Ein Laienanhänger in Rājagaham verehrte besonders den ehrwürdigen Mahāmoggallāno. Seine Tochter hatte zu diesem die gleiche Verehrung. Als Moggallāno eines Tages wieder auf Almosengang durch die Stadt ging, erblickte sie ihn. Voll großer Freude bereitete sie einen Sitz und lud ihn zum Essen ein. Als er sich gesetzt hatte, verehrte sie ihn mit einem Kranz von Jasmin und füllte Sirup in seine Schale.
Er blieb dann sitzen, um ihr geistige Nahrung zu spenden. Da sie aber viele häusliche Pflichten hatte, erwiderte sie, sie würde an einem anderen Tag die Lehre hören. Sie grüßte ihn und ging an ihre Arbeit. Noch am selben Tage starb sie piötzlich und erschien bei den Göttern der Dreißunddreißig wieder. Dort erblickte Moggallāno sie auf einer Himmelsreise und wandte sich an sie:
Bemerkungen:
Die Situation ist durch zweierlei gekennzeichnet: Die Frau hatte bloß eine gewisse Sympathie für Moggallāno, sie hatte religiösen Glauben und Verehrung für einen Heiligen. Aber sie sah noch nicht einmal die drei Juwelen als Zuflucht an und hatte vom Inhalt der Lehre anscheinend noch kaum eine Ahnung und fühlte wohl auch keinen Zug, die Wahrheit zu hören. Sie besaß also nicht mehr als den allerschwächsten Grad religiöser Zuwendung.
Moggallāno besaß, wie aus anderen Berichten hervorgeht, die Möglichkeit jederzeit seine Hellblicksfähigkeit auf Vergangenheit und Zukunft eines Wesens zu richten. Dafür mußte er aber ausdrücklich sein Herz in einem konkreten Fall darauf einstellen. Im vorliegenden Fall tat er es offenbar nicht. Er wußte also nicht, daß die Frau in einigen Stunden sterben würde. Daher bestand kein Grund, ihr nachdrücklicher die Lehre zu zeigen.
Überhaupt drängen die Heiligen sich niemandem auf. Selbst wenn Moggallāno ihren Tod vorausgewußt hätte, so wußte er ja auch, daß sie in den Himmel kommen würde und daß er sie da immer noch belehren könnte, anders als in anderen Fällen, wo jemand auf die Hölle zuging.
Sie selber aber zeigt die große Verblendung der Wesen: Die Schemen ihres irdischen Traumes nahm sie für wichtiger und realer als die Realität ihres Todes und als die Notwendigkeit, dem Samsāro zu entrinnen. In der tibetischen Weisheit heißt es: Wir wissen nicht, was uns näher ist, der nächste Tag oder das nächste Leben. Und so war auch sie leichtsinnig und dachte, die Lehre könne sie ja immer noch hören, dazu sei ja immer noch Gelegenheit, aber ihre häusliche Geschäftigkeit wollte sie auch nicht um ein Stündchen aufschieben.
(Matthias Claudius, Der Mond ist aufgegangen)
Es ist nichts davon gesagt, daß Moggallāno nun in der Götterwelt die Belehrung nachholte. Da die Göttin ihre Reue ja darauf beschränkte, daß die anderen Götter, die den drei Kleinodien zugewandt waren, sie an Lebenskraft, Ruhm, Glück, Schönheit und magischer Macht übertrafen, sie also neidisch darauf war, sah Moggallāno sie wohl noch nicht als reif dafür an, die Lehre zu hören. Und so wird sie sich weiter mit ihrem Glitterglanz begnügen.
Vers 697: y'assa me anukampiyo / koci dhammesu tam samādapetha
Miß Horner übersetzt: "Whoever would be compassionate towards me he should incite me in the teachings", fügt aber hinzu, daß die Syntax dieses Verses nicht klar sei.
Masefield übersetzt dagegen: "Whoever there might be who is to be shown pity by me, him should you cause to take up."
Klar ist, daß jemand in der Lehre befestigt werden sollte (samādapeti), entweder sie, die Göttin (so Horner) oder ein Dritter (so Masefield). Das Mitleid sollte sich auf die Göttin richten (Horner), oder die Göttin sollte Mitleid haben (Masefield).
Meine Übersetzung versucht, eine allgemeine Fassung zu geben und folgt dem Kommentar insofern, als dieser anukampiyo als anukampitabbo (Gerundivum) nimmt.
Der Gesetzesfürst (dhamma-rāja) ist der Erwachte, der aus dem Samsāro herausführt (so mit Recht der Kommentar).