Dhp.
- "Wenn üble Taten tut der Tor,
- und seines Tuns nicht wird bewusst,
- dann quälen seine Taten ihn,
- den Tor, als ob ihn Feuer brennt."
- "Wie Honig süß dünkt es dem Tor,
- solang' das Böse nicht gereift;
- ist aber böse Tat gereift,
- dann schreitet auch das Leid heran."
In diesen Zeiten des Leidens können Kummer, Jammer, Schmerz, Gram und Verzweiflung, Sorge und Not, Schlaflosigkeit und Zwiespalt, Behinderung und Armut, Bedrückung, Furcht, Angst und viele andere Nöte und Schmerzen so übermächtig werden, dass der Mensch weder aus noch ein weiß. Dann bedarf es eines unendlich mühevollen und lang anhaltenden Einsatzes guter Gedanken, guter Worte und guter Werke, um diese düsteren Schichtungen aufzulockern, zu erhellen und den bösen Bann zu brechen, den falsches Denken, Sprechen und Handeln auf Geist und Leben des Menschen gelegt haben. Es bedarf dann eines rechten und sittlichen Lebenswandels, um diese eigene Verschuldung wieder auszugleichen. Meiden des Unrechten und Tun des Rechten wird in richtiger Erkenntnis der in allen Handlungen liegenden Eigengesetzlichkeit zur Richtschnur des Lebens. [23] Wer es im Leben gut haben will, besagt die Karmalehre, muß schon selbst gut sein oder es immer wieder selbst werden wollen. Für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gilt, dass der Mensch das erntet, was er gesät hat.
"Bedachtes Wirken, wer das in Taten, in Worten, in Gedanken als freudig zu Empfindendes vollführt, der empfindet Freudiges.
Bedachtes Wirken, wer das in Taten, in Worten, in Gedanken als leidig zu Empfindendes vollführt, der empfindet Leidiges.
Bedachtes Wirken, wer das in Taten, in Worten, in Gedanken als weder-leidig-noch-freudig zu Empfindendes vollführt, der empfindet weder Leidiges noch Freudiges."
Weil die Summe des Schlechten in vielen Menschen überwiegt—denn dem natürlichen Gefälle überlassen, neigt der Mensch viel mehr zum falschen und indifferenten als zum guten Handeln—ist es notwendig, das Gute so viel als möglich zu tun und die Tugend in immer wachsendem Maße zu pflegen.
Es vermag also nicht das einmal am Abend oder am Morgen gesprochene Gebet, oder der sonntägliche Kirchgang eine Wandlung herbeizuführen, wenn zur anderen Zeit immer wieder indifferentes oder gar ungutes Wirken am Werke ist, sondern nur die Beständigkeit richtigen Denkens, Sprechens und Handelns, sich selbst und der Umwelt gegenüber, wobei das richtige Denken am wichtigsten ist.
- "Schritt um Schritt, Stück für Stück,
- Stunde für Stunde soll der Weise sein Selbst
- vom Unreinen läutern, so wie der Silberschmied
- das Silber läutert." Dhp.
Weil auch der "beste Mensch" von dem in ihm liegenden Schlechten jederzeit neu überwältigt werden kann, ist aller rechte Wandel in der Heilslehre des Buddha keine von außen kommende Forderung, sondern eine aus innerster Erkenntnis gewonnene Notwendigkeit.
Eine ewige Seligkeit gibt es dem Karmagesetz zufolge darum ebenso wenig wie eine ewige Verdammnis. Gutes Tun schafft zwar gute, selige Zustände, aber keine ewige Seligkeit. Andererseits hat auch der schlechteste Mensch nach der Karmalehre die Möglichkeit und den freien Willen, sein Leben durch unablässig gutes Denken, Sprechen und Handeln zu verbessern und verfällt dann keiner ewigen Verdammnis.
Wenn sich das gute Tun nicht sofort erfüllt, liegt es nur daran, dass zu viel Falsches hindernd im Wege steht. Dann ist die Summe des Falschen und Schlechten übermächtig, und es bedarf mühevoller und zäher "Arbeit an sich selbst und unendlicher Güte zu allen Wesen", um die früher begangenen Fehler auszumerzen und so dem Guten zum Durchbruch zu verhelfen. Eine Möglichkeit, die nur im menschlichen Dasein liegt.
