Vinaya Pitaka

Culla Vagga 10

X.1. DIE GRÜNDUNG DES NONNENORDENS - Bhikkhunikkhandhakaṃ - [Pali]

[Fast wortgleich mit A VIII, 51]

 

1. Einstmals weilte der Erhabene im Lande der Sakyer bei Kapilavatthu im Feigenbaumkloster. Da begab sich Mahā-Pajāpati, die Gotamidin, [2] zum Erhabenen, grüßte den Erhabe­nen ehrerbietig und stellte sich zur Seite. Zur Seite stehend, sprach sie zum Erhabenen: „Es wäre gut, Herr, wenn es den Frauen [3] ermöglicht würde, unter der vom Vollendeten verkün­deten Lehre und Ordensregel aus dem Haus in die Hauslosigkeit zu ziehen." - „Laß es gut sein, Gotamidin; wünsche dir nicht, daß es den Frauen ermöglicht wird, unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Ordensregel aus dem Haus in die Hauslosigkeit zu ziehen." - Ein zweites ... und ein drittes Mal sprach Mahā-Pajāpati, die Gotamidin, zum Erhabenen: „Es wäre gut, Herr, wenn es den Frauen ermöglicht würde, unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Ordensregel aus dem Haus in die Hauslosigkeit zu ziehen." - Ein zweites ... und ein drittes Mal antwortete der Erhabene: „Laß es gut sein, Gotamidin; wünsche dir nicht, daß es den Frauen ermöglicht wird, unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Ordenregel aus dem Haus in die Hauslosigkeit zu ziehen.".

 

Als Mahjā-Pajjāpati, die Gotamidin, sah, daß der Erhabene nicht dafür war, daß Frauen unter der vom Vollendeten verkün­deten Lehre und Ordensregel aus dem Haus in die Hauslosigkeit ziehen, da grüßte sie voller Schmerzen, voller Trauer, tränenüberströmten Antlitzes, schluchzend den Erhabenen, umschritt ihn rechtsherum und ging.

 

Nachdem nun der Erhabene in Kapilavatthu geweilt hatte, solange es ihm richtig erschien, brach er zur Wanderschaft nach Vesāli auf. Schritt um Schritt dahinwandernd, gelangte er nach Vesāli. Dort weilte nun der Erhabene im Großen Wald in der Halle des Giebelhauses. Da ließ sich Mahjā-Pajjāpati, die Gotamidin, die Haare abschneiden, legte fahle Gewänder an, brach zusammen mit vielen Sākyerinnen [4] zum Marsch nach Vesāli auf und gelangte nach und nach in den Großen Wald zur Halle des Giebelhauses. Da stand nun Mahjā-Pajāpati, die Gotamidin, mit geschwollenen Füßen, staubbedeckten Gliedern, voller Schmerzen, voller Trauer, mit tränenüberströmtem Antlitz, schluchzend draußen vor dem Eingangstor. Da sah sie der ehr­würdige Ānando stehen und sprach zu ihr: "Warum stehst du denn mit geschwollenen Füßen, staubbedeckten Gliedern, voller Schmerzen, voller Trauer, mit tränenüberströmtem Antlitz, schluchzend draußen vor dem Eingangstor, Gotamidin?"- "Weil es der Erhabene den Frauen nicht bewilligt, unter der vom Voll­endeten verkündeten Lehre und Ordensregel aus dem Haus in die Hauslosigkeit zu ziehen, Herr Ānando."- "Komm, Gotamidin, warte ein wenig hier; ich will den Erhabenen bitten, daß Frauen unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Ordensregel aus dem Haus in die Hauslosigkeit ziehen können."

