PETA-VATTHU

Buch IV

IV,1: Ambasakkhara

In der Adelsrepublik der Licchavier zu Vesāli lebte, als einer von ihnen und als der Mächtigste, der Fürst Ambasakkhara. Er glaubte nicht an Saat und Ernte, war ein Nihilist. Er verhängte daher drakonische Strafen gegen Rechtsbrecher, weil er nicht ans Karma glaubte.

In der Stadt lebte gleichzeitig ein frommer Kaufmann, der gute Werke tat, wie eine Brücke bauen. Er war von Natur her tugendhaft, ohne Ärger, sprach freundlich und lobte die Tugenden anderer. Nur einmal versteckte er beim Baden einem Begleiter zum Scherz dessen Kleidung und gab sie ihm erst wieder, als der andere sich gesorgt hatte.

Sein Neffe war tugendlos. Er war ein Einbrecher und brachte das gestohlene Gut im Laden seines Onkels ohne dessen Wissen unter. Die Eigentümer brachten das heraus und zeigten die beiden bei Ambasakkhara an. Das Diebesgut wurde im Laden entdeckt, und der Fürst verurteilte beide, ohne auf die Unschuldsbeteuerungen des Onkels zu achten, zum Tode. So wurde diesem sofort der Kopf abgeschlagen. Der Neffe aber wurde zum schmerzhaften, langsamen Tod am Marterpfahl verurteilt.

Als der Onkel gestorben war, wurde er ein Erdgottheits-Peta und besaß ein edles weißes Pferd, das gedankenschnell lief, als Ernte für seinen Brückenbau. Und himmlische Wohlgerüche entströmten seinem Körper, als Ernte dafür, daß er die Tugenden anderer gepriesen hatte. Wegen der versteckten Kleider aber war er nackt. Als ihm beim Rückblick auf sein letztes Leben so das Gesetz von Saat und Ernte konkret sichtbar geworden war, da sah er seinen Neffen am Pfahl. Sein Herz war von Mitleid bewegt, und jede Mitternacht kam er auf seinem Roß mit Windeseile zu der Richtstätte und sagte jedesmal: "Bleibe leben, mein Freund, denn leben bleiben ist besser."

Ambasakkhara ritt zu jener Zeit einmal auf seinem Staatselefanten um die Stadt. Da sah er, wie eine Frau in einem Haus das Fenster öffnete und auf seine fürstliche Pracht blickte. Augenblicklich verliebte er sich in sie. Als er zu seinem Palast zurückgekommen war, befahl er einem Diener herauszufinden, ob jene Frau verheiratet sei oder nicht. Als der Diener dem Fürsten mitteilte, daß sie einen Ehemann habe, begann der Fürst, Überlegungen anzustellen, wie er den Ehemann beseitigen und sie gewinnen könne. Er lud den Ehemann vor und bot ihm an, er möge in seine fürstlichen Dienste treten. Aus Furcht stimmte der Mann zögernd zu. So begab er sich täglich in den Palast. Der Fürst ließ ihm Nahrung und Lohn zuteilen. Nach einigen Tagen aber, als der Mann in der Frühe zu ihm kam, sagte er zu ihm: "Geh zu einem bestimmten Lotosteich außerhalb Vesalis und bringe von dort etwas roten Ton und rote Wasserlilien. Wenn du aber nicht am selben Tag zurück kommst, ist dein Leben verwirkt." Nachdem der Mann losgegangen war, instruierte der Fürst den Torwart, er möge die Stadttore etwas vor Sonnenuntergang, nicht bei Sonnenuntergang, schließen. Der bestimmte Teich aber war über drei Meilen von Vesali entfernt. Von Angst beflügelt aber erreichte der Mann das Gewässer noch vor Mittag. Da er gehört hatte, daß außermenschliche Wesen an jenem Teich hausten, umschritt er ihn ängstlich, ob Gefahr drohe. Der Schutzgeist des Teiches, der Außermenschliche, hatte Mitleid mit ihm, nahm eine sichtbare, menschliche Form an und fragte, zu welchem Zweck er gekommen sei. Nachdem der Mann seine Geschichte erzählt hatte, ermunterte er ihn, zu nehmen, was er wolle. Dann verschwand er. Der Mann nahm Ton und Lilien und machte sich auf den Rückweg. Gerade vor Sonnenuntergang kam er ans Stadttor, der Torwart aber schloß gerade das Tor. Da sah er vor dem Tor den Mann am Pfahl - dort war die Richtstätte - und rief ihn als Zeugen an, daß er noch vor Sonnenuntergang angelangt sei. Der Delinquent aber erwiderte: "Ich erwarte den Tod, wie kann ich dein Zeuge sein? Es ist da aber ein Verstorbener von großer magischer Macht, der sich mir nähert, ihn rufe als Zeugen an." Der Mann wollte aber wissen, wie er denn einen Toten sehen könne. Der Delinquent sagte, er werde ihn sehen, wenn er um Mitternacht komme. So geschah es, und er rief ihn als Zeugen an. Bei Tagesanbruch sagte der Fürst zu dem Manne, daß er die Todesstrafe verdient habe, weil er nicht rechtzeitig wieder zurückgekommen sei. Der Mann aber verteidigte sich, er sei vor Sonnenuntergang zurück gewesen. Ob er einen Zeugen habe, wollte der Fürst wissen. Der Mann erwiderte, das sei ein nackter Peta, der zu jenem Delinquenten käme. Der Fürst meinte, das könne jeder sagen, wie könne er das beweisen? Der Mann antwortete: "Laß einen vertrauenswürdigen Mann um Mitternacht hier anwesend sein." Da wurde der Fürst neugierig und kam selber um Mitternacht. Als der Peta auf seinem Roß erschien und wie üblich seinen Spruch sagte: "Bleib leben, mein Freund, denn leben ist besser", da begann der Fürst mit dem Peta ein Gespräch, beginnend mit einer Schilderung des Zustands des Delinquenten:
 

