Vipassanā Meditation

Dreißigster Morgen - Schlussworte

 

Sie können nicht immer auf dem Gipfel bleiben. Sie müssen wieder herunterkommen. Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Was oben ist, weiß, was unter ihm ist, aber was unten ist, weiß nicht, was oben ist. Man steigt hinauf und sieht; man kommt herunter und sieht nicht mehr, aber man hat gesehen. Es gibt eine Kunst des Verhaltens in den niederen Regionen durch die Erinnerung an das, was man oben gesehen hat. Auch wenn man nicht mehr sieht, kann man sich wenigstens noch immer erinnern. Mount Analogue

Jetzt stellt sich die Frage, wie wir intensive Meditation in unser tägliches Leben integrieren können. Auf der einen Ebene ist die Antwort sehr einfach: Bleiben Sie achtsam. Auch wenn es viele Ablenkungen gibt und viel durch die Sinnentore hereinkommt, wenn es kein Anhaften hervorruft, kein Werten, keine Erwartungen darüber, wie alles sein sollte, wird der Geist klar und ausgeglichen bleiben. Achtsamkeit ist der größte Schutz.

 

Es gibt einige Dinge, die helfen werden, das Gleichgewicht und die Stille des Geistes zu bewahren. Das Wichtigste ist die tägliche Sitzübung. Wenn Sie zweimal täglich je eine Stunde (oder mehr) ohne Unterbrechung sitzen, wird die Sammlung und Achtsamkeit, die während dieses Monats entwickelt worden ist, gestärkt.

 

Nachdem Sie ein Intensivseminar gerade beendet haben, mag es leicht sein, täglich eine oder zwei Stunden zu sitzen, aber wenn Sie Ihre alltäglichen Aktivitäten in der Welt wieder aufnehmen, wird es schwieriger werden, dies beizubehalten. Disziplin und Bemühung werden notwendig sein Stellen Sie die Sitzübung an die erste Stelle im Ablauf des Tages, jeden Tag; ordnen Sie die anderen Dinge um die Meditation herum an, anstatt die Sitzübung zwischen andere Dinge einzuschieben. Sie werden merken, daß die tägliche Meditation einen großen verändernden Einfluß auf Ihr Leben haben wird.

 

Es ist hilfreich, wenn Sie jeden Tag zur selben Zeit meditieren können, zu einer Zeit, wo Sie von niemandem gestört werden. Wenn Sie sich angewöhnen, täglich zu einer bestimmten Zeit zu sitzen, wird die Gefahr geringer, daß Sie nicht regelmäßig üben. Der rechte Zeitpunkt kann am frühen Morgen gleich nach dem Aufstehen liegen, als ein Weg, um die Haltung der Achtsamkeit für den Tag aufzunehmen, und dann auch in einer Abendstunde, um Geist und Körper auszukühlen und zu entspannen. Es kann auch ein anderer Zeitraum sein, der Ihnen gelegen ist. Probieren Sie es aus. Wichtig ist das stete üben. Eine regelmäßige Sitzübung ist von unbeschreiblichem Wert.

 

Es gibt noch andere Dinge, die Sie tun können, um die Übung in Ihr Leben zu integrieren. Seien Sie bei bestimmten Dingen, die Sie täglich tun, achtsam, zum Beispiel beim Essen. Bemühen Sie sich, täglich eine Mahlzeit schweigend einzunehmen. Dadurch entsteht eine Zeit der Entwicklung der klaren Bewußtheit, und alle Tendenzen des Geistes werden belebt, die in diesem Monat entwickelt worden sind. Durch die Wiederholung der Achtsamkeitsübung wird die gesammelte Kraft der früheren Übungen herangezogen.

 

Während des Ablaufs der täglichen Aktivitäten gehen wir sehr viel. Nehmen Sie dies als Meditation. Wenn Sie gehen, brauchen Sie nicht das langsame "Heben, Vorwärtstragen, Aufsetzen" zu machen, außer wenn es gerade angemessen ist; Sie können sich einfach alle Bewegungen des Körpers bewußt machen oder die Berührung bei jedem Schritt. Noch einmal, probieren Sie es aus.

 

Erinnern Sie sich an die Atmung in Augenblicken voller Streß oder Verspannungen während des Tages. Mit offenen Augen, ohne das Meditieren zu zeigen, achten Sie entweder auf das Heben-Senken oder das Ein-Aus, auch wenn es nur für ein paar Minuten ist. Der Geist wird gesammelt und ruhig werden. Nach einiger Zeit werden Sie feststellen, daß die Achtsamkeit erhalten bleibt, ganz gleich, was Sie auch tun. Der Dharma ist die Ganzheit unseres Lebens. Er bedeutet nicht, nur zu sitzen oder intensiv zu meditieren. Der Dharma ist alles, und wir sollten in Harmonie mit diesem Verständnis leben.

