Vipassanā Meditation

Sechsundzwanzigster Abend - Erleuchtungsfaktoren

 

Der Buddha beschrieb sehr klar den Pfad zur Befreiung. Dieser Weg zur Freiheit besteht aus der Entwicklung von sieben Geistesfaktoren, welche die sieben Faktoren der Erleuchtung (bojjhanga)genannt werden. Wenn alle diese verschiedenen Geistesfaktoren entwickelt und zur Reife gebracht werden, wird der Geist von allen Arten der Fesseln, von allen Arten der Leiden befreit. All die verschiedenen geistigen Wege beschäftigen sich mit der Entwicklung des einen oder anderen Gliedes der Freiheit, oder mit allen sieben.

 

Der erste Faktor der Erleuchtung ist Achtsamkeit. Achtsamkeit ist die Fähigkeit zu bemerken, sich bewußt zu sein, was im Moment geschieht, und den Geist vom Vergessen abzuhalten. Buddha sagte, er kenne keinen anderen Faktor, der so stark auf die Förderung der heilsamen Geisteszustände und den Abbau der unheilsamen wirke wie die Achtsamkeit. Es gibt nichts Besonderes, was wir tun müssen, um die unheilvollen Zustände auszuschalten oder die heilsamen zu fördern, außer uns des Momentes bewußt zu sein. Bewußtheit selbst ist die reinigende Kraft.

 

In einer berühmten Rede sagte Buddha, daß die Entwicklung der vier Grundlagen der Achtsamkeit (satipatthāna) der einzige Weg zur Freiheit sei. Bewußtheit ist von vielen verschiedenen Glaubensrichtungen mit vielen verschiedenen Namen belegt worden, aber nicht der Name ist wichtig. Die Entwicklung dieser Art von Wachheit, von Aufmerksamkeit, von Achtsamkeit, ist der Weg.

 

Es gibt vier Grundlagen oder Anwendungen der Achtsamkeit. Die erste ist Achtsamkeit auf den Körper: die Atmung, Empfindungen, verschiedene Bewegungen und Körperhaltungen. Wir werden uns bewußt über und empfindsam für die wechselnden Aspekte unserer körperlichen Existenz.

 

Die zweite Grundlage der Achtsamkeit ist Gefühl, die Eigenschaft des Angenehmen, Unangenehmen oder Neutralen, die in jedem Augenblick des Bewußtseins aufsteigt. Bei jedem Objekt gibt es ein entsprechendes Gefühl. Wenn diese Gefühle vorherrschen, wenn die Eigenschaft des Angenehmen oder Unangenehmen ausgeprägt ist, werden sie zu den Meditationsobjekten. Gefühle sind wichtig, da sie die Faktoren sind, die unser Anhaften und Werten bedingen. Aufgrund der angenehmen Gefühle begehren wir die Objekte. Durch unangenehme Gefühle bedingt verurteilt der Geist mit Abneigung und Haß. Die zweite Anwendung der Achtsamkeit besteht darin, daß Sie diese Gefühle bemerken, wenn sie aufsteigen und vergehen, ohne bei den angenehmen zu haften und ohne die unangenehmen zu verurteilen.

 

Die dritte Grundlage der Achtsamkeit ist Bewußtsein. Sie sind sich der wissenden Fähigkeit bewußt, mit all ihren begleitenden Geisteszuständen. Wenn Ärger im Geiste aufsteigt, sind Sie sich des ärgerlichen Geistes bewußt; wenn Begierde da ist, sind Sie sich des gierigen Geistes bewußt, oder des ängstlichen Geistes. Sie nehmen wahr, wie das Bewußtsein von all den verschiedenen Faktoren gefärbt wird, ohne zu ergreifen oder abgeneigt zu sein, ohne zu verurteilen, ohne zu werten oder zu erklären. Ärger ist nicht das Ich, nicht das Selbst, er ist lediglich ein Geistesfaktor, der in diesem Moment das Bewußtsein färbt. Reagieren Sie nicht darauf, betrachten Sie ihn, wie er aufsteigt und vergeht. Durch die Geisteshaltung der allgemeinen Betrachtung hat kein Geisteszustand mehr die Kraft, den Geist zu beunruhigen. Sie gehören alle zu dem vorbeiziehenden Schauspiel. Es gibt nichts, worüber Sie sich begeistern können, und nichts, was Sie bedrücken könnte. Sie sind achtsam und bewußt.