Oft ist es körperliche Belastung, die mehr oder weniger hemmend sein kann, je nachdem der Körper "erbmäßig" gestaltet ist. Welch eine Fülle von gutem Karma zum Beispiel tritt zutage in einem gut gestalteten Körper, einem guten Aussehen, einem schönen Antlitz, einer herrlichen Stimme, guter Gesundheit, und welche Tragik, oder schweres Schicksal, wenn Verunstaltung, Hässlichkeit und Krankheit "in die Wiege gelegt sind". Hier sowohl wie bei jeder anderen karmischen Belastung ist der erste Schritt zur Wandlung und Aufbesserung des Karmas das Aufsichnehmen der Schuld, die Anerkenntnis des Schattens mit der selbstauferlegten, also freiwilligen Buße zur Schicksalsänderung, der Sühne für einmal begangenes Unrecht. Bei schwerem körperlichem Mißgeschick hilft nicht allein das Pflästerchen der Medizin, die jährliche Badekur oder die ärztlich vorgeschriebene Diät. Der karmischen Belastung entsprechend wird vielmehr die "Arbeit an sich" oftmals weit ausholend sein müssen—als Vegetarismus vielleicht, oder sogar als Rohkosternährung, als Fletschern, oder als Fasten, kurz als radikale Ernährungsumstellung. Lebensänderung, Verzicht, Entsagung, einfaches Leben sind notwendig, damit durch diese selbst auferlegte Buße der Körperhaushalt wieder in Ordnung kommt und sich die körperliche Belastung bessert.
Schwere, sogenannte "seelische" Störungen, wie sie sich durch die einseitige, zunehmende Bewußtseinentwicklung als innere Zerrissenheit' Nervosität, Schlaflosigkeit, quälende Träume, Angstgefühle anzeigen, verlangen Entspannungsübungen, autogenes Training, Psychoanalyse mit Verlangsamung und Vereinheitlichung der ganzen Lebensinteressen, um hier grundlegende Ordnung als Maß und Mitte wieder herzustellen derart, dass in ruhigem Daseinsablauf jenes friedvolle und in die tiefe gehende Dasein ermöglicht wird, auf dem sich erst ein besseres Leben aufbauen und jenes notwendige Umweltverhalten erzeugen kann, das äußeren und inneren Frieden gibt.
Die dritte grobe karmische Belastung ist in der geistigen Verschuldung als Ichhaftigkeit und Machtdünkel zu suchen, hervorgerufen durch Überentwicklung des Intellekts. Hier wird die Gesinnungsänderung und damit Karmaänderung als Demut, Bescheidenheit, Vertrauen, als Erweckung des Gefühls, als innere Stille und Zuwendung zu Heiligen und Erleuchteten der erste Schritt sein, die geistige Verkrampfung zu lösen und jene innere Aufgeschlossenheit zu erreichen, die als Ehrfurcht vor Heiligen und als Achtsamkeit im Denken, Sprechen und Handeln ein neues, besseres Karma zu gestalten in der Lage ist, auf welcher Grundlage sich dann erst der Buddhaweg erkennen und beschreiten läßt.
Im Trümmerfeld begrabener Hoffnungen und Wünsche und auf dem Kranken- und Schmerzenslager durchwachter Nächte muß von neuem Baustein auf Baustein rechten Denkens, rechten Sprechens und rechten Handelns geschichtet werden, bis wieder ein richtiges, besseres Dasein aufgebaut ist. Und oft müssen Schmerzen und Leiden das Dasein zerfurcht haben, bis der gute Same überhaupt erst gesät werden kann. Aber der Lohn solcher Mühen bleibt nicht aus. Karma, das Gesetz des eigenen Wirkens, wirft den Menschen bei falschem Handeln zwar zu Boden, es richtet ihn aber auch wieder auf, wenn das rechte Tun genügend lange und erfolgreich geübt wird.
