Das Vimāna-vatthu ist die sechste der 15 Schriften der Kürzeren Sammlung der Lehrreden des Palikanons. Es besteht aus 85 Berichten, unterteilt in sieben Abschnitte mit unterschiedlich vielen Kapiteln. Die bisherige Zählweise war sehr umständlich, z.B. Vv VII, 54, d.h. Abschnitt VII, Kapitel 5, Vers 4. Es ist daher sehr zu begrüßen, daß die neue Ausgabe der PTS die Verse laufend durchnumeriert, wie auch bei anderen Schriften der Kürzeren Sammlung (Dh, Sn, Thag, Thig), und dies auch beim Peta-vatthu tut. So hat das Vv jetzt 1274 Verse. Danach wird hier zitiert, z.B. Vv 1001. Wenn dagegen ein bestimmter Bericht im ganzen gemeint ist, dann wird zitiert wie z.B. Vv Nr. 17. Die Berichte werden hier auch durchgezählt, jedoch werden in den Titeln in Klammern Abschnitt und Kapitel erwähnt, z.B. 83 (VII,9).
Es gibt bisher drei latinisierte Textausgaben des Vv (siehe Literaturverzeichnis). Sie verzeichnen auch zahlreiche Lesarten, von denen der Sinn aber nur ganz selten berührt wird. Die Verse sind teils im Metrum des Sloka (8 Silben pro Zeile), teils in längeren Zeilen (10 - 13 Silben). Obwohl die Druckausgaben den Sloka zweizeilig schreiben (zu je 16 Silben), folge ich der eingeführten Praxis, Vierzeiler zu verwenden. Beim längeren Metrum schreibt der Text sowieso schon in Vierzeilern. Selten hat der Text mehr Zeilen, und dann schwankt die Zählung oft. Im Interesse der Auffindbarkeit folge ich ausnahmslos der durchnumerierten Ausgabe in der Zählung.
Die Überschriften des Textes wiederholen stets, also 85 mal, das Wort Vimāna-vatthu nach dem Titel. Das schien mir entbehrlich. Miß Horner wiederholt nur Vimāna und läßt Vatthu weg. Der Titel nennt entweder den Namen der Gottheit, die das Vimāna besitzt oder die Gabe, die dahin führte.
Der Kommentar zum Vv stammt nicht, wie die meisten des Palikanons,von Buddhaghoso, sondern von seinem Zeitgenossen Dhammapālo und hat diesem gegenüber Vorzüge. Er besteht aus jeweils drei Teilen: der Rahmenerzählung, den allein als kanonisch geltenden Versen (manchmal durch Überleitungen verbunden) und dem eigentlichen Kommentar zu jedem Vers. Der Kommentar umfaßt also noch einmal sämtliche Verse, so daß es eben drei Textausgaben des Vv gibt.
Die Rahmenerzählungen sind unentbehrlich. Ohne sie sind die Verse oftmals überhaupt nicht oder nur mühsam verständlich. Diese Erzählungen wurden tausend Jahre lang nur mündlich überliefert, auch nachdem etwa nach 500 Jahren der Kanon schriftlich niedergelegt wurde, was aber nur die Verse des Vv betraf. Der Erzähler hatte dadurch die Möglichkeit, innerhalb des inhaltlich feststehenden Rahmens nach Bedarf zu variieren und den Bericht dadurch Raum und Zeit anzupassen. Daher braucht die Textfassung Dhammapalos nicht als sakrosankt versteinert zu werden. So haben auch die beiden Übersetzerinnen ins Englische (Kennedy, Horner) die Rahmenerzählungen ihrer Übersetzung der Verse so vorangestellt, daß sie sie von unnötigen Weitschweifigkeiten und von dem, was die Verse auch sagen, befreiten. Bei diesen Kürzungen leidet aber manchmal das Verständnis. Ich habe mich daher bei den Erzählungen enger an Dhammapalo gehalten, allerdings auch Straffungen und Verdeutlichungen angebracht, um die Lesbarkeit zu erleichtern.
Die Kommentierung der Verse beschränkt Dhammapalo in der Regel auf philologische Fragen der Grammatik und des Wortverständnisses, das durch ihn oft erleichtert wird. Eigenwillige Etymologien und Auslegungen, wie sie bei Buddhaghoso zu finden sind, vermeidet er. Um der Gerechtigkeit willen darf man aber nicht verschweigen, daß er es auch viel leichter als Buddhaghoso hatte, denn im Gegensatz zu anderen Teilen des Palikanons bietet das Vv kaum philosophische Schwierigkeiten der Lehrinterpretation.
Meine Übersetzung gliedert sich ebenfalls in drei Teile: Zuerst kommt die Rahmenerzählung - oft der wichtigste Teil des Ganzen -, dann folgen die durchnummerierten Verse und zum Schluß Bemerkungen zum Bericht als Ganzem oder zu einzelnen Versen.
Ebenso wie es drei latinisierte Textausgaben der PTS gibt, hat sie auch drei englische Übersetzungen herausgebracht, die eine unschätzbare Hilfe darstellten, vor allem die optimale Ausgabe der Kommentarübersetzung von Masefield, die viele nützliche Fußnoten gibt. Allerdings übersetzen alle drei Übersetzer die Verse in Prosa; die Erstübersetzer in M.B. bemühten sich aber um metrische Form.
Ich übersetze die Slokas ausnahmslos als Slokas, dies ist zum Behalten das beste Metrum. Bei den längerzeiligen Versen in ihrer epischen Breite kommt es nicht so genau auf die Silbenzahl an, und ich habe je nach Bedarf variiert, um einen metrischen deutschen Text zu ermöglichen. In wenigen Ausnahmefällen habe ich auch hier im Sloka übersetzt, wenn die deutschen Worte silbenmäßig ausreichten.
Alle Personennamen gebe ich mit der männlichen (-o) bzw. weiblichen Endung (-a) anstatt mit dem sonst üblichen undifferen" zierten -a. Diesen Kompromiß aus Zweckmäßigkeitsgründen hatte auch Nyanatiloka in der ersten Auflage der Angereihten Sammlung benutzt. Dagegen folge ich im übrigen der Tradition, die die Worte stets ohne das Geschlecht (-a) angibt. Ausnahmen sind eingedeutschte Worte aus dem Sanskrit (Nirvana, Pali: nibbānam) oder Pali (Buddha statt Buddho, Peta statt Peto). An diskritischen Zeichen benutze ich nur das lange a (ā).
Eigennamen (Personen und Orte) lasse ich in der Regel unübersetzt. Im übrigen lasse ich nur folgende Begriffe unübersetzt:
Vimāna: s. Näheres unten. Während Miß Horner mit "mansion" übersetzt, läßt Masefield es auch unübersetzt.
Peta: s. Näheres in meiner Übersetzung des Peta-vatthu.
