„Der du dich selbst zum Mittel machtest“
§A. Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf die Wohltaten gegen Verwandte.
§D. Die Begebenheit wird im Bhaddhasala-Jātaka [Jātaka 465] erzählt werden.
Damals aber begannen die Mönche in der Lehrhalle folgendes Gespräch: „Freund, der völlig Erleuchtete erweist seinen Verwandten Wohltaten.“ Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Unterhaltung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen?“ Als sie antworteten: „Zu der und der“, sprach er: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, sondern auch früher schon erwies der Vollendete seinen Verwandten Wohltaten.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.
§B. Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva im Affengeschlechte seine Wiedergeburt. Als er herangewachsen war, war er groß und breit, mit Kraft und Stärke ausgerüstet. Er wohnte im Himalaya, umgeben von einer Schar von achtzigtausend Affen. — Damals stand am Ufer des Ganges ein Mangobaum mit breit ausgespannten Ästen, der dichten Schatten spendete und reich war an Blättern. Er ragte empor wie eine Bergspitze.
§D. Man sagte auch, es sei ein Nigrodha-Baum [2].
Seine süßen Früchte hatten himmlischen Duft und Wohlgeschmack; sie waren so groß wie ein großer Wassertopf [3]. Von dem einen Zweig fielen die Früchte auf den Boden, von dem andern in das Wasser des Ganges; von zwei Zweigen aber fielen die Früchte in die Mitte zu Füßen des Baumes.
Während nun der Bodhisattva mit seiner Affenschar dort von den Früchten aß, dachte er: „Zu einer Zeit wird durch die Früchte dieses Baumes, die ins Wasser fallen, für uns eine Gefahr entstehen.“ Daher ließ er von dem Zweige, der über dem Wasser hing, alle Früchte, ohne auch nur eine einzige übrig zu lassen, zur Blütezeit, sobald sie nur so groß waren wie eine Erbse, abfressen und herabwerfen.
Trotzdem aber war eine reife Frucht, die von einem Ameisenhaufen verdeckt war, von den achtzigtausend Affen unbemerkt geblieben und fiel ins Wasser. Dabei blieb sie, da der König von Benares gerade weiter oben und weiter unten am Flusse ein Netz hatte befestigen lassen und sich im Wasser erlustigte, in dem obern Netze hängen. Als der König den Tag mit Spielen verbracht hatte und am Abend nach Hause gehen wollte, hoben die Fischer das Netz heraus und sahen die Frucht. Da sie nicht wussten, was es für eine Frucht sei, zeigten sie dieselbe dem König. Der König fragte: „Was ist dies für eine Frucht?“ „Wir wissen es nicht, o Fürst“, war die Antwort. „Wer wird es denn wissen?“ „Die Jäger, o Fürst.“
Der König ließ die Jäger zu sich rufen. Als er von ihnen hörte, es sei eine Mangofrucht, zerschnitt er sie mit einem Messer, ließ zuerst die Jäger davon essen und aß dann selbst davon; auch seinem Harem und seinen Ministern gab er davon. Der Wohlgeschmack der Mangofrucht aber durchdrang den ganzen Körper des Königs und blieb darin.
Von Begierde nach diesem Wohlgeschmack gefesselt fragte er die Jäger, wo dieser Baum stehe. Als sie antworteten: „Im Himalaya-Gebirge am Ufer des Flusses“, ließ er viele Schiffe und Flöße miteinander verbinden und zog auf dem ihm von den Jägern gezeigten Wege stromaufwärts. Wie viel Tage er brauchte, ist nicht überliefert.
Als er nun so allmählich den Ort erreichte, meldeten die Jäger dem Könige: „Dies ist der Baum, o Fürst.“ Der König ließ die Schiffe anhalten und begab sich von einer großen Menge umgeben dorthin. Am Fuße des Baumes ließ er sein Lager zurechtmachen; nachdem er Mangofrüchte verzehrt und Speise von verschiedenartigem höchstem Wohlgeschmack genossen hatte, legte er sich dortselbst zur Ruhe. Nachdem in allen Richtungen Wachen aufgestellt waren, wurde ein Feuer angezündet.
Als nun die Menschen alle in Schlaf gesunken waren, kam um die Mitternachtszeit der Bodhisattva mit seinen Genossen. Alle die achtzigtausend Affen eilten von Zweig zu Zweig und aßen die Mangofrüchte. Da wachte der König auf und sah die Affenschar. Er ließ seine Begleiter aufstehen, befahl Bogenschützen herbeizuholen und sagte diesen: „Damit diese die Früchte fressenden Affen nicht entkommen, umstellt sie und tötet sie. Morgen werde ich Mangofrüchte und Affenfleisch verzehren.“ Die Bogenschützen stimmten zu, umstellten den Baum und standen da mit schussbereitem Bogen.
Als die Affen diese erblickten, wurden sie von Todesfurcht ergriffen. Da sie nicht mehr entfliehen konnten, gingen sie zum Bodhisattva hin und sagten: „O Fürst, Bogenschützen stehen rings um den Baum herum, um die Affen, die entfliehen wollen, zu töten. Was sollen wir tun?“ So fragend standen sie zitternd da. Der Bodhisattva aber tröstete sie mit den Worten: „Fürchtet euch nicht; ich werde euch das Leben retten.“
Nachdem er die Affenschar so getröstet, stieg er auf einen Zweig, der sich gerade in die Höhe streckte; von da begab er sich auf einen Zweig, der auf den Ganges hinausging. Von dessen Ende sprang er ab, überflog eine Strecke, hundert Ellen [4] weit, und fiel am Gangesufer oben auf ein Gebüsch. Von dort erhob er sich und bestimmte den Raum, indem er dachte: „So lang wird der Raum sein, den ich zurückgelegt habe.“ Hierauf brach er einen Bambusstängel an der Wurzel ab, glättete ihn, und indem er dachte: „So viel wird am Baume befestigt werden und so viel wird in der Luft hängen“, schätzte er die Entfernung der beiden Orte ab. Dabei dachte er aber nicht daran, dass er es an seiner Hüfte befestigen musste [5].
