„Ein König war voll Grausamkeit“
§A. Dies erzählte der Meister, da er auf dem Geiersberge verweilte, mit Beziehung auf Devadatta.
§D. Diese Begebenheit ist schon im Samghabhedaka-Khandaka [1] erzählt; dies ist von seiner Aufnahme in den Orden an bis zum Tode des Königs Bimbisara in der dort angegebenen Art zu erfahren. —
Als er diesen aber hatte töten lassen, ging Devadatta zu Ajātasattu hin und sprach: „O Großkönig, dein Wunsch ist in Erfüllung gegangen; mein Wunsch aber geht noch nicht in Erfüllung.“ Der König fragte: „Was ist Euer Wunsch, Herr?“ Devadatta erwiderte: „Ich möchte den mit den zehn Kräften Ausgestatteten töten lassen und selbst Buddha werden.“ „Was sollen wir aber dazu tun?“, fragte der König weiter. „Man muss die Bogenschützen versammeln“, antwortete Devadatta. „Gut“, versetzte der König und ließ fünfhundert Bogenschützen zusammenkommen, die das Auge trafen. Von ihnen wählte er noch einunddreißig aus und sandte sie zu Devadatta hin mit dem Auftrage: „Tut nach den Worten des Thera!“
Dieser sprach zu ihrem Anführer: „Freund, der Asket Gotama [2] weilt auf dem Geiersberg; zu der und der Zeit wandelt er im Freien umher. Gehe du dorthin, triff ihn mit einem giftgetränkten Pfeil und bringe ihn so ums Leben; dann kehre auf dem und dem Wege zurück!“ So schickte er ihn fort. Dann stellte er auf diesem Wege zwei Bogenschützen auf und sagte ihnen: „Auf dem Wege, wo ihr steht, wird ein Mann daherkommen; beraubet ihn des Lebens und geht dann auf dem und dem Wege fort.“ Auf diesem Wege stellte er aber vier Bogenschützen auf und sagte ihnen: „Auf dem Wege, wo ihr steht, werden zwei Männer daherkommen; bringt sie ums Leben und geht auf dem und dem Wege fort!“ Auf diesem Wege wieder stellte er acht Männer auf und sagte ihnen: „Auf dem Wege, wo ihr euch befindet, werden vier Männer daherkommen; bringt sie ums Leben und geht dann auf dem und dem Wege fort.“ Auf diesem Wege endlich stellte er sechzehn Bogenschützen auf und sagte ihnen: „Auf dem Wege, wo ihr euch befindet, werden acht Männer daherkommen; bringt sie ums Leben und geht dann auf dem und dem Wege fort!“ — Warum tat er aber so? Um seine Tat zu verdecken. —
Darauf ging der Anführer der Bogenschützen, an der linken Seite das Schwert und auf dem Rücken den Köcher befestigt, mit einem großen Bogen aus Widderhorn zu dem Vollendeten hin, und indem er dachte: „Ich will ihn treffen“, hob er den Bogen, legte einen Pfeil darauf und zog an. Doch war er nicht im Stande, ihn abzuschießen. Sein ganzer Körper war steif wie in einer Maschine zusammengepresst; von Todesfurcht erfüllt blieb er stehen. Als ihn der Meister sah, ließ er seine süße Stimme hören und sprach: „Fürchte dich nicht, komm hierher!“ In diesem Augenblick warf jener seine Waffen fort, fiel mit dem Haupte dem Erhabenen zu Füßen und sagte: „Sünde, Herr, hat mich befallen wie einen Toren, wie einen Verblendeten, wie einen Sünder. Da ich Euren Vorzug nicht kannte, kam ich auf das Wort des blinden Toren Devadatta herbei, um Euch das Leben zu nehmen. Verzeiht mir, Herr!“ Nachdem er ihn so um Verzeihung gebeten, setzte er sich ihm zur Seite. Darauf verkündigte ihm der Meister die Wahrheiten, brachte ihn zur Frucht der Bekehrung und entließ ihn dann mit den Worten: „Freund, mache dich nicht auf den Weg, den dir Devadatta angegeben, sondern gehe einen anderen Weg!“ Nachdem er ihn aber fortgeschickt, stieg er von seinem Wandelgang herab und setzte sich am Fuße eines Baumes nieder. — Als aber dieser Bogenschütze nicht kam, dachten die andern beiden: „Warum bleibt er so lange?“, und gingen ihm entgegen. Da sahen sie den mit den zehn Kräften Ausgestatteten; sie gingen auf ihn zu, begrüßten ihn ehrfurchtsvoll und setzten sich ihm zur Seite. Er verkündete auch ihnen die Wahrheiten, brachte sie zur Frucht der Bekehrung und entließ sie mit den Worten: „Ihr Lieben, schlaget nicht den von Devadatta euch angegebenen Weg ein, sondern gehet auf diesem Wege!“ Auf dieselbe Weise befestigte er auch die anderen, nachdem sie zu ihm herangekommen waren und neben ihm saßen, in der Frucht der Bekehrung und schickte sie auf einem andern Wege wieder fort.
