Note 101 zu D. 33

Zur durchdringenden, schneidenden Schärfe der Wahrnehmung cf. den Ausdruck vom schneidigen Wissen, scharfen Wissen, Mittlere Sammlung, eingangs der 111. Rede. Die schneidende Schärfe, darauf kommt es an, nicht auf die Dauer des Nachdenkens, nicht auf die Quantität, auf die Qualität: wer sich die kürzeste Frist zu leben wünscht, solange nur etwa als man einen Bissen Speise kaut und schluckt, oder als man einmal ein- und ausatmet, dabei der Weisung des Meisters eingedenk, der hat viel getan; das ist der unermüdliche Mönch, scharf hat er den Tod durchdacht zur Wahnversiegung: A. VI No. 19.

Es ist das die Kraft des Denkers, so machtvoll, daß man sie zauberhaft genannt hat. Diese Ansicht beruht auf der vedischen Vorstellung von mantras oder mantram. Das ist eigentlich nur ein einziger Gedanke, aber so groß, so gewaltig, daß er den, der ihn richtig denkt, unwiderstehlich zum Ziel führt. Zwar wird die gesamte Vedenkunde mantram geheißen: doch ist sie schon ganz und gar in der einen Silbe Om gegeben, die alles enthält und umfaßt, «eben dieser Laut ist das Dreivedentum», lehrt die uralte Überlieferung des Jaiminis im Upanisadbrābmanam I 18,10. Daher gilt bei Vedenmeistern dieser vollkommen verstandene Ton a-u-m = om als der mantras oder Denkspruch der höchsten Potenz, wörtlich Denkschutz; weil mantras erklärt wird, «durch Denken schützt er, der Denkschutz», d.i. Denkspruch. etc. «Om ist der Weisheit Inbegriff».

Solchen Scharfsinn aber und solche Geheimkunst von Silbe und Wort hat Gotamo abgelehnt, siehe Bruchstücke der Reden v. 258 bis 269. Bei ihm ist das eine allmächtige mantram nichts anderes als der Todesgedanke. Ein Erlebnis der Art, wo eine kurze Frage über den Tod als Panazee wirkt, ist in den Liedern der Nonnen berichtet, v. 51-53. Sāriputto nun war derjenige von den Jüngern, der sich durch schneidiges Wissen, scharfes Wissen besonders auszeichnete; während wieder andere auf andere Weise geschätzt waren, wie z.B. Moggallano um sein Geschick zu den Schauungen, oder Punno Mantāniputto um seine Kenntnis und Darlegung gewisser kurzgefaßter Meisterworte oder Stempel der Lehre.

Solche Charakteristik der einzelnen Gestalten ist, gewiß nach den wirklichen Verhältnissen, in unseren Urkunden nicht selten zu finden. Sogar in den breiten Volksschichten ist ein Bewußtsein davon erhalten geblieben, Jahrhunderte hindurch. Noch HIUEN-TSIANG berichtet, daß er auf seiner Pilgerfahrt um 634 in Mathurā (an der Yamunā, heute Mattra, südlich Delhi) auch kleinere Kuppelmale gesehn habe, die dort zur Erinnerung an hervorragende Jünger errichtet waren, besucht und bekränzt wurden: Sāriputto sei verehrt worden wegen seiner durchdringenden Weisheit, also entsprechend der 111. Rede der Mittleren Sammlung; Moggallāno wegen seiner Schausamkeit, nach dem Mogallānasamyuttam, vergl. auch Lieder der Mönche v. 1172; Punno Mantāniputto wegen seiner Kenntnis der Meisterworte, wie das die 24. und zumal die 145. Rede der Mittleren Sammlung zeigt; und weiter noch andere, je und je nach ihrer Art: CUNNINGHAM, Archaeological Survey of India, vol. I pag. 231-235, wo die heute noch vorhandenen Ziegel- und Steinreste von neun alten kleineren Kuppelmalen beschrieben sind. Zwei davon sind gegen Norden gelegen und noch immer unter ihren einst vielsagenden buddhistischen Namen bekannt, sieben südlich der Stadt und längst vom Volke auf göttliche Geister und vedische Seher bezogen. Am westlichen Hügel der Kankālī Tīlā ist dagegen die reichste Fundgrube jinistischer Denkmäler entdeckt worden, mit deren Standbildern usw. man bisher über hundert Inschriften, die bis in das erste Jahrhundert nach Asoko zurückreichen, seit FÜHRERS Ausgrabungen (1890) wiedergefunden hat, und die also bezeugen, daß in Mathurā die Sakyaputtiyā oder Jünger des Sakyerasketen und die Nāthaputtiyā oder Jünger Nāthaputtos gleichzeitig in hohem Ansehn standen. BÜHLER gibt 77 Tafeln der Inschriften, Epigraphia Indica vol. I p. 371-397, vol. II p. 195-212, und LÜDERS die gesamte Liste unter No. 16-149 im Appendix zu vol. X, Kalkutta 1912.


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