 

Die Samen der Weisheit und des Mitgefühls, die gepflanzt und entwickelt worden sind, sind kraftvoll. Sie werden mannigfaltige und unerwartete Früchte tragen. In Zeiten, wenn Sie sich sehr verwickelt in und gefangen von den Dingen der Welt fühlen, werden Augenblicke tiefer Bewußtheit aufsteigen, in denen Sie sich selbst und das Melodrama klar sehen werden. Seien Sie einfach und gelöst. In einem stillen und friedvollen Geist entfaltet sich der Dharma auf natürliche Weise.

 

Einige Gedächtnisstützen werden hilfreich bei unseren Bemühungen sein, jeden Augenblick den Dharma zu leben. Die erste ist, sich an die Wahrheit über die Vergänglichkeit zu erinnern. Denken Sie sowohl an Ihren eigenen bevorstehenden Tod als auch an die ständig wechselnde Natur aller Erscheinungen in jedem Moment. Bleiben Sie sich des Fließens bewußt, der Tatsache, daß alles in ständigem Wandel ist, und der Geist wird in jeder Situation ausgewogen und gelassen sein. Sie werden feststellen, daß Sie sich Ihnen selbst und anderen gegenüber weniger beurteilend verhalten und weniger zu starrer Einteilung der Menschen und Situationen neigen. Sie werden die Möglichkeit erfahren, in einer mehr offenen und leeren Weise zu leben, auf jeden Moment spontan zu reagieren, ohne die Belastung durch Projektionen und vorgefaßte Meinungen aus der Vergangenheit.

 

Die zweite Gedächtnisstütze ist Liebe und Mitgefühl. Wenn Sie mit Ihren Eltern, Ihren Freunden oder Fremden verkehren, vergessen Sie nicht, daß es auf der höchsten Ebene kein "Ich" und keine "Anderen", kein "wir" und "sie" gibt; es gibt nur ein Eins-Sein, eine Einheit der Leere. Aus dieser Leere strahlt die liebende Güte für alle Wesen. Viele schmerzliche Komponenten in unseren Beziehungen zu anderen Menschen fallen weg, wenn wir mehr Liebe und Mitgefühl in unser Leben bringen.

 

Der Buddha gab uns ein Beispiel, wie diese offene Sanftmut des Geistes uns friedvoll und ausgewogen hält. Wenn Sie einen Löffel Salz in ein Glas Wasser tun, wird das ganze Wasser nach Salz schmecken. Wenn Sie aber dieselbe Menge Salz, oder sogar noch viel mehr, in einen großen Teich geben, bleibt der Geschmack unverändert. Auf dieselbe Weise hat jedes verletzende Element eine starke und störende Wirkung, wenn der Geist eingeengt und unbeweglich ist. Wenn der Geist weit und offen ist, werden sogar sehr kräftige negative Einwirkungen ihn nicht beeinflussen. Liebende Güte ist eine nachsichtige und allumfassende Eigenschaft, mit der wir alles in unserem Leben durchdringen sollten.

 

Die dritte Gedächtnisstütze ist Demut oder Unsichtbarkeit. Es besteht keine Notwendigkeit, seinen Platz in der Welt als Herr oder Frau Geistvoll einzunehmen, als jemand Besonderes. Wie Tschuang-Tse schrieb:

 

Wer sich vom Tao
führen läßt,
der fügt anderen
keinen Schaden zu.
Aber er weiß nicht,
daß er 'sanft' und 'gut' ist.
Wer sich vom Tao
leiten läßt,
der geht nicht auf
in tausend Tätigkeiten,
aber er verachtet auch nicht jene,
die das tun.
Er kratzt kein Geld zusammen
und bildet sich nichts auf seine Armut ein.
Er geht seinen Weg
und verläßt sich nie auf andere;
auch rühmt er sich nicht,
daß er allein geht.
Er folgt nicht der Menge,
doch tadelt er keinen,
der viele Menschen um sich braucht.
Rang und Namen beeindrucken ihn nicht,
Unglück und Schande
werfen ihn nicht um.
Er fragt nicht ständig:
'Ist das recht?'
Und 'ja' und 'nein '
kommen ihm selten
über die Zunge.
Deshalb sagten die Alten:
"Wer im Tao ist, bleibt namenlos.
Die vollkommene Tugend
bringt nichts hervor.
'Nicht-Ich' ist
das wahre Ich.
Und der größte Mensch
ist Niemand."