Darauf ging der zuerst gekommene Bogenschütze zu Devadatta hin und sagte zu ihm: „Herr Devadatta, ich war nicht im Stande, den völlig Erleuchteten ums Leben zu bringen; von großer Wunderkraft ist der Erhabene, von großer Macht.“ Auch die anderen dachten: „Durch den völlig Erleuchteten wurde uns das Leben gerettet“; sie betätigten bei dem Meister die Weltflucht und gelangten zur Heiligkeit.
Diese Begebenheit wurde unter der Mönchsgemeinde bekannt. Die Mönche begannen deshalb in der Lehrhalle folgendes Gespräch: „Freunde, Devadatta bemühte sich aus Hass gegen den einzigen Vollendeten, viele Menschen ums Leben zu bringen; sie alle aber retteten ihr Leben durch den Meister.“ Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Unterhaltung, ihr Mönche, seid ihr jetzt hier zusammengekommen?“ Als sie antworteten: „Zu der und der“, sprach er weiter: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, sondern auch früher schon bemühte sich Devadatta um meinetwillen allein aus Hass gegen mich, viele Leute ums Leben zu bringen.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.
§B. Ehedem war dies Benares eine Stadt namens Pupphavati [3]. Dort herrschte der Sohn des Königs Vasavatti [4] als alleiniger König. Sein Sohn, Prinz Canda (= Mond) mit Namen, bekleidete das Amt des Vizekönigs. Ein Brahmane namens Khandahāla war sein Hauspriester. Dieser belehrte den König in weltlichen und geistlichen Dingen; weil ihn darum der König für weise hielt, gab er ihm den Vorsitz beim Gericht. Er aber war auf Geschenke versessen, und wenn er Geschenke erhielt, machte er die, denen etwas nicht zukam, zu Eigentümern der Sache und die Eigentümer beraubte er ihres Besitzes.
Eines Tages nun ging ein Mann, der seinen Prozess verloren hatte, scheltend von der Gerichtsstätte fort und sah den Prinzen Canda, der gerade auf dem Wege war, dem Könige seine Aufwartung zu machen. Er fiel ihm zu Füßen. Der Prinz fragte: „He, was ist denn, Mann?“ Dieser antwortete: „O Gebieter, Khandahāla nährt sich beim Gerichte von Raub; weil er ein Geschenk von dem andern erhalten hatte, habe ich meinen Prozess verloren.“ Der Prinz Canda tröstete ihn mit den Worten: „Fürchte dich nicht“, führte ihn zum Gericht zurück und gab ihm sein Eigentum wieder. Die Volksmenge rief mit lauter Stimme Beifall. Als dies der König hörte, fragte er: „Was ist dies für ein Lärm?“ Er erhielt zur Antwort: „Prinz Canda hat einen Streit, den Khandahāla schlecht entschieden hatte, gut entschieden; dafür ist dies das Beifallsgeschrei.“ Da dies der König hörte, fragte er seinen Sohn, als dieser nach seiner Rückkehr ihm seine Ehrfurcht bezeigte und vor ihn hintrat: „Mein Sohn, hast du also einen Streit entschieden?“ „Ja, o Fürst“, erwiderte er. „So triff du also, mein Sohn, von jetzt an die Entscheidungen vor Gericht“, fuhr der König fort und übertrug damit seinem Sohne das Gericht.