Brahma: Ebenso wie Brahmana und Brahma-Wandel ist dieses Wort, das das höchste religiöse Ziel vor dem Buddha nannte, unübersetzt zu lassen, da z.B. der christliche Gottesbegriff nur teilweise dem entspricht.
Maro: wörtlich der Tod, aber auch "der Teufel", das böse Prinzip, das in der Vergänglichkeit festhält und Erlösung hindern will.
Gandhabbo: eine der Gruppen der Vier Großen Könige, ehestens "Elfe".
Yakkho: eine andere Gruppe dort, ehestens "Geist".
Muni: erlöster Weiser, Denker, in dem Triebe schweigen.
Nirvana: die Wunschlosigkeit, das höchste Wohl.
Diese acht Begriffe betreffen alle Transzendentes, nämlich die ersten Sinnes Transzendentes (Jenseits), die beiden letzten das Absolute. Es fehlen bei uns für alle Äquivalente.
Der Klärung bedarf das Wort pasanna, das ich stets mit "heiter" übersetze. Wurzel sad, sidati = sinken, PP sanna, Vorsilbe pa. Es bedeutet: geklärt (vom Wasser), aufgeheitert (vom Himmel). Es ist der Inbegriff des anfänglichen religiösen Vertrauens, eine erste Ahnung eines Daseinssinnes. Pasanna wird verbunden mit Geist, Gemüt, Herz (mano, ceto, citta), im Text anscheinend wahilos. Diese Heiterkeit besteht eben in allen drei Stufen des Inneren.
Meine Bemerkungen sind, umgekehrt als bei Dhammapalo, meist existentiell und selten philologisch. Sie zielen dahin, das Karmagesetz zu verdeutlichen und Zweifel zu klären (s.u.).
Die zahlreichen Parallel-Verse im Vv sind in einem vorzüglichen Register bei Jayawickrama aufgelistet (S. 137 - 140). Daher habe ich darauf verzichtet, die Parallelen zu vermerken. Soweit es den Zusammenhang des Textes nicht stört, habe ich Verse nicht noch einmal wiederholt, sondern auf frühere verwiesen.
Parallelen zu den 85 Berichten aus dem Palikanon sind selten. Vv Nr. 52, 83 und 84 sind im Pv ohne Grund noch einmal registriert. Einige Berichte haben Teil-Parallelen in den Jātakas: Vv Nr. 33 (J 243), Nr. 36 (J 465 E), Vv 83 (J 449).
Übersetzungen einzelner Berichte ins Deutsche sind sehr selten: Sie werden in den Bemerkungen erwähnt, z.B. bei Vv Nr. 33 und 52.
Überblickt man einmal die Berichte des Palikanons über die Zahl der Menschen, die Nachfolger des Buddha wurden, dann läßt sich schätzungsweise sagen, daß mindestens hunderttausend Inder damals in übermenschlichen Daseinsformen wiedergeboren wurden. Wenn ein Buddha in der Welt erscheint, dann füllen sich die Himmel (D 19), und in D 18 wird ausdrücklich berichtet, wie die Nachfolger des Erwachten nach dem Tode in den sechs übermenschlichen Götterbereichen wiedererschienen sind.
Die Berichte im Vimāna-vatthu zeigen aber nur das Schicksal von gut hundert Personen, die nach dem Tode im Menschentum bei Göttern wiedergeboren werden. Das ist also nur 1 Prozent, während von 99 Prozent keine Erzählung aus Vv handelt. Alle statistischen Angaben sind hier also fehl am Platze, soweit sie über die 85 Berichte des Vv hinausgehen. Ob diese eine repräsentative Auslese darstellen, ist ebenfalls nicht zu entscheiden. Von Statistik kann also allein innerhalb des Vv die Rede sein:
Fragender
Der Fragende, der die Gottheit über ihr Wirken befragt, ist in den 85 Berichten in 64 Fällen Mahāmoggallāno, meist auf einer Himmelsreise, auf der er ein Vimāna erblickt. Die übrigen 21 Fälle verteilen sich wie folgt: Buddha (5 x), Vangīso (4 x), andere Heilige (4 x: Anuruddho, Kumara-kassapo, Mahākaccano, Narado), Sakko (4 x), Sonstige (4 x: ein Mann, ein Brahmana, ein Gott, ein Händler).
In den 85 Berichten ist 78 mal der Bereich der Götter der Dreiunddreißig die Stätte der Wiedergeburt. Der darunterliegende Himmel der Götter der Vier Großen Könige erscheint nur dreimal (Nr. 32, 33 und 84). Bei den hohen Schöpfungsfreudigen Göttern werden vier Frauen wiedergeboren (Nr. 16, 20, 34, 44). Bei den Gezügelten findet eine Wiedergeburt nur einmal statt (Nr. 55, die Hauptperson aber kam zu den Dreiunddreißig!). Nur eine Nebenperson kam zur Hölle (Nr. 52).
Auffallend viele Bezüge (acht Fälle) bestehen zu dem Buddha Kassepo, der unserem Buddha in diesem Weltzeitalter voranging. Von den Hauptpersonen waren bereits unter ihm Mönch (Nr. 63) bzw. im übrigen Laienanhänger gewesen: Nr. 35, 50, 64, 85, während in Nr. 33 bzw. 45 nicht nur eine, sondern mehrere Hauptpersonen (4 bzw. 36) genannt sind. In Nr. 84 war eine Nebenperson unter Kassapo Mönch und wurde unter Gotamo ein Heiliger.
Bei einem Buddha noch weit früherer Zeiten, Sumedho, war ein Mann Mönch gewesen und war unter Gotamo eine Gottheit der Dreiunddreißig (Nr. 82).
Sicherheitsgrade
Der Stromeintritt wurde innerhalb der 85 Berichte von den Hauptpersonen in 17 Erzählungen erreicht: Nr. 8, 9, 16 -18, 23 - 26, 37, 41, 44, 45, 50, 51, 53, 64, 81. Von zwei der Hauptpersonen wurde die Einmalwiederkehr erlangt (Nr. 15, 19). In einigen Fällen ist zweifelhaft, ob vielleicht der Weg zum Stromeintritt betreten wurde: Nr. 22, 31, 32, 36. Von Nebenpersonen wird der Stromeintritt in Nr. 15 erlangt. Die Heiligkeit erlangen Nebenpersonen in Nr. 84 (Gavampati und Sambhavo).
Die ersten 50 Erzählungen handeln von Frauen, die restlichen 35 von Männern. Aber es gibt Überschneidungen: So werden im Männerteil auch deren Ehefrauen im Himmel wiedergeboren, die Geschichte von Guttilo erscheint bei den Frauen (Nr. 33), die von Revatī (Nr. 52) bei den Männern.