 

Nun begab sich der ehrwürdige Ānando zum Erhabenen, grüßte den Erhabenen ehrerbietig, setzt sich seitwärts und sprach zum Erhabenen: "Herr, da draußen vor dem Eingangstor steht Mahā-Pajāpati, die Gotamidin, mit geschwollenen Füßen, staub­bedeckten Gliedern, voller Schmerzen, voller Trauer, mit tränen­überströmtem Antlitz und schluchzt, weil es der Erhabene den Frauen nicht bewilligt, unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Ordensregel aus dem Haus in die Hauslosigkeit zu ziehen. Es wäre gut, Herr, wenn es den Frauen ermöglicht wür­de, unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Ordens­regel aus dem Haus in die Hauslosigkeit zu ziehen." – "Laß es gut sein, Ānando; wünsche dir nicht, daß es den Frauen ermöglicht wird, unter der vom Vollendeten verkün­deten Lehre und Ordensregel aus dem Haus in die Hauslosigkeit zu ziehen."

Ein zweites... und ein drittes Mal sprach Ānando zum Erha­benen: „Es wäre gut, Herr, wenn es den Frauen ermöglicht würde, unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Or­densregel aus dem Haus in die Hauslosigkeit zu ziehen."

Ein zweites... und ein drittes Mal antwortete der Erhabene: "Laß es gut sein, Ānando; wünsche dir nicht, daß es den Frauen ermöglicht wird, unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Ordensregel aus dem Haus in die Hauslosigkeit zu ziehen."

 

Nun war Ānando klar, daß der Erhabene nicht dafür war, daß Frauen unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Ordensregel aus dem Haus in die Hauslosigkeit ziehen und dachte: "Wie wäre es, wenn ich vom Erhabenen auf andere Weise die Bewilligung erbitten würde, daß Frauen unter der vom Voll­endeten verkündeten Lehre und Ordensregel aus dem Haus in die Hauslosigkeit ziehen?" So sprach nun der ehrwürdige Ānando zum Erhabenen: "Herr, wäre denn die Frau, wenn sie unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Ordensregel aus dem Haus in die Hauslosigkeit gezogen ist, fähig, die Frucht des Stromeintritts oder die Frucht der Einmalwiederkehr oder den Heilsstand zu verwirklichen?" – "Fähig ist die Frau, wenn sie unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Ordensregel aus dem Haus in die Hauslosigkeit gezogen ist, die Frucht des Stromeintritts oder die Frucht der Einmalwiederkehr oder die Frucht der Nichtwiederkehr oder den Heilsstand zu verwirklichen." –

 

"Herr, wenn nun doch die Frau fähig ist, wenn sie unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Ordensregel aus dem Haus in die Hauslosigkeit gezogen ist, die Frucht des Stromeintritts oder die Frucht der Einmalwiederkehr oder die Frucht der Nichtwiederkehr oder den Heilsstand zu verwirk­lichen, Herr: viel getan hat Mahā-Pajāpati, die Gotamidin, für den Erhabenen als die Schwester seiner Mutter, als seine Pflege­mutter, seine Amme; sie hat den Erhabenen nach dem Tode seiner leiblichen Mutter mit ihrer eigenen Milch gestillt. Gut wäre es, Herr, wenn es den Frauen ermöglicht würde, unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Ordensregel aus dem Haus in die Hauslosigkeit zu ziehen." [5]

 

"Wenn MahāPajāpati, die Gotamidin, acht gewichtige Regeln auf sich nimmt, Ānando, dann soll das als ihre Aufnahme in den Orden gelten:

 