Er nahm den Stängel mit, band das eine Ende an dem Baume fest, der am Gangesufer stand, und das andere befestigte er an seiner Hüfte. Dann sprang er mit der Schnelligkeit einer Wolke, die der Wind zerreißt, über den hundert Ellen messenden Raum zurück. Weil er aber nicht daran gedacht hatte, dass das andre Ende an seiner Hüfte befestigt war, konnte er den Baum nicht ganz erreichen; sondern er fasste einen Zweig des Mangobaumes fest mit beiden Händen und gab der Affenschar ein Zeichen, sie sollten rasch auf seinen Rücken springen und sich auf dem Bambusstängel in Sicherheit bringen.
Die achtzigtausend Affen bezeigten dem Bodhisattva ihre Ehrfurcht, baten ihn um Verzeihung und gingen den angegebenen Weg. Damals war auch Devadatta ein Affe und weilte unter ihnen. Er dachte: „Jetzt ist die Zeit, wo ich meines Feindes Rücken sehen kann [6]“, stieg auf einen hohen Zweig und ließ sich mit Wucht auf dessen Rücken fallen. Da brach dem Bodhisattva das Herz und es entstanden starke Schmerzen. Aber auch jener brachte sich in Sicherheit, nachdem er ihm diese Schmerzen verursacht hatte.
Jetzt war der Bodhisattva allein. Der König aber hatte nicht geschlafen, sondern alles mit angesehen, was die Affen und der Bodhisattva getan hatten. Er blieb liegen, indem er bei sich dachte: „Dieser Affe, der doch nur ein Tier ist, hat sein eigenes Leben nicht geachtet, sondern nur seinen Genossen Rettung gebracht.“ Als nun der Tag anbrach, dachte er, befriedigt über den Bodhisattva: „Es ist nicht recht, dass dieser Affenkönig zugrunde gehe. Ich werde ihn durch ein Mittel herunterholen und ihn pflegen.“ Er ließ daher weiter unten am Ganges ein Floß aufstellen und darauf ein Gerüst befestigen; auf dieses ließ er den Bodhisattva sanft herunterholen. Unter seinem Rücken ließ er ein gelbes Gewand ausbreiten, badete ihn in Gangeswasser und gab ihm Zuckerwasser zu trinken. Dann ließ er dessen ganz reinen Körper mit tausendfach geläutertem Sesamöl abreiben und über ein Lager ein mit Öl bestrichenes Fell breiten. Hier ließ er ihn sich niederlegen, und indem er sich selbst auf einen niedrigen Sitz setzte, sprach er folgende erste Strophe:
Als dies der Bodhisattva vernahm, sprach er, um den König zu ermahnen, die folgenden übrigen Strophen:
Während so der Bodhisattva den König ermahnte, verschied er noch während seiner Belehrung. Der König aber ließ seine Minister rufen und sagte: „Erweist dem Leichnam dieses Affenfürsten die letzte Ehrung wie einem König.“ Seinem Harem befahl er: „Ziehet rote Gewänder an, verwirret eure Haare, nehmet Fackeln in die Hände, stellt euch so um den Affenkönig herum und geht mit auf das Leichenfeld!“
Darauf errichteten die Minister einen Scheiterhaufen von hundert Wagen Holz. Auf dieselbe Art, wie es bei Königen zu geschehen pflegt, erwiesen sie dem Bodhisattva die letzte Ehrung; dann nahmen sie dessen Hirnschale mit und begaben sich zum Könige. Der König ließ dem Bodhisattva auf dem Leichenfelde ein Monument errichten; dort wurden Lampen gebrannt und ihm mit wohlriechenden Substanzen und Girlanden Ehrung dargebracht. Die Hirnschale ließ er mit Gold auslegen, auf einer Lanzenspitze befestigen und so vor sich hertragen. Indem er ihr mit wohlriechenden Substanzen und Kränzen Ehrung darbrachte, zog er nach Benares und stellte sie innerhalb des Tores des königlichen Palastes auf. Die ganze Stadt ließ er schmücken und ließ sieben Tage lang ihr Verehrung erweisen. Er nahm sie als Reliquie für sich, erbaute ihr einen Reliquienschrein und ehrte sie zeitlebens mit wohlriechenden Substanzen und mit Kränzen. In der Ermahnung des Bodhisattva aber beharrte er, tat gute Werke wie Almosen Geben u. dgl. und führte in Gerechtigkeit seine Regierung, worauf er in den Himmel gelangte.
§C. Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen und die Wahrheiten verkündigt hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war der König Ānanda, die Gefolgschaft war das Buddhagefolge, der Affenkönig aber war ich.“
Ende der Erzählung von dem großen Affen
[2] Es steht also in der Überlieferung nicht fest, ob es ein Mango- oder ein Bananenbaum war.
[3] Es ist wohl „kutappamanani“ statt „kutappamanani“ zu lesen.
[4] Wörtlich: „hundert Bogen“ (= Bogenlängen).
[5] Er nimmt also den Bambusstängel um das Maß seines eigenen Körpers zu kurz, so dass er den Bambus nicht mehr am ersten Baum anbinden kann.
[6] Ein häufig vorkommender Ausdruck, der bedeutet: Heute werde ich meinen Feind tot und besiegt sehen.