SUTTA-NIPĀTA, Lehr-Dichtungen

I.7. Der Verworfene (Vasala -Sutta) - [Pali]

 

(Alternative Titel: Vasala-sutta oder (lt. K) Aggika-Bhāradvāja-sutta. Der Brahmane mit dem häufigen Stammesnamen Bhārādvaja hat den unterscheidenden Beinamen Aggika (aggi, 'Feuer') seines Opferfeuer-Dienstes wegen, von dem die Prosa-Einleitung berichtet. Vasala ist, wie candāla (v. 173, eine Bezeichnung für die Unberührbaren, d.h. die unterhalb der vier Hauptkasten stehende, verachtete Bevölkerungsschicht Indiens.)


 

So habe ich gehört. Einst weilte der Erhabene zu Sāvatthī, im Jeta-Hain, im Kloster des Anāthapindika. Der Erhabene nun hatte sich am Morgen angekleidet und, mit Schale und Gewand versehen, begab er sich nach Sāvatthī um Almosenspeise. Damals nun brannte vor dem Hause des Brahmanen Aggika-Bhāradvāja das Kult-Feuer: die Opferspende wurde dargebracht. Der Erhabene in Sāvatthī Haus für Haus um Almosenspeise gehend, kam so auch zum Hause des Brahmanen Aggika-Bhāradvāja. Dieser sah den Erhabenen von weitem herankommen, und als er ihn erblickt hatte, rief er ihn also an: "Dort bleibe, du Kahler! Dort bleibe, du elender Asket! Dort bleibe, du elender Verworfener [1]! Bleibe stehen1!" So angeredet, sprach der Erhabene zum Brahmanen Aggika-Bhāradvāja also: "Kennst du denn, o Brahmane, den Verworfenen oder die Dinge, die zu einem verworfenen machen?"' - "Nicht kenne ich, Herr Gotama, den Verworfenen oder die Dinge, die zu einem Verworfenen machen. Gut wäre es, wenn mir der Herr Gotama so diese Sache zeigte, daß ich den Verworfenen kennen lerne oder die Dinge, die zum Verworfenen machen!" - "So höre denn, Brahmane, merke wohl auf. Ich werde sprechen." - "So sei es, Herr", antwortete der Brahmane Aggika-Bhāradvāja. Der Erhabene sprach also:

 

116

Ein Mensch, der zornig, wuterfüllt, ein bösgearteter Verleumder, [2]
Mit übler Ansicht, heuchlerisch, - ihn als Verworfenen kenne man.

117

Ob es Getier der Erde oder auch der Luft [3], wer Lebewesen hier verletzt,
Wer für Lebendiges kein Mitleid hat, - ihn als Verworfenen kenne man.

118

Wer Dörfer, Städte einkreist, angreift und sie dann zerstört,
Berüchtigt ist als Landesplage, - ihn als Verworfenen kenne man.

119

Wer anderer Besitz, sei es im Dorfe, sei's in Wald und Feld,
Ihm nicht gegeben, diebisch an sich nimmt, - ihn als Verworfenen kenne man.

120

Wer Schulden eingeht und gemahnt, dann leugnet [4]:
'Nicht schulde ich dir irgend was!', - ihn als Verworfenen kenne man.

121

Wer nichtiges Gut [5] begehrend, auflauert auf dem Wege,
Ihn tötend, dieses Nichtige nimmt, - ihn als Verworfenen kenne man.

122

Zu eigenen, fremden Gunsten, oder auch um Geld,
Wer Falsches aussagt, wenn befragt als Zeuge, -
Ihn als Verworfenen kenne man.

123

Wer mit Frauen von Verwandten oder Freunden die Ehe bricht,
Gewaltsam oder auch im Einvernehmen, - ihn als Verworfenen kenne man.

124

Wer seine Eltern, wenn sie altersschwach sind und bejahrt,
Obwohl er es vermag, nicht unterstützt, - ihn als Verworfenen kenne man.

125

Wer Eltern, Bruder, Schwester oder Schwiegermutter,
Schlägt oder auch mit Worten kränkt, - ihn als Verworfenen kenne man.

126

Nach Heilsamem befragt, wer Unheilsames anempfiehlt,
heimtückisch seinen Ratschlag gibt, - ihn als Verworfenen kenne man.

127

Wer, üble Tat begehend, wünscht: 'Nicht wissen soll man es von mir!'
Verstohlen ist in seinem Tun, - ihn als Verworfenen kenne man.

128

Wer hin zu anderer Hause geht, mit ihnen gutes Mahl verzehrt,
Doch nicht die Gastfreundschaft erwidert, - ihn als Verworfenen kenne man.

129

Asketen und Brahmanen, auch andere Wanderer, die da bitten,
Mit Lügenworten wer sie täuscht, - ihn als Verworfenen kenne man.

130

Wer einen Priester oder auch Asketen, wenn es Zeit zum Mahle,
Mit Worten kränkt und nichts ihm gibt, - ihn als Verworfenen kenne man.

131

Wer voll Verblendung aussagt, was nicht wirklich ist [6],
Nach nicht'gem Vorteil [7] stark gelüstend, - ihn als Verworfenen kenne man.

132

Sich selber wer da rühmt und andere gering schätzt,
Durch solchen Dünkel sich erniedrigt hat, - ihn als Verworfenen kenne man.