Mit irgendwelchen positiven Suggestionsformeln allein ist nichts getan. Sie führen nur zu oft zum Selbstbetrug und zu Überwertigkeitskomplexen, wie eine pessimistische Lebensauffassung zu Minderwertigkeitskomplexen führt. Solche Formeln haben nur Wert in Verbindung mit anhaltendem richtigem Denken, Sprechen und Handeln.
Der Mensch, seinen selbst verursachten Fehlern und deren Erfolgen unterworfen, hat aber die Möglichkeit, sich jederzeit frei zu entscheiden. Mag er tausendmal straucheln, verzagen oder im Augenblick der Schwäche gehemmt sein, an ihm selbst ist es, immer wieder aufzustehen, neu anzusetzen und den Weg im richtigen Denken, richtigen Sprechen und richtigen Handeln zu gehen. Dieser allein richtige Weg gilt als der Weg der Mitte, der Buddhaweg. [24]
Die buddhistische Karmalehre ist keine fatalistische Lehre. Sie weckt im Gegenteil den freien Willen und gibt Hoffnung, auch aus verzweifelten Lagen wieder den Ausweg zu finden. Richtig erkannt, leitet sie den Menschen zum rechten Streben aus eigenem Antrieb heraus, zur "Arbeit an sich selbst und zu Güte und Wohlwollen allen Wesen gegenüber". Immer hat es ja der Mensch mit sich selbst und der ihn umgebenden Umwelt zu tun.
Die Karmalehre ist die Lehre von der Selbstverantwortlichkeit, in der das eigene sittliche Streben und die sittlichen Forderungen der Religionen eine vernunftgemäße Begründung finden. Wir können immer nur uns selbst, nie aber die Welt verbessern. Das Gesetz des Karma bedeutet: "Jedem das Seine, nicht das Gleiche", denn "Das höchste Gesetz in der Natur ist Ungleichheit, die Ungleichheit der Sankhara" (Triebkräfte). [25]
Auf das menschliche Tun bezogen, ist Karma das Gesetz der ausgleichenden Gerechtigkeit, das—so hart es klingen mag—nur dort Not, Elend, Krankheit und Armut verhängt, wo der rechte Weg verlassen wurde. Wo und wann dies geschah, entzieht sich nur zu oft der Erkenntnis. Jedes Tun gilt als schicksalsgestaltend und wird damit höchst bedeutungsvoll. Der Mensch selbst—niemand anders—hat sein Leben in der Hand und ist selbst seines Schicksals Schmied. Auf ihn selbst kommt es an, auf die kleinste innere und äußere Regung, auf das geringste Wort und auf die scheinbar nebensächlichste Tat, hier und jetzt, in diesem Augenblick.
- "Das Selbst ist nur des Selbstes Herr,
- wer anders sollte Herr denn sein."
Unter Tat ist—wie bereits erwähnt—stets die Tat in Gedanken, Worten und Werken zu verstehen.[26] Dabei wird die Gedankentat—entgegen abendländischer Auffassung—als die grundlegende angesehen. Der Gedanke ist die primäre Tat, Wort und Handeln sind nur sekundäre Folgen. Die Vorstellungen und Ideen (Gedanken) sind es, durch die alle Dinge erschaffen werden.
"Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht." (Marc Aurel.) "Worin wir imaginieren, das sind wir", sagt Paracelsus. Und Dahlke: "Das Mächtigste von allem was ist, ist der Mensch und am Menschen das Mächtigste ist der Gedanke." "Größer als alle physischen Gefahren sind die gigantischen Wirkungen der (Wahn-) Vorstellungen. Unsere hochgepriesene Vernunft und unser maßlos überschätzter Wille erweisen sich gegebenenfalls als machtlos gegenüber den ,unrealen' Gedanken." (C. G. Jung.)
"Auch nicht irgend etwas kenne ich, ihr Mönche, das ungezügelt, unbehütet, unbewacht, unbezähmt zu so großem Verderben führte, wie die Gedanken.
Wahrlich, die Gedanken, die nicht gezügelt, nicht behütet, nicht bewacht, nicht bezähmt sind, führen zu großem Verderben.
Auch nicht irgend etwas kenne ich, ihr Mönche, das gezügelt, behütet, bewacht, bezähmt zu so hohem Segen führte, wie die Gedanken.
