PETA-VATTHU
Buch III
III,2: Auf dem Berge Sānuvāsin
Vor langen, langen Zeiten regierte in Benares König Kitava. Nachdem sein Sohn
einmal von einem Spaziergang im Schloßpark zurück kehrte, sah er einen Mönch vom
Almosengang kommen. Der Prinz sah, wie die Menschen den kahlköpfigen Pfaffen
verehrten und wurde eifersüchtig. Mit rohen Worten beschimpfte er ihn. Der Mönch
aber ging stillweiter. Es war ein Einzelerwachter namens Sunetta. Der Prinz aber
fühlte plötzlich ein höllisches Brennen im ganzen Körper. Davon starb er und
wurde in der Erzhölle wiedergeboren. Nach langer Höllenqual wurde er in der
darauf folgenden Existenz ein Gespenst. Nachdem er seine Zeit als Peta
abgelitten hatte, wurde er wieder Mensch, sogar zu Lebzeiten unseres Erwachten
Gotamo. In dem Fischerstädtchen Kundinagara wurde er bei Fischern geboren. Er
erinnerte sich aber seiner drei vorangegangenen Leben und hatte daher eine
Höllenangst vor der Untugend. Daher ging er nicht mit seinen Eltern und
Verwandten auf Fischfang, und brachten sie Fische lebend heim, so setzte er sie
mitleidig wieder ins Wasser. Darauf wurde seine Sippe erbost und jagte ihn aus
dem Hause. Nur sein Bruder bedauerte dies etwas. Hauslos, wie er unfreiwillig
geworden war, begegnete er eines Tages wieder einem Mönch, und zwar Anando.
Dieser riet ihm, nun doch auch wirklich ein Hausloser zu werden. Das tat er und
trat in den Orden ein. Nach gar nicht langer Zeit aber hatte er das Ziel der
Askese, das höchste Heil erlangt. Auch einer der Heiligen, war er, Potthapada,
geworden.
Die Eltern und sein Bruderaber waren inzwischen gestorben und als Petas
wiedergeboren worden. Die Eltern schämten sich nun, daß sie ihren Sohn einst aus
dem Haus gejagt hatten. Sie wandten sich an seinen Bruder, der ihn liebgehabt
hatte, und sagten ihm, ermöge um Hilfe bitten.
- (407)
Sprecher:
- In Kundinagara ein Mönch
am Berge Sānuvāsi lebt.
Potthapadā hieß
der Asket,
die Sinne hat gemeistert er.
-
- (408)
Die Eltern und der Bruder sein
gingen hinab in Yamas Welt.
Weil böse Werke sie gewirkt,
gelangten sie zur Petawelt.
-
- (409)
Auf übler Fährte, nadeldürr,
erschöpft und nackt und
abgezehrt,
in Schrecken stets, von Furcht gejagt,
sie schämten sich, mit Blutbefleckt.
-
- (410)
Sein Bruder eilig naht sich ihm,
auch nackt, allein auf
einsam Weg,
auf allen Vieren ging er so
und zeigt dem Ordensältren
sich.
-
- (411)
Als dieser aber weiterging,
stillschweigend weiter ging
fürbaß,
da machte er bemerkbar sich:
"Ein Peta bin ich, Bruder dein."
-
- (412)
Bruder:
- Die Eltern sind, o Herr, gelangt
auf üble Fährte, Yamas Welt.
Weil
böse Werke sie gewirkt,
gelangten sie zur Petawelt.
-
- (413)
Auf übler Fährte, nadeldürr,
erschöpft und nackt und
abgezehrt,
in Schrecken stets und großer Furcht,
erschienen sie mit Blutbefleckt.
-
- (414)
Nimm unsrer an dich, voll Erbarm,
gib etwas und weis es uns
zu.
Von solcher Gabe, die du gabst,
erhalten sich die Blutigen.
-
- (415)
Sprecher:
- Nachdem der Ältre und die zwölf
zurück von dem Almosengang,
da
trafen an dem gleichen Ort
sie sich zur Mahlzeit alle dann.
-
- (416)
Der Ältre wandte sich an sie:
"Gebt alles mir, was ihr
empfingt,
dem Orden stifte ich ein Mahl
aus Mitleid mit Verwandten
mein."
-
- (417)
Sie übertrugen alles ihm,
der Ältre an den Orden gab's,
und Vater, Mutter, Bruder er
hat es gewidmet dann also:
"Dies sei für
die Verwandten mein,
Verwandten soll es wohl ergehn."
-
- (418)
Unmittelbar nach diesem Akt
kam ihnen auch schon Nahrung zu,
gar saubre und erlesene,
gut angerichtet und gewürzt.
-
- (419)
Der Bruder, der jetzt schön und stark
und glücklich, dieser
äußerte:
Bruder: Gar reichlich Speise gibt's, o Herr,
doch sieh uns
an, wir sind noch nackt.
Bewirke doch für uns, o Herr,
daß Kleidung
auch erlangen wir.