133

Zanksüchtig, geizig und voll übler Wünsche, habgierig und voll Falschheit auch,
Nicht Scham besitzend und nicht Scheu, - ihn als Verworfenen kenne man.

134

Wer schmähend spricht vom Buddha oder seinem Jünger,
Ob er ein Mönch ist oder auch ein Hausner, - ihn als Verworfenen kenne man.

135

Doch wer, kein Heiliger seiend, sich als Heiligen ausgibt,
Ein Dieb so in der Welt mit ihren Göttern, - der übelste Verworfene ist der!
Die sind es, die 'Verworfene' heißen, verkündet hab' ich sie euch nun!

136

Nicht durch Geburt ist man Verworfener, nicht durch Geburt ist Priester man!
Durch seine Tat ist man Verworfener, durch seine Tat ist Priester man!

137

Auch hieraus könnt ihr es verstehen, ich gebe euch dies Beispiel hier:
Ein Sohn von Ausgestoßenen, Hunde-Esser, der als 'Mātanga' [8] weit bekannt,

138

Er hatte höchsten Ruhm erreicht, wie ein Mātanga kaum ihn je erlangt.
Um aufzuwarten ihm, gar viele Adlige und auch Priester kamen.

139

Der Götter Fährte hatte er erklommen [9], den makellosen hohen Pfad.
Von Sinnengier entsüchtet, sagt man, ist er zur Brahma-Welt gelangt.
Nicht hielt ihn Abkunft davon ab, die Brahma-Welt sich zu gewinnen.

140

Brahmanen aus gelehrtem Haus, die mit den Veden wohl vertraut,
Auch sie sogar kann häufig man mit üblem Tun befaßt erblicken.

141

In diesem Leben schon wird ihnen Tadel, und künftig gehen sie zu niederer Welt.
Nicht hielt von ihnen Abkunft fern die niedere Fährte oder Tadel.

142

Nicht durch Geburt ist man Verworfener, nicht durch Geburt ist Priester man!
Durch seine Tat ist man Verworfener, durch seine Tat ist Priester man!

 

Nach diesen Worten sprach Aggika-Bhāradvāja, der Brahmane, zum Erhabenen also: "Vortrefflich, Herr Gotama! Vortrefflich, Herr Gotama! Wie wenn man Umgestürztes aufrichtet, Verdecktes enthüllt, einem Verirrten den Weg weist, in die Finsternis eine Leuchte bringt, auf daß Sehende die Dinge erkennen können, - ebenso wurde vom Herrn Gotama in mannigfacher Weise die Lehre verkündet. So nehme ich denn meine Zuflucht zum Herrn Gotama, zur Lehre und zur Mönchsgemeinde. Als Anhänger möge mich der Herr Gotama betrachten. Von heute an bis zum Ende meines Lebens habe ich Zuflucht genommen."


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[1] Das geschorene Haupt des Buddha kennzeichnete ihn als zu jenen, schon vor dem Buddhismus vorhandenen Asketen gehörig, die sich bewußt außerhalb der Kastenordnung gestellt hatten. Da er als solcher den Umgang mit Angehörigen der Vasala-Klasse nicht scheute, ja sie auch ordinierte, galt er dem orthodoxen Brahmanen als noch verächtlicher als ein vasala, nämlich als vasalaka (Die Endung -ka hat hier absprechende, verächtliche Bedeutung), als ein 'elender Verworfener', wie er ihn nennt, dessen Schatten allein genügt, um das Opfer zu verunreinigen.


[2] Wie K bemerkt, begann der Buddha seine Erklärung mit der Erwähnung des Zornigen, als feiner Hinweis auf die früheren zornigen Worte des Brahmanen. Wie es einem über Selbstlob und Nächstentadel stehenden Buddha gemäß ist, habe er aber alles Persönliche vermieden, vielmehr nur von der Sache selbst gesprochen, die Anwendung auf sich selbst dem Hörer überlassen.


[3] Ob es Getier der Erde oder auch der Luft, wtl.: 'einmal oder zweimal Geborene' (ekajam vā duijam vā). Als zweimal geboren werden die aus dem Ei entstehenden Tiere, vor allem die Vögel bezeichnet, als deren zweite Geburt das Ausschlüpfen aus dem Ei gilt. Alle anderen Tiere gelten als einmal geboren.


[4] Leugnet; wtl.: flieht (palāyati), d.h. 'Ausflüchte macht'; in diesem Sinne auch vom K erklärt.


[5] Nichtiges Gut . . . dieses Nichtige (kiñcikkha); wtl.: irgendeine Kleinigkeit; eine Lappalie.


[6] Verkündet, was nicht wirklich. Laut K ist dies zu beziehen entweder auf bewußt falsches Wahrsagen oder auf Lügen, mit denen man etwa die Frau oder die Dienerin eines Anderen in sein Haus lockt oder sich eines begehrten Gutes bemächtigt.

[7] Nach nicht'gem Vorteil (kiñcikkha); wtl.: irgendeine Kleinigkeit; eine Lappalie.


[8] Die legendäre Geschichte dieses Ausgestoßenen namens Mātanga gibt K ausführlich wieder (Siehe Mātanga Jātaka).


[9] Der Götter Fährte hatte er erklommen (devayānam āruyha). Vgl. die Zweiweg-Lehre der Upanischaden: devayāna, der Weg der Götter, pitryāna, der Weg der Väter oder Ahnen. Siehe Register unter Devayāna in Deussens "Philosophie der Upanischaden" u. 60 Upanishads".


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