(516)
Sprecher:
Im Vajjilande eine Stadt, die hieß Vesāli,
wo der Licchavier Ambasakkhara gelebt.
Der eines Tages vor der Stadt sah einen Peta
und fragte sich, was dessen Lage wohl bedeute.
 
(517)
Fürst (zu dem Delinquenten):
Der Mann hat weder Sitz noch Lagerstätte,
er geht nicht vorwärts, und er geht nicht rückwärts,
zu essen, trinken und sich kleiden hat er nichts,
und Dienerinnen erblick ich bei ihm auch nicht.
 
(518)
Genossen, Freunde, einst erblickt, vernommen,
die liebreich seiner an sich nahmen früher,
die kann er nunmehr nimmermehr erblicken,
und auch sie können ihn ja nicht mehr treffen.
 
(519)
Wer abgesunken, der hat keine Freunde,
im Unglück, da verlassen sie den Menschen.
Solang sie Vorteil sehn, da sind sie um uns,
wer oben ist, der hat gar viele Freunde.
 
(520)
Sein Gut verlor'n, sein Reichtum führt zu Elend,
beschmiert mit Blut, die Glieder da gebrochen.
So wie ein Tropfen Tau vergeht geschwinde,
neigt seine Lebenskraft sich jetzt zum Ende.
 
(521)
Dies schlimmste Elend muß er nun erdulden,
wenn zitternd er am Marterpfahle steckt.
zum Peta: Was sagst du, Yakkha, denn zum Lob des Lebens?
Ist es nicht besser doch, wenn man hat Leben?
 
(522)
Peta:
Ein Blutsverwandter jener war von mir,
sein früh'res Leben, das kenn ich genau.
Nachdem ich ihn gesehn, ich fühl Erbarmen,
daß er für böses Sein nicht in die Hölle stürzt.
 
(523)
Denn wenn, Licchavier, er von hinnen scheidet,
wird für sein schlechtes Werk erscheinen er
in Schwerterschneiden-Hölle fürchterlich,
wo er geglüht, wo's bitter ist und schrecklich gar.
 
(524)
Selbst jener Pfahl mit seinen Einzelheiten
ist besser immer noch als solche Hölle.
Mög er doch nicht in jene Schreckenshölle fallen,
die einzig leidvoll, stechend, brennend.
 
(525)
Würd dieser Mann, was ich jetzt sage, hören,
von Leiden überwältigt würd sein Leben enden.
Daher sag ich es nicht in seiner Nähe,
damit da nicht durch mich sein Leben endet.
 
(526)
Fürst:
Erfahren hab ich dieses Mannes Sache.
Jetzt möcht ich dich noch etwas andres fragen.
Doch nur, wenn du's gestattest, will ich fragen,
damit du mir darob nicht mögest zürnen.
 
