann, dem Kommentar folgend, mit "looking east". Ebenso Masefield, der pāmokkho liest. Aber der König fuhr von Patna, der Hauptstadt der Mauryas nach Westen, nicht nach Osten, weshalb Masefield meint, er guckte nur nach Osten (S. 265, FN 27). Außerdem kommt dieselbe Stelle in S11,18 vor (dort pamukho), wo Sakko in seinem Wagen fortfährt. Dort interpretiert der Kommentar pamukho richtig als "der Hervorragende", und Geiger übersetzt gut mit "der Herrscher". Der Kommentar vermutet, daß diese Erzählung auf dem 3. Konzil in den Kanon aufgenommen wurde (S. 264)


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