So hörten die Einkünfte des Khandahāla auf und von da an fasste dieser einen Hass gegen den Prinzen und schaute beständig nach einem Fehler bei ihm. Der König aber war dummgläubig. Eines Tages sah dieser zur Zeit der Morgenröte im Traume den mit reichgeschmückten Torerkern und mit Mauern, die aus den sieben Arten der Kostbarkeiten bestanden, versehenen, sechzig Meilen großen, mit einer goldenen großen Straße gezierten, tausend Meilen hohen, mit dem Vejayanta-Palast und anderen Palästen geschmückten, durch den Nanda-Park und andere Wälder entzückenden, mit dem Nanda-Lotosteich und anderen reizenden Lotosteichen versehenen und von der Götterschar erfüllten Himmel der dreiunddreißig Götter und bekam Lust, dorthin zu kommen. Darum dachte er bei sich: „Wenn mein Lehrer Khandahāla kommt, werde ich ihn nach dem Wege fragen, der nach der Götterwelt führt, und werde auf dem mir von ihm gezeigten Wege nach der Götterwelt gehen.“ Am frühen Morgen schon kam Khandahāla in den Palast des Königs und fragte den König, ob er gut geruht habe. Darauf ließ ihm der König einen Sitz geben und legte ihm seine Frage vor.
Um dies zu verkünden, sprach der Meister:
Eine solche Frage aber muss man dem allwissenden Buddha oder dessen Schülern oder, wenn man diese nicht erhalten kann, dem Bodhisattva vorlegen; gleich wie aber ein Mann, der sich sieben Tage lang verirrt hat, einen andern, der schon einen halben Monat den Weg verloren hat, fragen würde, so fragte der König Khandahāla. Dieser dachte nun: „Dies ist die Zeit, da ich meinen Feind am Boden liegen sehen werde [5]; jetzt werde ich den Prinzen Canda ums Leben bringen und damit meinen Wunsch erfüllen.“ Er wandte sich an den König und sprach folgende dritte Strophe:
Darauf fragte ihn der König nach dem Sinn der Frage:
Jener aber antwortete:
Mit dieser Antwort aber verkündete er, während er nach dem Wege zur Götterwelt gefragt war, den Weg zur Hölle. Da er aber dachte: „Wenn ich den Prinzen Canda allein nennen würde, so würde man in meinem Hasse die Ursache davon suchen“, warf er ihn deshalb in eine Menge Leute hinein. Die Leute vom Hofe aber, die hörten, was die beiden sprachen, erhoben furchterfüllt auf einmal ein lautes Geschrei.
Um dies zu verkünden, sprach der Meister folgende Strophe:
Der ganze königliche Hof glich einem Sala-Walde, der von dem Weltzerstörungswind [6] getroffen wird. Der Brahmane aber sagte zum Könige: „Wie, o Großkönig, bist du im Stande das Opfer darzubringen oder bist du nicht im Stande?“ Der König antwortete: „Was redest du, Lehrer? Wenn ich das Opfer dargebracht habe, werde ich in die Götterwelt kommen.“ Darauf erwiderte der Hauspriester: „O Großkönig, die Furchtsamen, die im Entschlusse schwach sind, sind nämlich nicht fähig, das Opfer darzubringen. Lasst hier alle zusammenkommen, ich werde die Opfergrube herrichten.“ Darauf zog er mit einer hinreichenden Schar aus der Stadt hinaus, ließ die Opfergrube in gleicher Höhe mit dem Erdboden machen und umgab sie mit einem Zaune; warum? Weil er dachte, ein tugendhafter Asket oder Brahmane könnte herbeikommen und ihn hindern, deshalb machte er an der Opfergrube eine Umzäunung nach der von den Brahmanen der alten Zeit aufgestellten Regel.
