Note 103 zu D. 33

«Durch die Abkehr vom Willen wird Unsterblichkeit verwirklicht», sagt Gotamo: chandassa pahānāya amatam sacchikatam hoti, Samyuttakanikāyo vol. V p. 195 (PTS 181); was vergänglich, leidig, nichtig, wesenlos ist, mit Reiz versetzt, davon wird der Mönch den Willen abkehren, III 68-70 (76-79).

Darum empfiehlt auch Sāriputto den Jüngern, sie sollen, wenn sie gefragt werden, was ihr Meister verkündet, antworten: «Die Entwöhnung vom Willensreiz, ihr Brüder, verkündet unser Meister», chandarāga-vinayakkhāyī kho no āvuso satthā, ib. III 7. Der Wille als Herrscher über die Wünsche ist Selbstüberwinder; «eben durch den Willen wird der Wille überwunden: denn ist durch den Willen die Heiligkeit erreicht, so ist der Wille danach gestillt».

Wie aber das zustande kommt, wird vom ehrwürdigen Anando im Gespräch mit einem priesterlichen Gelehrten sehr einfach durch ein anschauliches und überzeugendes Gleichnis gezeigt. Der Bericht findet sich im letzten Bande des Samyuttakanikāyo 272f. (PTS 271) und lautet also:

«Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der ehrwürdige Anando bei Kosambī, in der Gartenstiftung. Da ist denn Unnābho der Priester zum ehrwürdigen Anando herangekommen. Dort angelangt hat er dem ehrwürdigen Anando höflichen Gruß dargeboten, freundliche, denkwürdige Worte gewechselt und beiseite Platz genommen. Beiseite sitzend wandte sich dann Unnābho der Priester also an den ehrwürdigen Anando: <Zu welchem Zwecke wird denn wohl, Herr Anando, beim Asketen Gotamo heiliges Leben geführt?> - <Zur Abkehr vom Willen wird, Priester, beim Erhabenen heiliges Leben geführt.> - <Gibt es aber auch, Herr Anando, einen Weg, gibt es einen Pfad, um sich von jenem Willen abkehren zu können?> - <Es gibt wohl, Priester, einen Weg, es gibt einen Pfad, um sich von jenem Willlen abkehren zu können.> - <Was ist das aber, Herr Anando, für ein Weg, was ist das für ein Pfad, wo man sich von jenem Willen abkehren könnte?> - <Da kann, Priester, ein Mönch das durch Innigkeit, Ausdauer und Sammlung des Willens erworbene Machtgebiet gewinnen, das durch Innigkeit, Ausdauer und Sammlung der Kraft erworbene Machtgebiet gewinnen, das durch Innigkeit, Ausdauer und Sammlung des Gemütes erworbene Machtgebiet gewinnen, das durch Innigkeit, Ausdauer und Sammlung des Prüfens erworbene Machtgebiet gewinnen. Das eben ist, Priester, der Weg, das ist der Pfad, wo man sich von jenem Willen abkehren kann.> - <Ist es also, Herr Anando, dann haben wir eine unendliche Linie und keinen Abschluß: denn daß einer sich eben durch den Willen vom Willen abkehren könnte, das gibt es nicht.> <Da darf ich wohl, Priester, eben hierüber eine Frage an dich richten: wie es dir gutdünkt magst du sie beantworten. Was meinst du wohl, Priester: hattest du vorher den Willen nach dem Garten zu gehn, und ist, nachdem du hergekommen, der Wille danach beschwichtigt?> - <Gewiß, Herr.> - <Hattest du vorher die Kraft nach dem Garten zu gehn, und ist, nachdem du hergekommen, die Kraft dazu beschwichtigt?> - <Gewiß, Herr.> - <Hattest du vorher das Gemüt nach dem Garten zu gehn, und ist, nachdem du hergekommen, das Gemüt dazu beschwichtigt?> - <Gewiß, Herr.> - <Hattest du vorher das Prüfen nach dem Garten zu gehn, und ist, nachdem du hergekommen, das Prüfen dazu beschwichtigt?> - <Gewiß, Herr.> - <Ebenso nun auch Priester, wenn da ein Mönch heilig geworden ist, ein Wahnversieger, Endiger, der das Werk gewirkt, die Last abgelegt, das Heil sich errungen, die Daseinsfesseln vernichtet, sich durch vollkommene Erkenntnis erlöst hat, so ist ihm was vorher Wille war heilig zu werden, nach erlangter Heiligung als Wille danach beschwichtigt; was vorher Kraft war heilig zu werden, nach erlangter Heiligung als Kraft dazu beschwichtigt; was vorher Gemüt war heilig zu werden, nach erlangter Heiligung als Gemüt dazu beschwichtigt, was vorher Prüfen war heilig zu werden, nach erlangter Heiligung als Prüfen dazu beschwichtigt. Was meinst du wohl, Priester: verhält es sich also, haben wir dann einen Abschluß und keine unendliche Linie?> - <Ja freilich, Herr Anando: bei solchem Verhältnisse haben wir einen Abschluß und keine unendliche Linie. Vortrefflich, Herr Anando, vortrefflich, Herr Anando! Als Anhänger möge mich Herr Anando betrachten, von heute an zeitlebens getreu.>»

