„Hier diese Halskette aus Gold“
§A. Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf eine Sklavin des Anāthapindika. Als diese nämlich an einem Festtage mit der Schar der Sklavinnen zusammen nach dem Parke gehen wollte, bat sie ihre Herrin, die edle Punnalakkhana [1], um einen Schmuck. Diese gab ihr ihren eigenen Schmuck, der hunderttausend wert war. Jene schmückte sich damit und machte sich mit der Schar der Sklavinnen nach dem Parke auf. Ein Dieb aber bekam Lust nach diesem Schmucke und dachte: „Ich werde sie töten und ihr den Schmuck abnehmen.“ Er knüpfte ein Gespräch mit ihr an, ging auch nach dem Parke und gab ihr Fischfleisch, Branntwein u. dgl. Diese dachte: „Er gibt es mir wohl aus sinnlicher Liebe, glaube ich“, nahm es an und ergötzte sich mit Spielen im Parke. Als sich dann zur Abendzeit die Schar der Sklavinnen, um sich auszuruhen, niedergelegt hatte, stand sie auf und ging zu jenem hin. Dieser sagte zu ihr: „Liebe, dieser Ort ist nicht versteckt; lasse uns ein wenig weiter gehen.“ Als dies die andere hörte, dachte sie: „An diesem Orte kann man doch etwas Geheimes tun [2]. Ohne Zweifel wird er mich töten und meine Schmuckgegenstände mir rauben wollen. Gut, ich werde ihn belehren!“ Und sie sagte zu ihm: „Gebieter, durch den Branntweinrausch ist mein Körper vertrocknet; gib mir jetzt Wasser zu trinken.“ Dabei führte sie ihn zu einem Brunnen und gab ihm einen Strick und einen Wassertopf. Der Dieb ließ den Strick in den Brunnen hinab. Als er sich aber hinunter bückte und Wasser schöpfte, packte ihn die sehr kräftige Sklavin fest mit beiden Händen, schleuderte ihn in den Brunnen und warf ihm mit den Worten: „Wirst du daran nicht sterben?“, einen großen Ziegelstein auf den Kopf. So musste jener hier sterben.
Das Mädchen aber kehrte in die Stadt zurück. Als sie ihrer Herrin den Schmuck zurückgab, sagte sie: „Beinähe wäre ich um dieses Schmuckes willen gestorben“, und erzählte ihr die ganze Begebenheit. Ihre Herrin aber teilte es Anāthapindika mit und dieser berichtete es wieder dem Vollendeten. Der Meister erwiderte: „Nicht nur jetzt, o Hausvater, besitzt diese Sklavin die Fähigkeit, dem Augenblick entsprechend zu handeln, sondern auch früher schon besaß sie diese Fähigkeit. Und nicht nur jetzt wurde dieser Mann von ihr getötet, sondern auch schon früher tötete sie ihn.“ Nach diesen Worten erzählte er auf seine Bitte folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.
§B. Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, lebte dort eine Stadtschöne namens Sulasa, umgeben von fünfhundert Dirnen; für tausend Geldstücke gewährte sie eine Nacht. In dieser Stadt aber lebte auch ein Dieb namens Sattuka, der war stark wie ein Elefant. Zur Nachtzeit brach er in die Häuser der Herren ein und plünderte nach Gefallen. Die Stadtbewohner versammelten sich und klagten dies dem Könige. Der König ließ den Stadtwächter herbeirufen und sprach zu ihm: „Stelle allenthalben einen Hinterhalt auf, lasse den Dieb gefangen nehmen und schlage ihm das Haupt ab.“ Man führte ihn darauf, die Hände auf dem Rücken gebunden, zum Tode, indem man ihn in jedem Stadtviertel mit Peitschen schlug. In der ganzen Stadt geriet man in Aufregung, dass der Dieb gefangen war.
Damals stand gerade Sulasa an ihrem Fenster und schaute auf die Straße hinab. Als sie ihn sah, wurde ihr Herz an ihn gefesselt und sie dachte: „Wenn ich diesen starken Kämpfer befreien kann, werde ich mein schimpfliches Gewerbe aufgeben und mit ihm zusammenleben.“ Darauf schickte sie
§D. in der Art, wie oben im Kanavera-Jātaka [Jātaka 318] angegeben,
dem Stadtwächter tausend Kahapanas, befreite jenen damit und wohnte in Eintracht mit ihm zusammen.
