Der Weg zur Erlösung

Karma und Wiedergeburt

233

S. 35.145

Das alte und das neue Karma, ihr Mönche, will ich euch weisen, sowie die Erlöschung des Karma und den zur Erlöschung des Karma führenden Pfad. Drum höret zu und achtet wohl auf meine Worte.

Was aber, ihr Mönche, ist das alte Karma (eig. die Wirkung des alten Karma)? Seh-, Hör-, Riech-, Schmeckorgan, Körper und Geist hat man als das alte Karma zu betrachten, als karma-gewirkt, durch den Willen erzeugt und empfindbar. Das, ihr Mönche, nennt man das alte Karma.

Was aber, ihr Mönche, ist das neue Karma? Was man da, ihr Mönche, gegenwärtig an Karma in Werken, Worten und Gedanken wirkt, das nennt man das neue Karma.

Was aber, ihr Mönche, ist die Erlöschung des Karma? Daß man, ihr Mönche, durch Erlöschung des Karma in Werken, Worten und Gedanken die Erlösung erreicht, das, ihr Mönche, nennt man die Erlöschung des Karma.

Was aber, ihr Mönche, ist der zur Erlöschung des Karma führende Pfad? Es ist eben dieser edle achtfache Pfad, der da besteht in rechter Erkenntnis, rechter Gesinnung, rechter Rede, rechtem Tun, rechtem Lebensunterhalt, rechter Anstrengung, rechter Achtsamkeit und rechter Sammlung. Das, ihr Mönche, nennt man den zur Erlöschung des Karma führenden Pfad.

 

234

A. IV.171

Ist, ihr Mönche, der Körper da, so erwächst einem infolge der Willensäußerung in körperlichen Werken (kāya-sañcetanā) Wohl oder Wehe. Ist, ihr Mönche, die Sprache da, so erwächst einem infolge der Willensäußerung in Worten (vací-sañcetanā) Wohl oder Wehe. Ist, ihr Mönche, der Geist da, so erwächst einem infolge der Willensäußerung in Gedanken (mano-sañcetanā) Wohl oder Wehe.

Durch Unwissenheit (avijjā), ihr Mönche, bedingt wirkt man entweder aus eigenem Antrieb (sāmam) eine Karmaformation (sankhāra) in Werken, Worten oder Gedanken wodurch bedingt einem Wohl oder Wehe entsteht; oder andere veranlassen einen dazu.

Klarbewußt, ihr Mönche, wirkt man diese Karmaformation, oder nicht klarbewußt wirkt man diese Karmaformation, wodurch einem Wohl oder Wehe entsteht.

 

 

Es ist möglich, daß sich das erste Buch des Abhidhamma „Dhammasanganí", auf diesen Text gründet in der dortigen Einteilung aller karmisch heilsamen (kusala) bzw. unheilsamen (akusala) Bewußtseinsklassen in spontane, d. i. unvorbereitete (a-sankhārika) und angeregte, d. i. vorbereitete (sasankhārika) Klassen; ebenso wiederum in solche, die klarbewußt, d. i. mit Erkenntnis bzw. Ansichten verbunden (ñāna- bzw. ditthi sampayutta) und in solche, die nicht mit Erkenntnis bzw. Ansichten verbunden sind. Vgl. Wtb.: Tab.

 

Bei allen diesen Dingen, ihr Mönche, ist die Unwissenheit der Führer. Nach der restlosen Aufhebung und Erlöschung der Unwissenheit aber gibt es nicht mehr jenen Körper, jene Sprache und jenen Geist, wodurch bedingt einem jenes Wohl oder Wehe entsteht. Kein Boden ist mehr da, keine Grundlage, kein Werkzeug, keine Beziehung, wodurch bedingt einem jenes Wohl oder Wehe entsteht.

 

235

A.VI.63

Das Wirken (Karma), ihr Mönche, hat man zu kennen, sowie seine bedingte Entstehung, seine Verschiedenartigkeit, sein Ergebnis, seine Erlöschung und den zu seiner Erlöschung führenden Pfad.

Was aber, ihr Mönche, ist das Wirken (Karma)? Den Willen (cetanā), ihr Mönche, bezeichne ich als das Wirken, denn mit dem Willen wirkt man Die Tat in Werken, Worten oder Gedanken.

Was aber, ihr Mönche, ist die bedingte Entstehung des Wirkens? Durch den Bewußtseinseindruck, ihr Mönche, ist die Entstehung des Wirkens bedingt.

Was aber, ihr Mönche, ist die Verschiedenartigkeit des Wirkens? Es gibt ein Wirken, ihr Mönche, das in der Hölle reift. Es gibt ein Wirken, das im Tierschoße reift. Es gibt ein Wirken, das im Gespensterreiche reift. Es gibt ein Wirken, das in der Himmelswelt reift. Das, ihr Mönche, nennt man die Verschiedenartigkeit des Wirkens.