(527)
Peta:
Dafür geb ich dir gerne mein Versprechen.
Wer nicht bereit, dem dränge ich mich auf nicht.
Da du selbst ohne Wunsch würd'st meinem Worte glauben,
so frag nur, ich werd, wie ich kann, antworten.
 
(528)
Fürst:
Was ich mit eignen Augen sehen werde,
das alles werde ich sofort gern glauben,
und selbst, wenn ich Gesehnes nicht sollt glauben,
laß Yakkha, meine Sache sein dann solches.
 
(529)
Peta:
Gut, dies mög sein für mich versprochne Wahrheit.
Hast du gehört die Lehre, mögst du heiter werden,
Verstehn gewinnen, unverderbten Herzens.
Was von gehörter Lehre du noch nicht gehört,
das werd ich dir erklärn nach meiner Kenntnis.
 
(530)
Fürst:
Auf einem weißen Pferde, wohl geschmückt,
nahst du dich dem, der an dem Pfahle seufzt.
Das ist etwas, das wunderbar ist anzuschaun.
Für welches Wirken dieses ist die Ernte?
 
(531)
Peta:
Inmitten unsrer Stadt Vesāli war zu finden
ein Pfad, der sehr morastig, höllisch Sumpf war.
Dort eines Tages, heitren Herzens, ich erbaute
aus weißem Sandelholz dort einen Übergang.
 
(532)
So konnten ich und andre trocknen Fußes
hinüber kommen, kreuzen diesen Ort.
Dies ist gewißlich wunderbar zu sehen,
dies hier als jenes Wirkens Ernte jetzt.
 
(533)
Fürst:
Die Schönheit dein, die strahlt in jede Richtung,
und überallhin weht dein Wohlgeruch.
Du bist ein Yakkho, und du bist gar mächtig,
doch bist du nackt, wovon die Folge ist's?
 
(534)
Peta:
Von Zürnen frei und allzeit heitren Herzens,
zu allen Leuten sprach ich sanfte Worte.
So solchen Wirkens Frucht ist dieses:
In Schönheit strahl ich göttlich immer.
 
(535)
Erblickt ich Ruhm und Ansehn derer, die gefestigt,
so hab gepriesen ich's, im Herzen heiter.
So solchen Wirkens Frucht ist dieses:
Ein göttlich Duft, der weht in jede Richtung.
 
(536)
Als aber Freunde an der Furtgebadet,
nahm ihre Kleider ich, versteckte sie am Ufer.
Ich tat's im Scherz, nicht aus verderbtem Herzen,
doch bin ich nackt und insofern im Mangel.
 
(537)
Fürst:
Wer also Böses wirket nur aus Spaß,
der erntet solche Frucht wie diese hier.
Doch wer dasselbe wirket nicht zum Spaß,
welch eine Frucht wohl erntet solcher?
 
(538)
Peta:
Ein Mensch, der in Gesinnung ist verdorben,
in Worten und in Taten ist besudelt,
wenn dessen Leib zerfällt, und er geht weiter,
so ist die Hölle zweifellos sein Lohn.
 
(539)
Doch andre, die da guten Gang erhoffen,
die gebefroh, im Guten gern gesammelt,
wenn deren Leib zerfällt, und es geht weiter,
so ist ein guter Ausgang zweifellos ihr Lohn.
 
(540)
Fürst:
Daß solches sei die Frucht von Gut und Böse,
warum soll ich's für sicher wirklich glauben?
Was hätt ich denn gesehn, daß ich's könnt glauben?
Und was könnt machen, daß ich's wirklich glaube?
 
(541)
Peta:
Was du gesehn, gehört, das kannst du glauben.
Das nämlich ist die Frucht von Gut und Böse.
Wär'n Gut und Böse beide nicht vorhanden,
wieso gäb's guten Ausgang dann und schlechten?
 
(542)
Wenn hier nicht würden Sterbliche
die guten und die bösen Werke wirken,
so gäb es in der Menschenwelt für Hoch und Niedrig
nicht guten Ausgang oder schlechten.
 
(543)
Weil Sterbliche in dieser Menschenwelt
die guten und die bösen Werke wirken,
deshalb gibt's in der Menschenwelt für Hoch und Niedrig
schon guten Ausgang und auch schlechten.
 
