PETA-VATTHU

Buch III

III,1: Der im Wasser nicht untersank

Westlich Benares, jenseits des Ganges, lebte im Dorfe Cundatthilā ein Jäger. Er tötete Tiere im Walde, kochte sich das beste Fleisch über dem Feuer, aß davon und nahm den Rest in einem Korb zum Dorf mit. Am Dorfeingang liefen ihm die Kinder nach und riefen: "Gib mir Fleisch, gib mir Fleisch!" So gab er denn ein kleines Stück. Eines Tages hatte er keine Jagdbeute gemacht und brachte nur Blumen aus dem Walde mit. Da gab er jedem ein Büschel ab.

Als er gestorben war, wurde er ein Peta. Hungrig und durstig wanderte er auf dem Ganges stromaufwärts ohne einzusinken, um sein Dorf und seine Verwandten aufzusuchen. Nicht einmal im Traum bekam er Essen und Trinken. König Bimbisāros Hauptminister, Koliya, sah ihn so, als er im Boot stromabwärts fuhr. Da kam es zu dem unten geschilderten Gespräch. Dann fuhr Koliya weiter stromabwärts und kam nach Benares. Dort lud er den Erwachten zum Mahle ein und erzählte ihm von dem Vorfall. Darauf ließ der Erwachte durch magische Macht einige Petas der Menge sichtbar werden und bat sie, von Mitleid bewogen, den Menschen zu erzählen, warum sie in die Petawelt gekommen seien, damit die Zuhörer rechtzeitig Gutes wirken könnten.

(386)
Koliya:
Ohn' daß du ein im Wasser sinkst,
da wandelst auf dem Ganges du;
nackt bist du, doch wie kommt dir wohl
als Peta zu ein Blumenschmuck?
 
(387)
Peta: (Es sprach der Peta also gleich:)
Nach Cundatthila will ich gehn,
in Richtung Vāsabhagāma,
das nahe bei Benares liegt.
 
(388)
Sprecher:
Als der Minister, der bekannt
ist unterm Namen Koliya,
ihn hat gesehn, da gab er ihm
Reisgrütze und ein gelb Gewand.
 
(389)
Dann hielt mit seinem Boot er an
und zahlte einen Bader aus.
Der nahm des Peta sich dann an,
wie man sogleich es sehen konnt.
 
(390)
In feine Kleider dann gehüllt,
geschmückt mit seinem Blumenschmuck,
so stand der Peta danach da.
Die Gabe an ihm man erblickt.
Drum gebe immer wieder man
aus Mitleid an die Petas was.
 
(391)
In Fetzenkleidern einige,
andre bedeckt mit ihrem Haar,
so Petas, die auf Essen aus,
man konnte sehen überall.
 
(392)
Nach fernen Landen ein'ge ziehn,
bekommen nichts und kehren um,
vor Hunger schwach und schwindelig
zur Erde sinken nieder sie.
 
(393)
Und ein'ge fallen davon um,
zur Erde sinken nieder sie.
Weil Treffliches sie nicht getan,
sind sie von Sonnenglut verzehrt.
 
(394)
Petas:
Einst haben Böses wir getan,
als Mütter wir im Hause war'n.
Weil wir gegeben haben nichts,
da schufen wir kein Eiland uns.
 
(395)
Gar viel an Essen und an Trank,
das schütteten wir lieber weg,
als daß wir gaben Pilgern was,
die da erreichten höchstes Ziel.
 
(396)
Das Nichtstun, Faulsein liebten wir,
gefräßig, hatten Süßes gern.
Wir gaben Lumpen, Abfall nur
und schimpften die Bedürft'gen aus.
 
(397)
Was Häuser, Dienerinnen und
was unser Schmuck gewesen ist,
das alles dienet andern nun,
und Leiden nur ist unser los.
 
(398)
Sprecher:
Korbmacher sind nicht angesehn,
und Wagenbauer sind dubios,
und immer wieder kastenlos,
in Armut oder als Barbier.
 
(399)
Bei solch Familien, niedrigen,
die elend, dürftig leben stets,
da werden sie geboren dann.
Das ist das Los der Geizigen.
 
(400)
Die aber Treffliches gewirkt
als Geber, die da frei von Geiz,
die gehen in den Himmel ein,
im Wonnehain, da leuchten sie.
 
(401)
Paläste, Schlösser haben sie,
der Wunscherfüllung freun sie sich,
hochwohlgeboren werden sie
und bleiben bis zum Tode reich.
 
(402)
In Giebelhäusern, Schlössern mit
Wolldeckenbetten, Pfauenfächern,
in solch Familien, ruhmesreich
sind die geborn, die sich besiegt.
 
(403)
Von einem Platz zum anderen
gehn sie mit Blumen reichgeschmückt,
und Diener warten ihrer auf,
von früh bis spät auf Wohlbedacht.
 
(404)
Nicht wer da kein Verdienst erwarb,
nur wer Verdienst erworben hat,
gelangt wohl in den Wonnehain,
wo Kummer nicht, nur Lustregiert.
 
(405)
Wer kein Verdienst erworben hat,
hat hier kein Wohl und auch nicht dort.
Doch wer Verdienst erworben hat,
hat hier schon Wohl und drüben auch.
 
(406)
Wer da Gesellschaft sich ersehnt,
muß vieles tun, was heilsam ist,
und hat er sich Verdienster wirkt,
dann freut im Himmel Fülle ihn.

Bemerkungen:

Dieser Text illustriert sehr deutlich, wie Karma sich mischt. Hätte der Mann nur getötet und nicht auch gegeben, dann wäre er ein elendes Gespenst geworden, ein Peta mit höllennaher Qual. Hätte er nur gegeben und sonst nichts Böses getan, so hätte ihn das Geben, gepflegt und oft geübt, in den untersten Himmel bringen können, vorausgesetzt, er hätte das, was er gab, nicht durch Untugend (Töten usw.) erworben.

Hätte der Mann weder getötet noch gegeben, sondern wie ein Durchschnittsmensch dahingelebt und nur sein Verdienst aufgezehrt, dann wäre er ein normales Gespenst geworden: nackt und hungrig, aber ohne zusätzliche Qual.

Im vorliegenden Fall scheinen sich das Böse (Töten) und Gute (Geben) die Waage zu halten, so daß keins sich auswirkte und er so solche Ernte hätte wie ein Durchschnitts-Peta. Nur die Gabe der Blumen, die ohne Untugend erworben waren, zeigte sich noch als ein Plus. Er war zwar nackt und hungrig, aber er trug einen Blumenschmuck, also wenigstens etwas Schönes.

Außerdem ist hier der im Pv seltene Fall, daß die Gabe eines Laien dem Peta direkt zugute kommt. Es bedurfte hier nicht, wie sonst meist, erst der Gabe an den Orden, um dem Peta etwas zu verschaffen. Auch das dürfte ein Plus aus seinem Geben sein. Ein gewisser Überschuß von Verdienst, der das Töten überwog, machte es ihm möglich, von der Gabe des Ministers direkt zu profitieren.


  Oben zeilen.gif (1054 bytes)