  1. Eine Nonne, auch wenn sie vor hundert Jahren aufge­nommen worden ist, soll einen Mönch, auch wenn er eben erst aufgenommen worden ist, ehrerbietig grüßen, sich vor ihm erheben, ihm den Gruß mit zusammengelegten Hän­den entbieten und Achtung erweisen. Diese Regel soll sie ernst nehmen, gewichtig nehmen, hoch schätzen, verehren und zeitlebens [6] nicht übertreten.
  2. Eine Nonne soll nicht in einem Bereich, in dem keine Mönche sind, den Regenzeitaufenthalt antreten. [7] Auch die­se Regel soll sie ernst nehmen...
  3. Jeden halben Monat soll eine Nonne den Mönchsorden um zwei Dinge bitten: um Angabe des nächsten Uposatha-­Tages und um den Besuch eines Unterweisers. Auch diese Regel soll sie ernst nehmen...
  4. Wenn sie den Regenzeitaufenthalt beendet hat, soll eine Nonne beide Orden [8] in drei Richtungen zur Kritik einladen (pāvā­rana); [9] daran, was über sie gesehen, gehört, vermutet worden ist. [10] Auch diese Regel soll sie ernst nehmen...
  5. Wenn eine Nonne ein gewichtiges Vergehen begangen hat, dann soll sie vor beiden Orden vierzehn Tage lang Süh­ne tun (mānatta). [11] Auch diese Regel soll sie ernst nehmen...
  6. Eine Übende, die zwei Jahre lang sich in den sechs Regeln geübt hat [12] soll bei beiden Orden die Aufnahme beantra­gen. Auch diese Regel soll sie ernst nehmen...
  7. Eine Nonne darf in keiner Weise einen Mönch beschimp­fen oder bekritteln.
  8. Von heute an ist es einer Nonne verboten, einen Mönch, nicht aber ist es einem Mönch verboten, eine Nonne mit einer Weisung [13] anzureden. Auch diese Regel soll sie ernst nehmen, gewichtig nehmen, hoch schätzen, verehren und zeitlebens nicht übertreten.

 

Wenn Mahā-Pajāpati, die Gotamidin, diese acht gewichtigen Regeln auf sich nimmt, Ānando, dann soll das als ihre Aufnahme in den Orden gelten." [14]

 

Nachdem der ehrwürdige Ānando beim Erhabenen diese acht gewichtigen Regeln vernommen hatte, begab er sich zu Mahā-Pajāpati, der Gotamidin, und verkündete ihr: "Gotamidin: Wenn du acht gewichtige Regeln auf dich nimmt, dann gilt das als deine Aufnahme in den Orden." (Und er zählte sie auf).

 

"Herr Ānando: Wie wenn eine Frau oder ein Mann in der Blüte der Jugend, [15] schmuckliebend, das Haupt reingewaschen, einen Kranz aus Lotosblüten oder Jasmin oder Astern empfängt, und sie nimmt ihn in beide Hände und will ihn auf ihr edel­stes Teil, das Haupt, setzen - so, Herr Ānando, nehme ich diese acht gewichtigen Regeln entgegen, um sie mein Leben lang nicht zu übertreten." [16]

 

Da begab sich der ehrwürdige Ānando zum Erhabenen, grüßte den Erhabenen ehrerbietig und sprach: "Herr, Mahā-Pajāpati, die Gotamidin, hat die acht gewichtigen Regeln auf sich genom­men. Beim Erhabenen in den Orden aufgenommen ist die Tan­te." — "Ānando, wenn es der Frau nicht ermöglicht worden wäre, unter der vom Vollendeten verkündeten Lehre und Ordensregel aus dem Haus in die Hauslosigkeit zu ziehen, so würde der Höchste Wandel noch lange Bestand haben: Ein Jahrtausend würde der Höchste Wandel noch bestehen. Nachdem es aber nun die Frau erreicht hat, unter der vom Vollendeten verkün­deten Lehre und Ordensregel aus dem Haus in die Hauslosigkeit zu ziehen, wird der Höchste Wandel nicht mehr so lange Be­stand haben: nur noch fünfhundert Jahre nämlich wird nun der Höchste Wandel bestehen.[17] So wie Familien, in denen es viele Frauen und wenig Männer gibt, leicht durch Räuber [18] und Ein­brecher zugrundegerichtet werden, Ānando, so wird, nachdem es die Frauen erreicht haben, in dieser Lehre und Ordensregel aus dem Haus in die Hauslosigkeit zu ziehen, dieser Höchste Wandel nicht mehr von langem Bestand sein. So wie ein reifes Reisfeld, in dem eine Krankheit namens Mehltau ausbricht, keinen langen Bestand haben kann, Ānando, so wird, nachdem es die Frauen erreicht haben, in dieser Lehre und Ordensregel aus dem Haus in die Hauslosigkeit zu ziehen, dieser Höchste Wandel nicht mehr von langem Bestand sein. So wie ein reifes Zuckerrohrfeld, in dem eine Krankheit namens Rötel ausbricht, keinen langen Bestand haben kann, Ānando, so wird, nachdem es die Frauen erreicht haben, in dieser Lehre und Ordensregel aus dem Haus in die Hauslosigkeit zu ziehen, dieser Höchste Wandel nicht mehr von langem Bestand sein. Doch wie ein vorausschauender Mann bei einem großen Teich einen Damm errichtet, damit das Wasser nicht überfliegen kann, sind den Nonnen die acht zeitlebens nicht zu übertretenden gewichtigen Regeln gegeben worden." [19]

