Das indische Wort Peta (Pāli Peto; Skr. Preta) heißt wörtlich Voran (pra) - Gegangene (ita) und bedeutet an sich: Vorgänger, Ahnen, Verstorbene, Manen, im Sinne des Ausdrucks "Er hat sich zu seinen Vätern versammelt". Verstorbene und Gespenster sind allerdings dem Wort nach im Pāli und Sanskrit identisch.
Wie kommt das?
Die meisten Menschen, heute mehr denn je, werden mit zunehmendem Alter verbittert und unleidlich und fallen ihrer Umwelt auf die Nerven und zur Last. Sie werden derart unzufrieden, weil sie nicht mehr so genießen können wie früher und weil sie wegen ihrer Schwäche sich nicht mehr mit Gewalt durchsetzen können. Sie merken, daß sie immer abhängiger von anderen werden, und das versuchen sie dadurch zu kompensieren, daß sie die anderen tyrannisieren - womit sie sich nur immer noch einsamer und ausgestoßener fühlen.
Dieses verbitterte und unfreundliche Mißvergnügen der letzten Lebensjahre, das ist genau diejenige Stimmung, die schon im Vorhof des Gespensterreichs weilt. Aus diesem Mißmut heraus ist man bei sich selber trüb und der Umwelt unleidlich. Das ist die Durchschnittsstimmung des durchschnittlichen alten Menschen. Und deshalb ist Verstorbener und Gespenst im Pāli identisch.
Unser Wort "Gespenst" gibt das gespenstische, ruhelose Herumgeistern wieder, jedoch sind andere Assoziationen hier abzuknüpfen. Gespenster, die auf Friedhöfen und in alten Schlössern umgehen, die spuken und Menschen erschrecken, kommen in diesem Buch überhaupt nicht vor. "Gespenst" (Peta) gilt hier als Name für unerfüllte und unerfüllbare Sinnengier, ein ödes Leben, grau in grau.
Der Name Peta-vatthu bedeutet wörtlich "Grundlage (vatthu) der Gespenster (Peta)". Dabei ist die Grundlage das Wirken, die Saat, das Erdreich im Gleichnis in M 12. Und das Gespensterdasein ist die Ernte, die Frucht, das Blattwerk im Gleichnis des Baumes.
Von den 51 Erzählungen des Peta-vatthu behandeln aber durchaus nicht alle diesen Saat-Ernte-Zusammenhang, wodurch ein Mensch als Gespenst wiedergeboren wird. Es sind folgende drei Gruppen auszusondern:
1. Drei Erzählungen sind aus dem Vimāna-vatthu hierher versprengt und sind eine identische Wiederholung: Pv II,5 = Vv 83; Pv IV,2 = Vv 84; Pv IV,4 = Vv 52. Darin ist von Petas nicht die Rede.
2. Drei Erzählungen berichten, wie ein Mensch nach dem Tode in die Götterwelt kommt: Pv I,1; III,5; IV,13.
3. Fünf Erzählungen haben den Trost bei Trauer um Verstorbene zum Inhalt.
Hier ist Peta = Verstorbener, ohne daß irgend etwas über die Art der
Wiedergeburt des Betreffenden gesagt ist. Der Inhalt ist rein diesseitig auf den
Hinterbliebenen zugeschnitten: I,4, 8, 12; II,6, 13.
Damit fallen von den 51 Erzählungen 11 aus, es bleiben also nur 40
Geschichten über Saat-Ernte hinsichtlich der Gespensterwelt. Dagegen sind die 21
Berichte aus dem 19.Samyutta, die ebenfalls diesen Saat-Ernte-Zusammenhang
zeigen, mit Recht nicht noch einmal in das Peta-vatthu aufgenommen worden. Sie
sind im Anhang kurzinhaltlich wieder gegeben, weil sie genau das gleiche Thema
behandeln, allerdings ohne die ausführliche Begründung wie im Pv.
Einige Erzählungen kommen auch in den Jātakas vor, nämlich I,8 in J 352; I,12
in J 354; II,6 in J454; III,9 in J 511. In einem späteren Sanskritwerk von
Wiedergeburtsgeschichten (Avadāna-śataka) erscheinen in den 10 Geschichten
seines fünften Teils zwei der Pv-Titel: I,6 in Nr. 49 und II,10 in Nr. 46.
Der Übersetzung zugrunde gelegt ist der revidierte Text der PTS von Jayawickrama von 1977 für die Verse und die englische Ausgabe des Kommentars von Masefield von 1980 für die Rahmenerzählungen. Zitiert wird nach den vier Abteilungen und innerhalb derer nach den Nummern der Erzählungen, also z.8.IV,12. Als sehr zweckmäßig erwies sich die fortlaufende Durchnummerierung aller Verse von 1 - 814, die unten stets angegeben ist. Danach wird aber nur zitiert, wenn es sich um einen einzelnen Vers handelt und nicht um die Geschichte im ganzen. Dagegen nummerieren die älteren Ausgaben, das PED und auch der Kommentar die Verse nur innerhalb einer Erzählung durch, was aber umständlich ist, z.B. III,75 (Teil III, Erzählung 7, Vers 5 = Vers 481). Die Ausgabe von 1977 weicht in der Zählung der Verse manchmal um eins von den früheren Ausgaben ab: Das jedesmal zu vermerken, erschien entbehrlich.
Die Versform ist meist der Sloka von 32 Silben, geschrieben in den Ausgaben in zwei Zeilen zu je 16. Im Deutschen wird dies aber zu Recht immer in vier Zeilen zu je 8 Silben geschrieben. Von den 814 Versen haben nur etwa 270 eine andere Silbenzahl, meist 11 pro Zeilestatt 8. Die Übersetzung folgt dem jeweiligen Versmaß. Selten hat ein Versstatt 4 aber 6 Zeilen: Von daher kommt die unterschiedliche Nummerierung, je nach dem, ob man diese Zeilen zum vorigen oder zum folgenden Vers zählt.
Der Text besteht aus drei Teilen. Der Hauptteil, der allein als kanonisch gilt und daher bei Jayawickrama allein abgedruckt, ist ohne die Rahmenerzählungen oft nicht verständlich. Diese wurden etwa 500 Jahre länger als die Verse nur mündlich überliefert, gelten auch nicht als kanonisch, weshalb sie hier nicht wörtlich übersetzt sind, sondern nacherzählt. Oft wiederholt die Rahmenerzählung den Inhalt der Verse, was überflüssig ist, und oft sind sonstige Kürzungen oder Erläuterungen zum Verständnis sinnvoll. Alle Kommentare aber werden am Ende als "Bemerkungen" gegeben, wobei der alte Wortkommentar nur selten Erwähnung verdient.
Das Werk erfreut sich bei der Wissenschaft keiner Beliebtheit. So spricht 1920 Moritz Winternitz von Pv und Vv als "höchst unerfreulichen, glücklicherweise wenig umfangreichen Werken" (Gesch. d. ind. Lit., Bd. 11, S. 77). Ins Deutsche übersetzt wurde bisher auch nur ein kleiner Teil, auch davon meist nur die Verse (Stede, 1914). Im englischen Sprachraum haben dagegen drei Indologen es für wert befunden, das Werk herauszugeben, wie unten aus dem Literaturverzeichnis zu ersehen ist.