Nach dem Tode des Buddha wurden die Asche und Knochenreste an die Abgesandten verschiedener Stämme verteilt, und diese errichteten dafür auf ihrem Gebiet insgesamt zehn "Schreine" (Stupa: Kuppelmal). Auch König Ajatasattu von Magadha errichtete ein solches Kuppelmal, und zwar auf der Felsenburg bei seiner Hauptstadt Rājagaham. Diesem Kuppelmal erwies er sieben Jahre, sieben Monate und sieben Tage Verehrung, d.h. solange er noch lebte. Er wurde, so wie er seinen Vater ermordet hatte, von seinem Sohn ermordet.
Die meisten seiner Untertanen eiferten ihm nach und erwiesen dem Kuppelmal
des Buddha ebenfalls ihre Verehrung, doch gab es auch einige tausend
Ungläubiger, die vom Buddha nichts wissen wollten und über den Reliquienkult
lachten. Unter ihnen war auch ein steinreicher Hausvater in Rājagaham. Eines
Tages sah er, wie seine Frau, seine Tochter und Schwiegertochter, die alle
Anhänger des Buddha waren, gläubigen Herzens mit Blumen, Duftstoffen und anderen
Gaben zum Schrein ziehen wollten. Er aber äußerte verächtlich: "Was soll's,
diese Knochen zu verehren?", und er wollte sie davon abhalten. Sie aber ließen
sich nicht hindern und gingen zum Kuppelmal, diesmal und weiterhin. Diese drei
Frauen erkrankten bald und wurden dann in der Götterwelt wiedergeboren, der
Hausvater aber später als ein höllennahes Gespenst. Eines Tages ließ der
ehrwürdige Mahākassapo, der den Buddha überlebte, aus Mitleid dieses Gespenst
bei dem Kuppelmal und die drei Göttinnen sichtbar werden und redete den Peta an:
Bemerkungen:
Diese Erzählung wird auf Widerspruch stoßen. Hat nicht der Buddha immer
wieder betont, daß Ritualismus nutzlos ist und daß es allein auf die innere
Läuterung ankommt? Und ist nicht der Reliquienkult des Christentums ein
abschreckendes Beispiel für primitiven Aberglauben und eine blühende
Devotionalien-Industrie? Nägel vom Kreuz Christi gibt es tonnenweise, und die
Stücke vom Kreuz Christi machen einen Wald aus. Daher ist das vorliegende Stück
als spätere Zutat aus der Zeit des Verfallsbuddhismus zu werten, so wird mancher
denken.
Darauf wäre zu erwidern: Es gibt eine Geisteshaltung, die den Ritualismus
verachtet, aber selber noch unterhalb von dessen Niveau steht. Und es gibt eine
Haltung zum Ritualismus, die ihn nur als Anlaß für innere Erhebung und Zuwendung
zu Höherem benutzt.
Die Frauen, die hier die Reliquien des Buddha verehrten, taten es, wie es heißt, mit heiterem Herzen. Und der Buddha selber sagt von den Kuppelmalen: Wenn die Gläubigen dort Blumen niederlegen und das Herz heiter zuwenden, gelangen sie nach dem Tode in himmlische Welt (D 16 V).
Und genau das wird hier von den drei Frauen geschildert. Der Reiche aber stand noch unterhalb des Niveaus des ersten Grades religiöser Zuwendung, er war ein Vollblut-Materialist, der nur sein Geld und dieses eine Leben kannte. Aus dieser seichten und egoistischen Haltung, die alles Religiöse ablehnte, lebte und webte er. Der Versuch, die Frauen an dem Gang zum Kuppelmal zu hindern, war nur ein Ausfluß dieser Haltung. Und deswegen ging es ihm im Jenseits schlecht. Er wurde ein höllennahes Gespenst. "Hölle" steht im Text, das Wort Peta kommt gar nicht vor, aber in der Rahmenerzählung.
Im Buddhismus ist der uferlose Reliquienkult schon dadurch eingeschränkt, daß nur zehn Kuppelmale mit Resten des Körpers des Buddha errichtet wurden. Trotzdem hat es auch im Buddhismus eine Ausweitung gegeben, die zu oberflächlichem Ritualismus ohne tieferen Gehalt führte. Davor ist keine Religion geschützt.