Mit dem hier gegebenen Bericht ist nun noch die wichtige Zusammenfassung der verwandten Stellen über ebendiesen Willen, chando, zu vergleichen, die zu v. 865 in den Bruchstücken der Reden beigebracht wurde; weiterhin auch ebenda v. 1037 u. 1114. -

Sehr leicht verständlich und einleuchtend, sozusagen volkstümlich, ist das Verhältnis des Willens beim Menschen in einem Gespräch behandelt, das im Samyuttakanikāyo aufbewahrt ist, ed. Siam. vol. IV p. 400-404, PTS 327-330. Es wird da vermeldet, wie der Amtsrichter einer kleinen Stadt in die Umgebung aufs Land geht, dahin wo Gotamo auf der Wanderschaft gerade weilt. Als er den Mönch dort bemerkt, kommt er heran, verbeugt sich und nimmt beiseite Platz. Nun richtet er alsbald die Bitte an den Meister, ihn gütig aufklären zu wollen, wie Leiden entsteht und wie es vergeht. Also angegangen erwidert Gotamo, daß eine Aufklärung über das Entstehen und Vergehn des Leidens im Hinblick auf die Vergangenheit oder auf die Zukunft ihm etwa Zweifel und Bedenken erregen könnte. Daher wolle er ihm, so wie sie eben jetzt beisammen sitzen, das Entstehen und Vergehn des Leidens erklären: er möge auf seine Worte nur gehörig achtgeben. Jener Amtsrichter ist damit gern einverstanden, und Gotamo fragt ihn nun, ob es an seinem Orte Leute gebe, deren Tod oder Gefangennahme, Schaden oder Schande ihm Kummer, Jammer und Schmerz, Gram und Verzweiflung bereiten würden? Der Mann bejaht die Frage, und er bejaht auch die fernere Frage, ob es an seinem Orte auch Leute gebe, bei denen er dergleichen nicht weiter empfinden würde. Was ist aber, fragt ihn nun Gotamo, der Anlaß, was ist der Grund, daß er bei den einen Leuten so und bei den anderen Leuten anders empfindet? Zu den einen, antwortet der ehrliche Mann, verlangt ihn der Wille, und zu den anderen verlangt er ihn nicht. Das ist eine Sache, sagt hierauf Gotamo, die man augenblicklich einsehen und verstehen kann; hast du die gefaßt und ergründet, so kannst du nach Vergangenheit wie nach Zukunft hin den Schluß ziehen: Was auch irgend in vergangener Zeit an Leiden sich entwickelt hat, alles das war im Willen gewurzelt, aus dem Willen entstammt: denn der Wille ist die Wurzel des Leidens; und was auch irgend in künftiger Zeit an Leiden sich entwickeln wird, alles das wird im Willen gewurzelt, aus dem Willen entstammt sein: denn der Wille ist die Wurzel des Leidens. - Da ist jetzt der Besucher dort wundersam entzückt von dem treffenden Meisterwort. Innig ergriffen bestätigt er es gleich näher aus seiner eigenen Erfahrung und erzählt, wie sehr er an seinem Sohne hängt; der lebt an einem anderen Orte, und wenn er von Zeit zu Zeit einen Boten hinschickt um sich nach ihm zu erkundigen, so ist er bis zur Rückkunft immer in Angst, ob es dem Knaben noch wohlergehe, und er dächte gar sterben zu müssen, wenn dem etwas geschähe; und so ist er auch der Mutter des Knaben, seiner vielgeliebten Gattin, zärtlich zugetan und könnte ihren Verlust kaum ertragen; wie furchtbar wäre sein Kummer und Schmerz, sein Gram und seine Verzweiflung, wenn diesen teueren Wesen etwa ein Übel oder ein Unglück zustieße. Eben darum aber, schließt nun Gotamo das Gespräch, ist das den Umständen gemäß zu verstehen: Was irgend an Leiden sich entwickelt, alles das ist im Willen gewurzelt, aus dem Willen entstammt: denn der Wille ist die Wurzel des Leidens.

Den schon erfahrenen Jüngern gegenüber hat der Meister sich freilich noch feiner ausgesprochen, ibid. V p. 14f. (PTS 12f. fehlerhaft): «Da ist der Wille ungestillt, die Erwägungen sind ungestillt, die Wahrnehmung ist ungestillt: dadurch bedingt aber ist Empfinden; da ist der Wille gestillt, die Erwägungen sind gestillt, die Wahrnehmung ist gestillt: und auch dadurch bedingt ist Empfinden. Das Unerreichte zu erreichen kann man sich mühn (atthi vāyāmam); ist aber dieser Zustand erreicht, so ist auch dadurch bedingt Empfinden.»


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