 

Die letzte der vier Grundlagen ist die Achtsamkeit auf den Dharma, das Gewahrsein der Wahrheit, des Gesetzes, die Bewußtheit über die drei Existenzmerkmale und die vier Edlen Wahrheiten. Wir erkennen das Leiden und den Grund des Leidens, das Ende des Leidens und den Weg zu diesem Ende. Wir sind achtsam auf diese Arten der Einsichten, wenn sie aufsteigen. Die Achtsamkeit auf den Dharma.

 

Es gibt viele Vipassanā-Methoden, die sich auf einen oder mehrere dieser Bereiche der Achtsamkeit konzentrieren. Durch jede von ihnen wird der Geist in den Zustand des klaren Erkennens, der Ausgewogenheit versetzt. Verschiedene Methoden mögen verschiedenen Menschen lieber oder angenehmer sein, es hängt von Temperament, Persönlichkeit, Lebensbedingungen und Bedingtheiten ab. An der Technik selbst sollten Sie nicht haften, wichtig ist die Achtsamkeit, die entwickelt wird.

 

Das zweite Glied der Erleuchtung wird Gesetzesergründung genannt. Sie ist die Eigenschaft des Geistes, die den geistig-körperlichen Vorgang ergründet, untersucht und analysiert, und zwar nicht mit Gedanken, sondern mit einem stillen, friedlichen Geist. Intuitiv und erfahrend untersuchen wir, wie der ganze Vorgang abläuft. Sie ist eine andere Bezeichnung für den Weisheitsfaktor, für das Licht des Geistes, das alles, was geschieht, beleuchtet. Wenn die Ergründung entwickelt ist, erkennen Sie, daß alles in unserem Geist und Körper sich in ständiger Bewegung befindet. Es gibt nichts Beständiges, alles steigt auf und vergeht unentwegt. Beide, Bewußtsein und Objekte, kommen und gehen. Es gibt keinen festen Boden, keinen Ort der Sicherheit. Alles befindet sich in ständiger Veränderung. Durch diesen Faktor der Ergründung wird die Erfahrung der Vergänglichkeit tief in unser Verstehen integriert. Wir erfahren auf den höchsten Stufen, daß der Geist nur ein fortwährendes Fließen der Phänomene, Gedanken, Bilder, Empfindungen, Stimmungen ist; daß der Körper eine Ansammlung von Schwingungen, von Gefühlen ist, nichts Festes, nichts, an das wir uns klammern können. Durch die Erfahrung der Vergänglichkeit kommt ein tiefes intuitives Begreifen, daß es nichts im Geistigen und Körperlichen gibt, das dauerndes Glück vermittelt. Keine dauernde Befriedigung, Erfüllung oder Vollkommenheit ist möglich, da sich alles in ständiger Auflösung befindet. Es ist so, als ob Sie Glück oder Sicherheit in einer Seifenblase suchen. Im Moment der Berührung vergeht sie. Auflösung von einem Augenblick zum anderen. Innewohnende Unsicherheit. Und zusammen mit der Vergänglichkeit und der unbefriedigenden Natur der Dinge wird auch die Unpersönlichkeit erkannt. Nirgendwo im Geiste und Körper kann man eine beständige Wesenheit finden, die Selbst oder Ich genannt werden kann. Hinter dem Vorgang ist niemand, auf den es sich bezieht.

 

"In dem Gesehenen ist nur das Gesehene; in dem Gehörten nur das Gehörte; in dem Gefühlten ist nur, was empfunden wird; in dem Gedachten ist nur das Gedachte." Es gibt nur dies Fließen des Vorganges. Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen, Denken. Unser gesamtes Universum besteht aus diesen sechs Vorgängen. Leere Phänomene ziehen dahin. Ohne ein Selbst, ohne ein Ich. Alle diese Merkmale werden auf einer hohen Ebene intuitiv wahrgenommen, während sich der Faktor der Ergründung entwickelt. Die Weisheit erleuchtet den Geist.