Wahrlich, die Gedanken, die gezügelt, behütet, bewacht, bezähmt sind, führen zu hohem Segen." Ang. Nik.
Das Leid, unter dem der Mensch heute seufzt, ist eine mittelbare oder unmittelbare Folge falschen Denkens. Wenn den Menschen die Auswirkungen seines falschen Denkens überfallen, fragt er nach dem Warum. Immer sind dann die andern schuld; sein Denken will niemand ändern. Und doch liegen die Ursachen aller Schuldverkettung im Denken:
- "Was uns trifft, entsprießt dem Denken,
- geht aufs Denken stets zurück.
- Was uns trifft, quillt aus dem Denken,
- Denken regelt die Geschicke.
- Wenn wir, bösem Denken dienstbar,
- Worte oder Taten schufen,
- folgt das Leid dem Weltenlaufe,
- wie das Rad des Zugtiers Hufen."
- "Was uns trifft, entsprießt dem Denken,
- geht aufs Denken stets zurück.
- Was uns trifft, quillt aus dem Denken,
- Denken regelt die Geschicke.
- Wenn wir, gutem Denken dienstbar,
- Worte oder Taten schufen,
- folgt das Glück dem Weltenlaufe
- wie das Rad des Zugtiers Hufen." Dhp.
Beachtenswert ist auch ein Ausspruch des Angelus Silesius:
- "Mensch, was du denkst,
- in das wirst du verwandelt werden.
- Gott wirst du, denkst du Gott;
- und Erde, denkst du Erden."
Und Dahlkes: "Lehrt die Menschen anders denken und ihr braucht sie nicht lehren, anders zu handeln." Es muß daher die leiseste Regung zu schlechten Gedanken "betrachtend und betrachtend" bekämpft, die Neigung zu guten Gedanken aber "betrachtend und betrachtend" gefördert werden, denn:
- "Nicht in den Lüften, nicht in Meeresmitte,
- nicht in der Berge Höhlen Zuflucht nehmend,
- nicht gibt es einen solchen Erdenflecken,
- wo fußend man von böser Tat sich löste." Dhp.
Das Karmagesetz gilt als das Grundgesetz des "diesseitigen" und des "jenseitigen" Lebens, wo die schlechten Gedanken als schreckenerregende und die guten Gedanken als herrliche Urbilder und Wirkensformen vorhanden sind. Weit umfassender und damit schicksalsschwerer als die kleine, kurze und so wandelbare Welt des Bewußtseins (mythologisch = Diesseits) ist die große, lange und weit beständigere Welt des Unbewußten (mythologisch = Jenseits), mit den weit schwereren karmischen Folgen und dem "Erleben der Wirklichkeit", auf die alle Religionen verweisen. Das Karmagesetz wird von der gesamten Wissenschaft und jedem denkenden Menschen als Kausalitätsgesetz anerkannt. Der Ausbau dieses Gesetzes und seine religiöse Vertiefung sind jedoch dem Osten vorbehalten geblieben; und nur dort sind die letzten Konsequenzen gezogen und in den Lebenslehren verarbeitet worden.
Ein von Goethe geprägter, aber kaum bekannter Satz lautet: "Wenn wir nach Innen das unsrige getan haben, wird sich das Nachaußen von selbst ergeben." Die darin enthaltene, bei uns nur wenig angestrebte Weisheit ist im Osten Allgemeingut und Selbstverständlichkeit. In seiner "Leuchte Asiens" hat ein Abendländer, Sir Edwin Arnold, diesem Karmagedanken dichterischen Ausdruck verliehen:
- "Oh, Amitayu, miß mit Worten nicht
- was unermeßlich, nicht mit Denken steig'
- ins Unergründliche: es irrt, wer fragt
- und wer erwidert. Schweig'!
- Es lehrt die Schrift, zuerst war Finsternis
- und grübelnd Brahma in der Nacht allein;
- sucht nicht nach Brahma, nach dem Anfang nicht!