(544)
Zwiefach, so sagt man, ist des Wirkens Ernte,
als Wohl, als Wehe zu empfinden.
Die Götter sind von Wohl ringsum umgeben,
die Toren, die an Weh nicht denken, leiden.
 
(545)
Für mich gibt's hier kein selbstgewirktes Wirken
und niemand, der mir eine Gabe widmet
an Kleid, an Sitz, an Essen und an Trinken.
Darum bin nackt ich, und ich leide Mangel.
 
(546)
Fürst:
Es muß doch, Yakkha, hier ein Mittel geben,
das dir da Kleidung könnte wohl verschaffen!
Sag bitte mir, was ist die Ursache dafür?
Ich hör gern ein verläßlich Wort darüber.
 
(547)
Peta:
Kappitaka, so heißt ein Mönch des Auferwachten,
geeinigt, tugendhaft, erlöst, ein Heil'ger,
gezügelt in den Sinnen, treu der Satzung,
ist kühl geworden er, hat höchste Ansicht,
 
(548)
ist freundlich, ansprechbar, zugänglich leicht,
willkommen stets, gefestigt in der Satzung,
Feld für Verdienst, so weilt er streitlos,
der Gaben wert von Göttern und von Menschen.
 
(549)
Still, anspruchslos, ohn Fehler, ohne Hoffen,
erlöst, ohn Dorn, ohn Mein, ohn Wanken,
frei von Bezug, versiegt ist Sonderheit ihm,
drei Wissen hat erreicht er, eine Leuchte.
 
(550)
Man kann ihn sehn, doch wird erkannt er selten,
als stiller Denker gilt er bei Vajjinern.
Die Yakkhos kennen ihn als ohne Regung,
voll guter Dinge er die Welt durchwandelt.
 
(551)
Gibst du ein Kleid ihm oder zweie
und widmest mir dabei die Gabe,
und nimmt er sie entgegen also,
dann wirst alsbald du sehen mich bekleidet.
 
(552)
Fürst:
In welcher Gegend weilet der Asket wohl,
daß wir da, ihn zu sehen, könnten gehen?
Er könnte alle Zweifel und Bedenken
der Meinungs-Zuckung sicher mir vertreiben.
 
(553)
Peta:
Sein Wohnsitz, der ist jetzt Kappinaccanā,
von vielen Göttern ist er dort umgeben,
spricht von der Lehre dort, getreu der Wahrheit,
im Innern ohne Feindschaft, ernsten Sinnes.
 
(554)
Fürst:
Ich geh sofort und werde jenes tuen,
ich werde dem Asketen Kleider schaffen.
Wenn er von mir sie also nimmt entgegen,
so wirst auch du versehn sein mit Gewändern.
 
(555)
Peta:
Nicht geh zur Unzeit ich zu einem Pilger,
auch ist's für dich, Licchavier, jetzt nicht recht.
Zur rechten Zeit du mögest dich ihm nahen,
das ist, wenn du ihn siehst alleine sitzen.
 
(556)
Sprecher:
Nach dieser Rede ging der Fürst sogleich nun
von seiner Diener Schar ringsum umgeben
nach Hause hin in seiner eignen Stadt,
und er begab sich in die eigne Wohnung.
 
(557)
Nachdem die Hausnerpflichten er erfüllte,
nachdem er hatt' gebadet und getrunken,
aus einer Truhe wählte aus er acht Gewänder
und ging dann fort, von seiner Dienerschar gefolgt.
 
(558)
Nachdem an jenem Ort er angekommen,
erblickt den Mönch, der - still im Herzen
von seinem Bettelgange grad zurück,
wie kühl geworden unter einem Baum saß.
 
(559)
Er ging zu ihm und hat ihn angesprochen,
fragt nach Gesundheit ihn, nach Wohlergehen:
Fürst: Bin ein Licchavier, Herr, bin von Vesāli,
als Ambasakkhara bin ich bekannt.
 
(560)
Die acht Gewänder hier, o Herr, die feinen,
die mögst du nehmen an, von mir gegeben.
Allein zu diesem Zwecke bin ich hergekommen,
damit ich dadurch glücklich werden kann.
 
(561
Asket:
Von weitem schon Asketen und Brahmanen
umgehn dein Haus und meiden deine Wohnung,
in deinem Haus zerbrochen sind die Schalen,
und auch die Mönchsgewänder da verkommen. )
 
(562)
Da gibt es Leute, die das Bein Asketen stellen,
daß diese dann, kopfüber, fallen hin so.
In dieser Weise werden Pilger da mißhandelt,
und das Asketen müssen dort erleben.
 