 

Eine der äußerlichen Hilfen bei der Entwicklung des Weisheitsfaktors, sagt man, sei die persönliche Reinheit, die Reinheit unseres Körpers, unserer Kleidung und Umgebung. Als Beispiel wird eine Spirituslampe angeführt. Wenn Glas, Docht und Spiritus unsauber sind, wird das Licht, das von der Lampe kommt, weder klar noch hell scheinen. Aber wenn das Glas glänzt und der Docht und der Spiritus sauber sind, wird das Licht der Lampe sehr hell sein; dann ist es leicht, klar zu sehen.

 

Der dritte Erleuchtungsfaktor ist Willenskraft oder Bemühung. Nichts geschieht ohne Bemühung. Was immer wir auch in der Welt erreichen wollen, ob wir Geld haben wollen oder Fertigkeiten auf einem Gebiet, immer muß eine gewisse Menge an Bemühung an den Tag gelegt werden. Zur Zeit entwickeln wir das Höchste und Beste. Bemühung und Willenskraft sind nötig. Der Buddha zeigte nur den Weg, jeder von uns muß diesen Weg selbst gehen. Es gibt keinen, der ein anderes Wesen erleuchten kann. Die Befleckungen Gier, Haß und Unwissenheit existieren in unserem eigenen Geist. Niemand hat sie dort hineingelegt. Niemand kann sie herausnehmen. Wir müssen uns selbst läutern. Die Willenskraft muß von jedem einzelnen eingesetzt werden, um auf dem Pfad der Reinheit zu gehen. Willenskraft ist ein machtvoller Faktor; wenn er gefördert und entwickelt wird, überwindet er die Stumpfheit, Trägheit und Faulheit des Geistes. Wann immer Schwierigkeiten oder Probleme auf dem Wege auftauchen, wird das Einsetzen der Bemühung alles in Gang bringen. Sie ist eine große Unterstützung, ein integraler Teil des Weges zur Freiheit.

 

Das vierte Glied der Erleuchtung ist Verzückung. Verzückung bedeutet intensives Interesse am Objekt. Sie ist als begeisterte Freude bezeichnet worden. Ein freudvolles Interesse an dem, was geschieht. Ein Beispiel: Ein Mensch wandert viele Tage durch eine Wüste, unwohl und müde, schmutzig und durstig. Nicht allzu weit weg sieht er einen großen See mit klarem Wasser. Das Interesse seines Geistes an diesem Wasser, die Freude, die er empfindet, ist dem Erleuchtuntgsfaktor Verzückung vergleichbar. Verzückung ist eine Weite des Geistes, die aus dem Abstand kommt, frei von Ergreifen, Anklammern und identifizierendem Verwickeltsein ist.

 

Eine Art, diesen Faktor zu entwickeln, ist, über die zehn Vollkommenheiten der Erleuchtung Buddhas nachzudenken. Die Vollkommenheit der Freigebigkeit. Ein Geben, das von dem Bedürfnis zu helfen hervorgerufen wird, erleichtert die Schmerzen und Leiden aller Wesen. Der Buddha überlegte sich nicht, ob einige Menschen es wert waren oder nicht. Allumfassendes Geben. Die Vollkommenheit der Sittlichkeit. Absolutes Nichtverletzen aller Wesen. Entsagung. Willenskraft. Weisheit. Nachsicht, Geduld, fortwährende Beharrlichkeit. Geduld ist eine große Tugend auf dem geistigen Pfade. Liebende Güte. Wahrhaftigkeit. Entschlossenheit. Gleichmut. Alle diese geistigen Eigenschaften wurden vollkommen in der Erleuchtung Buddhas. Der Faktor Entzückung wird in unserem Geist anwachsen, wenn wir über den Buddha meditieren und darüber nachdenken, daß wir die gleichen Eigenschaften entwickeln. Bei jedem Geben, bei jeder nachsichtigen und wahrhaftigen Handlung und bei allen anderen Taten haben wir Teil an der Vollkommenheit der Buddhaschaft. Die Betrachtung unserer eigenen Entwicklung, unserer eigenen heilsamen Taten bringt unserem Geist Freude. Denken Sie über den Dharma nach, die vier Edlen Wahrheiten, die Tatsache der Vergänglichkeit und Unpersönlichkeit - alles zeitlose Merkmale der Existenz, wahr zu jeder Zeit und für alle Menschen. Meditieren Sie über die Wahrheit des Dharma, über Ihre eigene Erfahrung mit ihm und seine einladende Eigenschaft des "Komm und sieh", und nicht: "Du mußt glauben". Die Würdigung des Gesetzes, des Tao, bringt dem Geist große Freude und fördert den Faktor der Verzückung. Durch erwartungsvolle Freude bei der Ergründung der Wahrheit wird ein leichter und heiterer Geisteszustand entwickelt.