Das Wort ist ein Neutrum (vimānam), also das Vimāna, und es wird auf der zweiten Silbe betont, die lang ist. Vi ist eine Vorsilbe und bedeutet als Gegensatz zu sam (zusammen): auseinander, aus-heraus, "extension, expansion, separation". Mānam gehört zum Verb mināti = messen
Vimāna ist wörtlich etwa: Ausgemessenes, im Sinne von Angemessenes. Es ist etwas, das ausnehmend den Wünschen entspricht, ein passendes Erleben. Das wäre, wie Stede treffend sagt, mit "Paradies" wiederzugeben, wenn es nicht individuell und örtlich begrenzt wäre. Paradies ist die Himmelsgegend, in der Vimānas vorkommen.
Vimāna ist eine Wohnstätte, und zwar eine schöne und glückliche. Es ist eine himmlische Wohnstatt: ein Schloß, eine Luxusvilla, ein Palast, ein Landgut (Estate). Im Englischen wird es regelmäßig mit "mansion" übersetzt, in Anlehnung an das Wort Jesu: "In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen" (Joh. 14,2). Das griechische monai läßt sich mit Wohnung gut übersetzen. Das Besondere des Vimāna ist nun, daß es fliegen kann und daß es auch Park und Lotosteiche mit umfaßt. Schloß + Schloßpark + das Ganze fliegend möglich. Manchmal wird aus dem Vimāna auch ein Wagen geholt, mit dem dann der Schloßbewohner das Vimāna verläßt. Das läßt sich mit einem Satelliten vergleichen, aus dem eine Raumfähre abgekoppelt wird. Im modernen Indisch kehrt das Wort in der Bedeutung "Flugzeug" wieder, z.B. heißt die Fluggesellschaft von Ostbengalen "Bangladesh Biman" (Masefield S. XVII, FN 4). Masefield läßt das Wort unübersetzt, und dem bin ich gefolgt. Es gibt kein deutsches Wort, das Vimāna entspräche, und immer mit "Fliegende Himmelsschloßenlage" zu übersetzen, wäre kaum angebracht.
Der Titel dieser Sammlung, Vimāna-vatthu, sei dagegen mit "Wege zum Himmel" frei wiedergegeben. Vatthu (Neutrum) ist: Grundlage. In dieser Sammlung werden nun stets die Grundlagen, Voraussetzungen, Wirkensweisen gezeigt, welche zur Wiedergeburt im Himmel mit einem Vimāna führen. Das Vimāna-vatthu schildert also Saat und Ernte im Guten, während das Peta-vatthu dasselbe im Bösen schildert.
Im Palikanon kommen nun vier verschiedene Arten von Vimāna vor:
1. Der überwiegende und fast ausschließliche Gebrauch nennt das Vimāna als Himmelsschloßanlage bei den Göttern der Dreiunddreißig. Die führende Schicht der dortigen Götter hat sich ein Vimāna erwirkt, eben eine Art Lustschloß, wie irdische Fürsten und Mahārājas.
2. Bei den Göttern der Vier Großen Könige, die die unterste Götterstufe beinhalten, scheint der Besitz eines Vimāna ein seltenes Privileg zu sein. Im ganzen Vv kommt Wiedergeburt dort nur zweimal vor, und nur in einem Falle gibt es ein Vimāna (Nr. 84). Dagegen wird in den Jātakas an einigen Stellen dort ein Vimāna erwähnt, und zwar von Naga-Fürsten (J 524 p. 170, J 545 p. 315) oder in einfacher Form bei Baumgöttern (J 74, 307, 412, 414, 441, 465), wo es nur eine normale Behausung bedeutet.
3. Bei den glücklichen Gespenstern, die am meisten götternah sind, wird von vemānika peta gesprochen (Pv II, 12; III, 7; J 41, J 511). Dem fehlt aber die Beweglichkeit, es ist stationär.
4. Völlig aus dem Rahmen fällt der Gebrauch des Wortes in der Brahmawelt. Wenn dreimal (D 1, D 24, It 22) von einem "leeren Brahmahimmel" (suñña Brahma-vimāna) gesprochen wird, dann hat Neumann schon mit Recht hier "Himmel" übersetzt, denn Brahma ist nicht an etwas so Begrenztes wie ein Schloß gebunden. Hier ist das Wort im übertragenen Sinne gebraucht, als Himmel. Franke übersetzt "Brahma-Palast" in D 1, ohne eine Erklärung zu geben.
Bemerkenswert ist, daß bei den vier Götterklassen, die oberhalb der Götter der Dreiunddreißig folgen, nie von einem Vimāna die Rede ist. In den vier Fällen, in denen im Vv jemand bei den Schöpfungsfreudigen Göttern wiedergeboren wird, fehlt jeder Hinweis auf ein Vimāna (Vv Nr. 16, 20, 34, 44). Im strengeren Sinne gehören diese Berichte daher nicht in das Vimāna-vatthu.
Der Erwachte hat mit seinem übersinnlichen Auge gesehen, daß es in der Begegnungswelt zehn Existenzformen gibt, sozusagen zehn Zimmer unterschiedlicher Güte:
Diese zehn Bereiche sind nun aber wieder paarweise verbunden, es sind fünfmal durchgehende Zimmer.
Dies ist der Hintergrund, auf dem das Vimāna-vatthu erst zu verstehen ist. Nur dadurch wird der Ort deutlich, an welchem die Vimānas als Stuben der Existenz lokalisiert werden können. Es ist nun zu zeigen, welche dieser Zimmer im Vv vorkommen und in welcher Weise:
Es gibt keine andere Unterwelt als Hölle und Gespensterreich (Petas). Das ist das einzige dunkle, düstere Doppelzimmer, die größte Leidensstätte an Unbefriedigung und Verweigern und Schmerz. Wie sehr es ein durchgehendes Zimmer ist, zeigen die Berichte über höllennahe Gespenster im Pv.
Die Hölle kommt als Wiedergeburt nur einmal vor, in Vv Nr. 52, im Bericht von Revatī. Als Schicksal droht die Hölle aber verschiedenen Menschen, und der Buddha bzw. Mahākassapo bewahren sie davor, indem sie ihnen Gelegenheit für Gaben geben (Vv Nr. 10, 21, 27, 83 bzw. 20). Die Hölle war hier also sehr nahe, und nur durch das Eingreifen der Heiligen kamen jene fünf Menschen stattdessen zum Himmel der Dreiunddreißig. Aber die Hölle ist auch gegenwärtig in den Höllenwesen (Nerayika), die im Leiden klagen und zu denen Revatī kommen wird (858). Dagegen kommen die Asura (Dämonen) im Vv nicht vor.