(563)
Nicht einmal einen Grashalm Sesamöl gibst du,
und auch Verirrten zeigst du niemals rechte Wege,
den Blinden raubst du gar den Stock.
So bist du: knickerig und ungezügelt.
Zu welchem Zweck, in welcher Form auch
willst du bei uns verteilen etwas?
 
(564)
Fürst:
Ich gebe zu, o Herr, was du gesagt hast,
verfolgt hab ich Asketen und Brahmanen.
Doch tat ich's nur aus Spaß und unverderbten Herzens,
doch war es eine Untat, Herr, gewißlich.
 
(565)
Der Yakkho hatt' aus Spaß gehandelt böse,
drum fühlt er Weh, und sein Genuß ist mangelhaft.
Jung ist und schön er, aber nackend auch.
Was wäre schlimmer noch für ihn?
 
(566)
Ergriffen ward ich, als ich sah den Mangel,
aus diesem Grund will ich jetzt Gabe geben.
Nimm an, o Herr, hier diese acht Gewänder
und laß dem Yakkho zukommen die Gabe.
 
(567)
Asket:
Gar vielfach diese Gabe ist zu preisen,
mög sie dir unversiegbar Rechtes bringen.
Ich nehme an von dir die acht Gewänder,
zum Yakkho möge diese Gabe gehen.
 
(568)
Sprecher:
Dann der Licchavier spülte aus den Mund sich
und gab dem Ordensälteren die acht Gewänder.
Er sprach: "O möchten diese angenommen werden,
so daß den Yakkho wir bekleidet sehen!"
 
(569)
Dann sah er ihn besprengt mit Duft vom Sandel
auf edlem Pferde sitzend - prächtger Anblick
bedient, im Schmucke allerschönster Kleider,
und alle Yakkhomacht hat er erlangt nun.
 

So sah er ihn, befriedigt, aufgerichtet,
erfreuten Herzens, allerschönsten Anblicks.
Des Wirkens mächt'ge Reife hat er nun gesehn,
mit eignen Augen es verwirklicht also. (570)
 
(571)
Er ging zu ihm und wandt' sich also an ihn:
Fürst: Asketen und Brahmanen will ich geben.
Es gibt jetzt nichts, was ich nicht könnte geben.
Du warst mir, Yakkha, eine große Hilfe.
 
(572)
Peta:
Und du, Licchavier, du hast mir gegeben
hier eine Gabe, die nicht ist vergebens.
Ich nehme dich dafür als meinen Zeugen,
als Außermenschlicher doch Menschen nahe.
 
(573)
Fürst:
Du warst mir Glück, Genosse, Zuflucht,
du warst mir Freund auch, meine liebe Gottheit.
Ich grüße dich mit ehrfurchtsvollem Handgruß
und würde, Yakkha, gerne wiedersehn dich.
 
(574)
Peta:
Falls weiter du ungläubig bleiben würdest,
von knickeriger Art, im Herzen falsch gerichtet,
in solch Verfassung kannst du mich nicht sehen,
und wenn, dann würde ich mit dir nicht reden.
 
(575)
Hältst aber du das Rechte wert und wichtig,
bist gebefroh, im Guten gern gesammelt
und für Asketen und Brahmanen eine Quelle,
dann kannst erlangen du, zu sehn mich wieder.
 
(576)
Und hast du mich gesehen nun, o Herr,
befreie jenen Mann vom Pfahl geschwinde.
Durch unsern Bund sind wir geworden Zeugen.
Ich denke wohl an seine Qual am Pfahle.
 
(577)
Nachdem wir Freundschaft schlossen miteinander,
befreie diesen Mann geschwind vom Pfahle.
Dann wird er Dingen widmen sich, die würdig,
und wird dadurch der Hölleganz entgehen.
 
 
(578)
So wird das Wirken sein Gefühl verändern.
Danach mögst zu Kappitaka du gehn
und mögst zur rechten Zeit ihm etwas spenden.
Wenn du dann bei ihm bist, so frag ihn selber.
 
(579)
Er wird dir diesen Fall alsbald erzählen.
Hast aufgesucht du diesen Mönch da,
frag ihn aus Wißbegier, nicht aus verderbtem Herzen,
was er gehört, was nicht gehört an Rechtem.
Das alles wird er dir erklär'n nach seinem Wissen.
Die Lehre, vom Willkommenen gehört, erklärt er.
 