 

Der fünfte Faktor der Erleuchtung ist Gestilltheit. Ein Beispiel für diese Art der Ruhe: Jemand geht aus dem heißen Sonnenlicht in den Schatten eines großen Baumes. Die Kühle, die diese Person empfindet, ist wie der Faktor Gestilltheit, wenn alle Leidenschaften gedämpft sind; ein kühler Geist, der nicht vor Lust oder Ärger brennt.

 

Der sechste Faktor der Erleuchtung ist Sammlung. Sammlung bedeutet die Fähigkeit des Geistes, einspitzig auf ein Objekt gerichtet zu bleiben, ohne zu flackern oder abzuweichen. Der ungesammelte Geist bleibt oberflächlich, wandert von einem Objekt zum anderen. Sammlung gibt dem Geist Stärke und durchdringende Kraft. Es gibt zwei Arten der Sammlung. Die eine wird dadurch entwickelt, daß sie auf ein einzelnes Objekt gerichtet wird und dann die Konzentration bis zum Punkt der Versenkung gebracht wird. Diese Art der Einspitzigkeit ist die Grundlage für viele psychische Kräfte. Die andere Form der Sammlung, die zur Entwicklung der Einsicht benutzt wird, wird momentane Sammlung genannt. Der Geist wird gleichmäßig und einspitzig auf wechselnde Objekte gerichtet. Es ist diese Art der Sammlung, die zusammen mit allen anderen Faktoren der Erleuchtung zur Freiheit führt.

 

Das letzte Glied der Erleuchtung ist Gleichmut. Gleichmut bedeutet Ebenheit des Geistes. Wenn alles gut geht, keine wilde Begeisterung. Wenn etwas daneben geht, keine Depressionen. Gleichmut ist Unparteilichkeit gegenüber allen Phänomenen, Sie behandeln alle gleich. Das Beispiel für Gleichmut ist die Sonne, die auf die Erde scheint. Die Sonne wählt nicht, auf einige Dinge zu scheinen und auf andere nicht. Sie scheint auf alles gleichmäßig. Der Faktor Gleichmut bedeutet, ja zu sagen und offen zu sein gegenüber allen Objekten. Ein Weg, diesen Faktor des Gleichmutes zu entwickeln, besonders im Umgang mit anderen, ist, sich vor Augen zu halten, daß alle Wesen die Eigner, die Erben ihrer eigenen früheren Taten sind. Wenn wir sehr glückliche Wesen sehen, dann können wir ihr Glück würdigen und uns an ihrem Glück erfreuen, aber wir tun es mit einem gleichmütigen Geist, weil wir wissen, daß sie die Früchte ihrer früheren Taten ernten. Wenn wir Wesen leiden sehen, dann empfinden wir Mitleid und bemühen uns, ihre Leiden zu lindern, aber mit einem ebenmäßigen Geist, weil wir wissen, daß es das Wirken des Gesetzes, des Dharma, ist. Gleichmut ist nicht Gleichgültigkeit, sondern vielmehr eine ausgeprägte Ausgeglichenheit des Geistes. In der Meditation, wenn der Geist bis in die kleinsten Feinheiten der ständig wechselnden Vorgänge eindringt, wird alles durch den Faktor Gleichmut ausgewogen gehalten, in vollkommener Gelassenheit.

