„Lass Donner schallen, Pajjunna“
§A. Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen Regen, den er veranlasst hatte. Zu einer Zeit nämlich regnete es nicht im Reiche Kosala; das Getreide verdorrte, überall trockneten die Weiher, Lotosteiche und Tümpel aus. Auch in dem Jetavana-Lotosteich, der in der Nähe des Jetavana-Torerkers war, verschwand das Wasser. Die Fische und Schildkröten gerieten in den Schlamm und wurden, als sie so dalagen, von Krähen, Falken und anderen Vögeln mit ihren einer Speerspitze ähnlichen Schnäbeln verletzt, herausgezogen und trotz ihres Sträubens aufgefressen. — Als der Meister dies Unglück der Fische und Schildkröten wahrnahm, dachte er, das Herz voll tiefen Mitleides: „Heute kommt es mir zu, es regnen zu lassen.“ Als die Morgendämmerung kam, besorgte er seinen Körper; und als er merkte, dass es Zeit war für den Almosengang, ging er, von einer großen Schar Mönche umgeben, mit Buddha-Anmut nach Savatthi, um Almosen zu sammeln. Nach dem Mahle, als er von dem Almosengang nach Savatthi zurückkehrte, ging er in das Kloster und auf der Treppe stehend, die zum Jetavana-Lotosteich hinabführte, sprach er zu Ānanda: „Ānanda, hole mein Badegewand; ich will im Jetavana-Lotosteich baden.“ Ānanda versetzte: „Herr, ist nicht im Jetavana-Lotosteich das Wasser verschwunden? Nur der Schlamm ist noch übriggeblieben.“ Aber Buddha erwiderte: „Ānanda, groß ist die Buddhamacht; hole du das Badegewand.“ Der Thera holte es und gab es ihm. Der Meister hüllte sich mit dem einen Ende in das Badegewand, mit dem andern bedeckte er seinen Körper und blieb stehen, indem er sprach: „Ich will im Jetavana-Lotosteich baden.“
In diesem Augenblicke wurde der mit gelben Gewändern belegte Steinsitz des Sakka warm. Dieser überlegte: „Was ist denn?“; und als er die Ursache merkte, rief er den König der Regenwolkengötter herbei und sprach: „Lieber, der Meister steht oben auf der Treppe, um im Jetavana-Lotosteich zu baden. Lasse es rasch regnen, dass das ganze Reich Kosala zu einer Flut wird.“ Jener stimmte zu mit dem Worte: „Gut!“ Darauf nahm er eine Wolke als Unterkleid und eine als Oberkleid und sprang, das Wolkenlied singend, gegen Osten hin. Im Osten erschien er als ein Wolkenhaufe so groß wie die Fläche einer Dreschtenne; dann wurde er zu hundert und zu tausend Wolkenhaufen und donnernd und Blitze entsendend ließ er regnen, wie wenn ein Wassertopf mit der Öffnung nach unten aufgestellt wird. Das ganze Reich von Kosala überflutete er wie mit einer großen Woge. — Indem nun der Gott in ununterbrochenem Strome regnen ließ, füllte er in einem Augenblick den Jetavana-Lotosteich und das Wasser stand darin, den obersten Teil der Treppe berührend.
Nachdem aber der Meister im Lotosteiche gebadet hatte, zog er seine zwei roten Gewänder an, legte den Gürtel darum, nahm das große Obergewand des Heiligen auf eine Schulter und ging, begleitet von der Mönchsgemeinde. In einem duftenden Gemache ließ er sich auf dem hergerichteten Buddhasitze nieder; als dann die Mönchsgemeinde ihre Pflichten erfüllt, erhob er sich und gab, auf einem Absatz der Edelsteintreppe stehend, der Mönchsgemeinde eine Ermahnung. Hierauf entließ er sie, ging in sein duftendes Gemach und nahm, auf der rechten Seite liegend, die Löwenlage [1] ein. —
Als nun zur Abendzeit die Mönche in der Lehrhalle versammelt waren, unterhielten sie sich folgendermaßen: „Sehet, Freunde, die Freundlichkeit, Liebe und das Mitleid des mit den zehn Kräften Ausgestatteten! Als die verschiedenen Getreidearten verdorrten und die mannigfaltigen Wasserbehälter austrockneten, als dadurch die Fische und Schildkröten in großes Leid kamen, da dachte er infolge seines Mitleids: ‘Ich will viel Volks von Leid befreien.’ Und er zog sein Badegewand an und oben auf der Treppe stehend ließ er den Gott regnen, dass er das ganze Königreich von Kosala wie mit einer großen Woge überflutete. Nachdem er so viel Volks von körperlichem und geistigem Leide befreit hatte, kehrte er in das Kloster zurück.“ Während dieses Gespräches verließ der Meister sein duftendes Gemach, betrat die Lehrhalle und fragte: „Zu welcher Erzählung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen?“ Als sie antworteten: „Zu der und der“, sprach er: „Nicht allein jetzt, ihr Mönche, hat der Vollendete Regen veranlasst, da viel Volks bedrückt war; auch früher ließ er es regnen, als er in einem Tierleibe seine Wiedergeburt genommen hatte, als er der König der Fische war.“ Und nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.