 

2. Nun begab sich Mahā-Pajāpati, die Gotamidin, zum Erhabe­nen, grüßte den Erhabenen ehrerbietig und stellte sich seitwärts. Seitwärts stehend sprach Mahā-Pajāpati, die Gotamidin, zum Erhabenen: "Herr, wie soll ich mit jenen Sākyerinnen umgehen?"

Der Erhabene unterwies, beglückte, erfreute, ermunterte und beseligte Mahā-Pajāpati, die Gotamidin, mit einem Lehrgespräch. Vom Erhabenen in einem Lehrgespräch beglückt, erfreut, er­muntert und beseligt, begrüßte Mahā-Pajāpati, die Gotamidin, den Erhabenen, umschritt ihn rechtsherum und ging.

Aus diesem Anlaß gab der Erwachte eine Lehrdarlegung und sprach zu den Mönchen: "Ich erlaube, daß Nonnen durch Mönche in den Orden aufgenommen werden." [20]

 

3. Es begab sich Mahā-Pajāpati, die Gotamidin, zum ehr­würdigen Ānando, grüßte den ehrwürdigen Ānando ehrerbietig und stellte sich seitwärts. Seitwärts stehend sprach sie zum ehr­würdigen Ānando: "Herr Ānando: eine Gunst erbitte ich vom Erhabenen: Es wäre gut, wenn der Erhabene Herr erlauben würde, daß im Verhältnis zwischen Mönchen und Nonnen Begrüßen, Aufstehen, Handgruß und Ehrerbietung nach der Altersreihen­folge gehandhabt werden." [21] Da begab sich der ehrwürdige Ānando zum Erhabenen, grüßte den Erhabenen ehrerbietig und stellte sich seitwärts. Seitwärts stehend sprach der ehrwürdige Ānando zum Erhabenen: "Mahā-Pajāpati, die Gotamidin, hat gesagt: eine Gunst erbitte ich vom Erhabenen: 'Es wäre gut, wenn der Erhabene Herr erlauben würde, daß im Verhältnis zwischen Mönchen und Nonnen Begrüßen, Aufstehen, Handgruß und Ehrenbezeugung nach der Altersreihenfolge gehandhabt werden." – "Das ist unmöglich, Ānando, das kommt nicht in Frage, daß der Erhabene Begrüßen, Aufstehen, Handgruß und Ehren­bezeugung gegenüber Frauen erlauben könnte. Nicht einmal jene Pilger anderer Schulen, deren Lehre schlecht dargelegt ist, prakti­zieren Begrüßen, Aufstehen, Handgruß und Ehrenbezeugung gegenüber Frauen; wie könnte es da der Vollendete erlauben." [22] Aus diesem Anlaß gab der Erwachte eine Lehrdarlegung und sprach zu den Mönchen: "Begrüßen, Aufstehen, Handgruß und Ehrenbezeugung gegenüber Frauen ist nicht zu praktizieren. Wer das tut, begeht eine Verfehlung."...