Das Reich der Peta kommt überhaupt nicht vor: Es ist ja auch im Pv ausführlich behandelt. Das Wort Peta erscheint zwar in Vv 1205/6, aber in seiner alltäglichen Bedeutung als "Toter". Dagegen wird der König der Petas, Yama, in Vv 859 erwähnt, insofern die beiden Yakkhos, die Revatī zur Hölle führen, als Boten Yamas bezeichnet werden (Yamassa dūtā). Offenbar hat Yama keine eigenen Vollstreckungsorgane und wendet sich um Rechtshilfe an die Götter, die dann "Todesengel" abordnen.
Auf Erden wohnen Menschen und Tiere sehr eng zusammen, so daß fast von einem einzigen Zimmer gesprochen werden kann. Nur das Fehlen der vernünftigen Reflexion unterscheidet Mensch und Tier - und das Leiden der Tierheit ist im allgemeinen größer. Das Verhältnis des Menschen zu den Tieren steht unter dem Motto: Mästen und Morden.
Menschen und Tiere sind die einzigen Wesen, die außer ihrem Astralleib noch einen zusätzlichen Fleischleib haben. Fällt der im Tode weg, dann sind sie ebenso astral wie alle anderen Wesen.
Die Unterschiede zwischen einem vertierten, halbverblödeten Menschen und einem Menschenaffen sind gering. Bestien in Menschengestalt sind nicht allzu selten.
Das Reich der Tiere kommt im Vv zweimal vor, indem ein Frosch bzw. Pferd (Nr. 51 bzw. 81) zu den Göttern aufsteigen. Daß ein Tier in den Himmel kommen kann, mag für Christen verwunderlich klingen, aber sowie man das Wesen der Psyche und der Astralperson versteht, wird es einsehbar. Ob die im Himmel vielfach erscheinenden Tiere (Rosse, Elefanten, Vögel) dort wiedergeboren sind, oder ob es nur himmlische Kulissen sind, mag offen bleiben.
Die beiden untersten Himmel sind die der Vier Großen Könige und der Götter der Dreiunddreißig. Erstere sind die Organe letzterer und dienen ihnen, sei es als Boten oder als Tänzerinnen. Jedenfalls ist der Bereich sehr eng verbunden, so wie Mensch und Tier sozusagen im selben Raum wohnen. Der abendländische Begriff von Paradies oder Schlaraffenland oder Elysium oder Dlymp oder Walhall entspricht am ehesten diesem Doppelzimmer.
Die Götter der Vier Großen Könige (Cātummahārājikā devā) sind sozusagen die vier Erzengel, die Himmelskönige, die Beherrscher der himmlischen Heerscharen. Eine Wiedergeburt dort kommt außer in Nr. 33 (s.u.) nur in Vv Nr. 32 und 84 vor. In Nr. 32 wird eine Hausfrau als Tochter eines der Vier Mahārājās wiedergeboren und ist dann Tänzerin beim Götterkönig Sakko. In Nr. 84 wird Pāyāsī von jenem Götterkönig als Schutzgeist angestellt, um in einer indischen Wüste zu wachen. In beiden Fällen und ebenso in Vv Nr. 52 wird Vesssvano, der König der Yakkhos, genannt. Die Yakkhas aber, seine Untergebenen, kommen oft vor. Der Begriff wird allerdings auch im weiteren Sinne für alle Jenseitigen verwendet, auch für Götter der Dreiunddreißig (Vv 1218) und im Pv sogar für Petas, ja im Kanon manchmal sogar für den Buddha. Yakkho ist eben ein Mächtiger, ein großer Geist. Außer in Vv Nr. 84, wo Pāyāsī öfter als Yakkho bezeichnet wird, kommen in Nr. 52 die beiden Yakkhos als Todesengel vor (Vv 859). Als zweite Gruppe der Vier Großen Könige kommen die Gandhabba, die Elfen, vor. So sagen Gottheiten der Dreiunddreißig auf eine Frage, sie seien keine Gandhabbo (Vv 971, 1210). Zu den Gandhabhos gehört auch Mātali, der Kutscher des Götterkönigs (Vv 797 ff.). Die beiden übrigen Bereiche der himmlischen Mahārājās, die der Nāgas und Kumbhandas, kommen in Vv nicht vor.
Sehr häufig, fast in jedem Vimāna, erscheinen aber zahlreiche Acchara (Skr. apsara), die Nymphen, als Dienerinnen und/oder eine Art Geishas. Zu welcher Klasse der Vier Großkönige sie gehören, wird nicht gesagt, vielleicht zu allen vier. In Vv Nr. 33 kommen 36 solcher Nymphen vor, die je ein eigenes Vimāna besitzen und selber von tausend anderen Nymphen bedient werden. Sie überragen also die anderen Nymphen und stehen den Dreiunddreißig sehr nahe.
Der überwiegende Schwerpunkt des Vv ist aber der Bereich der Götter der Dreiunddreißig. In 78 von 85 Berichten erfolgt eine Wiedergeburt dort. Das Wort "Dreiunddreißig" bezeichnet die dortige Oligarchie, die führende Schicht, die Götterfürsten, von denen Sakko, der Indra, wiederum der Erste ist, anscheinend der primus inter pares. Dort ist der Bereich der Vimānas: Jeder Gott hat ein solches Schloß, eine himmlische Villa, und ist sein eigener kleiner König, wie die Fürsten des alten Reiches.
Sakko, der Götterkönig, der viele Beinamen hat (Der Mauern stürzt, Indra, Maghavā, Vāsavo, Kosiyo), ist in vier Berichten der Fragende (Vv Nr. 17, 20, 37, 47). Zweimal ist eine Göttin eine der Frauen Sakkos (Vv Nr. 18 und 41), und zweimal wird ein Gott gefragt, ob er Sakko sei, was er verneint (Nr. 62 und 83).
Die mittleren der sechs sinnlichen Götterbereiche sind die der Gezügelten (Yamā) und der Stillzufriedenen (Tusitā). Beide sind dadurch gekennzeichnet, daß sie sich nicht mehr bei den Menschen einmischen, auch sich nicht an Sakkos Kriegen gegen die Dämonen beteiligen, auch keine Vimānas und sonstige Vielfalt mehr benötigen. Sie brauchen auch kaum noch staatliche Organisation, sondern sind jeder ihr eigener Polizist. Weil sie eben Engel sind, von engelsartigem Gemüte, deshalb ordnet sich alles von selbst, es braucht keinen Zwang mehr. Das ist das auf Erden nie erreichbare Ideal der An-archie, die höhere Ordnung.
Die Gezügelten müssen sich noch manchmal bemühen, nicht einzugreifen und Partei zu nehmen und "mitzumischen", aber sie zügeln sich. Dort kehrt nur einmal ein Mensch wieder, nämlich der spendenfreudige Hausner in Vv Nr. 55. Von den Tusitā dagegen ist im Vv nirgends die Rede.