Der König aber ließ seine Männer zu sich rufen und sagte ihnen: „Ihr Lieben, ich werde meine eigenen Söhne und Töchter und meine Gattinnen töten, damit ein Opfer darbringen und dadurch in die Götterwelt kommen. Gehet, meldet es ihnen und führet sie alle hierher!“ Und er sprach, damit sie zunächst seine Söhne herbeibrächten:
Darauf gingen sie zuerst zu dem Prinzen Canda hin und sprachen: „O Prinz, Euer Vater möchte Euch töten und dadurch in die Götterwelt kommen; um Euch gefangen zu nehmen, hat er uns geschickt.“ Der Prinz erwiderte: „Auf wessen Wort lässt er mich ergreifen?“ „Auf das Wort des Khandahāla, o Fürst.“ „Lässt er nur mich ergreifen oder auch andere?“ Die Männer antworteten: „Er lässt auch andere festnehmen; er hat Lust, ein vierfaches Opfer darzubringen.“ Darauf dachte der Prinz: „Jener hat keinen Hass gegen andere; da er aber mich allein Hasst, weil ich ihn nicht zu Gericht seine Räubereien ausführen lasse, lässt er viele töten. Wenn ich meinen Vater sehen darf, so ist es meine Aufgabe, sie alle zu befreien.“ Und er sprach zu den Männern: „Tut also nach meines Vaters Wort!“ Darauf führten sie ihn in den Hof des königlichen Palastes, stellten ihn beiseite hin, holten auch die anderen drei und taten sie neben ihn.
Hierauf meldeten sie dem Könige: „Herbeigebracht sind deine Söhne, o Fürst.“ Als dieser ihr Wort vernommen, sagte er: „Ihr Lieben, jetzt holt meine Töchter herbei und stellt sie neben die anderen“; und er sprach folgende weitere Strophe:
Die Männer erwiderten: „Wir wollen es tun“, gingen zu ihnen hin, brachten die Mädchen, die weinten und klagten, herbei und stellten sie neben ihre Brüder, darauf sprach der König, um seine eigenen lieben Gattinnen gefangen nehmen zu lassen, folgende weitere Strophe:
Die Männer holten diese, die auch weinten, herbei und stellten sie neben die Prinzen. Darauf ließ der König vier Großkaufleute herbeiholen und sprach deshalb folgende weitere Strophe:
Die Männer des Königs gingen hin und holten sie. Während nun die Söhne und die Frauen des Königs gefangen genommen wurden, sagte die ganze Stadt gar nichts dazu. Die Großkaufmannsfamilien aber haben viele Verwandten. Als darum diese gefangen genommen wurden, erregte sich die ganze Stadt darüber; die Leute sagten: „Wir werden den König nicht sein Opfer durch die Tötung der Großkaufleute darbringen lassen“, umringten die Großkaufleute und gingen mit der Schar von deren Verwandten nach dem königlichen Palaste hin. Darauf baten die Großkaufleute, von ihren Verwandten und der Volksmenge umgeben, den König um ihr Leben.
Um dies zu verkünden, sprach der Meister:
Während sie aber so baten, konnten sie doch nicht ihr Leben retten. Die Männer des Königs trieben die übrigen zurück, nahmen jene mit sich und ließen sie sich auch neben die Prinzen setzen.
Darauf befahl der König Elefanten und andere Tiere herbeizuholen und sprach dazu:
Es lebten aber noch die Eltern des Königs. Daher ging man hin und meldete seiner Mutter: „Edle, Euer Sohn will Weib und Kinder töten und mit ihnen ein Opfer darbringen.“ Sie erwiderte: „Was sagt ihr da, ihr Lieben?“ Indem sie mit den Händen nach dem Herzen fasste, kam sie weinend herbei und fragte: „Ist es wahr, mein Sohn, dass du ein solches Opfer abhalten willst?“
Um dies zu verkünden, sprach der Meister:
Der König erwiderte:
Darauf sprach seine Mutter zu ihm:
Der König erwiderte:
Da aber seine Mutter ihn nicht veranlassen konnte, ihre Worte anzunehmen, ging sie wieder fort. Als nun sein Vater diese Begebenheit erfuhr, kam er herbei und fragte.