 

4. Nun begab sich Mahā-Pajāpati, die Gotamidin, zum Er­habenen, grüßte den Erhabenen ehrerbietig und stellte sich seitwärts. Seitwärts stehend sprach Mahā-Pajāpati zum Erhabe­nen: "Herr, auf den Übungspfaden der Nonnen, die mit den Übungspfaden der Mönche übereinstimmen, wie sollen wir auf diesen Übungspfaden vorgehen?" – "Auf den Übungspfaden der Nonnen, die mit denen für Mönche übereinstimmen, übt so, wie die Mönche sich üben, Gotamidin." – "Aber auf den Übungspfaden für Nonnen, die nicht mit denen für Mönche übereinstimmen, Herr, wie sollen wir da vorgehen?" – "Auf den Übungspfaden für Nonnen, die nicht mit denen für Mönche übereinstimmen, Gotamidin, da übt euch so, wie die Übungs­pfade verkündet worden sind."

 

5. Es begab sich Mahā-Pajāpati zum Erhabenen, grüßte den Erhabenen ehrerbietig und stellte sich seitwärts. Seitwärts ste­hend sprach Mahā-Pajāpati zum Erhabenen: "Herr, es wäre gut, wenn mir der Erhabene in Kürze die Lehre so darlegen würde, daß ich, nachdem ich vom Erhabenen die Lehre so ver­nommen habe, einsam und abgesondert, unermüdlich, in inni­gem Ernst kämpfend, ausharren kann." –

"Bei welchen Dingen auch immer du erkennst, Gotamidin:

- das alles hast du so anzusehen, Gotamidin: 'Das ist nicht die Lehre; das ist nicht die Heilsführung; das ist nicht die Anlei­tung des Meisters.'

Bei welchen Dingen auch immer du erkennst, Gotamidin:

– das alles hast du so anzusehen, Gotamidin: 'Das ist die Lehre; das ist die Heilsführung; das ist die Anleitung des Meisters."

 

So sich übend wurde Mahā-Pajāpati, die Gotamidin, die erste Frau, die den Heilsstand erreicht hatte und in der Erlösung dem Vollendeten gleich war. Ihr folgten noch viele Nonnen.


X.25. EINE NONNE ALS MUTTER

Eine Frau war als Nonne in die Hauslosigkeit gezogen, als sie bereits schwanger war [25] und gebar nach ihrem Ordenseintritt einen Jungen. Da fragte sich diese Nonne: "Was soll ich nun mit dem Bübchen machen?" Das wurde dem Erhabenen mitgeteilt. "Ich erlaube, daß sie den Jungen erzieht, bis er ein ur­teilsfähiges Alter erreicht hat. "Da dachte die Nonne: „Ich kann nicht allein leben, aber einer anderen Nonne ist nicht zuzumu­ten, mit einem kleinen Jungen zu leben. Wie soll ich mich da verhalten?" Das wurde dem Erhabenen gemeldet. „Ich erlaube, daß ihr, wenn sie damit einverstanden ist, eine zweite Nonne als Gefährtin beigegeben wird."


[25] Eine Frau die schwanger ist, wird nicht ordiniert. Deshalb wird eine um Ordensaufnahme bittende Frau danach gefragt. Hier hat die Frau bei ihrer Aufnahme demnach von ihrer Schwangerschaft nichts geahnt.

Hier hätte die Annahme nahegelegen, der Nonne wäre bes­ser liebevoll nahegelegt worden, aus dem Orden auszutre­ten, das Kind in einem lehrgemäßen Hausleben zu erziehen - unterstützt durch Besuche von Mönchen und Nonnen - und u.U. später wieder einzutreten. Sie war aber offenbar eine besonders ernsthafte Nonne, der vielleicht gerade die Konfrontation mit ihrer Schwangerschaft zu einer beson­ders tiefen Einsicht in das Leiden der Existenz verholfen hatte. Deshalb hat der Erwachte für ihren Fall diese einfüh­lende Sonderregelung zur Bewahrung ihres Nonnentums und zum Wohl des Kindes getroffen - und zwar ohne erst abzuwarten, bis sie zu ihm kam, um ihr sofort diese Sorge zu nehmen.