Die beiden obersten Klassen sinnlicher Götter werden vom Buddha (D 33 III) allen acht bisher genannten Daseinsstätten gegenübergestellt als Götter, die nicht mehr von außen abhängig sind, sondern sich ihr Außen nach Wunsch selber schaffen (Schöpfungsfreudige) bzw. dem zuschauen, was andere geschaffen haben (Selbstgewaltige). Es ist bemerkenswert, daß in vier Berichten ein Mensch bei den Schöpfungsfreudigen wiedergeboren wird, und zwar stets Frauen (Vv Nr. 16, 20, 34, 44), ohne daß die Besonderheit des Wirkens dafür deutlich wird.
Bei der 10. Klasse (Para-nimmita-vasavattino), den Selbstgewaltigen, die schon halbe Brahmas sind und die, wie die Schöpfungsfreudigen, keine erotische Berührung mehr kennen, nur noch Blicke (Koeppen, Der Buddhismus, Berlin 1855, S. 254) wird in Vv niemand wiedergeboren. Und Brahma wird nur zweimal als Name genannt (Vv 153 = 292).
Die Bedeutung des Vv läßt sich am besten aus dem Ort und dem Stellenwert, den es im Kanon hat, ersehen. Dazu ist es notwendig, einen kurzen Blick auf die fünfte Lehrreden-Sammlung, die sogenannte Kürzere Sammlung, zu werfen, deren 6. Werk das Vv ist. Diese aus 15 Werken bestehende Sammlung ist grundsätzlich von Versen getragen, teils mit vermischter Prosa, teils mit Rahmenerzählungen. Deutlich gliedern sich diese 15 Werke in drei Fünfergruppen: Lehrreden, Biographien, Apokryphen.
Die wichtigste Gruppe ist die erste, die den existentiellen Gesamtinhalt der Lehre umfaßt, eine Art Repetitorium des Inhalts der Lehrreden in Versform:
1. Khuddaka-patha | ein sehr kurzes und eigentlich entbehrliches Werk, weil fast alle Teile auch anderswo im Kanon wörtlich wiederkehren |
2. Dhamma-pada (Wahrheitspfad) | die berühmteste und eingängigste Vers-Sammlung des Buddhismus |
3./4. Udāna und Itivuttaka: | Aussprüche des Buddha in vermischter Prosa. |
5. Sutta-nipāta: | das tiefste Werk dieser Gruppe, der Kern der Kürzeren Sammlung. |
Die zweite Gruppe enthält Biographien von Lehrnachfolgern, und zwar von Anhängern, Ordensangehörigen und den Vorgängern des Buddha:
6. Vimāna-vatthu | ist ein ausgeprägtes Hausleute-Buch, das mindestens für zwei Leben die Verknüpfung von irdischer Saat und himmlischem Lohn zeigt (Näheres s.u.). |
7. Peta-vatthu | ist die Entsprechung, die Saat und Ernte in der Unterwelt des Gespensterreichs zeigt, ebenfalls nur von Hausleuten |
8./9. Lieder der Mönche und Nonnen: | das sind die entsprechenden Biographien von Ordensangehörigen, die als Menschen (Saat) Heilige wurden (Ernte). |
10. Jātaka (Wiedergeburtsgeschichten) | erzählen Biographien des Bodhisatta und Saat und Ernte für Mönche. |
Die dritte Gruppe ist als nachklassisch (apokryph) anzusehen, sie spiegelt die beiden vorigen Gruppen in scholastischer bzw. popularisierter Form:
11./12. Niddesa / Patisambhidamagga: | Behandlung des existentiellen Gehalts der Lehrreden in Form der Kommentare oder des Abhidhamma. |
13. Apadāna: | Behandlung der Biographien von Buddhas, Mönchen und Nonnen in scholastischer Weise in Versen |
14./15. Buddha-vamsa / Cariyā-pitaka | populäre Biographie von Buddhas und des Bodhisatta, in Annäherung an das Mahāyāna |
Nach diesem Überblick läßt sich der Stellenwert des Vv wie folgt umschreiben: Es ist für Anhänger und Anhängerinnen im Hause das Gegenstück zu den Liedern der Mönche und Nonnen. So wird auch das Vv nach Frauen (Nr. 1 - 50) und Männern (Nr. 51 - 85) eingeteilt.
Während bei den Liedern der Mönche und Nonnen zuerst die Männer und dann die Frauen kommen und die Männer stark überwiegen, ist es im Vv umgekehrt: Da stehen die Frauen im Aufhau und in der Zahl an der Spitze.
Während jene Lieder innerhalb eines Menschenlebens Saat und Ernte zeigen (Pfad und Frucht der Heiligkeit), zeigt das Vv, wie aus Wirken in der Erdenwelt himmlischer Lohn mit Besitz eines Vimāna hervorgeht. Die Lieder haben nur ein einziges Ziel (Nirvāna), die Hausleute-Biographien zeigen die positive Ernte (Vv) und ihr Versäumen (Pv).
So überkreuzen sich die jeweils zwei Bücher der Kürzeren Sammlung (Nr. 6/7 und Nr. 8/9). Beide Male geht es um Männer und Frauen, beide Male um Lehrnachfolge, beide Male im Menschentum, beide Male in Versen, beide Male mit Rahmenerzählungen. Diese sind bei den Liedern meist kürzer (Neumann druckt sie nicht mit, wohl aber die englische Übersetzung) und sehr oft aus anderen Teilen des Kanons bekannt. Dagegen sind die Rahmenerzählungen des Vv meist originär und unverzichtbar.
Kaum wird im Kanon anderswo ein so lebendiges, anschauliches und deutliches Bild des häuslichen Lebens der Nachfolger des Buddha gegeben wie in Vv und Pv. Allerdings bedarf es einiger geistiger Anstrengung, um diese Schilderungen für uns Europäer fruchtbar zu machen. Das gilt insbesondere in folgender Hinsicht:
Das soziale Umfeld dieser Berichte ist uns nicht weniger fremd als die Lebensform der Mönche und Nonnen. Die indische Agrargesellschaft mit der Großfamilie, den Heiratsformen und vor allem dem religiösen Bezug scheint zunächst keinerlei Vergleich mit unserer Industriegesellschaft mit ihrem wertlosen Pluralismus zu ermöglichen. Bei uns gibt es keine Mönche, die auf dem Almosengang ans Haus kommen. Wir gehen nicht am Uposatha-Tag ins Kloster, um die Lehre zu hören. Wo überhaupt noch Religion eine Rolle spielt, hat sie vorwiegend karitative und politische Ziele, während in Indien damals Religion sich bei den Laien in erster Linie durch Unterstützung der Mönche auswies. Und der Jenseitsbezug war damals ganz selbstverständlich: Diesseits und Jenseits waren durchlässig. Mönche erschienen im Jenseits und unterhielten sich mit Göttern, und Götter erschienen auf Erden und unterhielten sich mit Mönchen. "Ungläubige", d.h. Menschen, die der Meinung anhingen, mit dem Tode sei die Existenz zu Ende, waren eine kleine Minderheit, waren Außenseiter der Gesellschaft.