Um dies zu verkünden, sprach der Meister:
Der König antwortete:
Darauf sprach zu ihm sein Vater:
Der König erwiderte:
Darauf sprach zu ihm sein Vater:
Aber auch er konnte den König nicht veranlassen, seine Worte anzunehmen. Da dachte der Prinz Canda: „Diese so vielen Leute hat das Unglück allein um meinetwillen getroffen; ich will meinen Vater bitten und dadurch diese vielen Leute vom Unglück befreien.“ Und indem er sich an seinen Vater wandte, sprach er:
Als der König diese seine mannigfachen Bitten hörte, sprach er, als wolle ihm das Herz brechen, mit tränenerfüllten Augen: „Niemand darf meine Söhne töten; mich verlangt nicht nach der Götterwelt!“ Und um sie alle frei zu machen, sagte er:
Als sie diese Worte des Königs vernahmen, ließen sie von den Königssöhnen angefangen diese ganze Schar von lebenden Wesen bis zu den Vögeln hin [11] frei.
Khandahāla aber verrichtete gerade seine Arbeit an der Opfergrube; da kam ein Mann zu ihm und sagte: „Holla, du Schurke Khandahāla, die Söhne des Königs sind freigelassen. Töte du jetzt deine eigenen Söhne und bringe mit dem Blute ihres Halses das Opfer dar!“ Jener erwiderte: „Was hat denn der König getan?“ Schnell ging er hin und sprach:
Der König nahm in seiner blinden Torheit die Worte jenes Zornigen an; er dachte an das Recht [12] und ließ abermals seine Söhne festnehmen. Da sprach der Prinz Canda, um seinen Vater zu belehren:
Als der König das Jammern des Prinzen hörte, sagte er:
Nachdem er diese Strophe gesprochen, ließ er sie wieder frei. Da kam Khandahāla abermals herbei und sagte:
Dadurch veranlasste er wieder, dass sie gefangen genommen wurden. Um aber die Gunst von jenem zu erlangen, sprach der Prinz weiter:
Als aber der Prinz trotz dieser vielen Worte seinen Vater nicht überreden konnte, sprach er mit Beziehung auf die Schar, die rings um den König stand:
Trotz dieser Worte aber sagte niemand etwas. Darauf schickte der Prinz seine Frauen, um den König für ihn zu bitten, und sprach:
Jene gingen hin und stellten die Bitte. Der König aber schaute nicht darauf. Darauf sprach der Prinz in seiner Not jammernd:
Darauf schickte er die Frauen wieder hin mit den Worten:
Um dies zu verkünden, sprach der Meister:
Aber der König hörte auch nicht auf ihre Worte. Als darauf der Sohn des Prinzen Canda, Vasula mit Namen, seinen Vater im Unglück sah, dachte er: „Ich will den Großvater bitten und ihn veranlassen, meinem Vater das Leben zu schenken“; und er klagte zu den Füßen des Königs.
Um dies zu verkünden, sprach der Meister:
Als der König dessen Klagen hörte, war es ihm, als müsse ihm das Herz brechen; mit tränenerfüllten Augen umarmte er den jungen Prinzen und sagte zu ihm: „Mein Sohn, tröste dich; ich werde deinen Vater freilassen.“ Und er sprach folgende Strophe:
Abermals jedoch kam Khandahāla herbei und sagte:
Der König in seiner großen Torheit ließ abermals auf dessen Wort seine Söhne festnehmen. Darauf dachte Khandahāla: „Dieser weichherzige König nimmt sie zu einer Zeit fest und zu einer andern Zeit lässt er sie los; vielleicht lässt er nochmals auf der Knaben Wort die Prinzen frei. Ich werde ihn jetzt zur Opfergrube führen.“ Und damit jener dorthin gehe, sprach er folgende Strophe:
Als sie dann mit dem Bodhisattva nach der Opfergrube gingen, zogen dessen Haremsfrauen auch zugleich mit.