LEHRER DER NONNEN  (P 21)

Erfahrene, eigens durch Ordensbeschluß für ihren Ordens­bezirk bestellte Mönche bemühten sich um die Unterrich­tung der Nonnen. Deshalb wurden sie (besonders wohl aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis der Nonnen) reich­lich mit Spenden bedacht. Die sog. "Sechsermönche" (die allein 125 der 227 Mönchsregeln erforderlich machten und denen unten ein besonderer Abschnitt gewidmet ist) merk­ten das schnell und beschlossen:

 

"Auf Freunde, wir wollen auch den Nonnen Unterricht ge­ben." So begab sich die Gruppe der Sechsermönche zu den Nonnen und luden sie ein: „Kommt zu uns, Schwestern, wir werden euch unterrichten."

 

Die Nonnen kamen zu den Sechsermönchen, grüßten sie ehrerbietig und setzten sich seitwärts. Die Sechsermönche hiel­ten ihnen nur einen nichtssagenden Lehrvortrag und verbrachten den Tag mit weltlichem Gerede. Dann ließen sie sie gehen. Da gingen die Nonnen zum Erhabenen, grüßten den Erhabenen ehrerbietig und stellten sich seitwärts. Der Erhabene fragte sie: "Nun, Nonnen, hat euch der Lehrvortrag etwas gebracht?" – "Herr, wie hätte uns dieser Lehrvortrag etwas bringen können! Die verehrten Herren haben uns nur einen nichtssagenden Lehrvortrag gehalten, den Tag mit weltlichem Gerede verbracht und uns dann gehen lassen."

 

Nachdem der Erhabene die Nonnen mit einem Lehrvortrag belehrt, angeregt, begeistert und erfreut hatte, grüßten sie den Erhabenen ehrerbietig, umwandelten ihn nach rechts und gin­gen. Bei dieser Gelegenheit ließ der Erhabene die Mönchs­gemeinde zusammenkommen und fragte die Sechsermönche: "Ist es wahr, daß ihr den Nonnen nur einen nichtssagenden Lehrvortrag gehalten, den Tag mit weltlichem Gerede verbracht und sie dann habt gehen lassen?" – "Das ist wahr, Herr." – "Törichte Männer: ... das führt nicht zur Befriedung solcher, die noch keinen Frieden gefunden haben, nicht zur Vermeh­rung der Zahl derer, die Frieden gefunden haben..., sondern das führt zum Schaden, zum Verderbnis solcher, die noch keinen Frieden gefunden haben und macht manche schon ruhiger Ge­wordene unsicher."

 

Der Erhabene wies die Sechsermönche zurecht und gab den Mönchen eine Lehrdarlegung. Sodann legte er ein genaues Verfahren für die Unterrichtung der Nonnen fest, damit nicht jeder beliebige Mönch den Nonnenlehrer spielen kön­ne, verfeinerte es noch bei weiteren Anlässen und legte vor allem folgende Voraussetzungen für die Eignung zum Non­nenlehrer fest:

 

"Ich erlaube, sich auf einen Mönch als Nonnenlehrer zu eini­gen, wenn er acht Eigenschaften hat:

 

  1. Er ist tugendhaft; im Schutz der Ordenstugenden behütet auf dem Gebiete des Wandels, sieht er in den kleinsten Fehlern die Gefahr und übt sich auf den Übungswegen.
  2. Er hat viel erfahrene Lehrkenntnis, es ist seine Art, Vernom­menes zu bewahren und zu verbinden; jene von Anfang an über die Mittelstufen bis zur Vollendung gesunden Lehren, welche sinn- und wortgetreu den zur endgültigen Heilung führenden Läuterungswandel aufzeigen – diese Lehren sind von ihm vielfach vernommen worden, im Geist auswendig bewahrt, in Sprache gefaßt, im Geist gründlich betrachtet, in die An­schauung voll einbezogen.
  3. Beide Pātimokkha [24] sind ihm vollständig übermittelt wor­den, richtig eingeteilt, in der richtigen Reihenfolge, er hat sie gründlich studiert, den Text der Regeln und die Erläuterungen.
  4. Er spricht eine gute Sprache und hat eine wohltuende Sprech­weise.
  5. Im Ganzen ist er den Nonnen lieb und kommt gut bei ihnen an.
  6. Es ist seine Stärke, Nonnen zu belehren.
  7. Aber er ist keiner, dem von der Zeit her, als er zum Auszug in die Hauslosigkeit beim Erwachten die gelben Gewänder an­legte, noch anhing, daß er früher einmal ein grobes Vergehen begangen hatte.
  8. Mindestens zwanzig Ordensjahre oder mehr Ordensjahre hat er hinter sich.