- Nicht ihn, noch Lichtes Schein
- Wird je ein Forscher seh'n mit Menschenaug',
- mit Menschengeist ein Sucher finden; ob
- auch Hüll' um Hülle fällt, dahinter stets
- bleibt Hüll' um Hülle noch.
- Die Sterne zieh'n, sie fragen nicht. Genug,
- daß Tod und Leben, Freud' und Leid nicht ruht;
- Ursach' und Wirkung und der Lauf der Zeit,
- des Seins rastlose Flut,
- Die immer wechselnd rollt, gleichwie ein Strom,
- der Well' auf Well', bald schnell, bald langsam fließt,
- derselb' und nicht derselbe, von dem Quell
- bis wo er sich ergießt
- Ins weite Meer. Das dampft zur Sonne auf
- und gibt zurück die Well', im Wolkennaß
- hernieder rieselnd zu erneutem Lauf
- ohn' Rast und Unterlaß.
- Genug zu wissen ist's: Der Schein besteht,
- Welt, Erd' und Himmel, ew'gen Wechsels Feld,
- ein mächtig Wirbelrad von Kampf und Streit,
- das niemand hemmt noch hält.
- Nicht betet! Kein Gebet erhellt die Nacht!
- Nicht fraget! Ew'ges Schweigen bleibet stumm
- Quält nicht den Sinn mit frommer Pein!
- Ihr Brüder, Schwestern, um
- Hilfloser Götter Gnade flehet nicht
- mit Hymnen, Früchten, Backwerk oder Blut!:
- Ihr seid euch Kerker selbt,—ein jeder such'
- in sich der Freiheit Gut!
- Ein jeder hat die höchste Herrschgewalt
- bei Mächten, droben, drunten, allezeit,
- bei allem Fleisch und aller Kreatur,
- Tat wirket Lust und Leid.
- Zulezt wird zum Zuerst, die Zukunft kommt
- bald gut, bald böse—aus Vergangenheit,
- die sel'gen Engel ernten nur die Frucht
- vergangner Heiligkeit.
- Es leiden Teufel, in der Unterwelt
- für Missetaten, deren Zeit verblich:
- Nichts dauert! Tugend trübt sich mit der Zeit
- und Sünde läutert sich.
- Wer sich als Sklave mühte, wird vielleicht
- als Fürst einst ernten frommen Lebens Saat;
- wer König einst, büßt nun in Lumpen, was
- er unterließ und tat.
- Wohl mögt ihr höher heben euch als Gott
- und tiefer sinken als der Wurm, die Mück‘,
- Myriaden Seelen legen diesen Lauf,
- Myriaden den zurück.
- Allein, wie unsichtbar das Rad sich dreht,
- kann Frieden nicht, noch Rast, noch Ruh' ersteh'n;—
- wer steigt, muß fallen,—steigen, wer da fällt,
- wie sich die Speichen drehn".
Mit dem Leid, das der Mensch einem andern Wesen zufügt, schadet er rückwirkend sich selbst. Denn Gedanken des Hasses, harte Worte und falsche Taten rufen nicht nur Gegenmaßnahmen hervor, die früher oder später zur Auswirkung kommen, sondern auch eine unheilvolle Verschlechterung des eigenen Innern. Diese Erkenntnis führt den Buddhisten so weit, daß selbst Schmähungen der eigenen Religion mit Gleichmut hingenommen werden sollen:
"Wenn andere, ihr Mönche, zu meiner Unehre reden oder zur Unehre der Lehre oder zur Unehre der Mönchschaft, so darf euch darüber nicht Ärger und Verdruß und Unzufriedenheit des Geistes anwandeln.
Wenn andere, ihr Mönche, zu meiner Unehre reden oder zur Unehre der Lehre oder zur Unehre der Mönchschaft, und ihr wolltet darüber zornig oder niedergeschlagen sein, so wäre das nur euer eigener Schaden." [27] Digh. Nik.
- "Die Menschen seh'n es selten ein,
- daß Dulden uns geduldig macht."
Den Hindernissen und Schicksalsschlägen von heute liegen immer irgend-wann, -wie und -wo begangene eigene falsche Handlungen zugrunde. Das ist Gesetz, ist Karma. [28]
"Drei Botschaften senden die Götter, ihr Mönche. Welche drei sind das?