Um dies zu verkünden, sprach der Meister:
Das folgende ist ihr Klagegesang:
Während sie so klagten, führte man den Bodhisattva aus der Stadt hinaus. Die ganze Stadt war voll Erregung und fing an auch hinauszugehen. Als aber die große Volksmenge hinausströmte, reichten die Tore nicht aus. Da der Brahmane die allzu große Volksmenge sah, dachte er: „Wer weiß, was geschehen wird?“, und ließ die Stadttore schließen. Als nun die Menge nicht hinaus konnte — in der Nähe des inneren Stadttores ist ein Park ganz nahe davon —, stieß sie ein lautes Geschrei aus; durch dieses Geschrei wurde die Vögelschar aufgeregt und flog in die Luft empor. Da sagte die Menge, indem sie den und den Vogel anredete, jammernd:
Nachdem so die Volksmenge an diesem Orte geklagt hatte, begab sie sich nach der Wohnung des Bodhisattva und ging um seinen Palast von rechts herum. Als sie seinen Harem, seine Pagode, seinen Park u. dgl. sah, begann sie mit folgenden Strophen zu klagen:
Nachdem sie an diesen vielen Orten geklagt hatten, suchten sie wieder die Elefantenställe u. dgl. auf und sprachen:
Als sie nicht hinaus konnten, gingen sie drinnen in der Stadt umher und klagten. Der Bodhisattva aber wurde nach der Opfergrube geführt. Da kam seine Mutter, die Königin Gotami, herbei, wälzte sich mit dem Rufe: „Schenke mir das Leben meiner Söhne, o Fürst!“, vor den Füßen des Königs und sprach jammernd:
Als sie aber mit diesen Klagen kein Wort vom König erhalten konnte, sagte sie: „Mein Sohn wird im Zorn von euch fortgegangen sein; warum führt ihr ihn nicht zurück?“, und umarmte die vier Gemahlinnen des Prinzen. Jammernd sprach sie dabei:
Nachdem sie so mit ihren Schwiegertöchtern zusammen geklagt hatte und einen Ausweg nicht fand, den sie hätte einschlagen können, sprach sie auf Khandahāla scheltend folgende acht Strophen:
In der Opfergrube sprach bittend der Bodhisattva zu seinem Vater:
Als er trotz dieser Worte von seinem Vater keine Antwort bekam, fiel er seiner Mutter zu Füßen und sprach klagend:
Darauf sprach seine Mutter klagend folgende vier Strophen:
Jetzt fiel ihm auch seine erste Gemahlin, Canda mit Namen, zu Füßen und sprach klagend:
Als dies der König hörte, sprach er folgende Strophe:
Canda erwiderte:
Der König antwortete:
Dazu sprach der Meister folgende Halbstrophe:
Das weitere umfasst wieder ihre Klagen:
Nachdem sie so beim Könige mit diesen Strophen geklagt hatte und keinen Trost fand, ging sie zu dem Bodhisattva hin und blieb klagend bei ihm stehen. Darauf sprach dieser zu ihr: „Canda, solange ich lebe, habe ich dir da und dort, wenn du gut sangest und gut erzähltest, verschiedene Perlen und viele andere Schmucksachen gegeben. Heute aber gebe ich dir den Schmuck, den ich auf dem Körper trage, als mein letztes Geschenk; nimm es hin!“
Um dies zu verkündigen, sprach der Meister:
Als die Fürstin Canda auch dieses gehört hatte, jammerte sie mit folgenden weiteren neun Strophen:
Während sie noch so klagte, war in der Opfergrube die ganze Arbeit vollendet. Man führte den Königssohn hinein, beugte seinen Hals hinab und ließ ihn niederknien. Khandahāla ließ eine goldene Schüssel hinstellen und stellte sich mit dem Schwerte in der Hand hin, indem er dachte: „Ich werde ihm jetzt den Hals abschneiden.“ — Als dies die Königin Canda sah, dachte sie: „Eine andere Zuflucht habe ich nicht; durch die Kraft meiner Wahrheitsbekräftigung werde ich meinem Gatten Rettung verschaffen.“ — Indem sie mit gefalteten Händen unter der Versammlung einherwandelte, betätigte sie eine Wahrheitsbekräftigung.