In der religiösen Nachfolge steht das Geben weitaus an der Spitze, allerdings fast immer mit der Einhaltung der fünf Tugenden verbunden und mit der Pflege des Feiertags. Große Ehrfurcht und gewaltiger Respekt vor dem Leben der Entsagung, das die Mönche und Nonnen führten, war die Grundlage für Geben, Tugend, Feiertage. Die Hausleute, die in Familie und Beruf, in den Sinnenfreuden lebten, wußten aber, daß es noch Höheres gibt und daß die Ordensangehörigen noch lohnendere Werte kennen. Das Vorbild und Beispiel der Mönche und Nonnen als solche war das wirksamste soziale Regulativ, ein lebender Beweis für den Sinn der Tugend und der Läuterung überhaupt. Was äußerlich gesehen bloß ein Geben von Bedarfsgegenständen war, war tiefer gesehen immer ein Bejahen des Läuterungslebens und religiösen Strebens. Wurde von Geben gesprochen, dann war Religion gemeint. Wurde das Geben gepriesen, dann war das Verdienst im Jenseits ganz selbstverständlich mit einbegriffen.
Die bloße Existenz von Heiligen oder nach Heiligkeit strebenden Mönchen und Nonnen war für die Menschen die sicherste Garantie für soziale Ordnung, für eine intakte Gesellschaft, für ein reibungsloses zwischenmenschliches Klima. Außerdem wußte man, daß das Geben an Heilige einen unermeßlichen Lohn mit sich bringt. Also war das Geben an Heilige sowohl kollektiv für die Gesellschaft als auch individuell für das eigene Wohlstreben das Sinnvollste. Von daher muß man es verstehen, warum das Geben im Vv derart an der Spitze steht und über die Wiedergeburt bestimmt. Das Geben ist der Spitze des Eisbergs zu vergleichen, der über das Wasser emporragt; die gesamte religiöse Auffassung der himmlischen Gesetze ist der unsichtbare Teil des Eisbergs. Mit dem Geben war untrennbar die Herzensläuterung, die Gläubigkeit, das religiöse Gefühl und dann Scham und Scheu vor der Untugend verbunden. Wenn im Vv anscheinend die Herzensläuterung im Hintergrund zu stehen scheint, dann muß man dies im vorstehenden Sinne verstehen. Es gehört also schon eine Einfühlung in die damaligen Verhältnisse dazu, um die Berichte des Vv und Pv richtig bewerten und einordnen zu können.
Während bei den Liedern der Mönche und Nonnen die existentielle Philosophie des Buddha, die Durchschauuung des Samsāro, im Vordergrund steht, d.h. das Loslassen, besonders von der Sinnenwelt, ist in Vv und Pv der Komplex der drei ersten Lehren des Buddha (Geben, Tugend, Himmel) beherrschend. Darum ist es sehr sinnvoll, daß die Ordner der Texte Vv und Pv vor Thag/ Thig stellten. Die Tugend ist eben die unverzichtbare Grundlage der Meditation. Und diejenigen, die im Orden des Buddha heilig wurden, hatten alle vorher die Tugend geübt, nicht nur in einem Leben.
Die Lehrreden des Buddha in den vier Kernsammlungen haben zwei Hauptinhalte oder Schwerpunkte. Einmal geht es um den umfassenden Gesamtüberblick über die Existenz, der für die Gewinnung des Pfades zum Stromeintritt (bei Neumann "Hörerschaft") unerläßlich ist, d.h. um Analyse, die zur rechten Anschauung führt. Zum anderen geht es dann, da die meisten Reden an Mönche gerichtet sind, um die Gewinnung der Heiligkeit, der Triebversiegung, noch zu Lebzeiten, mindestens aber um Überwindung der Sinnenwelt (Nichtwiederkehr), d.h. um Askese und Mystik. Die Tugend als unverzichtbare Eingangsstufe ins spirituelle Leben wird dabei entweder vorausgesetzt oder relativ kürzer behandelt. Das überweltliche, himmlische, karmische Gesetz von Saat und Ernte wird in abstrakter Form erklärt, aber erheblich seltener in konkreter Form ausgeführt.
Im Unterschied zu den Lehrreden schildern gerade die Wiedergeburtsgeschichten (Jātaka), die denselben Umfang wie die Mittlere und Längere Sammlung haben (6 Bände), gerade die konkreten Fälle von Saat und Ernte an Beispielen, Märchen und Fabeln in eindrucksvoller Fülle. Der eigentliche Gehalt der Lehre von der Leidenserlösung kommt dabei und darin kaum vor. Sehr ähnlich verhält es sich mit zwei anderen Bänden der Kürzeren Sammlung, die auf der Grundlage des karmischen Wirkens eine entsprechende Wiedergeburt in der Unterwelt (Peta-vatthu) oder in der Überwelt (Vimāna-vatthu) beschreiben. Im Unterschied zur epischen Breite der Jātakas wird hier Saat und Ernte meist knapper dargestellt. Es wird gezeigt, welche Weisen von Geben und Tugend zum Himmel führen (Vimāna-vatthu) und welche Weisen von Verweigern und Untugend zur Gespensterwelt führen (Peta-vatthu). Die gründliche Analyse der Existenz und der Ausweg aus dem Sāmsaro sind nicht das Thema dieser Sammlungen. Dergleichen ist dort nicht oder nur am Rande zu erwarten. Um so mehr werden die ersten drei Stufenlehren des Erwachten (Geben und Tugend als Saat, himmlische Wiedergeburt als Ernte) im Vimāna-vatthu in ihrer positiven, im Peta-vatthu in ihrer negativen Form vorgeführt.
Die 85 Geschichten des Vimāna-vatthu, die hier übersetzt wurden, haben im allgemeinen folgende Struktur: Der Ehrwürdige Mahāmoggallāno sieht im Himmel der Götter der Dreiunddreißig eine Gottheit in einem prächtigen Vimāna, beschreibt dessen Glanz und Pracht und fragt dann den Gott oder die Göttin, durch welche Art von verdienstvollem Wirken auf Erden dies erlangt wurde. Die Gottheit erklärt dies dann, wobei die Rahmenerzählung die ausführliche, die Verse eine meist knappere Antwort geben, die manchmal ohne den Rahmen in ihrer Kürze kaum verständlich ist.