Da wandelt jemand übel in Gedanken, Worten und Werken. Wegen solch' üblen Wandelns in Gedanken, Worten und Werken geht er, wenn sein Leib zerbricht, jenseits des Todes den Unglücksweg, den bösen Gang zur Verdammnis, zur Hölle. Den ergreifen, ihr Mönche, die Höllenwächter hier und dort an den Armen und bringen ihn vor den König Yama (den Totengott und Totenrichter in der indischen Mythologie): Herr, dies ist ein Mann, der Vater und Mutter nicht geehrt hat, der Asketen und Brahmanen nicht geehrt hat, der den Ältesten seines Geschlechtes keine Ehre erwiesen hat. Über den mögest du, Herr, Strafe verhängen!
Dann befragt ihn und verhört ihn und redet mit ihm König Yama von der ersten Götterbotschaft: Sage mir, Mann, hast du nicht gesehen, wie unter den Menschen die erste Götterbotschaft erschienen ist?
Und er antwortete: Das habe ich nicht gesehen, Herr!
Dann spricht König Yama zu ihm: Sage mir, Mann, hast du nicht unter den Menschen eine Frau oder einen Mann gesehen, achtzig oder neunzig oder hundert Jahre alt, Greis, gekrümmt wie ein Giebeldach, gebückt, auf einen Stab gestützt einher wandernd, schwach, der Jugendkraft bar, mit gebrochenen Zähnen, ergraut, kahl, wackelnden Kopfes, runzlig und an allen Gliedern mit Flecken bedeckt?
Und er antwortet: Das habe ich gesehen, Herr!
Dann spricht der König Yama zu ihm: Sage mir, Mann, da du doch verständig genug und alt genug warst, hast du da nicht zu dir gesagt: Auch ich bin dem Alter unterworfen und von des Alters Macht nicht frei. Wohlan denn, ich will Gutes tun in Gedanken, Worten und Werken?
Und er antwortet: Das hab' ich nicht vermocht, Herr. Das hab' ich im Leichtsinn versäumt!
Dann spricht König Yama zu ihm: Höre, Mann, aus Leichtsinn hast du nichts Gutes getan in Gedanken, Worten und Werken. Wahrlich, Mann, man wird dir tun, wie einem Leichtsinnigen gebührt.
Deine bösen Taten hat nicht deine Mutter getan und hat nicht dein Vater getan, nicht dein Bruder und deine Schwester, nicht deine Freunde und Hausgenossen und nicht deine Verwandten und Blutsfreunde, nicht Götter, nicht Asketen und Brahmanen. Du allein hast deine bösen Taten getan, und du allein sollst deinen Lohn ernten.
Wenn König Yama ihn so, ihr Mönche, über die erste Götterbotschaft befragt und verhört und davon mit ihm geredet hat, befragt und verhört er ihn und redet mit ihm von der zweiten Götterbotschaft:
Sage mir, Mann, hast du nicht gesehen, wie unter den Menschen die zweite Götterbotschaft erschienen ist?
Und er antwortet: Das habe ich nicht gesehen, Herr!
Dann spricht König Yama zu ihm: Sage mir, Mann, hast du nicht unter den Menschen eine Frau oder einen Mann gesehen, krank, leidend, voll schweren Siechtums, daliegend in seinem eigenen Urin und Kot, von anderen aufgerichtet, von anderen niedergelegt?
Und er antwortet: Das habe ich gesehen, Herr!
Dann spricht König Yama zu ihm: Sage mir, Mann, da du doch verständig genug und alt genug warst, hast du da nicht zu dir gesagt: auch ich bin der Krankheit unterworfen und von der Krankheit Macht nicht frei. Wohlan denn, ich will Gutes tun in Gedanken, Worten und Werken?
Und er antwortet: Das hab' ich nicht vermocht, Herr! Das hab' ich im Leichtsinn versäumt!
Dann spricht König Yama zu ihm: Höre, Mann, aus Leichtsinn hast du nichts Gutes getan in Gedanken, Worten und Werken. Wahrlich, Mann, man wird dir tun, wie einem Leichtsinnigen gebührt!