Um dies zu verkünden, sprach der Meister:
Als der Götterkönig Sakka ihren Klagelaut hörte und die Begebenheit wahrnahm, kam er mit einem glühenden eisernen Schmiedehammer herbei, jagte damit dem Könige Furcht ein und veranlasste ihn alle freizulassen.
Um dies zu verkündigen, sprach der Meister:
Nachdem sie aber diesen getötet hatten, machte sich die große Volksmenge auch daran, den König zu töten. Der Bodhisattva jedoch umfasste seinen Vater und ließ ihn nicht töten. Da sagte die Volksmenge: „Das Leben wollen wir jetzt diesem bösen Könige schenken, die Königswürde aber und den Aufenthalt in der Stadt lassen wir ihn nicht behalten, sondern wir wollen ihn zu einem Candala [26] machen und ihm außerhalb der Stadt seine Wohnung anweisen.“ Nach diesen Worten nahmen sie ihm das königliche Gewand, gaben ihm ein rotgelbes Kleid anzuziehen, umhüllten ihm mit einem gelben Lumpen das Haupt, machten ihn zu einem Candala und schickten ihn in die Candala-Umzäunung. Diejenigen aber, die dieses Opfer der Tiertötung dargebracht hatten oder hatten darbringen lassen oder auch die es gelobt hatten, die kamen später alle in die Hölle.
Um dies zu verkünden, sprach der Meister:
Nachdem aber so die Volksmenge die zwei Unglücksvögel beseitigt hatte, holte sie sogleich die zur Weihe notwendigen Gegenstände herbei und erteilte dem Prinzen Canda die Königsweihe.
Um dies zu verkünden, sprach der Meister:
Der Bodhisattva erfüllte seine Pflichten gegen seinen Vater [28], doch durfte dieser nicht in die Stadt hinein. Wenn das Geld zu Ende war und der Bodhisattva daherkam, um sich im Parke zu ergehen, oder aus anderen Gründen, ging der Vater auf ihn zu, aber ohne ihm seine Ehrfurcht zu beweisen, denn er dachte: „Der (eigentliche) Herr bin ich“; doch sagte er mit gefalteten Händen [29]: „Lebe lange, Gebieter!“ Wenn er dann gefragt wurde, wessen er bedürfe, sagte er es und der König ließ ihm Geld geben. Nachdem aber dieser in Gerechtigkeit die Herrschaft geführt hatte, gelangte er in die Götterwelt.
§C. Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beschlossen hatte, fügte er hinzu: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, sondern auch früher schon war Devadatta bestrebt, um meinetwillen allein viele zu töten“, und verband hierauf das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war Khandahāla Devadatta, die Königin Gotami war die große Maya, Canda war Rāhulas Mutter, Vasula war Rāhula, Sila war Uppalavanna, Sura Vamagotta war Kassapa, Candasena war Mogallāna, der Prinz Suriya war Sāriputta, der König Canda aber war ich.“
Ende der Erzählung von Khandahāla
[1] Auf Deutsch: „Das Kapitel von der Entzweiung der Gemeinde.“ Es bildet das 7. Buch des Cullavagga („Leben des Buddha“, S. XIV): der wichtigste Teil davon ist ebenda S. 164 bis 186 übersetzt.
[2] Diesen Namen gebrauchen in den buddhistischen Schriften nur diejenigen von Buddha, die nicht seine Anhänger sind.