(580)
Sprecher:
Nachdem der Fürst mit ihm allein gesprochen
und ihn zum Zeugen nahm, den Außermenschen,
da kehrte er zurück zu den Licchaviern
und wandte an die Menge sich, die dort versammelt:
 
(581)
Fürst:
Ein Wort von mir, ihr Lieben, mögt ihr hören:
Das Bess're wählend werd ich Heil erlangen.
Wer wegen übler Tat ist an den Pfahl gebunden,
der ist gestraft so mehr schon als genug,
 
(582)
wenn zwanzig Nächte er da mußt verbringen,
wo angebunden er ist weder tot noch lebend.
Ich werde ihn daher von seinen Banden lösen.
Mög die Versammlung dieses mir erlauben!
 
(583)
Räte:
Befrei schnell diesen und auch einen andern.
Wer gab den Rat dir denn, also zu handeln?
Wie du's für richtig hältst, so mögst du handeln.
Wir, die Versammlung, werden dir's gestatten.
 
(584)
Sprecher:
Der Fürst wandt' seine Schritte zu der Stätte
und löste unverzüglich ihn von seinem Pfahle.
Dann sagte er: "Hab keine Furcht mehr, Guter",
und übergab zur Heilung ihn den Ärzten.
 
(585)
Kappitaka sie alle dann besuchten.
Nachdem zur rechten Zeit sie ihm gespendet,
da saßen alle vor ihm, die Licchavier.
Aufklärung suchend fragte ihn der Fürst dann:
 
(586)
Fürst:
Wer wegen übler Tat ist an den Pfahl gebunden,
der ist gestraft wohl mehr schon als genug,
wenn zwanzig Nächte er so mußt verbringen,
wo angebunden er ist weder tot noch lebend.
 
(587)
Da hab ich selber ihn dann losgebunden,
entsprechend ja, o Herr, dem Wort des Yakkho.
Wie ist es nun, gibt es da trift'ge Gründe,
daß jener könnt der Hölleganz entgehen?
 
(588)
Sag an mir, Herr, ist solches wirklich möglich?
Wir werden gläubig der Erklärung lauschen:
Ist also ein Entrinnen gar nicht möglich,
kann man vielleicht die Tat unfühlbar machen?
 
(589)
Asket:
Wenn Tag und Nacht er wandelt nur im Rechten
und würdigt dies mit ernstem Sinne unermüdlich,
dann kann sehr wohl der Hölle er entgehen,
die Tat ist anderswo dann zu empfinden.
 
(590)
Fürst:
Das Heil für diesen Mann hab ich vernommen.
Jetzt mögst du, Herr, auch meiner dich annehmen.
Belehre mich und leit mich an, du Weiser,
daß in die Hölle ich nicht möge kommen.
(591

Asket:
Zum Buddha nehme deine Zuflucht,
zur Lehre und zum Orden, heitren Herzens,
nimm auf dich dann die fünf der Übungsschritte,
ganz ungebrochen, ungestückelt also: )
 
(592)
Lebend'ges umzubringen hüte schnell dich,
und Nichtgegeb'nes in der Welt zu nehmen, meide,
trink keinen Rauschetrank, sprich keine Lüge
und bleib zufrieden mit der eignen Frau.
Den achtfach besten Pfaderfülle gerne,
der da gar heilsam ist und Wohl aufzieht.
 
(593)
Gewand und in der Schale Speis,
Sitz, Lager und was sonst gebraucht,
zu essen, trinken und zu kaun,
zum Anziehn und zur Unterkunft:
das alles gib den Aufrechten,
und heiter sei in dem Gemüt.
 
(594)
Wer Mönch da ist und tugendhaft,
wer ohne Reiz, wer viel erfuhr:
erfrische die mit Speis und Trank,
dann wachset immer dein Verdienst.
 
(595)
Wenn du mit solchen Eigenschaften wandelst,
sie würdigest bei Tag und Nacht und unermüdlich,
so mögst du von der Hölle dich befreien,
dein Wirken anderwärts wird fühlbar.
 
