PETA-VATTHU

Buch IV

IV,10: Die Peta-Schar

In Sāvatthī, dessen meiste Einwohner dem Buddha vertrauten, lebte auch eine Gruppe von Materialisten. Da sie vordergründig an nichts anderes als sinnliches Genießen in diesem Leben dachten und alle Ermahnungen in den Wind schlugen, waren sie geizig. Sie gaben nichts ab, sie taten nichts für andere, waren gleichgültig gegenüber den Wünschen und Nöten anderer. Nachdem sie lange gelebt hatten, starben sie kurz nacheinander. Sie, die nicht ans Jenseits geglaubt hatten, fanden sich als Gruppe von Gespenstern wieder. In jener Welt lebten sie nahe von Sāvatthī. Als Mahāmoggallāno auf Almosen zur Stadt ging, sah er sie, und er fragte:

 

(782)
Mahāmoggallāno:
Nackt seid ihr, unschön anzusehn,
seid abgezehrt, die Adern frei,
o ihr, die ihr die Rippen zeigt,
wer seid ihr denn, ihr Herren da?
 
(783)
Petas:
Gespenster sind wir ja, o Herr,
in Yamas Reich hinabgelangt.
Weil böses Wirken wir gewirkt,
gelangten wir zur Petawelt.
 
(784)
Mahāmoggallāno:
Was habt ihr Böses denn getan
in Werken, Worten und im Geist,
für welches Wirken reift es euch,
daß solches Leiden ihr erfahrt?
 
(785)
Petas:
Am öffentlichen Badeplatz
wir heimsten halbe Groschen ein.
Obwohl's genug zum Geben gab,
wir schafften uns kein Eiland draus.
 
(786)
Wir nähern zitternd uns dem Fluß,
doch er ist leer an Wasser uns.
Bei Hitze suchen Schatten wir,
doch wird zur Hitze er für uns.
 
(787)
Ein Wind, der feurig ist und heiß,
der weht uns an, versenget uns.
Doch wir verdienen das, o Herr,
ja, wir verdienen Schlimm'res noch.
 
(788)
Wir wandern viele Meilen weit
nach Nahrung gierig, hungrig sehr.
Wir finden nichts und kehren um,
wir haben, ach, fast kein Verdienst.
 
(789)
Ohnmächtig von dem Hunger dann
zur Erde fallen wir, o Herr.
Da liegen flach wir hingestreckt,
kopfüber sind wir hingefall'n.
 
(790)
Und wenn wir so da liegen nun,
gefallen auf den Boden hin,
wir schlagen uns an Kopf und Brust,
wir haben, ach, fast kein Verdienst.
 
(791)
Doch wir verdienen das, o Herr,
ja, wir verdienen Schlimm'res noch.
Obwohl's genug zum Geben gab,
wir schafften uns kein Eiland draus.
 
(792)
Wenn einst von hier wir scheiden ab,
wenn Menschenschoß erreichen wir,
ansprechbar, tugendhaft bewährt,
viel Heilsames woll'n wir dann tun.

Bemerkungen:

Diese Schar von Materialisten lebte wie die große Menge der Menschen heute. Schon damals sagte der Buddha, daß die meisten Menschen nach dem Tode abwärts gehen. So auch diese. Es ist gar nicht nötig, Böses zu tun, um zur Gespensterwelt durchschnittlicher Art zu kommen. Wer sein Verdienst im Menschentum aufzehrt und nichts neues Gutes wirkt, der steht leer da, d.h. er ist hungrig, durstig, nackt. Die Welt verweigert sich ihnen, so wie sie sich einst weigerten, für die Zukunft vorzusorgen durch gute Werke. Sie wissen aber, daß es für sie schon ein kleines Verdienst bedeutet, nicht höllennahe Petas geworden zu sein oder gar in die Hölle zu kommen oder zur Tierheit. Eigentlich scheint es ihnen, daß ihre Hartherzigkeit, Nächstenblindheit und Oberflächlichkeit noch schlimmere Ernteverdient hätte. Indem sie so ihr Versagen bereuen, bahnen sie sich den Weg zukünftigem Menschentum, in dem sie dann viel Heilsames wirken wollen.

Vers 782 - 785: Parallelen mit Variationen in 95, 767, 768, 466

Vers 785 wie 466: PTS hat: anāvaţesutitthesuvicinimh'addhamāsakam.

Als v.l. werden beide Male angegeben: anavajjesu und addha. Der Sinn scheint verdorben. An-avajja heißt tadelfrei, was keinen Sinn gibt. An-avata = nicht geschlossen = öffentlich. Vicinati = unterscheiden, herumsuchen, herumlungern. addha-māsaka = halbe Groschen, wohl populär für "Geld". In Vers 466 ist der Sinn klar (Hure), hier nicht. Ob sie verlorene Geldstücke suchten? Die Übersetzung "halber Monat" ist abzulehnen (s. bei Pv III,6).

Vers 790/1: verdienen (arahati = gebühren); Verdienst (puñña)


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