Deine bösen Taten hat nicht deine Mutter getan und hat nicht dein Vater getan, nicht dein Bruder und nicht deine Schwester, nicht deine Freunde und Hausgenossen und nicht deine Verwandten und Blutsfreunde, nicht Götter, nicht Asketen und Brahmanen. Du allein hast deine bösen Taten getan, und du allein sollst deinen Lohn ernten.
Wenn König Yama ihn so über die zweite Götterbotschaft befragt und verhört und davon mit ihm geredet hat, befragt und verhört er ihn und redet mit ihm von der dritten Götterbotschaft:
Sage mir, Mann, hast du nicht gesehen, wie unter den Menschen die dritte Götterbotschaft erschienen ist?
Und er antwortet: Das hab' ich nicht gesehen, Herr!
Dann spricht König Yama zu ihm: Sage mir, Mann, hast du nicht unter den Menschen eine Frau oder einen Mann gesehen, tot seit einem Tage oder tot seit zwei Tagen oder tot seit drei Tagen, geschwollen, voll blauer Flecken mit fauligem Ausfluß?
Und er antwortet: Das hab' ich gesehen, Herr!
Dann spricht König Yama zu ihm: Sage mir, Mann, da du doch verständig genug warst und alt genug warst, hast du da nicht zu dir gesagt: Auch ich bin dem Tod unterworfen und von des Todes Macht nicht frei. Wohlan denn, ich will Gutes tun in Gedanken, Worten und Werken?
Und er antwortet: Das hab' ich nicht vermocht, Herr. Das hab' ich aus Leichtsinn versäumt!
Dann spricht König Yama zu ihm: Höre, Mann, aus Leichtsinn hast du nichts Gutes getan in Gedanken, Worten und Werken. Wahrlich, Mann, man wird dir tun, wie einem Leichtsinnigen gebührt.
Deine bösen Taten hat nicht deine Mutter getan und hat nicht dein Vater getan, nicht dein Bruder und nicht deine Schwester, nicht deine Freunde und Hausgenossen und nicht deine Verwandten und Blutsfreunde, nicht Götter, nicht Asketen und Brahmanen. Du allein hast deine bösen Taten getan, und du allein sollst deinen Lohn ernten." Majjh. Nik.
Eine weitere Vertiefung erfährt die Karmalehre durch ihre Ausweitung auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, also über den Rahmen des gegenwärtigen Lebens hinaus:
"Wie ein Stab, ihr Mönche, den man in die Höhe wirft, einmal mit seinem unteren Ende zum Boden niederfällt, einmal mit der Mitte und einmal mit der Spitze, so steht es auch, ihr Mönche, mit den Wesen, die gehemmt von Nichtwissen und gefangen vom Durst umherirren und wandern. Das eine Mal gehen sie von dieser Welt zum Jenseits, das andere Mal kehren sie vom Jenseits zu dieser Welt zurück." [29] Samy. Nik.
Nur aus der Schuld der Vergangenheit kann manches schwere Geschick als deren Auswirkung in der Gegenwart verstanden werden, wobei unter "Vergangenheit" auch frühere Daseinsformen zu verstehen sind. Die Frage, warum es oft den bösen Menschen so gut und den guten Menschen schlecht ergeht, findet in der Karma- und Wiedergeburtslehre ihre rechte Beantwortung: sie ernten heute, was sie früher säten. Wer sich heute des Wohlergehens erfreut, erntet die Früchte früheren Guttuns; wer heute unter schlechten Verhältnissen leidet, erntet die Früchte früherer schlechter Taten. Das hat nicht nur Bezug auf das jetzige Leben, sondern auch auf frühere und gilt ebenso für spätere Leben.
„Wenn man die Welt betrachtet und über die Geschicke der Lebewesen nachdenkt, erscheint es den meisten Menschen, als ob alles in der Natur ungerecht sei. "Warum", sagen die einen, "ist der eine Mensch reich und mächtig und der andere arm und notleidend? Warum ist der eine Zeit seines Lebens gesund und wohlauf, und der andere vom Tage seiner Geburt an krank und schwach? Warum ist der eine mit einer guten Erscheinung, mit Intelligenz und vollkommenen Sinnen ausgestattet, während ein anderer abstoßend und häßlich, ein Idiot, oder blind und taubstumm ist?
