„Da eilen diese Schwäne fort“
§A. Dies erzählte der Meister, da er im Vejuvana verweilte, ebenfalls mit Beziehung auf die Aufopferung des Lebens durch den Thera Ānanda. — Als auch damals in der Lehrhalle die Mönche von den Vorzügen des Thera erzählten, kam der Meister, fragte nach ihrer Unterhaltung und sprach dann: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, sondern auch früher schon hat Ānanda um meinetwillen sein Leben aufgeopfert.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.
§B. Ehedem herrschte zu Benares ein König namens Bahuputtaka (= „der an Söhnen Reiche“); Khemā war seine erste Gemahlin. Damals hatte das große Wesen in dem Geschlecht der Goldschwäne seine Wiedergeburt genommen und wohnte, von neunzigtausend Schwänen umgeben, auf dem Berge Cittakuta. Auch diese Fürstin hatte in der angegebenen Zeit einen Traum gehabt und hatte dem König ihr Gelüste nach dem Anhören der Unterweisung des goldfarbigen Schwanes mitgeteilt. Der König vernahm auf seine Frage, dass goldfarbige Schwäne auf dem Cittakuta-Berge wohnten. Darauf ließ er einen Teich anfertigen, der Khemā [1] hieß, ließ dort verschiedene Arten von Futtergetreide anpflanzen und an den vier Ecken täglich ausrufen, dass man furchtlos sein solle; einen jungen Jäger aber schickte er ab, um die Schwäne zu fangen. Wie dieser fortgeschickt wurde, wie er dort die Vögel beobachtete, wie es dann dem König gemeldet wurde zur Zeit, da die Schwäne kamen, und wie die Schlinge ausgelegt wurde, wie das große Wesen sich in der Schlinge fing und wie endlich Sumukha, der Heerführer der Schwäne, als er es nicht in den drei Scharen der Schwäne sah, zurückkehrte, das wird alles im Mahahamsa-Jātaka [Jātaka 534] erzählt werden. — Als aber hier das große Wesen in der Stabschlinge gefesselt war und von dem Schlingenstab herunterhing, streckte es seinen Hals aus und blickte nach dem Weg, den die Schwäne genommen hatten. Da sah es den Sumukha herbeikommen und dachte: „Wenn er herangekommen ist, werde ich ihn auf die Probe stellen.“ Als jener daher herbeigekommen war, sprach es folgende drei Strophen:
Darauf sprach Sumukha, indem er sich in den Schmutz niederließ, folgende Strophe:
Als so Sumukha diesen Löwenruf ausgestoßen, sprach Dhatarattha folgende Strophe:
Während sie aber so zusammen redeten, kam der Jägerssohn mit seinem Stabe rasch herbei. Sumukha ging, indem er den Dhatarattha tröstete, diesem entgegen, erwies ihm Ehrung und erzählte ihm die Vorzüge des Schwanenkönigs. Sogleich wurde der Jägerssohn zur Milde gestimmt. Als jener dessen milde Stimmung bemerkte, kehrte er wieder um und blieb bei dem Schwanenkönig stehen, indem er ihn tröstete. Auch der Jägerssohn ging zu dem Schwanenkönig hin und sprach folgende sechste Strophe:
Das große Wesen erwiderte:
Der Jäger freute sich über die Worte des Schwanenkönigs und sprach, indem er den Sumukha anredete, folgende drei Strophen:
Sumukha erwiderte:
Als dies der Jäger hörte, war er davon hochbefriedigt und er dachte: „Wenn ich mich gegen diese so mit Tugend Ausgestatteten verfehlte, so würde sich unter mir die Erde öffnen. Was soll ich mit dem vom König erhaltenen Gelde? Ich werde ihn frei lassen.“ Und er sprach folgende Strophe:
Nach diesen Worten machte er den Dhatarattha von dem Schlingenstabe los, brachte ihn ans Ufer und löste die Schlinge. Mit Sanftmut wusch er ihm das Blut ab und presste die Sehnen und die anderen Teile wieder zusammen. Infolge seiner Sanftmut aber und durch die übernatürliche Kraft der Vollkommenheiten des großen Wesens wurde sofort wieder der Fuß mit Haut bedeckt und man konnte nicht mehr sehen, wo die Schlinge gesessen hatte. Jetzt blickte Sumukha das große Wesen an und sprach erfreuten Herzens, um die Danksagung darzubringen:
Als dies der Jäger hörte, sagte er: „Gehet jetzt, Gebieter!“ Darauf fragte ihn das große Wesen: „Wie aber, Freund, hast du mich von dir selbst aus gefesselt oder auf den Befehl eines andern?“ Jener erzählte die Veranlassung. Da überlegte der Bodhisattva: „Ist es wohl besser, dass ich von hier nach Cittakuta gehe oder nach der Stadt?“ Und er bedachte: „Wenn ich mich nach der Stadt begebe, wird der Jägerssohn sein Geld erhalten, der Königin wird ihr Gelüste beruhigt werden und die Freundschaftsbetätigung des Sumukha wird bekannt werden. Dann werde ich durch die Kraft meiner Einsicht den Teich Khema als ein Geschenk ohne Furcht bekommen; darum ist es besser, wenn ich in die Stadt gehe.“ Nachdem er diesen Entschluss gefasst hatte, sagte er: „Jäger, nimm uns auf deiner Tragstange mit und führe uns zum König. Wenn uns der König loslassen will, wird er uns freilassen.“ Der Jäger erwiderte: „Herr, die Könige sind aber grausam.“
Doch der Bodhisattva fuhr fort: „Wir haben einen Jäger, wie du es bist, sanft gemacht; wie soll es da für uns schwer sein, den König zu gewinnen? Bringe uns nur dorthin, Freund!“ Jener tat also.
Als der König die Schwäne sah, wurde sein Herz mit Freude erfüllt. Er ließ die beiden Schwäne sich auf eine goldene Bank setzen, ließ sie Honigkörner verzehren und Honigwasser trinken. Dann streckte er die gefalteten Hände gegen sie aus und bat sie um ihre Tugendunterweisung. Als der Schwanenkönig seine Begierde zu hören wahrnahm, begann er zuerst eine liebenswürdige Unterhaltung mit ihm. Folgendes sind die Strophen, die der Schwan und der König zueinander sprachen und antworteten:
Als dies das große Wesen hörte, sprach es, um ihnen eine Ermahnung zu geben, folgende fünf Strophen:
So unterwies das große Wesen den König die ganze Nacht hindurch in der Wahrheit. Bei der Königin aber wurde das Gelüste gestillt. Zur Zeit des Sonnenaufgangs aber, als das große Wesen den König in den Geboten befestigt und zur Standhaftigkeit ermahnt hatte, flog es mit seinem Bruder Sumukha durch das Nordfenster hinaus und kehrte nach dem Cittakuta-Berge zurück.
§C. Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen hatte, fügte er hinzu: „So, ihr Mönche, hat dieser auch früher schon um meinetwillen sein Leben geopfert“, und verband hierauf das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war der Jäger Channa, der König war Sāriputta, die Königin war die Nonne Khema, die Schar der Schwäne war die Familie der Sakiyas, Sumukha war Ānanda, der Schwanenkönig aber war ich.“
Ende der Erzählung von dem Schwan
[1] Auf Deutsch: „die Ruhe“.
[3] Diese Strophe findet sich auch im Jātaka 164 Strophe 2 und Jātaka 399 Strophe 5.
[4] Die beiden ersten Verse der Strophe finden sich auch in dem erwähnten Jātaka 399 Strophe 7 Zeilen 1-2.
[5] Trotz des Metrums erwarten wir „anusasami“ statt des überlieferten „anusasati“.
[6] Nämlich mit den Aufträgen und Stellungen, die ihnen der König gibt.
[7] „apa“ = „Wasser“ in der Bedeutung von „apada“ = „Unglück“, was auch zwei Handschriften haben.