Vimāna Vatthu

1. Itthi Vimāna

2. Cittalatā Vagga

20. (II,3): Die Reisschaum-Spenderin - 3. Ācāmadāyikā Vimānavatthu

Einstmals wurde in Rājagaham eine Familie von der Schlangenwindkrankheit befallen. Alle Familienmitglieder starben daran, ausgenommen eine Frau. Aus Furcht vor Ansteckung ließ sie alles im Hause, Geld und Korn, zurück, brach ein Loch durch die Wand und entfloh dem Unglückshaus. Derart verarmt und elend begab sie sich zu einem anderen Haus und lebte an der Hinterseite. Die dortigen Bewohner hatten Mitleid mit ihr und gaben ihr das, was vom Essen an Resten in den Töpfen übriggeblieben war, wie Reisreste und Reisschaum. Davon konnte sie ihr Leben fristen.

Zu jener Zeit hatte Mahākassapo sieben Tage lang in der Auflösung der Wahrnehmbarkeit geweilt. Als er aus dieser Vertiefung zurückkam, blickte er über die Welt, um zu sehen, wem er am besten durch Annehmen von Almosen helfen könne. Da sah er, daß jene arme Frau kurz vor ihrem Tode stand und daß die Frucht einer früheren üblen Tat ihr nun in der Hölle reifen würde. Und er überlegte: Wenn sie ihm auch nur etwas von dem Reisschaum, den man ihr gegeben hatte, spenden würde, dann würde sie bei ihren sonstigen Möglichkeiten bei den Schaffensfreudigen Göttern wiedergeboren. So machte er sich denn auf und ging um Almosen zu dem Haus, an dessen Hinterseite sie lebte. Unterwegs bot ein Mann ihm reichliche und beste Speise an. Kassepo aber erkannte, daß dies Sakko, der Götterkönig, war, der ihm aus Verehrung spenden wollte. Da sprach er zu ihm: "Du hast genug heilsam gewirkt. Warum tust du dies? Verhindere nicht Arme, die sonst zur Hölle kämen, daran, durch Gaben den Himmel zu erwerben." Dann stellte er sich vor jene Frau, als ein Zeichen der Bitte um Almosen. Sie aber dachte: "Dieser Ordensältere ist von erhabener Größe. Ich habe aber weder harte noch weiche Speisen, die für ihn passen. Ich kann ihm doch nicht aus diesem unreinen Topf übergekochten Reisschaum geben, der ungesalzen, kalt, geschmacklos, mit Staub bedeckt ist, Grasstücke dazwischen." Daher sagte sie: "Bitte, gehe weiter." Kassapo ging einen Schritt zurück, aber dann stand er wieder still. Die Leute aus dem Vorderhaus boten ihm Almosenspeise an, aber er nahm sie nicht. Da merkte die Frau, daß er wohl gekommen war, ihr irgendwie zu helfen und daß er irgend etwas wünschte, das ihr gehörte. Im Herzen zugetan und aus Verehrung schüttete sie jenen Reisschaum in seine Schale. Er gab ihr ein Zeichen, daß er es hier essen wolle. So bereitete man ihm einen Sitz, und er aß. Nachdem er Wasser getrunken und genug gegessen hatte, berichtete er der Frau, daß sie in ihrem drittletzten Leben seine Mutter gewesen sei. Dann ging er fort.

Sie aber war im Herzen erfüllt von Hingabe und Liebe und Verehrung. In dieser Gesinnung schlief sie ein, und in der ersten Nachtwache (18.00 bis 22.00 Uhr) starb sie und erschien bei den Schaffensfreudigen Göttern. Als Sakko erkannte, daß sie gestorben war, schaute er sich unter den Göttern der Dreiunddreißig um, aber er fand sie nicht. So begab er sich in der mittleren Nachtperiode (22.00 bis 2.00 Uhr) zu Kassapo und befragte ihn über ihr Geschick:

(184)
Sakko:
Als du auf dem Almosengang
bist schweigend da gestanden still,
bei armer Frau, die elend lebt
da hinterm Hause anderer,
 
(185)
da gab sie Reisschaum heitren Sinns,
sie gab mit eigner Hand ihn dir.
Nachdem den Menschenleib sie ließ,
wohin ist sie gegangen dann?
 
(186)
Kassapo:
Als ich auf dem Almosengang
bin schweigend stillgestanden da
bei armer Freu, die elend lebt
da hinterm Hause anderer,
 
(187)
da gab sie Reisschaum heitren Sinns,
sie gab ihn mir mit eigner Hand.
Nachdem den Menschenleib sie ließ
ist sie gestorben gut befreit.
 
(188)
Die schaffensfreudig sind genannt,
die Götter sind von großer Macht,
dort lebt nun glücklich diese Frau,
die Reisschaum gab, in reicher Freud.
 
(189)
Sakko:
Aha, die Gabe dieser Frau
ist gut auf Kassepo gestützt.
Das, was von andern sie erhielt,
das reift als eigne Gabe ihr.
 
(190)
Die als Gemahlin würde sein
des Weltenkaisers Kaiserin,
mit aller Anmut wohl geziert
dem Gatten lieblich anzuschaun,
ist doch ein Sechzehntel nicht wert
von jener Reisschaumgabe wohl.
 
(191)
An hundert Ilfe, Rosse auch,
an hundert Maultierwagen noch
an tausend schöne Jungfrauen,
mit allerschönstem Ohrenschmuck,
sind doch ein Sechzehntel nicht wert
von jener Reisschaumgabe wohl.
 
(192)
Gar hundert vom Himālaya
an Elefant' mit ihren Zähn',
mit goldnen Ketten da versehn,
mit goldnem Zierrat da geschmückt,
die sind ein Sechzehntel nicht wert
von jener Reisschaumgabe wohl.
 
(193)
Selbst wer der Kontinente vier
als Weltenherrscher sollt regiern,
das wär ein Sechzehntel nicht wert
von jener Reisschaumgabe wohl.

 


Bemerkungen:

Die Schlangenwindkrankheit soll Cholera sein oder Malaria: JE 178, Jat.474, MV I,50-51. Offenbar eine ansteckende Krankheit, bei der die Befallenen isoliert wurden. Es mußte die Quarantäne durchbrochen werden, um sich zu retten.

Reisschaum soll das Übergekochte oder das im Topf Angesetzte sein (Horner S. 45). In einer Standardformel ist es die vegetarische Ernährung von Asketen (M.12, M.25, M.45). Neumann übersetzt "Pflanzenmilch", weil es in der Reihe mit Naturprodukten stehe und weil die Waldeinsiedler eben nicht kochten. A III/92 und 151 und J 254 v p. 289 haben dagegen Reisschaum. Jedenfalls ist es ein Abfallprodukt.

Vers 185: Für Leib steht hier Deha (Knetmasse, Teig).

Vers 187: "befreit" von der Hölle, nicht vom Samsāro.

Vers 188: Ebenso wie in Nr. 16, 34 und 44 kommt die Frau zu den Schaffensfreudigen. Das setzt früheres Wirken in diese Richtung voraus. Die kurzen Stunden der Freude über die Gabe dürften nicht genügen, um solch hohe Wiedergeburt zu ermöglichen.


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