Warum wird ein Kind in größtem Elend und unter armseligsten Leuten geboren oder als Verbrecher aufgezogen, während ein anderes Kind mitten in Reichtum und Komfort, von ehrenvollen Eltern geboren wird und all die Vorteile einer freundlichen Behandlung und der besten geistigen und moralischen Erziehung genießt und nichts anderes um sich herum sieht als all die guten Dinge? Warum gelingen dem einen alle seine Unternehmungen, oft ohne die geringsten Anstrengungen, während die Pläne eines anderen stets fehl gehen? Warum ist der eine glücklich und der andere unglücklich? Warum kann der eine in Luxus leben, während der andere in Armut und Elend leben muß? Warum kann der eine ein langes Leben genießen, während ein anderer in der Blüte seines Lebens vom Tode dahin gerafft wird? Warum ist das so? Warum bestehen solche Unterschiede in der Natur?
Von all den Umständen, welche das Geschick eines Wesens formen, kann nach der Lehre des Buddha keiner ohne vorherige Ursache und ohne das Vorhandensein zahlreicher notwendiger Bedingungen in Erscheinung treten. Wie z. B. aus einem faulen Mangobaum niemals ein gesunder Mangobaum mit gesunden, süßen Früchten entstehen kann, so sind die in einem früheren Leben gezeugten, böswilligen Taten, oder Karma, die Keime oder Wurzelursachen des schlechten Geschickes eines späteren Lebens. Es ist eine notwendige Folgerung logischen Denkens, daß die guten und schlechten Geschicke der Wesen sowohl wie ihre latenten Eigenschaften, nicht das Produkt eines bloßen Zufalls, sondern die notwendige Folge einer vorherigen Lebensperiode sind. Nach der Lehre des Buddha kann keine organische Wesenheit ohne vorherige Ursache eine physische oder psychische Existenz erlangen; d. h. ohne einen vorausgegangenen gleichartigen Zustand, aus dem sie sich entwickelt hat. Ein lebendiges organisches Wesen kann auch nicht durch irgend etwas absolut außerhalb seiner selbst Liegendes in Erscheinung getreten sein. Es kann nur aus sich selbst entstehen, d. h. es muß schon einmal im Ursprung oder Keim so ähnlich, wie es ist, bestanden haben. Außerdem bedarf es neben diesen Haupt- und Wurzelbedingungen noch einer großen Menge von weniger wichtigen Bedingungen, welche es für sein eigentliches Entstehen und seine Entwicklung und Entfaltung (darüber hinaus auch noch Erde, Wasser, Licht, Hitze etc.) benötigt. Also führt die wahre Ursache der Geburt eines Wesens mitsamt seinen Eigenschaften und seinem Geschick auf die karmische Willenskraft zurück, die in einem vorausgegangenen Leben erzeugt wurde.—
Das sog. gegenwärtige Leben ist die Wiederspiegelung des vergangenen, und das zukünftige Leben die Wiederspiegelung des gegenwärtigen. Oder das gegenwärtige Leben ist das Ergebnis der vergangenen Karmatätigkeit und das zukünftige Leben das Ergebnis der gegenwärtigen Karmatätigkeit.
Der Buddhismus lehrt, daß, wenn in dem vorausgegangenen Leben das körperliche, sprachliche und geistige Karma oder die Willenstätigkeiten böswillig und niedrig sind und somit den unterbewußten Seelen- oder Lebensstrom ungünstig beeinflußt haben, auch die Ergebnisse im gegenwärtigen Leben unangenehm und schlecht sein müssen. Und so müssen auch der Charakter und die neuen Taten, die durch die böswilligen Bilder und Vorstellungen des unterbewußten Lebensstromes veranlaßt oder bedingt sind, ebenso unangenehm und schlecht sein. Wenn die Wesen jedoch in den früheren Leben gute Saaten gesät haben, so werden diese im gegenwärtigen Leben zu guten Früchten reifen." (Nyanatiloka)