Nach Ablauf von drei oder vier Monaten aber dachte der Räuber: „Ich werde nicht an diesem Orte bleiben können; mit leeren Händen aber kann ich nicht gehen. Sulasas Schmuckgegenstände sind hunderttausend wert; ich werde Sulasa töten und dieselben wegnehmen.“ Und er sprach eines Tages zu ihr: „Liebe, als ich damals von den Leuten des Königs daher geführt wurde, gelobte ich der Baumgottheit, die auf dem und dem Berggipfel wohnt, eine Opferspende. Weil sie aber diese Opferspende nicht erhält, setzt sie mich in Schrecken; wollen wir ihr die Opferspende darbringen!“ „Gut, Gebieter“, versetzte Sulasa, „mache sie zurecht und schicke sie fort!“ Doch er erwiderte: „Liebe, es geziemt sich nicht, sie zu schicken; wir beide wollen mit allem Schmuck geziert mit großem Gefolge dorthin gehen und sie überbringen.“ „Gut, Gebieter, tun wir so“, antwortete Sulasa.
Als sie nun so getan hatten und zu dem Berge hinkamen, sagte er: „Liebe, wenn die Baumgottheit die vielen Leute sieht, wird sie die Opfergabe nicht entgegennehmen; wir beide wollen allein hinaufsteigen und sie ihr geben!“ Nachdem Sulasa auch dazu ihre Zustimmung gegeben, ließ er sie die Schüssel mit der Opfergabe tragen; er selbst gürtete sich seine fünffachen Waffen [3a] um und stieg mit ihr auf die Spitze des Berges. Neben einem Abgrund, der so tief war wie hundert Mann, ließ er sie dann am Fuße eines Baumes, der dort wuchs, die Opfergabe niederstellen und sprach zu ihr: „Liebe, ich bin nicht um der Opferspende willen hierher gekommen, sondern ich kam hierher, um dich zu töten, dir deinen Schmuck zu rauben und damit fortzugehen. Ziehe deinen Schmuck aus und mache daraus ein Bündel!“
Sulasa versetzte: „Gebieter, warum willst du mich töten?“ „Um Geld zu erhalten.“ „Gebieter, gedenke doch an das Gute, das ich dir tat. Als du gefangen daher geführt wurdest, vertauschte ich dich mit dem Sohne des Großkaufmanns, gab viel Geld dafür und rettete dir so das Leben. Obwohl ich täglich tausend Geldstücke bekommen kann, schaue ich doch keinen Mann mehr an; so bin ich dir ergeben. Töte mich nicht! Ich will dir viel Geld geben und deine Sklavin werden.“ Und indem sie ihn so bat, sprach sie folgende erste Strophe:
Doch Sattuka antwortete mit der folgenden zweiten Strophe, die seinen Gedanken entsprach:
Bei diesen Worten aber gewann Sulasa wieder ihre Fähigkeit, die augenblickliche Lage auszunützen, und sie dachte: „Dieser Räuber will mir nicht das Leben lassen. Durch eine List werde ich ihn zuvor in den Abgrund stürzen und so ihn des Lebens berauben.“ Und sie sprach folgendes Strophenpaar:
Sattuka, der ihre List nicht erkannte, erwiderte: „Gut, Liebe; komm und umarme mich.“ Nachdem nun Sulasa ihn dreimal mit Ehrfurcht umwandelt und umarmt hatte, sprach sie: „Jetzt, Gebieter, will ich dir an den vier Seiten meine Ehrerbietung bezeigen.“ Sie legte ihr Haupt auf seine Füße, verehrte ihn an beiden Seiten und ging dann nach seiner Hinterseite, als ob ihm auch da ihre Ehrfurcht bezeigen wollte. Dabei packte ihn aber die mit Elefantenstärke begabte Dirne an seinen beiden Hinterteilen, dass sein Kopf nach unten hing, und schleuderte ihn in den Abgrund, der so tief war wie hundert Mann. Er wurde zu Staub zerschmettert und starb.
Als aber die Gottheit, die auf dem Gipfel des Berges wohnte, diese Tat sah, sprach sie folgende Strophen:
Nachdem auf diese Weise Sulasa den Räuber getötet, stieg sie wieder den Berg herunter und ging zu ihren Begleiterinnen hin. Als diese sie fragten: „Wo ist der Sohn des Edlen?“, antwortete sie: „Fragt nicht danach“, bestieg ihren Wagen und kehrte in die Stadt zurück.
§C. Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen, verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals waren diese beiden dieselben wie jetzt, die Gottheit aber war ich.“
Ende der Erzählung von Sulasa
[1] Die auch sonst als freigebige Gönnerin des Ordens erwähnte Frau des Anāthapindika.
[2] Auch ich lasse, wie Neil, das nicht in allen Handschriften stehende „na“ bei der Übersetzung weg.
[3a] Dies sind: Pfeil, Bogen, Schwert, Speer und Keule, siehe Jātaka 55.
[4] Die beiden ersten Zeilen von dieser und der nächsten Strophe finden sich auch im Jātaka 342 Strophen 3 und 4 und Jātaka 383 Strophen 6 und 7.