 

Dies sind die sieben Eigenschaften der Erleuchtung, die durch unsere Übung zur Reife gebracht werden müssen. Drei von ihnen sind erweckende Faktoren und drei sind beruhigende. Weisheit, Willenskraft und Verzückung erwecken den Geist; sie machen ihn wach und aufmerksam. Gestilltheit, Sammlung und Gleichmut beruhigen den Geist und machen ihn still. Sie alle müssen in Harmonie zueinander stehen: Wenn der Geist zu sehr erweckt wird, wird er ruhelos; wenn der Geist zu sehr beruhigt wird, wird er schläfrig. Der Faktor Achtsamkeit ist so voller Energie, daß er nicht nur alle anderen Faktoren erweckt und stärkt, sondern sie auch in ihrem richtigen Gleichgewicht hält.

 

Die Entwicklung des Bewußtseins auf diesem Pfad kann uns mit außergewöhnlicher Inspiration und mit Mut erfüllen. Stellen Sie sich einen Geist vor, der Achtsamkeit, Weisheit, Willenskraft, Verzückung, Gestilltheit, Sammlung und Gleichmut zur vollen Entwicklung gebracht hat. Dieser Geist strahlt und ist voller Freude. Das ist es, was wir tun. Die Faktoren der Erleuchtung bringen nicht nur Glück im Augenblick, sondern sie neigen sich alle dem Nirvana, der Erleuchtung, der Freiheit zu.

 

Manchmal können wir leicht von einem Tag zum anderen vergessen, was wir tun, wenn wir uns mit der Ruhelosigkeit, den Schmerzen, der Pein und dem wandernden Geist beschäftigen. Aber was von Augenblick zu Augenblick unmerklich, jedoch fortschreitend, sicher und beständig geschieht, ist die Entwicklung und das Wachsen dieser Erleuchtungsglieder. Es ist etwas sehr Großes, was hier vor sich geht. Es ist die edelste Entwicklung des Bewußtseins.

 

 

 

Kommt Erleuchtung stufenweise oder blitzartig?

Beides. Erleuchtung ist immer plötzlich, in dem Sinne, daß sie ein intuitives Verstehen ist. Sie ist nicht etwas, das Ihrem Denken entspringt. Sie kommt aus einem schweigenden Geist, ein intuitives, plötzliches, wortloses Verstehen. Aber diese Art des intuitiven Verstehens geschieht nicht zufällig. Es gibt eine bestimmte Ausgewogenheit des Geistes, die entwickelt worden ist und die dieses plötzliche Verstehen möglich macht.

 

 

Und nach diesem Verstehen, handelt die Person dann dementsprechend? Es scheint, als habe ich jetzt etwas Verständnis, aber ich scheine nicht dementsprechend zu handeln.

Schon die Tatsache, daß Sie etwas bewußter sind, verändert die Art und Weise, wie Sie handeln. Die Bewußtheit ist voller Kraft. Wenn Sie einmal einen flüchtigen Blick aus dem Betrachten des Geschehens erhascht haben, ist es sehr schwierig, sich in derselben alten Weise wieder in etwas zu verwickeln, auch wenn Sie dieselben Handlungen ausführen. Es ist so, als ob eine kleine Stimme im Hintergrund sagt: "Was tust du da? Dies kleine bißchen Bewußtheit, das entwickelt worden ist, wirkt als mächtige Kraft. Und langsam wird das Verständnis mehr und mehr in unsere Handlungen integriert.

 

 

Ich habe eine Frage über die Vergänglichkeit des Glückes. Es gibt Menschen in der Welt, die ständig in der Liebe Gottes leben, und sie scheinen immer Freude auszustrahlen.