 

Ich erlaube, Mönche, daß ein über diese acht Eigenschaften verfügender Mönch als Nonnenlehrer eingesetzt wird." [23]


[23] vgl. auch A VII, 52 auf Frage Ānandos.

[24] Die an jedem Voll- und Neumondfeiertag zu rezitierende Aufzäh­lung der Mönchs- bzw. Nonnenregeln.


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[2] Die Schwester von Māyā, der Mutter des späteren Erwachten und zweite Gemahlin seines Vaters, nach Māyas Tod (eine Woche nach seiner Geburt) Pflegemutter des kleinen Prinzen. Sie war bereits in die Heilsströmung eingetreten.

[3] Hier wird nicht, wie meist, der für „Frau" gebräuchliche (neutrale) Ausdruck itthi verwendet, sondern mātugāma, wörtlich „Dorfmutter" (Weib). Zu dieser Unterscheidung vgl. H.Hecker "Mann und Frau in der Lehre des Buddha", WW1989, 3/4 S. 119 ff

[4] Gerade hatten 500 junge Sakyer ihre Frauen und Familien verlassen und waren Mönche geworden (CV VII, 1).

[5] Nach damaliger indischer Sitte war es ungehörig, mehr als dreimal auf einem abgelehnten Antrag zu beharren. Dies wurde Ānando beim ersten Konzil (s.S. 232) zunächst vorgehalten - obwohl er inzwischen den Heils-stand verwirklicht hatte - (s. u. im 4. Kapitel). Aber er hatte bei seiner Fürsprache für Mahā-Pajāpati darin einen neuen Antrag (añña pariyāya) gesehen, weil nun nicht mehr das allgemeine Wohl der Frauen, sondern der "Härtefall" Mahā-Pajāpati in den Vordergrund gerückt wurde. Der Erwachte hat diesen neuen Antrag nicht gerügt.

[6] Nur solange sie Nonne ist; denn beim Erwachten war zwar der Aus­zug in die Hauslosigkeit stets mit der ernsten Absicht einer Lebens­entscheidung verbunden - kein "Asketentum auf Zeit" - aber es war jederzeitiger Austritt und Wiedereintritt möglich; es gab also keine „Lebenszeitgelübde" wie (selbst für Laienanhänger) in manchen heuti­gen buddhistischen Schulen und anderen Religionsformen.

[7] Damit sie nicht die ganzen Monate der Regenzeit ohne die Mög­lichkeit jederzeitigen spirituellen Beistandes ist.

[8] Den Mönchs- und den Nonnenorden. Die Verschärfung gegenüber den Mönchsregeln besteht darin, daß der Mönch nur einen Orden, den Mönchsorden, zur Kritik einladen soll.

[9] Wörtlich „Genugtuung", Näheres siehe unten zu MV IV.

[10] An Tadelswertem. Was sich da während der Regenzeit angesammelt haben mag, soll gemeinsam aufgelöst werden.

[11] Wörtlich: "Denkzettel"; das bedeutet Bekanntgabe des vorüberge­henden Ruhens der Rechte als Ordensmitglied. Die Mindestdauer betrug bei Mönchen 6 Tage.

