Dem Visuddhi-Magga zufolge besteht die Reinheit der Sittlichkeit (síla-visuddhi) für den Mönch in der vollkommen reinen vierfachen Sittlichkeit (catu-pārisuddhi-síla), nämlich:
„Als Sittlichkeit der Hausleute gelten: Die ständig zu befolgenden fünf Übungsregeln, die zehn Übungsregeln bei besonderem Eifer, die acht Übungsregeln als Bestandteil des Fastentags (uposatha)" (Vis.) (s. Kap. 65 f).
1. Da ist der edle Jünger in Sittlichkeit vollkommen, ist beherrscht im Sinne der Ordenszucht (pātimokkha), vollkommen im Wandel und Umgang, und in den geringsten Vergehen Gefahr erblickend, übt er sich in den auf sich genommenen Sittenregeln . . .
2. Erblickt da der edle Jünger mit dem Auge eine Form, so haftet er weder am Ganzen noch an Einzelheiten; und da, unbedachten Auges verweilend, üble, unheilsame Dinge, wie Begierde und Trübsal, in ihn einströmen möchten, so wacht er darüber, hütet er das Auge, zügelt er das Auge.
Hört er mit dem Ohre einen Ton . . . riecht er mit der Nase einen Duft. . . schmeckt er mit der Zunge einen Saft . . . empfindet er mit dem Körper einen Eindruck . . . erkennt er im Geiste ein Ding, so haftet er weder am Ganzen noch an den Einzelheiten; und da, unbewachten Ohres . . . unbewachter Nase . . . unbewachter Zunge . . . unbewachten Körpers . . . unbewachten Geistes verweilend, üble, unheilsame Dinge, wie Begierde und Trübsal, in ihn einströmen möchten, so wacht er darüber, hütet er den Geist, zügelt er den Geist.
3. So wie da gewisse Asketen und Priester, nachdem sich die ihnen aus Vertrauen dargebrachten Speisen verzehrt haben. Botschaften und Überbringerdienste übernehmen . . . oder durch Betrügereien, Beschwatzen, Andeutungen, Anschwärzen anderer nach immer mehr Gewinn gieren, oder durch niedrige Wahrsagerkünste ihren Lebensunterhalt gewinnen . . . von allem derartigen kehrten Lebensunterhalt hält er sich fern.
4. (1) Da, ihr Mönche, bedient sich der Mönch erwägend des Gewandes, eben bloß zur Abwehr Hitze und Kälte sowie gegen die Belästigung durch Stechfliegen, Mücken, Sonne und Kriechtiere und zur Verhüllung der Schamteile.
(2) Weise erwägend bedient er sich der Almosenspeise, weder aus Kurzweil noch aus Übermut, noch um Schönheit und Anmut zu erlangen, sondern eben nur zur Erhaltung und Fristung dieses Körpers, um Schaden zu verhüten und den heiligen Wandel zu unterstützen, denkend: ,So werde ich das frühere Gefühl (Hunger) abstellen und kein neues Gefühl (Beschwerden) aufkommen lassen, und langes Leben, Untadeligkeit und Wohlsein wird mir beschieden sein.’
(3) Weise erwägend bedient er sich der Lagerstatt, eben bloß zur Abwehr gegen Hitze und Kälte sowie gegen die Belästigung durch Stechfliegen, Mücken, Sonne und Kriechtiere, eben um die Gefahren des Wetters zu vermeiden und sich der Abgeschiedenheit zu erfreuen.
(4) Weise erwägend bedient er sich der Heilmittel und Arzneien, eben bloß um das aufgestiegene Krankheitsgefühl zu vertreiben und um der höchsten Lieblosigkeit willen.
Läuterungsmittel (dhutanga = dhuta + anga, nach Vis. I, wörtlich: Abschüttelungsmittel) nennt man gewisse von dem Buddha gestattete, asketische Übungen, die dazu dienen sollen, Bedürfnislosigkeit, Entsagung und Willenskraft zu erwecken, und von denen der Mönch eine oder mehrere für kürzere oder längere Zeit als Gelübde auf sich nehmen mag. ,Diese Übungen heißen deshalb Abschüttelungsmittel, weil sie das des Abschüttelns der Leidenschaften wegen ,Abschüttelung’ (dhuta) genannte Wissen als Hilfsmittel (anga) haben . . . Der in Sittlichkeit sich übende Mönch sollte die Läuterungsübungen als Gelübde auf sich nehmen, um jene Tugenden zu erwirken, durch welche die Lauterkeit der Sittlichkeit zustande kommt, nämlich: Bedürfnislosigkeit, Genügsamkeit, Entsagungsstrenge, Abgeschiedenheit, Willenskraft, Mäßigung usw." (Vis. II.)
In Vis. II werden dreizehn Läuterungsübungen beschrieben, nämlich:
Eine vollständige Liste dieser dreizehn Übungen konnte in den Sutten nicht ermittelt werden.
Das Gelübde, z. B. das erste, nimmt man auf sich mit den Worten: ,Ein von Hausleuten gegebenes Gewand verwerfe ich’ oder ,Die Übung des Fetzenträgers nehme ich auf mich’ usw. einige von den Gelübden mag auch ein Laienanhänger auf sich nehmen.
