In Sāvatthi lebte die Tochter eines Buddhajüngers. Sie war verheiratet. Im Handeln und Reden war sie ihrem Manne und den Schwiegereltern liebevoll zugetan, und sie war klug und intelligent. Geschickt ging sie mit der Dienerschaft um. Den Besitz der Familie verwaltete sie vorbildlich. Sie gab gern Almosen, bewährt im Tugendwandel. Die fünf Tugendregeln hielt sie ungebrochen, und sie pflegte den Feiertag. Zorn und Ärger kannte sie nicht.
Als sie starb, wurde sie als Tochter des Königs Vessavano, einem der Vier Großkönige und Herr über die Yakkhos, wiedergeboren. Ihren irdischen Namen Latā behielt sie. Sie hatte dort im Himmel noch vier Schwestern: Sajjā, Pavarā, Accimatī und Sutā. Alle fünf wurden von Sakko, dem Götterkönig, an die Spitze der Tänzerinnen bei Hofe gestellt. Aber Latā überragte ihre Schwestern und wurde von Sakko wegen ihrer Fähigkeit im Tanzen und Singen besonders geschätzt. Als die fünf Schwestern einmal zusammen saßen, unterhielten sie sich darüber, wer von ihnen im musikalischen Vortrag die Beste sei. Da sie sich nicht einigen konnten, suchten sie ihren Vater auf und fragten ihn. Er riet ihnen, ihre Fähigkeiten einer Götterversammlung am See Anottata zu zeigen, da würde ihr Rang sich offenbaren. Sie folgten dem Rat. Wenn dort Latā tanzte, waren die Göttersöhne hingerissen vor Bewunderung, und sie klatschten lauten Beifall und überschütteten sie mit Blumen. Sie machten einen solchen Tumult, als wollten sie den Himālaya in Bewegung bringen. Wenn aber die anderen tanzten, dann waren sie still wie ein Kuckuck im Winter.
So wurde Latās Vorzug offenbar.
Da fragte Sutā ihre Schwester Latā, durch welches Wirken sie wohl diese Fähigkeit des Vorrangs in Schönheit und Ruhm errungen habe. Sie erzählte es ihr. Davon erfuhr auch Vessavano. Dieser berichtete es dem ehrwürdigen Mahāmoggallāno, als dieser eine Himmelsreise machte. Und Moggallāno wiederum berichtete das Ganze dem Erwachten:
Moggallāno:
als Sprecher:
Sutā:
Latā:
Sutā:
Bemerkungen:
Die Erzählung von Latā fällt dadurch auf, daß hier das erste Mal in Vv eine Wiedergeburt bei den Göttern der Vier Großen Könige erfolgt, während sonst überwiegend eine solche bei den nächst höheren Göttern der Dreiunddreißig geschildert wird, ausnahmsweise bei den Schöpfungsfreudigen (Nr. 16 und 20). Kindschaft bei den Göttern erlangen, heißt hier nicht Zeugung und Schwangerschaft, sondern spontanes astrales Erscheinen dort, wo ein Götterpaar ein Kind wünscht und dem Wunsch durch Berühren des Bauchnabels Ausdruck gibt. Das ist dort die einfache Form der "Zeugung", ohne den Umstand der Menschen- und Tierwelt.
Latā als Tochter des Oberherrn der Yakkhos, Vessavano, wird nun von Sakko, dem Götterkönig der Dreiunddreißig, zur Primaballerina an seinem Hof erwählt. Ihre vier Schwestern die mit ihr nicht mithalten können, werden nun aber nicht eifersüchtig, neidisch und mißgünstig, wie es auf Erden die Regel wäre, sondern sie fragen Latā nach dem Wirken, welches ihr solches Verdienst einbrachte. Nachdem Latā es ihnen erklärt hatte, wurde deren Wille angespornt, im nächsten Leben Latās Tugenden nachzueifern.
Eine zweite Besonderheit von Nr. 32 ist, daß hier ein Gleichnis gegeben wird. Mit Recht wird die Kunst der Bildung von Gleichnissen sonst dem Erwachten überlassen, und daher kamen bisher im Vv auch keine vor. Das Gleichnis, das Suta hier bringt, ist auf den ersten Blick nicht so leicht zu verstehen. Das Bild vom "blutrünstigen" Löwen, der schwache Tiere "gnadenlos" mordet, verstellt den Sinn. Das Gleichnis will vielmehr folgendes sagen:
So wie der Löwe von seinem sicheren Ausgangspunkt im Gebirge auf Beute auszieht und dann auch dahin zurückkehrt - so seinen Lebensunterhalt fristend -, ebenso stützt sich die treue Ehefrau, die sich im Hause durch ihre Freundlichkeit ein gutes Klima schafft, auf diese Geborgenheit bei ihrem Manne und kann nun freudig an sich selber arbeiten und die beiden Hauptlaster von Gier (Geiz, Eigensucht) und Haß (Zorn, Aggression) bekämpfen. Dadurch erwirkt sie sich ihren Lebensunterhalt für die Götterwelt. Das harmonische Verhältnis zum Ehemann und der häuslichen Umgebung wird von Sutā als die entscheidende Bewährung für eine Ehefrau geschildert, da bestimmt sie ihr Schicksal. Und wenn sie so wirkt, dann ist sie für den Mann ein Engel, eine Göttin, sie bereitet ihm schon den Himmel auf Erden und erwirkt ihn sich selber nach dem Tode für lange Zeit im Jenseits.
In Vers 322 wird zwar einmal beiläufig von "edler Jüngerin" (ariya-sāvikā) gesprochen, aber vielleicht nicht im klassischen Sinne, also mindestens dem Kreis Stromeingetretener zugehörig (s. auch Anm. zu 309). Nach der späteren Verwischung der Begriffe scheint eine gläubige Jüngerin nichts anderes zu sein als eine Anhängerin (upāsikā) des Erwachten, um Geben und Tugend aus religiösem Vertrauen (Glauben) bemüht, ohne schon die vier edlen Wahrheiten begriffen haben zu müssen.