-
- (420)
Sprecher:
- Es hob der Ältere sodann
vom Kehrichthaufen Fetzen auf,
drapierte
sie als Mantel dann
und widmete dem Orden dies.
-
- (421)
Verdienst daraus er widmete
den Eltern und dem Brudergleich:
"Dies sei für die Verwandten mein,
Verwandte sollen glücklich sein."
-
- (422)
Unmittelbar nach diesem Akt
kam ihnen auch schon Kleidung
zu.
Gekleidet schön der Brudergleich,
er wandte sich dem Ältren zu:
-
- (423)
Bruder:
- Soviel der König Nanda wohl
an Garderobe er besitzt,
noch mehr an
Kleidern, Mänteln wir,
o Herr, besitzen also jetzt.
-
- (424)
Aus Seide und aus wollnem Stoff,
aus Leinen und aus Flachs
sie sind,
gar reichlich sind und kostbar sie,
im Raume um uns hängen sie.
-
- (425)
Wir ziehen davon immer an,
was grade unserm Geiste lieb.
Bewirke doch für uns, o Herr,
daß wir besitzen auch ein Haus.
-
- (426)
Sprecher:
- Aus Blättern baut der Ältre gleich
'ne Hütte, gab dem Orden sie
und widmete dann das Verdienst
den Eltern und dem Bruder auch:
"Dies
sei für die Verwandten mein,
Verwandte sollen glücklich sein."
-
- (427)
Unmittelbar nach diesem Akt,
da standen auch schon Häuser
da,
es waren Giebelhäuser schön,
geräumig, vielfach unterteilt.
-
- (428)
Bruder:
- Es gibt wohl unter Menschen nichts
an Häusern, das da diesen gleicht,
ja, unter Göttern selbst es gibt
an Häusern nichts, das diesen gleicht.
-
- (429)
In heitrem Glanze leuchten sie
nach allen vier der
Richtungen.
Bewirke doch für uns, o Herr,
daß auch Getränk bekommen
wir.
-
- (430)
Sprecher:
- Der Ältre einen Wassertopf
füllt voll, gab ihn dem Orden hin
und
widmete dann das Verdienst
den Eltern und dem Bruder auch:
"Dies sei
für die Verwandten mein,
Verwandte sollen glücklich sein."
-
- (431)
Unmittelbar nach diesem Akt
Trinkwasser war schonreichlich
da,
vier große Lotosteiche voll,
gar tief und ausgemessen gut.
-
- (432)
Das Wasser klar, der Zugangleicht,
gar kühl und köstlich an
Geruch,
von weißem, rotem Lotos voll,
mit Wasserlilien reich bedeckt.
-
- (433)
Sie badeten und tranken, dann
erschienen vor dem Ältren sie:
Petas: Gar reichlich Wasser haben wir,
doch unsre Füße sind noch wund.
-
- (434)
Wenn wir da laufen, treten wir
auf Kieselstein und
Schneidegras.
Bewirke doch für uns, o Herr,
daß einen Wagen kriegen
wir.
-
- (435)
Sprecher:
- Der Ältere nahm einen Schuh,
gab ihn dem Orden in der Welt
und
widmete dann das Verdienst
den Eltern und dem Bruder auch:
"Dies sei
für die Verwandten mein,
Verwandte sollen glücklich sein."
-
- (436)
Unmittelbar nach diesem Akt
die Petas kamen angefahrn:
Petas: Aus Mitleid gabst du uns, o Herr,
zu essen und was anzuziehn,
-
- (437)
gabst uns ein Haus, zu trinken auch,
gabst uns ein Fahrzeug
noch dazu.
Der voll Erbarmen du, o Herr,
bist in der Welt, dich
preisen wir.
Bemerkungen:
Im Kommentar zu Jat.220 wird von einem König
Kitavasa von Benares berichtet. Sein Sohn war Prinz Bösewicht, der Vizekönig.
Als dieser eines Tages nach dem Park ging, sah er einen Einzelerwachten. Die
Menge verehrte diesen mit gefalteten Händen und pries ihn als Asketen. Aus
Eifersucht stieg er vom Elefanten, entriss dem Mönch seine Almosenschale, warf
sie zu Boden und zertrat sie mit dem Fuß. Der Prinz aber brannte innerlich und
wurde in der Hölle wiedergeboren. Diese Kommentargeschichte ist wohl nach der
Rahmenerzählung von Pv III,2 gestaltet worden.
Vers 407: Dieser Potthapādo ist nicht zu verwechseln mit dem Pilger
Potthapādo in
D 9.
Vers 432 a: PTS hat sīt'odika (kühles Wasser), aber sita kommt in b nochmal
vor. Daher scheint die Lesart seta (weiß, hell) in Anm. 57 besser. So auch PED
unter Hinweis auf Pv III,2 hier: "clear (transparent) water".
In Pv IV,7 wird die Rahmenerzählung in Versen erzählt, jedoch nur bis zum
Peta-Dasein, auch ist dort nicht gesagt, daß der Seher Sunetta ein
Einzelerwachter war.