Vgl. auch die unmittelbar nach Vollziehung einer Mönchsweihe jedesmal dem neu aufgenommenen Mönche zu gebende Mahnung betreffs der Arten der vier Bedarfsartikel, mit denen ein Mönch sich gegebenenfalls zu begnügen habe, nämlich: Das Mönchsleben ist abhängig von der eingesammelten Almosenspeise als Nahrung . . . vom Fuße eines Baumes als Wohnstätte . . . von einem aus gefundenen Lappen zusammengeflickten Gewande als Kleidung . . . von abgestandenem Rinderurin als Arznei. Mögest du dich hierin zeitlebens üben."
Wie bei allen äußeren Handlungen, wie bereits betont, kommt es auch bei diesen Übungen auf die Gesinnung und Willensverfassung an. Ohne die richtige Gesinnung nämlich, wie in Vis. II ausdrücklich erklärt wird, zählt die bloße äußere Befolgung dieser Übung noch nicht als Läuterungsübung oder Dhutanga. In richtiger Gesinnung aber befolgt man diese Übungen, „wenn dies um der Genügsamkeit, Zufriedenheit und Loslösung willen geschieht".
Die einzige mir bekannte Suttenstelle, wo der Begriff dhuta im obigen Sinne gebraucht wird, findet sich S. XIV.
Von fünffacher Art, ihr Mönche, sind die Waldeinsiedler, die Fetzenträger, die Baumasketen, die Friedhofasketen, die Stetigsitzer, die mit jedem Lager zufriedenen Asketen, die nur bei einer Sitzung Speisenden, die jede weitere Speisung Verwerfenden, die Almosengänger. Von welcher fünffachen Art?
Sie sind es aus Dummheit und Torheit; oder sie sind es mit übler Absicht und begehrlicher Gesinnung; oder sie sind es aus Überspanntheit und Wahnwitz; oder sie sind es, weil solches von dem Erleuchteten oder dessen Jüngern gepriesen wurde; oder sie sind es um der Genügsamkeit willen, der Zufriedenheit willen, der Ablösung willen, eben um dieser Lebensweise willen.
Wer da aber, ihr Mönche, um der Genügsamkeit, Zufriedenheit, Ablösung und dieser Lebensweise willen Asket ist, der gilt unter den fünf Arten von Asketen als der erste, der beste, der hervorragendste, der höchste, der edelste.
Die Fetzengewandträger machen sich ihre Gewänder aus aufgelesenen Fetzen und verweigern die Annahme fertiger Gewänder. Die Baumasketen haben das Gelübde abgelegt, nur am Fuße eines Baumes zu wohnen. Die Stetigsitzer ruhen oder schlafen nur in sitzender Haltung. Die nur bei einer Sitzung Speisenden essen nur einmal des Tages; wenn sie sich während des Essens einmal von ihrem Sitze erhoben haben und sich wieder von neuem zum Essen hinsetzen, brechen sie ihr Gelübde.
Die in übler Gesinnung die Läuterungsübungen auf sich nehmen, tun es mit der Absicht: „Den im Walde lebenden Mönch wird man, weil er im Walde lebt, mit den vier Bedarfsgegenständen (s. Kap. 71, 4) beschenken, denkend: ,Bescheiden und einsam lebt dieser Mönch: und man wird ihn wegen dieser und anderer Tugenden verehren." (Kom.)
Sicher, ihr Mönche, ist es ein großer Vorzug, im Walde als Einsiedler zu leben, seine Almosen einzusammeln, seine Kleidung aus aufgelesenen Lappen zusammen zuflicken, sich mit dem Dreigewand zu begnügen . . .
Da, ihr Mönche, lebt ein schlechter Mensch als Waldeinsiedler. Der sagt sich: ,Ich bin wirklich ein Waldeinsiedler, die anderen aber leben nicht im Walde.’ Und wegen seines Waldlebens brüstet er sich und die anderen schmäht er. Dies, ihr Mönche, ist die Art der schlechten Menschen. Der gute Mensch aber sagt sich: ,Nicht kommen durch das Waldleben die gierigen, gehässigen und verblendeten Dinge zum Schwinden. Auch wenn man kein Waldeinsiedler ist, wandelt aber im Sinne der Lehre, in Pflichttreue und Befolgung der Lehre, so ist man da zu ehren und zu loben.’ Und nachdem er diese Übung aufgegeben hat, brüstet er sich weder selber, noch auch schmäht er die anderen. Dies, ihr Mönche, ist die Art der guten Menschen.
Ferner, ihr Mönche, ist da ein schlechter Mensch ein Fetzengewandträger . . . ein Almosengänger . . . ein Baumasket . . . ein Friedhofasket . . . ein unter freiem Himmel Lebender . . . ein Stetigsitzer . . . ein mit jeder Lagerstatt zufriedener . . . ein Einmal-Esser. Der sagt sich: ,Ich bin wirklich ein Einmal-Esser, die anderen aber essen nicht bloß einmal. Und wegen seines Einmal-Essens brüstet er sich und die anderen schmäht er. Dies, ihr Mönche, ist die ,Art der schlechten Menschen . . . Der gute Mensch aber sagt sich: ,Nicht kommen durch das Einmal-Essen die gierigen, gehässigen und verblendeten Dinge zum Schwinden. Auch wenn man kein Einmal-Esser ist, wandelt aber im Sinne der Lehre, in Pflichttreue und Befolgung der Lehre, so ist man da zu ehren und zu loben. Und nachdem er diese Übung aufgegeben hat, brüstet er sich weder selber noch auch schmäht er die anderen. Dies, ihr Mönche, ist die Art der guten Menschen.
Die ausführlichen Besprechungen über die Sittlichkeit und die dreizehn asketischen Läuterungsübungen finden sich Vis. I und Vis.II.