Was aber, ihr Mönche, ist das Ergebnis des Wirkens? Dreierlei. sage ich, ihr Mönche, ist das Ergebnis des Wirkens: Entweder bei Lebzeiten (ditthadhamma-vedaníya-kamma) oder in der nächsten Geburt (upapajja-vedaníya-kamma) oder in späteren Geburten (aparāpara-vedaníya-kamma). Das, ihr Mönche, nennt man das Ergebnis des Wirkens.

Was aber, ihr Mönche, ist die Erlöschung des Wirkens? Im Erlöschen des Bewußtseinseindrucks, ihr Mönche, besteht die Erlöschung des Wirkens.

Dieser edle achtfache Pfad aber ist der zur Erlöschung des Wirkens führende Pfad, nämlich: Rechte Erkenntnis, rechte Gesinnung, rechte Rede, rechtes Tun, rechter Lebensunterhalt, rechte Anstrengung, rechte Achtsamkeit und rechte Sammlung.

 

236

 

Über das Unpersönliche bei allem Karma und das sogenannte Wiedergeborenwerden sagt Vis. XIX:

„Im Sinne der Karmarunde und Wirkungsrunde die Abhängigkeit des Geistigen und Körperlichen erfassend, erkennt der hinsichtlich der drei Zeiten vom Zweifel Befreite alle vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Dinge mit Rücksicht auf Abscheiden und Wiedergeburt . . . Er weiß: Die in der Vergangenheit durch Karma bedingt entstandenen Daseinsgruppen, die sind eben dort erloschen. Durch das vergangene Karma aber bedingt sind in diesem Dasein andere Gruppen entstanden; doch ist aus dem vergangenen Dasein nichts in dieses Dasein übergegangen. Auch die in diesem Dasein durch Karma bedingt entstandenen Gruppen werden erlöschen; doch wird aus diesem Dasein nichts in das künftige Dasein übergehen . . .

Genau so wie die Lichtflamme nicht von dem einen Docht auf einen anderen übergeht, aber dennoch durch jenen bedingt hier die Lichtflamme entsteht: Genau so auch geht nichts aus dem vergangenen Dasein in dieses Dasein über, auch nicht von diesem Dasein in das nächste, und doch kommt es, durch die Gruppen, Grundlagen und Elemente des vergangenen Daseins bedingt zur Entstehung dieser Dinge im gegenwärtigen Dasein; und durch die Gruppen, Grundlagen und Elemente des gegenwärtigen Daseins bedingt kommt es zur Entstehung dieser Dinge im nächsten Dasein."

 

 

Fünfte Reinheitsstufe: Reinheit des Erkenntnisblickes mit Hinsicht auf Pfad und Nichtpfad

 

237

S.22.21

„Als Reinheit des Erkenntnisblicks mit Hinsicht auf Pfad und Nichtpfad (maggāmagga-ñānadassana-visuddhi) gilt diejenige Erkenntnis, die da besteht im Erkennen des rechten Pfades und des Nichtpfades: ,Dies ist der Pfad; dies ist der Nichtpfad’."

 

(Vis. XX)

Nach dem Vis. soll der im Hellblick (vipassanā) sich Übende, um diese Erkenntnis zu gewinnen, sich wiederum vertiefen in die Betrachtung der Merkmale aller Daseinsformen sowie ihrer bedingten Entstehung, etwa:

 

S.22.18-20

Die Körperlichkeit ist vergänglich, gewirkt, bedingt entstanden, dem Versiegen und Hinschwinden, der Aufhebung und Erlöschung unterworfen. Das Gefühl . . . die Wahrnehmung . . . die Geistesformationen . . . das Bewußtsein ist vergänglich, gewirkt, bedingt entstanden, dem Versiegen und Hinschwinden, der Aufhebung und Erlöschung unterworfen.

Die Körperlichkeit ist vergänglich, und auch der Grund und die Bedingung zur Entstehung der Körperlichkeit sind vergänglich. Wie sollte da die aus Vergänglichem entstandene Körperlichkeit etwas Unvergängliches sein? Das Gefühl . . . die Wahrnehmung . . . die Geistesformationen . . . das Bewußtsein ist vergänglich, und auch der Grund und die Bedingung zur Entstehung des Bewußtseins sind vergänglich. Wie sollte da das aus Vergänglichem entstandene Bewußtsein etwas Unvergängliches sein?

Die Körperlichkeit ist leidhaft, und auch der Grund und die Bedingung zur Entstehung der Körperlichkeit sind leidhaft. Wie sollte da die aus Leidhaftem entstandene Körperlichkeit etwas Beglückendes sein? Das Gefühl . . . die Wahrnehmung . . . die Geistesformationen . . . das Bewußtsein ist leidhaft, und auch der Grund und die Bedingung zur Entstehung des Bewußtseins sind leidhaft. Wie sollte da das aus Leidhaftem entstandene Bewußtsein etwas Glückbringendes sein?