Die Schilderungen der Vimānas und ihrer Bewohner sind an Pracht und Glanz, an paradiesischer Fülle eines überdimensionalen Schlaraffenlandes der Sinnesgenüsse kaum zu überbieten. Eine wahre Orgie von Schönheit, Reichtum, Buntheit tut sich dort auf, höchste Wonne für Ästheten, Künstler, Naturfreunde und alle Liebhaber sinnlicher Harmonien und Symphonien. Schönster Glanz dient zur Augenweide, schönste Himmelsmusik als Ohrenschmaus, schönste Düfte übertreffen "alle Wohlgerüche Arabiens". Speis und Trank ist in Hülle und Fülle vorhanden. Weichste Lager, feinste Kleider, lieblichste Nymphen sind vorhanden. Was das Herz des Sinnenmenschen auf den Bahnen der fünf Sinnensüchte nur begehrt, das wird in feinster und edelster Form dort erfüllt.
Aber da ergeben sich für den Nachfolger der Lehre des Erwachten gewisse Fragen:
Wie ist es möglich, daß Heilige wie Moggallāno oder andere derart lang und breit solch ein Vimāna bewundern und preisen? Ist das nicht eine einzige Aufforderung zum unbegrenzten Genießen sinnlicher Fülle anstatt zum Loslassen vergänglicher Leidensdinge? Wo bleibt da die Erwachungslehre?
Wie kommt es, daß die eigentlichen Vorteile himmlischer Wiedergeburt fast gar nicht zur Sprache kommen, nämlich: die innerseelische Helligkeit, frei von Dunkel und Mißmut, die Leichtigkeit und Unbeschwertheit des Astralleibes, die unvergleichlich lange Lebensdauer und vor allem das feine, vornehme Klima der Kommunikation zwischen den Wesen, ohne die allzumenschlichen Grobheiten, die unsere Welt vor allem belasten?
Und wie ist es zu erklären, daß die abendländischen Jenseitsberichte christlicher oder spiritistischer Herkunft die Himmel ganz anders schildern, viel weniger schematisiert, ohne Vimānas, und der Freiheit des Einzelnen viel größeren Spielraum lassend?
Nur auf den ersten Blick faszinieren und blenden die Schilderungen der Pracht der Vimānas. Auf den zweiten Blick sieht es schon anders aus, und das Gemüt des belehrten Nachfolgers des Erwachten mag fragen: Na und? Da glitzert und funkelt und leuchtet und strahlt alles. Ganze Hekatomben von Edelsteinen und Edelmetallen werden gezeigt, und die Nymphen sind beladen und überladen mit solchem Schmuck. Alle Arten von Blumen, blühenden Bäumen und feinsten Düften sind ringsum anzutreffen, mit schimmernden Lotosteichen und Scharen von Vögeln, wohin man auch blicken mag. Und ständig ertönt irgendeine Himmelsmusik mit ihrem Getrommel.
Keinen Augenblick ist Ruhe und Stille, immer ist Vielfalt und Bewequng, immer ist etwas los. Der Glitterglanz der astralen "Materie" erfüllt alles und läßt keinen Freiraum. Dauernd ist "Theater" oder "Kino" im himmlischen Fernsehen, im himmlischen Lustgarten und Wonnehain. Was ist eigentlich daran? Ist es nicht so, als ob man ununterbrochen Schlagsahne essen müßte? Und wenn man ständig der "Beschallung" ausgesetzt ist, dann würde man auch der schönsten Barockmusik bald überdrüssig werden, spätestens nach tausend Jahren. Der ganze Fünfsinnenapparat erweist sich eben als äußerst beschränkt und im Grunde unbefriedigend. Die Sinnlichkeit macht nicht satt, sie reizt immer nur neu, macht bedürftiger, d.h. leerer. Es ist ja bezeichnend, daß die Schilderungen des Vimāna-vatthu immer wieder dasselbe wiederholen, oft in identischen Versen, in monotoner Langeweile. Mehr hat auch die schönste Sinnenwelt nicht zu bieten als diesen Farbfilm und Tonfilm eines Prasselhagels von Sinnenreizen.
In der Menschenwelt lebt man hauptsächlich von Vorfreude, nämlich von der Illusion, wie herrlich es wäre, wenn die eigenen Wunschträume alle erfüllt wären. Dieser Phantasievorstellung jagt der Mensch lebenslänglich nach. Da solche Utopien aber auf Erden unerfüllbar sind, so bleibt die Idee dieser Illusion bestehen und kann nicht aufgelöst werden. "Ja, aber wenn erst... so läuft der Mensch der rollenden Fortuna nach und ist daran gewöhnt, daß er sie nie erreicht, wie Faust es bekennt.
Wenn nun aber im Götterhimmel der Vimānas alle diese Sinnenwünsche erfüllt werden, dann ist es möglich, gerade dadurch und dabei die Illusion, die Täuschung zu erkennen. Die Erfüllung offenbart gerade, wie unbefriedigend die Sinnendinge sind, wie sie den Durst nicht löschen, sondern bestätigen und anfachen, so wie es Salzwasser tut. Dem Nachfolger der Lehre drängt sich die Einsicht auf: Selbst die völlige Erfüllung der Sinneswünsche, Lust total, läßt im Himmel im Grunde unbefriedigt. Was sollte man da noch den irdischen Halbheiten nachrennen, ganz zu schweigen von Untugendhaftem? So betrachtet kann das Vimāna-vatthu gerade zur Durchschauung der Sinnenwelt dienen, ob dies nun mit den Texten beabsichtigt ist oder nicht.
Die seelische und soziale Helligkeit ist vorwiegend für den bemerkbar, der gerade nicht von dem äußeren "Lustspiel" himmlischer Kulissen fasziniert und geblendet wird. In den 85 Berichten ist aber überwiegend von Göttern berichtet, die noch nicht edle Jünger auf dem Heilswege waren, sondern nur gläubige Anhänger des Buddha. Für sie bestand die Erhellung im Himmel vor allem in den gleißenden Dingen, in der Ouantität der Anzahl von Rubinen, Türmchen, Lotosteichen und Nymphen. "Weil ich alle diese Dinge besitze, deshalb bin ich so glücklich und hell", denken sie und sehen nicht oder kaum, daß sie diese Dinge nur erleben, weil sie hell im Gemüte waren und sind. Um himmlische Genüsse zu erlangen, sammelten sie Verdienst durch Geben und Tugend und Verehrung der Mönche. Und nun verzehren sie ihr Verdienst, wirken nichts Neues und sinken wieder ab ins Menschentum - ein endloser Kreislauf. Nur die edlen Jünger benutzen den Himmel mit seinen Vimānas nützlich, indem sie abseits der Lustgärten und Wonnehaine gehen, um weiter Herzensläuterung zu pflegen, zur Vertiefung tauglich. Die Freiheit von allen menschlichen Sorgen dient ihnen dazu, immer noch weiter zu streben, in der Überlegung: Wenn schon so geringes Loslassen wie Geben und die fünf Tugenden solche Entlastung bringt, wie erst muß der innere Gewinn und die Befreiung sein, wenn alle Abhängigkeit vom Außen losgelassen ist und die Psyche brahmische Art gewonnen hat?