(596)
Fürst:
Jetzt nehme ich zum Buddha meine Zuflucht,
zur Lehre und zum Orden, heitren Herzens,
und die fünf Übungsschritte nehm ich auf mich,
ganz ungebrochen, ungestückelt also:
 
(597)
Lebend'ges umzubringen hüt ich schnell mich,
und Nichtgegeb'nes in der Welt zu nehmen, meid ich,
trink keinen Rauschetrankmehr, spreche keine Lüge
und bleib zufrieden mit der eignen Frau.
Den achtfach besten Pfad erfüll ich gerne,
der da gar heilsam ist und Wohl aufzieht.
 
(598)
Gewand und in der Schale Speis,
Sitz, Lager, und was sonst gebraucht
zu essen, trinken und zu kaun,
zum Anziehn und zur Unterkunft
 
(599)
geb tugendhaften Mönchen ich,
die frei von Reiz, die viel erfuhrn,
und nicht mehr werd ich ändern dies,
an der Belehrung des Erwachten froh.
 
(600)
Sprecher:
Ambasakkhara, der Licchavier, ward nun
ein weitrer Anhänger dort in Vesāli,
vertrauend, milde, pflichtgetreulich,
der Mönchsgemeinde würdig aufzuwarten.
 
(601)
Als der vom Pfahle war gesundet,
aus eignem Willen glücklich ward er Pilger,
beim heiligen Kappitaka ward Mönch er,
Asketenfrüchte sie erlangten beide.
 
(602)
So ist es, wenn man rechten Menschen dienet,
groß ist die Frucht für Gute und für Weise:
dem Mann vom Pfahl fiel zu die höchste Frucht,
doch Ambasakkaras Frucht, die war minder.

Bemerkungen:

Mit 87 Versen ist dieses Stück das längste der ganzen Sammlung und stellt eine geschlossene Erzählung dar, die meist im mehr als achtsilbigen epischen Versmaß überliefert ist. Die vier Personen, die hier auftreten, sind wie folgt, näher zu charakterisieren:

Der Licchavier Ambasakkhara wird hier als König (rāja) bezeichnet, ist aber kein absoluter Herrscher, sondern nur einer der Licchavier-Fürsten in deren oligarchischem Staatswesen. Er war zwar sehr mächtig, aber doch abhängig von der Zustimmung des Rates (582/3). Er war ungläubig, weltgläubig, materiegläubig, ein ungläubiger Thomas. Zum Unterschied zu Payāsi, einem ähnlichen Fürsten, war er aber den Asketen feindlich gesonnen und verfolgte sie. Andererseits war es ihm selbstverständlich, daß es ein Totenreich gibt und daß der Mensch nach dem Tode dorthin gelangt, denn die Erscheinung des Peta nimmt er als selbstverständlich und problemlos hin. Was er ablehnte, war das Gesetz von Saat und Ernte, die karmische Vergeltung. Er glaubte, daß jeder Peta würde, ganz unabhängig von seinem guten oder bösen Wirken - genauso wie die alten Juden dachten, daß jeder unterschiedslos ins Schattenreich (Schehol) käme. Als Fürst wollte er aber auf Erden Ordnung halten und strafte daher drakonisch, weil er eben an eine jenseitige Vergeltung nicht glaubte. So verurteilte er den Dieb zum Marterpfahl. Dort wurde dieser offenbar angefesselt und sollte an Hunger und Durst sterben. Die Erzählung beginnt dann damit, daß Ambasakkhara ziemlich hämisch und schadenfroh das Leiden des Delinquenten schildert. Seine Bekehrung zu einem gläubigen Laienanhänger ist dann der Inhalt der Erzählung. Er ist dann, wie der Kommentar sagt, Stromeingetretener geworden, weil er die vier Glieder dazu besaß und weil diese mindere Frucht am Ende mit der höchsten Frucht der Heiligkeit verglichen wird.

Kappitaka ist ein Heiliger, der dem Fürsten sehr deutlich seine Untaten gegen Asketen vorhält. Über die fadenscheinige Ausrede des Fürsten, er habe das nur zum Spaß getan, geht er stillschweigend hinweg. Bei ihm wird der Dieb dann Mönch und erlangt, ebenso wie Kappitaka, die Heiligkeit.

Der Dieb war ein Bürger von Vesāli, Neffe eines angesehenen Kaufmanns. Nachdem er als Strafe zwanzig Tage am Marterpfahl gehangen hatte, befreite der Fürst ihn. Die Ärzte pflegten ihn wieder gesund, und er war vom Leiden so ergriffen, daß er nun, wie Angulimālo, Mönch und Heiliger wird. Die Strafe hatte ihm den Schrecken des Wandelseins deutlich genug gezeigt, so daß er genug vom Durst hatte.