Die Körperlichkeit ist Nicht-Ich, und auch der Grund und die Bedingung zur Entstehung der Körperlichkeit sind Nicht-Ich. Wie sollte da die aus einem Nicht-Ich entstandene Körperlichkeit ein Ich sein? Das Gefühl . . . die Wahrnehmung . . . die Geistesformationen . . . das Bewußtsein ist Nicht-Ich und auch der Grund und die Bedingung zur Entstehung des Bewußtseins sind Nicht-Ich. Wie sollte da das aus einem Nicht-Ich entstandene Bewußtsein ein Ich sein?

 

238

Dhp. 373 f.

Der Mönch in tiefer Einsamkeit,
In seinem Herzen wohl gestillt,
Fühlt übermenschliches Entzücken,
So er die Wahrheit klar erschaut.
 
Wenn immer er der Daseinsgruppen
Entstehen und Vergeh’n erwägt,
Erfüllt Verzückung *) ihn und Glück,
So er das Todlose erkennt.

 

*) Die hier erwähnte ,Verzückung’ (píti) ist einer der während der Hellblickübung aufsteigenden zehn inneren Zustände, die für den Anfänger zu Hellblicktrübungen (vipassanúpakkilesa) werden können und ihm dann vortäuschen, daß er den rechten Pfad oder das Ziel erreicht habe, nämlich: Ein Lichtglanz, Erkenntnis, Verzückung, Gestilltheit, Glücksgefühl, Entschlossenheit, Anstrengung, Gewärtigsein, Gleichmut, Lust. Der erfahrene Jünger aber erkennt alle diese Dinge als vergänglich, leidhaft und Nicht-Ich und weiß, daß sie nicht der Pfad sind, sondern daß eben bloß die Hellblickerkenntnis (vipassanā) als der Pfad zu betrachten ist.

 

239

 

Über die Unbeständigkeit und Wesenlosigkeit aller Daseinsformen heißt es in Vis. XX:

 

Das Leben sowie alles Dasein,
Wie alle Freude, alles Leid,
Hängt bloß an einem Denkmoment,
Und schnell eilt der Moment dahin.
 
Selbst Götter, deren Leben anhält
Für vierundachtzigtausend Kalpen,
Selbst diese bleiben nicht einmal
Sich nur für zwei Momente gleich.
 
Die Daseinsgruppen, die erloschen
Beim Sterben, wie im Leben schon,
Sind alle, alle gleicherweise
Dahin auf Nimmerwiederkehr.
 
Ob sie grad’ jetzt erloschen sind,
Ob sie erlöschen künftighin,
Ob sie erlöschen zwischendurch,
Im Wesen ist kein Unterschied.
 
Nicht lebt im künftigen Moment man,
Lebt jetzt in diesem Denkmoment;
Wenn der erlischt, erlischt die Welt:
Dies Wort ist wahr im höchsten Sinn.
 
Kein Aufheben erlosch’ner Dinge,
Kein Anhäufen in künft’ger Zeit!
Auch die entstand’nen Dinge gleichen
Dem Senfkorn auf dem spitzen Pfeil.
 
Und alle Dinge, die entstanden,
Geh’n all’ entgegen dem Zerfall;
Und alle Dinge, die zerfallen,
Sind mit den früh’ren nicht vereint.
 
Sie kommen aus dem Ungeseh’nen
Ins Ungeseh’ne eilen sie erlöschend.
Gleichwie der Blitz am Himmel leuchtet auf,
So kommen sie und schwinden wieder hin.

 

Über den Erkenntnisblick mit Hinsicht auf Pfad und Nichtpfad heißt es:

 

240

A.X.26

Einige Asketen und Priester, die die Erreichung der Erdallheit als Höchstes betrachten, haben dieses Ziel erreicht. Das Höchste aber, Schwester, was es in der Erreichung der Erdallheit gibt, das hat der Erhabene durchschaut; und dies durchschauend erkannte der Erhabene den Genuß, erkannte er das Elend, erkannte er die Entrinnung, erkannte er den Erkenntnisblick mit Hinsicht auf Pfad und Nichtpfad. Indem er aber den Genuß, das Elend, die Entrinnung und den Erkenntnisblick mit Hinsicht auf Pfad und Nichtpfad erkannte, da schaute er die Erreichung des Zieles und des Herzens Frieden.

 

241

Vis. XX

„Durch Reinheit der Erkenntnis (ditthi-visuddhi) hat der Übende beim Feststellen des Geistigen und Körperlichen die Wahrheit vom Leiden festgestellt. Durch Reinheit der Zweifelentrinnung (kankhā-vitarana-visuddhi) hat er beim Erfassen der Bedingungen die Wahrheit von der Leidensentstehung fest gestellt. Durch Reinheit des Erkenntnisblickes mit Hinsicht auf Pfad und Nichtpfad (maggāmagga-ñānadassana-visuddhi) hat er beim Feststellen des rechten Pfades die Wahrheit vom Pfade festgestellt."


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