Außerdem mögen manche, die noch keine Edlen Jünger waren und die zunächst vom Himmelsglanz entzückt wurden, bald das Unbefriedigende daran merken, das Nichtsättigende, und es mag ihnen einfallen, was sie sonst noch von der Lehre aufgenommen haben. Überdies aber gibt es auch im Himmel ja Nachfolger des Buddha, die lehren und auf höhere Ziele aufmerksam machen.
Nicht zuletzt aber gibt es über den Himmel der Dreiunddreißig hinaus noch vier andere sinnliche Himmel, in denen keine Vimānas erscheinen und viel mehr Innerlichkeit und Stille herrscht. Viele Nachfolger des Erwachten, Stromeingetretene und Einmalwiederkehrer, sind daher auch dort erschienen, aufgrund fast derselben Tugenden, aber nicht mit dem Ziel des Verdienstgenusses, sondern mit dem Ziel, immer mehr Leiden loszulassen.
Da die 85 Erzählungen des Vv nur etwa ein Prozent der Inder umfassen, die durch die Lehre des Buddha zum Himmel kamen, können sie keineswegs als repräsentativ gelten. Andere Nachfolger des Buddha werden den Himmel der Dreiunddreißig ganz anders erlebt haben, mehr in Übereinstimmung mit abendländischen Jenseitsberichten. Jede Kultur hat überdies ihre eigene Färbung des Jenseits. Die Mahārāja-Paläste des Vv sind typisch indisch, die westlichen Paradiese entsprechen mehr europäischer Umgebung, die stets sozial differenzierter als die einfache indische Agrargesellschaft war.
Und noch etwas: die abendländischen Jenseitsberichte betreffen fast ausschließlich die sehr erdnahen Götter ("Vier Große Könige"), aber im Vv handeln nur zwei von 85 Berichten von einer Wiedergeburt dort. Bei dieser untersten Himmelsstufe sind Vimānas recht selten. Da herrscht mehr "kollektive Sicherheit", d.h. mehr Organisation, insbesondere im Sinne eines "Heilsplans Gottes". Dort sind also mehr Himmelsbürger, während bei den Dreiunddreißig mehr Himmelsfürsten vorkommen. Und diese sind mehr elitär, aristokratischer, individueller - daher Paläste himmlischer Lords, während jene mehr Commons sind.
Der Text des Vimāna-vatthu
1. Ausgabe: The Vimāna-vatthu of the Khuddaka Nikaya Sutta Pitaka, edited by Edmund Rowland Gooneratne, London 1886, XX, 95 S. Introduction S. V - XVI, Contents S.- XVII - XIX, Notes S. 85 - 95
2. Ausgabe: N.A. Jayawickrama, Vimānavatthu and Petavatthu. New Edition, London 1977, darin Vimānavatthu, XVII, 158 S. Preface S. VII - XI; Editions and other sources consulted, S. XIII - XIV; Contents S. XV - XVII
siehe bei Jayawickrama S. XIII verzeichnet: Burmesisch. Sinhala, Thai, Devanāgarī
1. The celestial plane and the ghost plane. Translated by Ven. P. Vajirañāna Thera, Ph. D. and Mr. B. L. Broughton, M.A., in: M.B. ab etwa 1938 bis etwa 1940 (nur Text von 1939 mir zugänglich)
2. Erste Buchausgabe:
The Minor Anthologies of the Pali Canon Part IV: Vimāna-vatthu: Stories of the Mansions and Petavatthu: Stories of the Departed. Translated by Jean Kennedy and Henry S. Gehman respectively. Edited with Introduction by Mrs. Rhys Davids, London 1942
Darin Part I: Stories of the Mansions (Vimāna-vatthu), XVIII, 12B S., Editor's Introduction S. V - XIII (Mrs. C.A.F. Rhys Davids); Translators Preface S. XV (Frau Jean W. Kennedy) von 1940; Introduction from the Commentary, S. XVI; Contents S. XVII - XVIII
3. Zweite Buchausgabe:
The Minor Anthologies of the Pali Canon Part IV: Vimānavatthu: Stories of the Mansions. New translation of the Verses and Commentarial Excorpts by I.B. Horner, assisted by N.A. Jayawickrama/Petavatthu: Stories of the Departed, translated by Henry S. Gehman, London 1974, XXVII, 159 S. für Vv
General Preface by I.B. Horner S. VII - X; Abbreviations S. XI - XII; dann: Stories of the Mansions (Vimānavatthu) together with excerpts from the frame stories of Dhammapalas Commentary. Verses translated from Pali into English and Commentarial Excerpts revised by I.B. Horner, assisted by N.A. Jayawickrama. Introduction S. XV - XXI, Contents S. XXIII - XXV Introduction from Commentary S. XXVII
4. Übersetzung innerhalb des Kommentars (Hasefield), s.u.
A. in Pali (latinisiert)
Dhammapāla's Paramattha-Dīpanī, Part IV: Being the Commentary on the Vimāna-vatthu, edited by Prof. E. Hardy, London 1901, XV, 374 S.
Preface S. III - XII, Contents S. XIII - XV, Indices S. 356 - 371; Corr. S. 372 - 374
B. Ausgaben in asiatischen Schriften
bei Masefield S. XIV --XV: Sinhala (1925), Burmesisch, Thai (beide 1958)
C. Englische Übersetzung
Vimānavatthu. Elucidation of the Intrinsic Meaning, so named the Commentary on the Vimāna Stories (Paramatthadīpanī nāma Vimānavatthu-atthakathā).
Translated by Peter Masefield, assisted by N.A. Jayawickrama, London 198B, LXI 561 S. Contents S. VII - XI; Preface S. XIII - XVII; Translators Introduction S. XIX - LVII; List of Abbreviations S.LIX -LXI, Index of Words and SubJects: S. 539 - 545, Index of Names S. 546 - 552; Some Pali Proper Words discussed in the notes: S. 553 - 554; List of Quotations and Allusions S. 555 - 557, Words and Senses not listed by PED: S. 557 -559; Amendments to PED Suggested in the notes: S. 560 -561
1. Bechert, Heinz: On a fragment of Vimänavadāna, a cenonical Buddhist Sanskrit work, in: Cousins (Hrsg.) Buddhist Studies in Honor of I.B. Horner, Dordrecht 1974, S. 19-25
2. Leider, Kurt: Buddha, Hamburg 1968, S. 176 - 177
3. Norman, K.R.: Pāli Literature, Wiesbaden l983, S. 70 - 71 (History of Indian Literature Bd. VII/2)
4. Winternitz, Moritz: Geschichte der indischen Literatur, 1920 (Repr. 1968), Bd. II, S. 77 - 78