Note 97 zu D. 33
Die Lehre von der Auflösung der Persönlichkeit wird in der Mittleren Sammllung wiederholt vorgetragen, namentlich in der 109. Rede.
Andere wichtige Nachweise nebst Erklärung und Etymologie in den Bruchstücken der Reden, Anm. 1119 u. 231. In Verbindung damit steht die Lehre vom Verlieren der Selbstentwicklung, bis zum letzten Grade in der 9. Rede durchgeführt, als Entäußerung von aller natürlichen, eigentümlichen Beschränkung usw.
Kurz und bündig ist beides im Samyuttakanikāyo behandelt. «Wie muß wohl, o Herr», fragt ein Mönch, «die Kenntniss, wie das Verständnis sein, damit man die Ansicht von der Persönlichkeit, die Ansicht vom Selbst aufgeben kann?» - «Das Auge, Mönch», erwidert der Meister, «muß man als leidig erkennen, verstehn, als wesenlos erkennen, verstehn, damit man die Ansicht von der Persönlichkeit, die Ansicht vom Selbst aufgeben kann; die Formen, das Sehbewußtsein, die Sehberührung und was da irgend durch Sehberührung, Hörberührung, Riechberührung, Schmeckberührung, Tastberührung, Denkberührung bedingt hervorgehn mag und als wohl oder weh oder weder weh noch wohl empfunden wird, auch das muß man als leidig erkennen, verstehn, als wesenlos erkennen, verstehn, damit man die Ansicht von der Persönlichkeit, die Ansicht vom Selbst aufgeben kann. So muß da, Mönch, die Kenntnis, so das Verständnis sein, damit man die Ansicht von der Persönlichkeit, die Ansicht vom Selbst aufgeben kann.» Bd. IV S. 184f. (PTS 147f.)
Das aber heißt, wie Sāriputto oben sagt, der Persönlichkeit entronnen sein. Persönlichkeit, sakkāyo, und Erlöschung, nibbānam, sind im Anguttaranikāyo VI No. 85, einander gegenüber dargestellt, je nachdem man «dem Gemeinen zugetan ist und froh der Persönlichkeit», oder «dem Erlesenen zugetan ist und froh der Erlöschung.» Die Auflösung der Persönlichkeit kann im Dasein nur dem gelingen, der die höchsten Fähigkeiten in sich vollkommen entwickelt und ausgebildet und daher jede umschränkende Hemmung und Verwicklung, die ihn zu einer bestimmten Person machte, von sich abgestreift hat: so eben hat er die unpersönliche Freiheit verwirklicht, die ganze Natur überwunden. Das ist die Allmacht des Menschen.
Unsere sprachgeschichtliche Entwicklung des Begriffs der Persönlichkeit oder der sakkāyaditthi geht auf persona zurück, nämlich die Maske des Schauspielers, die Rolle, die er mimt, während er selbst, attā, dabei gar nicht in Betracht kommt: er stellt einen Körper vor, sakkāyarūpam. Er ist der māyākāro oder Illusionist, der dem Menschen im Bewußtsein den Zauber der Persönlichkeit vorgaukelt, bis man dahinterkommt, daß es eine Delusion, ein Trick, eitel Trug ist: Samyuttakanikāyo vol. III p. 142, übersetzt in meiner Buddhistischen Anthologie S. 192.