[3] Auch sonst öfters als alter Name von Benares erwähnt. Hier passt der Ausdruck „dies Benares“ nicht, weil als Ort der Erzählung der Geiersberg bei Rājagaha bezeichnet wird.
[4] Dies kann ein Eigenname sein oder auch ein Adjektiv, „eines weltbeherrschenden Königs“.
[5] Wörtlich: „Ich werde den Rücken meines Feindes sehen.“
[6] Der Wind, der beim Untergang eines Weltsystems weht und alles zerstört.
[7] Dies scheint hier als ein Name aufgefasst zu sein; bei der Identifizierung am Schlusse sind aber die Namen getrennt.
[8] Dieses Wort, im Text klein gedruckt, ist jedenfalls auch ein Name (= „die einem Gatten Gehörende“), schon deshalb, damit die Vierzahl herauskommt.
[9] Ein Abzeichen der Sklaven (wie auch mancher Asketen) war der auf dem geschorenen Haupte stehende Schopf.
[10] Wörtlich: „das Nichtverletzen der Wesen, die es gibt und geben wird“.
[11] Wörtlich: „die die Vögel zum Ende hatten“; d. h. von allen Arten der Tiere bis hinab zu den Vögeln waren je vier zum Opfer bestimmt.
[12] „dhammasanni hutva.“ Cowell übersetzt „having his thoughts fixed on religion.“ Sollte aber in dem Kompositum nicht vielleicht „asanni“ enthalten sein? Der Sinn wäre passender: „Er dachte nicht mehr an das Recht.“
[13] Nämlich als der Hauspriester aus den Kennzeichen des neugeborenen Prinzen eine günstige Zukunft prognostizierte.
[13a] Die Strophe 44 ist bei Dutoit ausgelassen, sie ist aber identisch mit Strophe 114.
[14] Die Pukkusas sind eine der niedersten Kasten, ebenso die Bambusrohrarbeiter, pali „vena“; denn so ist jedenfalls mit zwei Handschriften statt des „vesesu“ im Fausböllschen Texte zu lesen.
[15] Wie die Götter, wenn sie den Himmel am Ende ihrer Existenz verlassen müssen.
[16] Man entschuldige den etwas harten Ausdruck mit der Nachbildung des Wortspiels im Texte.
[17] Statt des unverstandenen „dayassu“ des Textes hat eine Handschrift „uyyassu“, das auch der Kommentator seiner Deutung zu Grunde legt. („dayassu“ kommt von der Wurzel „di“.)
[18] Asoka ist der Strauch Jonesia Asoka.
[19] Wörtlich: „dessen Geräusch ist wie der Gesang des Maynah-Vogels“ (Gracula religiosa).
[20] Vgl. dazu die ähnliche Stelle im Jātaka 485 Strophe 6.
[21] Der Baum Michelia Champaca.
[22] Der Bananenbaum, Musa Sapientum.
[23] Statt des unverständlichen „pitanisito“ lese ich „pitanisito“.
[24] Dieser Vers ist hier (wie auch an der ähnlichen Stelle Strophe 72) mit Klammern in den Text gesetzt, passt aber eigentlich nicht zur Strophe.
[25] Das rätselhafte „apapanam“ ist wohl nichts andres als „anapanam“.
[26] Ein Angehöriger der niedrigsten Kaste, die in einem abgeschlossenen Raume vor der Stadt wohnten.
[27] Die Konstruktion ist: „Nachdem alle (entweder die zum Opfer Bestimmten oder die Gefangenen) freigelassen waren, erteilten dem Canda die Weihe sowohl die dort Versammelten als auch ...“ Wortstellung hier wie im Original.
[28] D. h. er sorgte für seinen Unterhalt, so dass sein Vater nicht wie die anderen Candalas auf Lohnarbeit angewiesen war.
[29] Der Ausdruck „anjalim pana katva“ muss doch wohl wegen des „pana“ zu „vadati“ gezogen werden. Cowell übersetzt: „did not use to join his hands to salute his son”.