§B. Ehedem war in diesem Reiche Kosala, in diesem Savatthi, an der Stelle, wo dieser Jetavana-Lotosteich sich befindet, ein Teich, umgeben von einem Schlingpflanzengebüsch. Der Bodhisattva hatte als ein Fisch seine Wiedergeburt genommen und hielt sich dort auf, umgeben von einer Schar von Fischen. Wie es aber jetzt hier geschah, so regnete es auch damals nicht in diesem Reiche. Das Getreide der Menschen verdorrte, in Tümpeln und anderen Wasserstellen versiegte das Wasser, die Fische und Schildkröten gerieten in den Schlamm. Auch in jenem Teiche hingen überall die Fische fest, die in den Schlamm geraten waren, und die Krähen und andere Vögel verwundeten sie mit ihren Schnäbeln, zogen sie heraus und fraßen sie auf. Als nun der Bodhisattva sah, in welches Unglück die Schar seiner Verwandten geraten war, dachte er: „Dies ihr Unglück zu beseitigen, ist niemand außer mir im Stande; ich will daher eine Betätigung des Glaubens vollziehen, den Gott zum Regnen veranlassen und so meine Verwandten vom Elend des Todes erretten.“ Und er schob den schwarzfarbigen Schlamm auseinander und kam heraus. Darauf öffnete der große Fisch, der die Farbe hatte von Augenwimpernsalbe in einem Gefäß von kostbarem Holze [2], seine einem wohlgereinigten Rubin gleichenden Augen, schaute zum Himmel und rief zum Götterkönig Pajjunna [3] hinauf: „He, Pajjunna, ich bin unglücklich wegen meiner Verwandten. Warum lässt du nicht regnen, da ich Tugendhafter bedrückt bin? Ich habe doch, obwohl ich an dem Orte, wo meine Stammesangehörigen ihre Nahrung einnehmen, geboren wurde, noch nie auch nur einen reiskorngroßen Fisch gefressen und auch kein anderes Geschöpf ist je von mir seines Lebens beraubt worden. Wegen dieser Wahrheit lasse es regnen und erlöse damit die Schar meiner Verwandten vom Unglück!“ Nachdem er so zum Götterkönig Pajjunna geredet hatte, wie wenn er einem Diener oder Aufwärter einen Auftrag gäbe [4], sprach er folgende Strophe:
Indem der Bodhisattva so zu Pajjunna redete, wie wenn er einem Diener oder Aufwärter einen Auftrag gäbe, ließ er über das ganze Reich von Kosala einen gewaltigen Regen niedergehen und erlöste dadurch viel Volks vom Unheil des Todes. Am Ende seines Lebens aber gelangte er an den Ort seiner Verdienste.
§C. Nachdem der Meister mit den Worten: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, ließ der Vollendete regnen, sondern auch schon früher, als er als Fisch wiedergeboren war, hat er Regen veranlasst“, diese Lehrunterweisung beschlossen hatte, stellte er die gegenseitigen Beziehungen klar und verband das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war die Fischeschar die Buddhagemeinde, der Götterkönig Pajjunna war Ānanda, der Fischkönig aber war ich.“
Ende der Erzählung von dem Fische
[1] Vgl. „Leben des Buddha“, S. 332, Anm. 101.
[2] Der Bodhisattva war also ein Fisch von tiefschwarzer Farbe, was hier rühmend hervorgehoben wird. Die Auffassung von Chalmers, diese Schwärze komme vom Schlamme her, der den Fisch vorher bedeckte, ist unhaltbar wegen des unmittelbar folgenden Vergleiches der Augen.
[3] Pajjunna, skr. Parjanya, ist der Regengott, der schon in vedischer Zeit sehr verehrt wurde.
[4] Er redet ihn nämlich mit „He“ an, wie es typisch ist für die Anrede der Herren an den Diener.
[5] Denn sobald es regnet, sind die Fische nicht mehr die Beute der Krähen.