PETA-VATTHU

Buch II

II,10: Uttaras Mutter

Nach dem Tode des Buddha und nach dem Ersten Konzil weilte der ehrwürdige Mahākaccāno mit zwölf Mönchen bei Kosambi im Walde. Damals war ein Minister König Udenasvon Kosambi gestorben. Der König setzte dessen Sohn an dieselbe Stelle. Dieser, namens Uttara, ging eines Tages mit Zimmerleuten in den Wald, um Bauholz zu holen. Da sah er Mahākaccāno allein sitzen, im Fetzen-kleid. Der Mönch beeindruckte ihn, und er begann ein Gespräch. Der Mönch legte ihm die Lehre dar, und Uttara nahm Zuflucht zu den drei Juwelen. Er lud ihn am nächsten Tag zum Essen ein, zusammen mit den zwölf Mönchen. Das Essen fand auch statt. Uttara war so erfreut, daß er die Mönche einlud, regelmäßig zu kommen. So kamen sie jeden Tag, und Uttara hörte viel von der Lehre. Er erreichte schließlich den Stromeintritt. Er baute ein Kloster und bestärkte alle seine Verwandten im Guten und in der Lehre.

Seine Mutter jedoch war ungläubig, hartherzig, und sie kritisierte sein Geben und verfluchte ihn dafür. Aber am Gründungstag des Klosters, der jährlich gefeiert wurde, stimmte sie einmal zu, daß ein Bündel von Pfauenfedern gespendet wurde.

Nach ihrem Tode wurde sie eine Petī. Wegen der einen Spende hatte sie schöne, lange, schwarze Haare, an den Enden gelockt. Sonst aber war sie nackt und häßlich anzuschauen. Ihre langen Haare dienten ihr als Bekleidung. 45 Jahre lang litt sie Hunger und Durst. Wenn sie am Fluß trinken wollte, verwandelte sich das Wasser sofort in Blut. Eines Tages sah sie den ehrwürdigen Kankharevata am Ganges sitzen. Sie bedeckte sich mit ihren Haaren und bat ihn um Wasser.

(331)
Sprecher:
Es weilte einst zur Mittagszeit
am Gangesufer still ein Mönch.
Da nähert eine Petī sich,
gar häßlich, schrecklich anzusehn.
 
(332)
Die Haare waren überlang,
bis auf die Erde hingen sie,
die dienten ihr als ihr Gewand.
sie sprach zu dem Askten da:
 
(333)
Petī:
Vor fünfundfünfzig Jahren hab
das Zeitliche gesegnet ich.
Seitdem kenn weder Essen ich,
noch hab ich meinen Durst gestillt.
Gib bitte mir zu trinken, Herr,
es dürstet mich nach Wassertrank.
 
(334)
Kankharevata:
Der Ganges hier mit Wasser kühl
fließt vom Himālaya herab.
Nimm doch daraus und lösch den Durst,
was bittest du um Wasser mich?
 
(335)
Petī:
Wenn selber ich mir Wasser hol
aus diesen Gangesfluten hier,
dann wird es also gleich zu Blut,
drum bitte ich um Wasser dich.
 
(336)
Kankharevata:
Was hast du Böses denn getan
in Worten, Werken und im Geist,
wofür als dieses Wirkens Frucht
dir Gangeswasser wird zu Blut?
 
(337)
Petī:
Mein Sohn, der Uttara genannt,
war gläub'ger Laienjünger einst.
Er, gegen meinen Willen, gab
Asketen Kleidung, Essen und
Arzneien, Lager und auch Sitz.
 
(338)
Doch ich beschimpfte ihn dafür,
von Geiz im Herzen heimgesucht:
"Das, was du an Asketen gabst
entgegen meinem Willenswunsch,
an Kleidung und an Essen auch,
Arzneien, Lager und auch Sitz,
 
(339)
das soll in andrer Welt für dich
zu Blut dir werden, Uttara."
Für dieses Wirkens Frucht wird mir
das Gangeswasser nun zu Blut.

 


Der Mönch gab dann Wasser, erbettelte Almosenspeise, gab diese und aufgelesene und gesäuberte Kleiderfetzen an die Mönche und widmete sie der Petī. Dadurch kam sie zu göttlicher Existenz.


Bemerkungen:

Die Geschichte auch in Avadāna-Śataka Nr. 46, variiert.

Der Kommentar bemerkt (S.151), daß der Text erst auf dem 2. Konzil in das Petavatthu eingefügt wurde.


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