Dies muß auf zwei Arten verstanden werden: erstens, alle Zustände sind augenblicklich vergänglich; das heißt, Glück ist nicht ständig im Geiste, da auch der Geist von Moment zu Moment aufsteigt und vergeht. Deshalb ist es in diesem sehr grundlegenden Sinne, auf der Ebene der Bewußtseinsmomente, vergänglich. Es gibt nichts Beständiges, nichts Statisches. Im zweiten Sinne: es gibt Menschen, die pflegen die Liebe zu Gott, sie pflegen die Verbindung mit Gott, Gotteserkenntnis, durch die Entwicklung der Sammlung. Sie mögen eine lange Zeit diese Art von Glück genießen. Obwohl sich der Zustand in Bewegung befindet, ist es doch ein recht kontinuierlicher. Aber auch dies, als ein Zustand von längerer Dauer, ist vergänglich. Solange die Bedingungen für die Liebe Gottes vorhanden sind, solange die Sammlung gepflegt wird, so lange trägt dies seine karmischen Früchte. Aber wenn Unwissenheit latent im Geiste vorhanden ist, wird dieser Zustand der Wonne nur anhalten, solange die Kraft der Sammlung dahinter steht, und dann wird der Geist wieder in Zustände verfallen, wo er getrübt wird durch Gier, Haß und Nichtwissen. Durch die Kraft des gesammelten Geistes können die Befleckungen unterdrückt werden, und solange man gesammelt ist, ist alles schön und glücklich. Sobald der Geist aus dem Zustand der gesammelten Verzückung herauskommt, werden die Faktoren, die ausgeschaltet und im Geiste unterdrückt waren, wieder wirksam. Deshalb ist es wichtig, die Befleckungen durch Einsicht voll und ganz aufzuheben, damit sie nicht mehr im Geiste aufsteigen können.

 

 

Warum bleibt ein Buddha nicht unter den Menschen, wenn er doch voller Mitgefühl ist?

Ein Buddha ist die Verkörperung des Dharma, des Gesetzes; er gehört zu seinem Wirken. Nach der Geburt müssen Tod und Verfall unweigerlich folgen. Ob Sie erleuchtet sind oder nicht, dies ist ein Teil der natürlichen Entfaltung. Aber die Wahrheit selbst ist zeitlos, und nachdem uns der Pfad zum Verständnis gewiesen ist, brauchen wir uns nicht auf irgend jemand außerhalb von uns zu verlassen.

 

 

Ich habe bemerkt, daß Liebe nicht einer der Erleuchtungsfaktoren ist. Wie steht es mit der Gefahr, trocken und kalt zu werden?

Es ist wichtig, die verschiedenen Bedeutungen von Liebe zu verstehen. Die erste Ebene ist die, die wir schon besprochen haben, die handelnde Liebe. Wir lieben jemand, weil wir etwas dafür bekommen. Die zweite Art der Liebe ist ein Wohlwollen für alle Wesen, eine allumfassende liebende Güte, die allen Wesen überall Glück und Freude wünscht. Dies ist eine unbegrenzte und bedingungslose Art der Liebe. Aber sie dreht sich immer noch um Vorstellungen, das heißt um die Vorstellungen von Mann und Frau, von Wesen. Diese Vorstellungen sind keine absoluten Wirklichkeiten. Was wir wirklich sind, ist eine Ansammlung von Elementen, die in jedem Augenblick aufsteigen und vergehen. Es gibt eine dritte Art der Liebe, höher noch als die allumfassende liebende Güte. Diese Liebe ist die natürliche Harmonie, die durch die Vernichtung der Grenzen, die aus der Vorstellung eines Selbst kommen, entsteht. Kein "Ich", kein "Anderer". Es ist Liebe, die der Weisheit entspringt, und auf dieser Ebene sind "Liebe" und "Leerheit" dieselbe Erfahrung. Dann gibt es nicht mehr die Vorstellung "Ich liebe". Sie ist frei von der Vorstellung des Ich, des Selbst. Wenn Sie die höchste Stufe der Liebe erfahren, stellen Sie auch alle anderen Ebenen dar. Sehen Sie sich die großen Lehrer an, die Sie kennen, sie sind voller Liebe und Licht, haben jedoch nicht die Vorstellung, daß sie so sein sollten; es ist der natürliche Ausdruck des Dharma.


 Home Oben Index Next