PETA-VATTHU

Buch I - Uraga Vagga

I,6: Die Menschenfresserin der fünf Kinder - Pañcaputtakhādapetivatthu

In einem Dorf bei Sāvatthī lebte ein vermögender Mann. Seine Ehefrau war unfruchtbar. Seine Verwandten drängten ihn, eine andere Frau zu nehmen, aber da er sie liebte, wollte er es nicht. Da sagte sie zu ihm: "Ich bin unfruchtbar, o Herr. Eine andere Braut muß her, laß die Linie der Familie nicht aussterben. "Als sie ihn so drängte, willigte er schließlich ein und nahm sich eine zweite Frau hinzu. Diese wurde dann bald schwanger. Da wurde die erste Frau plötzlich neidisch und fürchtete, daß die zweite Frau nun Herrin im Haus sein würde, während man sie zurücksetzen würde. Übermannt von dieser Eifersucht suchte sie eine Pilgerin auf, die ihr ein Abtreibungsmittel verschaffte, das sie der zweiten Frau beibrachte. Das Folgende schildern die Verse.
Bald nach dem Meineid starb die erste Frau und wurde nahe ihrem Dorf als Petī wiedergeboren. Eines Tages kamen acht Ordensältere nach verbrachter Regenzeit auf dem Wege nach Sāvatthī dort vorbei. Dort zeigte sich die Petī ihnen, und der Führer der Mönche befragte sie. Danach- und das steht nicht mehr in den Versen - bat sie die Mönche, zu ihrem einstigen Mann zu gehen und diesen zu bitten, dem Orden zu spenden und das Verdienst daran ihr zu widmen. So geschah es auch. Dadurch wurde die Petī von ihrem Elend erlöst und erlangte göttergleiche Erleichterung. In der folgenden Nacht konnte sie ihrem Mann erscheinen und ihm danken.

(26)
Mönch:
Nackt bist du, unschön anzuschaun,
riechst übel, hauchst Verwesung aus,
von Fliegen bist du übersät:
Wer bist du, der du also weilst?
 
(27)
Petī:
Bin eine Petī ja, o Herr,
ging abwärts, kam in Yamas Welt.
Nachdem ich böses Werk gewirkt,
gelangt ich in die Petawelt.
 
(28)
Fünf Kinder morgens ich gebär,
fünf weitere am Abend dann.
Geboren kaum, da freß ich sie,
doch nimmer werde ich da satt.
 
(29)
Mein Herz von Hunger wird verzehrt,
es brennet und es raucht davon,
zu trinken ich bekomme nichts.
Sieh, welches Unglück mir beschert!
 
(30)
Mönch:
Was hast du Böses denn getan
in Werken, Worten und im Geist?
Für welches Wirken reift es dir,
daß du das Fleisch der Kinder frißt?
 
(31)
Petī:
Die Mitfrau, die war schwanger einst,
und ich war böse ihr gesinnt,
verderbt im Geiste brachte ich
die Leibesfrucht zur Abtreibung.
 
(32)
Der Embryo nach Monden zwei
ist blutig da hinweggeströmt,
und seine Mutter, aufgebracht,
rief die Verwandten schnell herbei.
Sie hieß mich schwören einen Schwur,
nachdem sie mich gescholten hat.
 
(33)
Ich leistet einen furchtbarn Schwur,
ich log und wurde meineidig:
"Will essen eigner Kinder Fleisch,
wenn ich so etwas hätt verübt."
 
(34)
Als Reife dieses Wirkens dann
und für die Lüge ebenfalls
freß ich hier meiner Kinder Fleisch,
von Eiter und mit Blutbeschmiert.

 


Bemerkungen:

Die Geschichte kehrt in Avadāna-śataka Nr. 49 wieder. Die Verse 27 bzw. 30 kehren sehr häufig in Pv wieder. Die Petī erschien unterhalb des Durchschnitts der Petas wieder, unschön anzusehen und häßlich riechend, dazu nackt und von Fliegen umgeben oder Blut beschmiert (makkhika =mit Fliegen; makkhita = beschmiert. Beides mag verwechselt sein). Das ist der Zusatz außer dem Hungerleiden. Ferner ist die Hauptstrafe für Mord und Meineid, daß sie ihre zehn Kinder täglich fressen muß, außer den Geburtswehen täglich.


I,7: Die Menschenfresserin von sieben Kindern - Sattaputtakhādapetivatthu

(35)
Mönch:
Nackt bist du, unschön anzuschaun,
riechst übel, hauchst Verwesung aus,
von Fliegen bist du übersät:
Wer bist du, der du also weilst?
 
(36)
Petī:
Bin eine Petī ja, o Herr,
ging abwärts, kam in Yamas Welt.
Nachdem ich böses Werk gewirkt,
gelangt ich in die Petawelt.
 
(37)
Früh sieben Kinder ich gebär,
am Abend sieben weitre dann.
Geboren kaum, da freß ich sie,
doch nimmer werde ich da satt.
 
(38)
Mein Herz von Hunger wird verzehrt,
es brennet und es raucht davon,
ich finde Branderlöschung nicht,
von innrer Feuersglutgequält.
 
(39)
Mönch:
Was hast du Böses denn getan
in Werken, Worten und im Geist?
Für welches Wirken reift es dir,
daß du das Fleisch der Kinder frißt?
 
(40)
Petī:
Ich hatte einst der Söhne zwei,
mit Jugendschönheit reich begabt,
ich, durch die Fruchtbarkeit betört,
verachtete den Gatten mein.
 
(41)
Da wurde böse mein Gemahl
und nahm sich eine andre Frau,
und als sie von ihm schwanger ward,
da wurde ich ihr bös gesinnt.
 
(42)
Verderbt im Geiste brachte ich
die Leibesfrucht zur Abtreibung,
der Embryo nach Monden drei
in faulem Blute ging dahin.
 
(43)
Und seine Mutter, aufgebracht,
rief die Verwandten schnell herbei.
Sie hieß mich schwören einen Schwur,
nachdem sie mich gescholten hat.
 
(44)
Ich leistet einen furchtbarn Schwur,
ich log und wurde meineidig:
"Will essen eigner Kinder Fleisch,
wenn ich so etwas hätt verübt."
 
(45)
Als Reife dieses Wirkens dann
und für die Lüge ebenfalls
freß ich hier meiner Kinder Fleisch,
von Eiter und von Blutbeschmiert.

Bemerkungen:

Die Vorgeschichte ähnelt 1,6. Nur ist hier nicht Unfruchtbarkeit, sondern gerade Fruchtbarkeit Anlaß des Neides. Die erste Frau besaß eine der fünf Kräfte der Frauen, die S 37,25 ff nennt, nämlich putta-bala (die Kraft, Kinder zu haben oder Söhne zu haben). Hier ist wohl die Kraft, Stammhalter zu gebären, gemeint. Die Frau war nicht, wie Gehmann übersetzt, stolz auf die Kraft und Stärke ihrer Söhne (Vers 40), sondern eingebildet auf ihre Mutterschaft (so richtig Masefield, S. 42 FN 6). Dann wurde sie eifersüchtig auf die zweite Frau, die sich ihr Mann nur genommen hatte, weil sie so überheblich war und ihren Mann verachtet hatte. Sie wollte Alleinherrscherin bleiben und mißgönnte der Mitfrau die Mutterschaft.


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