 

Sie werden feststellen, daß Ihr Leben um so leichter und einfacher wird, je unsichtbarer Sie sind. Wieder Tschuang-Tse:

 

Wenn jemand einen Fluß überquert
und sein Kahn mit einem leeren Boot zusammenstößt,
wird er, selbst wenn er zu Wutausbrüchen neigt,
sich nicht lauthals erregen.
Aber wenn er in dem anderen Boot
jemanden erblickt,
dann wird er ihm zurufen:
Wirf dein Ruder herum!
Hört der andere den Ruf nicht,
wird unser Mann wieder rufen,
wird er noch einmal schreien.
Am Ende bricht er in Flüche aus,
und dies alles nur deshalb,
weil in dem anderen Boot einer sitzt.
Wäre das andere Boot nämlich leer,
würde unser Mann nicht schreien und nicht fluchen.

 

Wenn du den Fluß des Lebens
in einem leeren Boot überqueren kannst,
dann wird dir niemand widersprechen,
und niemand wird dir schaden.

 

Leeren Sie Ihr Boot, gehen Sie offen und leer und liebend durch das Leben, und niemand wird Ihnen widersprechen, und niemand wird Ihnen schaden.

 

Viele von Ihnen haben gefragt, wie man anderen vom Dharma erzählen kann. Eine der wichtigsten Eigenschaften ist, wenn es um die Entwicklung des Teilhabens auf allen Ebenen geht, daß Sie sehr gründlich lernen zuzuhören, empfindsam den Anderen und den Situationen gegenüber zu sein. Wenn Sie wirklich aufmerksam sind, wird in dieser Geistesstille die rechte Art der Kommunikation sichtbar. Klammern Sie sich nicht an irgendeinen bestimmten, vorgestellten Ausdruck des Dharma oder an eine vorgefaßte Meinung über das Sein. Halten Sie sich an nichts fest. Manchmal ist eine ganz gewöhnliche Art der Unterhaltung angebracht, man spricht einfach und gelöst. Eine große Fertigkeit ist notwendig, um das Zuhören zu lernen. Seien Sie offen und akzeptieren Sie andere. Aufnahmefähigkeit und Unpersönlichkeit machen ein hohes Maß an Verstehen und Teilen möglich.

 

Wörtlich bedeutet Vipassanā, Dinge klar zu sehen, nicht nur unseren eigenen geistig-körperlichen Vorgang, obwohl das grundlegend ist, sondern alles klar zu sehen, andere Menschen, Beziehungen und Situationen. Zu leben ohne Gier, ohne Haß, ohne Unwissenheit, das ist der Weg. Mit Bewußtheit zu leben, mit Wachsamkeit und Ausgeglichenheit, und mit Liebe. Wir sind die sich entfaltende Wahrheit, und ein Monat in Zurückgezogenheit oder ein Leben mit Übungen verbracht ist nur der Anfang der großen Aufgabe des wahren Verstehens.

 

Großes Wissen ist allumfassend; geringes Wissen ist begrenzt. Große Worte inspirieren; kleine Worte sind leeres Stroh... Wenn wir wach werden, öffnen sich unsere Sinne. Wir verfangen uns in unseren Tätigkeiten, und unser Geist wird verwirrt. Manchmal sind wir unschlüssig, manchmal verschlossen, manchmal sind wir unmutig. Kleine Übel machen Angst, große verursachen Panik. Unsere Worte fliegen wie Pfeile dahin, als ob wir wüßten, was richtig und falsch sei. Wir klammern uns an unsere eigenen Ansichten, als ob alles davon abhinge. Und doch haben unsere Ansichten keine Dauer: wie Herbst und Winter ziehen sie langsam dahin. Der Strom hat uns ergriffen, und wir können nicht umkehren. Wir winden uns in Schleifen wie ein alter verstopfter Abflußgraben; wir gehen dem Tode entgegen und können unsere Tugend nicht wiedergewinnen. Wie Musik aus einem hohlen Schilfrohr klingend oder Pilze aus der dunklen, warmen Erde sprießend, erscheinen Freude und Ärger, Trübsal und Glück, Hoffnung und Angst, Unentschlossenheit und Kraft, Demut und Übermut, Begeisterung und Unmäßigkeit unentwegt, Tag und Nacht, in uns. Keiner weiß, woher sie kommen. Machen Sie sich keine Sorgen! Lassen Sie alles sein! Wie können wir alles an einem Tage verstehen?


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