Der Onkel des Neffen, der Kaufmann, wird eben sowenig wie der Neffe mit Namen genannt. Daß er ungerecht hingerichtet wurde, ist noch altes Karma. Er war ein guter Bürger, der viel Gutes gewirkt hatte. Dies hätte ihn normalerweise in den Himmel geführt, etwa zu den Vier Großkönigen, wie den Yakkho. Er hatte aber eine einzige ungute Tat getan, auch die ohne Böswilligkeit, nämlich seinem Freund beim Baden die Kleider versteckt. Diese eine Tat führte dazu, daß er nur ein "Halbgott" wurde, d.h. ein Yakkho, der als glückliches Gespenst wiedergeboren wurde. Das einzige Leiden, das er da noch erlebte, war, daß er ohne Kleider war. Nackt zu gehen ist im tropischen Klima etwas anderes als bei uns. Die dortigen nackten Büßer und bei uns am Strand die Nudisten gehen freiwillig nackt und fühlen sich nicht als leidende Gespenster. So ist nur die subjektive Einstellung hier das Leiden. Weil es sich nach der Vorstellung des Kaufmanns gehört, daß man Kleider hat, deshalb leidet er unter dem Mangel. So relativ unbedeutend sein einziger Fehltritt war, ebenso unbedeutend ist eigentlich sein Mangel als Peta. Im übrigen lebt er wie ein Gott und wird daher auch als Yakkho angeredet. Nachdem er dann durch Verdienstübertragung Kleider erhalten hat, ist aus dem Peta ein vollständiger Yakkh geworden.

Im übrigen ist beachtlich, daß der Kaufmann weder seinem Neffen, der ihn doch ins Unglückgestürzt hatte, noch dem Fürsten, der ihn ungerecht zum Tode verurteilte, Vorwürfe macht oder ihnen grollt. Er zeigt vielmehr gegenüber beiden Wohlwollen und Erbarmen. So erweist er sich innerlich immer schon als Gott (hier als Yakkho) und ist nur kurze Zeit, ein paar Tage, noch Peta.

Vers 520: Ich lese nihīn'attho als v.l. statt nihīn'attho, wie die PTS: "Sein Gut (aatho) verlor'n (nihīno)."

Vers 531: Mit PED p. 255 verstehe ich seta-go-sisa als "an excellent kind of sandal wood", ebenso Gehmann "white sandalwood". Masefield dagegen (FN 4) nimmt es wörtlich als "Weißer Ochsenkopf", aber wieso ein Ochsen-Schädel als Brücke über einen Sumpf dienen soll, ist unverständlich.

Vers 545: Wenn hier auch von Sitz, Essen, Trinken gesprochen wird, dann ist das irreführend. Daran leidet der Peta keinen Mangel. Da aber sonst die Petas gerade darunter leiden, scheint das hier stereotyp übernommen worden zu sein. Der Kommentar schweigt.

Vers 553: Kapi-naccana = Affen-Tanz(platz).

Letzte Zeile lese ich mit Gehmann v.l. a-vera-ke statt wie Masefield ācerake (FN 81) als Verkürzung von ācariya (PED p. 96), übersetzt "his own teacher".

Vers 572, 576, 580:
Text hat sakkhi (Zeuge), nicht sakhi (Freund), wie Gehmann stets liest, obwohl es dem Sinne nach ebenso passen würde.

Vers 592: Die letzten beiden Zeilen dieses sechszeiligen Verses werden in der Neuausgabe abgetrennt und daher als Vers 78 aufgefaßt, so daß sich ab da die Nummern verschieben und sich 88 statt 87 Verse ergeben.

Vers 601: Bei Kappitak'uttama ward er Mönch, d.h. bei Kappitaka, der schon das Höchste (uttama) besaß. So erlangten sie beide die höchste Asketenfrucht, waren sich gleich.

Vers 602: Hier ist nicht von Asketenfrucht die Rede, sondern nur von großer Frucht: Der Dieb erlangte die höchste Frucht, der Fürst eine geringere. Allerdings werden in D 2 und anderswo auch alle vier Früchte Asketenfrüchte genannt, auch wenn ein Hausner sie erlangt.


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