PETA-VATTHU

Buch III

III,3: Beim See Rathakāra

Zur Zeit des Buddha Kassapo, der unserem Buddha in diesem Äon voranging, lebte eine Frau, die viele gute Werke tat. Sie schenkte vor allem dem Orden des damaligen Buddha ein schönes Anwesen. Sie hatte andererseits aber auch etwas Ungutes getan. So gelangte sie nach dem Tode nicht in den Himmel, sondern wurde nur ein glückliches Gespenst (vemānika-petī). Sie lebte bei einem der sieben Seen des Himālaya, beim See Rathakāra ("Wagenmacher"). Wegen ihrer guten Werke eignete ihr dort ein prächtiges Schloß, und sie war sehr schön. Als Folge früheren unguten Wirkens war sie aber stets allein und hatte niemand, der sie und ihre Pracht bewunderte. Sie sehnte sich besonders nach einem Mann. Sie warf daher einige Mangos von göttlichem Geschmack in den Ganges und hoffte, daß ein Mann sie kosten und auf der Suche nach deren Herkunft zu ihr gelangen würde. Diese Hoffnung erfüllte sich auch. Ein Jüngling in Benares sah die Mangos auf dem Ganges und gelangte dadurch zu ihr in den Himālaya. Freudestrahlend empfing sie ihn in ihrem Schloß.

(438)
Er:
Du wohnst in einem Schloß, erbaut aus Edelsteinen,
es leuchtet, strahlt in mannigfacher Weise.
Da bleibst du, und du bist von großer Macht auch,
so wie der volle Mond in seinem Laufe.
 
(439)
Wie gülden scheint die Haut dir ja zu glänzen,
gleich wie geschmolznes Gold bist du gar prächtig.
Du sitzt auf einem Ruhelager ohnegleichen,
doch bist allein du. Hast du keinen Gatten?
 
(440)
Auf allen Seiten hast ringsum du Lotosteiche,
die übersät mit vielen Blumen, weißem Lotos,
am Grunde und am Ufer voller Goldsand,
und nicht gibt es Morast dort oder Sumpfgewächse.
 
(441)
Viel Schwäne ich erblicke hier, den Geist erfreuend,
sie ziehen übers Wasser hin, gar majestätisch,
sie geben angenehme Töne von sich,
volltönig wie die Trommel klingt es da.
 
(442)
Du strahlst und leuchtest ruhmreich, überrühmlich,
in einem Boot fährst auf dem Wasser du dahin
mit schönen Wimpern, lächelnd, lieblich redend,
und alle Glieder schimmern trefflich, prächtig dir.
 
(443)
Dies Schloß ist frei von Fehl und steht auf ebenem Boden,
Lustgärten hat's, wo Lust, Genuß nur zunimmt.
Ich wünsche mir, o Frau, schön anzublicken,
im Wonnehain mit dir mich zu erfreun.
 
(444)
Sie:
Ein Werk mußt wirken du, das hier empfindbar,
und richte stark dein Herz auf diesen Ort hier.
Nachdem gewirkt du Werke, die hier fühlbar,
kannst du erlangen mich, Erfüllung deiner Wünsche.
 
(445)
Sprecher:
"Gut", sagte er, nachdem er sie vernommen.
Er wirkte Werke, die dort fühlbar wurden.
Nachdem er Werke wirkt, die dort empfindbar,
der Jüngling ward geboren dort, wo sie da lebte.

Bemerkungen:

Das Motiv "Männer durch Mangos" findet sich auch in Pv II,12. Ferner wird in Jat.186 erzählt, wie Mangos von einem anderen der sieben Seen des Himālaya von selber den Ganges herabfließen und von Menschen als Götterspeise geschätzt werden.

Mit unseren Vorstellungen von Gespenstern und Schattenreich ist der vorliegende Bericht unvereinbar. Hier zeigt sich, welche Bandbreite die Petawelt hat. Die günstigste Möglichkeit wird hier geschildert. Von einer Götterwelt unterscheidet sich diese Existenz nur durch die Einsamkeit. "Paradies in Einzelhaft" könnte man dies nennen. Nicht Mangel an Speis und Trank, an Kleidung und Wohnung, wie bei den durchschnittlichen Gespenstern, zeichnet diesen Bereich aus, sondern allein der Mangel an Gesellschaft. Insofern ist die Petī auch hier eine "arme Seele". Wenn die Zeit der strafweisen Einsamkeit abgelaufen ist, dann kann der Jüngling durch gute Werke bei ihr wieder geboren werden. Für beide ist dann ihr Dasein göttlich. Der Jüngling erlebt gar nicht erst Mangel, weil er keine mangelhaften Taten tat. Nach dem Kommentar starb der Jüngling, nachdem er lange dort glücklich mit ihr gelebt hatte, als seine guten Werke erschöpft waren. Sie aber lebte viel länger, weil ihre guten Werke gegenüber einem Buddha viel mehr Gewicht hatten. Sie lebte dort nämlich die ganze Zeit bis zum Erscheinen unseres Buddha.


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