[12] Das sind die fünf Sila (Nicht Töten, nichts Nichtgegebenes neh­men, nicht "kāmesu micchācāra" = auf dem Gebiet der Sexualität nicht 'falsch wandeln' - hier im asketischen Sinne vollständiger Keusch­heit statt, wie bei häuslichen Nachfolgern, Abstehen vom Verletzen von Partnerschaften und Mißbrauch von unter Schutz Stehenden) und als sechstes, kein Mahl nach der Mittagszeit einnehmen. Diese Regeln waren sehr viel milder als die Regeln für die männlichen Novizen, die 10 Sila auf sich nehmen mußten, ehe sie voll ordiniert werden konnten. Die Ordensaufnahme als Nonne konnte allerdings nur durch beide Orden - den der Mönche und der Nonnen - geschehen, so daß die Einheit der Maßstäbe für die Ordensaufnahme gewahrt war.

[13] Vacano-patho = wörtlich: „in gebieterischer Art". Vacana heißt lt. PED auch "gebieten" (bidding) Es ist also nicht gemeint, daß eine Nonne nie einen Mönch ansprechen darf.

[14] Eine ausführliche Erklärung dieser acht Regeln und über die Stel­lung der Frau im Orden, gibt H.Hecker in seiner Arbeit: "Mann und Frau in der Lehre des Buddha" (WW 1989, S. 80ff).

[15] Dahara = fein, zart; yuva = jung.

[16] Diese glückselig-feierliche Art der Übernahme der acht Regeln zeigt, daß die Gotamidin sie nicht als eine Diskriminierung empfand, sondern als einen krönenden Schmuck ihrer edelsten Fähigkeit: des (bereits durch ihren Stromeintritt gesicherten) höchsten Heilsstrebens.

[17] Brahma-cāriya: der Wandel, der zu Brahma führt, also eigentlich zur Gemeinschaft mit dem Wesen, das aus Strahlung in Liebe, Erbar­men, gönnender Freude und erhabenem Gleichmut besteht. Da dies aber das höchste war, was sich die meisten Zeitgenossen des Erwacheten vorstellen konnten, bezeichneten sie damit auch den Wandel zum höchsten Gut, was das auch sein mochte, auch den seit Jahrhunder­ten ersehnten Erwachten. Deshalb meint der Erwachte mit brahma-cariya in der Regel den Wandel, der zum höchsten Gut, dem Nirvāna führt. Der Erwachte hat hier keine Aussage über den Bestand des Ordens gemacht, sondern darüber, wie lange noch der Höchste, ein­zig auf die Auflösung des Wahns gerichtete Wandel bestehen werde. Der Orden mag diesen Zeitpunkt noch lange überleben.

[18] Gleichnis für die Sinnendinge, besonders für die sexuellen Triebe.

[19] Welche Vielfalt an (auch rein praktischen) Problemen durch die Gründung des Nonnenordens in den Orden getragen wurden, zeigen die auf die Gründungsgeschichte des Nonnenordens (CV X.1-3) fol­genden Abschnitte CV X.4-27.

[20] Beachtlich, mit welcher Feinheit der Erwachte es der Gotamidin ersparte, ihr sagen zu müssen, daß die Ordensaufnahme keine Sache ihres Umgangs mit den Sākyerinnen, sondern eine Angelegenheit des Ordens war. Die Selbstverständlichkeit, mit der die einstige Köni­gin sich für die Ordensaufnahme der Sakyerinnen zuerst selber für zuständig hielt, mag einen weiteren Hintergrund für die erste der acht gewichtigen Regeln zeigen. Das bestätigt auch der später folgen­de Absatz von CV X, 2.

[21] Also die Aufhebung der ersten gewichtigen Regel.

[22] Der Erwachte mußte beim Erlaß von Regeln auch sehr auf das Ansehen des Ordens bei der Bevölkerung achten. Die Abschnitte CV X 4-27 zeigen, daß bei allen möglichen Berührungspunkten zwischen Mönchen und Nonnen die Bevölkerung dazu neigte, dahin­ter erotische Beziehungen bis zur gröbsten Art zu argwöhnen, die den ganzen Orden in Misskredit hätten bringen können.


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